Und zur Abwechslung mal ein paar Worte zur englischen "Konkurrenz", namentlich zu der Doppel-CD The Lost Plays. Enthalten sind drei schon etwas betagtere BBC-Produktionen:
Butter in a Lordly Dish (1956, dt. Legale Tricks) Die WDR-Produktion "Legale Tricks" von 2001 konnte mich nicht so ganz begeistern. Zu neuzeitlich-spartanisch und mit relativ farblosen Stimmen besetzt kam diese Deutschland-Premiere daher, obwohl man dem Sender immerhin guten Willen bescheinigen konnte, und auch das Skript schien mir etwas schwach auf der Brust. Zumindest letzteren Punkt konnte "Butter in a Lordly Dish" ausräumen, denn auch, wenn es immer noch eine eher durchschnittliche Arbeit von Agatha Christie ist, so wirkt das Original doch um einiges runder. Denn, oh Wunder, der WDR hat bei der Übersetzung an einigen Stellen die Schere angesetzt. Kann man dieses Vorgehen bei diversen Anspielungen auf die Handlungszeit (Post-WWII) noch nachvollziehen, so schadet es der Geschichte doch immens, daß eine kurze Unterhaltung Sir Lukes mit der Freundin seiner Frau, die seinen allgemeinen Hang zur Untreue thematisiert, gekappt wurde. Noch schwerer wiegt aber, daß auch im Finale einige durchaus nicht unbedeutende Hintergründe zur Garfield-Mordserie wegfielen und der Höhepunkt - verglichen mit dem Original - doch mehr als zahm inszeniert wurde. So ist in diesem Fall die BBC-Version der des WDR eindeutig vorzuziehen. Funfact am Rande - Neben Sir Luke gibt es im Original nur eine weitere männliche Sprechrolle, einen Gepäckträger am Bahnhof. Der Butler der Enderbys ist ein (ziemlich grantiges) Hausmädchen.
Personal Call (1960, dt. Die Stimme aus dem Grab) Bei "Personal Call" verhält es sich genau umgekehrt. Die deutsche Fassung leidet zwar unter einem schlechten Textbuch (hölzerne Dialoge, Kürzungen, Fehler, Zudichtungen) und ist recht spartanisch inszeniert, hat dafür aber fabelhafte Sprecher an Bord und erzeugt gerade in ihrem Minimalismus eine dichte Atmosphäre. Das Original hat nichts davon. Die Sprecher agieren heftig auf Tempo und lassen dem Zuhörer keine Zeit, die Dialoge wirken zu lassen, und gerade bei der wichtigen Rolle der Fay hat man mit Rice Bevan eine glatte Fehlbesetzung (oder eine grottige Regie) zu verbuchen, denn so gelangweilt-desinteressiert, wie die ihre Texte runterleiert, glaubt man keine Sekunde an eine "Stimme aus dem Grab". Dazu kommt noch eine absolut lausige Effektarbeit, die in der deutschen Fassung deutlich besser gelöst wurde. Ein heiteres Grinsen bleibt allenfalls noch für Barbara Lotts Darbietung als Pam, da sie mit einem sehr dick aufgetragenen schottischen Akzent agiert (den hatte sie bei "Butter in a Lordly Dish" nicht) sowie den sehr heftigen Cockney-Dialekt von Vivienne Chatterton als Mrs. Lamb. Netterweise kann der in englischen Dialekten nicht ganz so bewanderte Zuhörer sich übrigens auch eine PDF mit dem Skript ausdrucken, die sich auf der CD befindet (und die offenbart, daß Christie für die Dinnerparty am Anfang sogar 3 Seiten "Hintergrunddialog" verfaßt hat, aber auch, daß die Senderredaktion schon im Original einige Dialoge herausgestrichen hat). Dennoch tritt hier einmal der seltene Fall ein, daß die deutsche Fassung besser ist.
Murder in the Mews (1955, keine dt. Fassung) Dieses Poirot-Abenteuer hat es da etwas leichter, denn davon gibt es keine deutsche (Hörspiel-)Version. Hier handelt es sich um eine patente, auf den damaligen Standards produzierte Umsetzung der gleichnamigen Novelle (für eine Kurzgeschichte ist sie doch recht lang) mit guten Sprechern, wobei es ungewohnt ist, Poirot ohne Akzent agieren zu hören. Mit Alan Cuthbertson als Charles Laverton-West ist sogar ein Schauspieler dabei, den man auch hierzulande vom Ansehen her kennen könnte, war er doch in so ziemlich allen Krimiserien von den britischen Inseln mal in Gastrollen zu sehen. Auch hier befindet sich das Skript im PDF-Format als Bonus auf der CD, allerdings ist der Scan (dritte oder vierte Generation Fotokopie) oft seitenweise unlesbar, so daß man lediglich entnehmen kann, daß auch hier offenbar von der Redaktion noch kürzend eingegriffen wurde.
Weiterhin gibt es als Bonus noch diverse O-Töne von Agatha Christie herself, jeweils von einem Kommentator anmoderiert, sowie ein sehr ausführliches Interview mit Ian Whittaker, der als Jugendlicher bei "Murder in the Mews" in der Rolle des Freddie Hogg zu hören ist.
Fazit: Diese Doppel-CD bietet ein mehr als schönes Gesamtpaket für den passionierten AC-Fan, auch wenn nicht alle Beiträge gleich überzeugen. Definitiv eine lohnende Ergänzung zu den deutschen Boxen.
Im letzten Augenblick (DDR 1977) Das einzige mir bekannte Hörspiel nach einer Vorlage von Agatha Christie, das in der DDR entstand. Und die Voraussetzungen waren gar nicht mal schlecht. Die Vorlage war gut gewählt (wem der Titel spontan nichts sagt - es handelt sich um "Philomel Cottage", hierzulande bekannter als "Villa bzw. Haus Nachtigall"), die Sprecherbesetzung war mehr als ordentlich und die Regie lag bei Klaus Zippel ebenfalls in bewährten Händen. Einmal mehr erwies sich leider der Bearbeitungsansatz als Problem. Bearbeiter Horst Angermüller schrieb ein reines Dialog-Spielbuch ohne Erzähler, so daß das Hörspiel komplett ohne die inneren Konflikte und emotionalen Wechselbäder der Hauptfigur auskommen muß und so rein über die Dialoge abläuft. Einiges funktioniert dabei recht gut (der Gärtner, der von einer nervigen Nachbarin begleitet wird; Dick Windyfords Freund), aber gerade zum Höhepunkt, wenn sich das Geschehen zuspitzt, passiert doch vieles einfach zu unvermittelt und aus heiterem Himmel (das Telefonat mit dem "Schlachter", Alix' "Märchen"), so daß man sich bei Nichtkenntnis der Kurzgeschichte vermutlich fragt, was da gerade vor sich geht. Und nach nicht einmal 23 Minuten erreichen wir schon die Zielkurve, wo das Dialogbuch dann wenigstens dem Titel des Hörspiels gerecht wird. Schade, da wäre sicher mehr gegangen, wie etwa zwei amerikanische Bearbeitungen für die klassische Hörspielserie "Suspense" zeigen. Die erste Fassung von 1943 (mit Orson Welles und Geraldine Fitzgerald) setzte gekonnt einen "über den Dingen stehenden" Erzähler ein, während die zweite Aufnahme von 1946 (mit Lilly Palmer) gar Alix selbst zur Ich-Erzählerin machte (was dann zugegebenermaßen gelegentlich ins reine Hörbuch abdriftete). Beides waren bessere Ansätze als der hier verfolgte, und auch 5-10 Minuten mehr Spielzeit hätten sicher nicht geschadet.
An den Sprechern liegt es nicht, die machen ihre Arbeit ordentlich, auch wenn sie außerhalb der DDR kaum jemand kennen dürfte. Daher erlaube ich mir mal, hier die Besetzung anzuführen:
Alix Martin - Ingrid Weingarten Gerald Martin - Alfred Struwe Dick Windyford - Friedhelm Eberle Harry Dean - Dieter Bellmann George - Max Bernhardt Mrs. Hopkins - Annemarie Collin Wirt - Immo Zielke Polizist - Walter Jäckel
Schlecht ist das Hörspiel nicht, aber eben auch nicht mehr als durchschnittlich. Leider wurde der YT-Upload von den Copyright-Hütern sehr schnell aufgespürt und gelöscht, so daß man eh nur schwer in den Genuß kommt.
Letztes Jahr wurde zumindest die Tonspur von "The Second Stain", Cushings erster Folge, entdeckt. Es war auch die Rede davon, diese in restaurierter Form (wie auch immer die aussehen mag) zugänglich zu machen, aber bisher habe ich leider nichts mehr davon gehört.
Man hätte sich besser die alberne Schießprothese gespart und Havelock (wie im Buch!) zusammenbrechen lassen. Und Staletti hätte sich - nach dem Einsturz seiner Luftschlösser - selbst richten können.
Zitat von Edgar007 im Beitrag #111Ausgerechnet DAR WIRTSHAUS VON DARTMOOR finde ich als einen der drei schlechtesten Romane von Victor Gunn. Habe ihn erst beim dritten Anlauf bis zum Ende geschafft. Den Film finde ich aber gut - nicht zuletzt wegen der tollen Schauspieler
Da gehe ich sogar mit, Gunn hat weit besseres geschrieben. Vermutlich hat hier der griffige Titel das Rennen gemacht. Ich hätte jetzt eher zu "Im Nebel verschwunden", "Die Treppe zum Nichts" oder "Die geheimnisvolle Blondine" (da hätte es sogar einen Killer in verschiedenen Kostümierungen gegeben) als Vorlage geraten.
Zitat von Blacky81 im Beitrag #106Toller, atmosphärischer Wallace-Epigone der an dem fehlenden Regietalent von Zehetgruber leidet. Was hätte der Film unter der Leitung eines Franz-Joseph Gottlieb, Jürgen Roland oder Helmuth Ashley für Potential gehabt?
Der Film leidet eher daran, daß er mit der Vorlage (die das Potential zu einer Serie durchaus hatte) viel zu, hüstel, frei umgeht. Als Freund von Gunns Büchern kann ich ihm so gar nichts abgewinnen.
Kleine Korrektur: die Synchronisation entstand zwar bei Brunnemann, Wagner wurde aber in den späteren Folgen von Joachim Kerzel (wie in "Hart, aber herzlich") gesprochen.
Die DVD-Auswertung ist leider ein Trauerspiel. Polyband brachte die ersten anderthalb Staffeln in drei Boxen heraus, teilweise als Bastelschnittfassungen aus französischen und deutschen Mastern, und von Fernsehjuwelen kam später nur eine Gesamtbox, die die Polyband-Folgen unverändert übernahm und die restlichen Folgen nur in den (teilweise gekürzten) deutschen Fernsehfassungen aufspielte. Und den Pilotfilm gibt es nicht in der ursprünglichen Sendefassung, dafür in drei verschiedenen Alternativversionen:
1. ZDF-Fassung (gekürzte Fassung der Originalfassung) 2. Langfassung (nachträglich mit neu gedrehten Szenen auf 90 Minuten gestreckte Spielfilmfassung) 3. Syndication-Fassung (gekürzte Version der Langfassung, nicht deckungsgleich mit der Originalfassung)
Am kuriosesten dabei ist, daß die ZDF-Fassung (teilweise wichtige) Szenen enthält, die in der Syndication-Fassung fehlen...
Bei der allgemeinen Ideenarmut in Hollywood wundert mich das überhaupt nicht. Auch Philip Marlowe wurde ja unlängst wieder exhumiert, neben Comic-Verfilmungen zieht "Retro" derzeit eben am meisten. Zudem erschien der Roman von Dashiell Hammett unlängst erst in einer Neuübersetzung. Die alte Fernsehserie, von der es immerhin 2 Folgen im OmU auf deutsche DVDs geschafft haben, sollte man nicht unbedingt als Referenz nehmen. Nett, aber mehr auch nicht. Und die Kinofilme mit Powell und Loy sind zumindest deutlich präsenter als anderes aus der Zeit. Vielleicht nicht auf einer Stufe mit den Rutherford-Marples, aber vergleichbar etwa mit "Don Camillo". Und alte Sachen, die auch heute noch modern wirken, kann man aus kaufmännischer Sicht unbesorgt neu auflegen. Ob man es MUSS, ist eine andere Frage...
Zitat von Lord Peter im Beitrag #73. Erich Räuker Die dritte nennenswerte Chesterton-Vertonung kam aus dem Hause Winterzeit, [...]
Die rätselhaften Fälle des Pater Brown: 01. Das blaue Kreuz 02. Die seltsamen Schritte 03. Der Hammer Gottes 04. Das Zeichen des zerbrochenen Säbels 05. Das seltsame Verbrechen des John Boulnois 06. Das Auge des Apoll 07. Die fliegenden Sterne 08. Der geheimnisvolle Garten 09. Der Unsichtbare 10. Die Ehre des Israel Gow 11. Die drei Todeswerkzeuge (bisher unveröffentlicht) 12. Der geflügelte Dolch (bisher unveröffentlicht)
Die Reihe wird inzwischen übrigens fortgeführt, die seinerzeit nur angekündigten Folgen 11 und 12 sowie als Folge 13 "Das Paradies der Diebe" sind mittlerweile im Handel erhältlich.
Genau das. "1000 Augen" verstand sich noch als Fortsetzung des originalen "Testaments", daher Kras statt Lohmann (und auch nicht Mabuse selbst, sondern mit Professor Jordan ein neuer Schurke, der nur den Namen und die Pläne des originalen Doktors nutzte).
BTW - die Organisation der "Gummibrüder" hat im Buch doch einige Änlichkeit mit der "Froschbande". Nicht von ungefähr wurde der Roman in den 30ern mal als Fortsetzung vom "Frosch mit der Maske" adaptiert.
Zitat von Peter Ross im Beitrag #1051Unser morgiger Darsteller hat vergleichsweise in nur einem Wallace mitgespielt und hat verbal bis auf die Schlusssequenz sehr "zurückhaltend" kommuniziert.
Das dürfte dann Oberst Villa, äh, Friedrich Joloff sein...
Tja, wie so oft gilt auch hier - die älteren Versionen sind deutlich besser...
Auch, wenn sich diese Verfilmung deutlich experimentierfreudiger zeigt, etwa durch Einbau des obligatorischen Lesben-Pärchens, zahl- und blutreicherer Morde und des dem Zeitgeist der 70er entsprechenden flapsigen Umgangstons (der in der Synchro, die für das Fernsehen der DDR entstand und die zudem gekürzt ist, allerdings größtenteils eliminiert wurde). Der witzigste Einfall des Drehbuchs ist noch, den verstorbenen Erbonkel per Filmprojektor sein Testament selbst verlesen zu lassen.