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 Film- und Fernsehklassiker national
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Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

15.05.2013 21:00
#406 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Am Rande der Ereignisse

Zitat von Der Kommissar: Am Rande der Ereignisse
Weil sie kurz zuvor einen Brief für den Kunstsachverständigen Dr. Zorn diktierte, gerät eine Hotelsekretärin zwischen die Fronten: Erna Gutmann wird von einem Unbekannten unter Druck gesetzt, der Polizei nichts vom Inhalt des Briefs zu erzählen, obwohl diese schon genau darüber Bescheid weiß. Frau Gutmann nutzt ihre Zwangslage aus, indem sie von den Mördern eine ganze Stange Geld verlangt. Doch genau diesen Fehler hatte Dr. Zorn bereits gemacht ...


Das Problem vieler „Derrick“-Titel besteht darin, dass sie nichtssagend und austauschbar sind. Wer kann sich unter „einem tödlichen Preis“, „einem Spiel mit dem Tod“ oder einem „Angriff aus dem Dunkel“ schon viel vorstellen, was nicht in so ziemlich jedem Krimi vorkäme? Da hatte Herbert Reinecker zu „Kommissar“-Zeiten noch ein besseres Händchen für die einprägsame Benennung seiner Drehbücher. Der Haken: Manchmal hat der beste Titel nichts mit der Geschichte, um die es in der Folge geht, zu tun. So verhält es sich in diesem Fall, bei dem man den Rand der Ereignisse vergeblich sucht. Was meinte Reinecker nur damit?

Hatte er Erna Gutmann und ihre kranke Tochter im Sinn, so kann man ihm insofern widersprechen, als die patente alleinerziehende Mutter sich im Gegensatz zum Titel unmittelbar im Zentrum des Geschehens wiederfindet, wo sie zwischen verschlagenen Verbrechern und erfahrenen Ermittlern in einen unangenehmen Schlingerkurs gerät. Maria Schell hatte Rollen abonniert, in denen sie starke, unabhängige Frauen porträtieren konnte, die ihrem Ego schmeichelten und die Erwartungen, die das Publikum an einen der ganz großen Fernsehstars stellte, erfüllten. Mit einer damenhaften Selbstverständlichkeit, die anfangs beinahe Schwierigkeiten bereitet, ihr abzunehmen, dass sie „nur“ eine mittellose Sekretärin ist, macht sie sich an eine ergreifende, die gesamte Aufmerksamkeit des Publikums und der Polizei einnehmende Performance, in der sie den Chic der Mittesiebzigerjahre mit zeitlosen Problemen, aber auch einem zeitlosen Mut zu einer ungewöhnlichen Darstellung verbindet. Ebenso unzutreffend wäre Reineckers Titel, bezöge er sich auf Tochter Gutmann, die zwar selbst nicht konkret an den Verbrechen beteiligt oder von ihnen betroffen ist, aber andererseits das Hauptmotiv für das gefährliche Handeln ihrer Frau Mama bildet. Das erwachsene Mädchen verharrt durch ihre Krankheit im Entwicklungsstadium eines Kindes, das mit naivem Vertrauen körperliche Mängel auszugleichen versucht.

Hört man den Satz „Meine Tochter kann nicht arbeiten“, weiß man bereits, dass die emotional aufgeladene Schilderung der Gutmann’schen Familienverhältnisse einen großen Raum in der Folge einnehmen wird. Dennoch vergaßen weder Herbert Reinecker noch Theodor Grädler, dass sie für eine Kriminalepisode verantwortlich zeichneten, und bauten um die Familie diverse Elemente ein, die einen guten Mordfall ausmachen. So fehlt es „Am Rande der Ereignisse“ zu keinem Zeitpunkt an konkreter Spannung, die sich vor allem aus den Telefongesprächen zwischen Erna Gutmann und dem Verbindungsmann ergibt. Ein weiterer cleverer Trick war, zu zeigen, dass es sich bei der Mörderin um eine Frau handelt. Zwar schränkt das den Verdächtigenkreis ein (immerhin kommen aber noch mehrere Personen in Frage), aber zugleich gewinnen die Verantwortlichen für den Tod an Dr. Zorn an Tiefe, Bedrohlichkeit und kalter Berechnung.

Wenn jemand „am Rande der Ereignisse“ steht, dann sind es Romuald Pekny und Werner Pochath, die nicht ohne gewissen humoristischen Einschlag ein hochverdächtiges Vater-Sohn-Kunsthändlergespann verkörpern und dabei ziemlich kauzig wirken. Die beiden werden durch die umfangreichen und ausgewogen auf alle Serienköpfe (oder in diesem Zusammenhang vielmehr -schultern) verteilten Ermittlungsarbeiten in Schach gehalten, was dem Kommissar-Team ein besonderes Gewicht verleiht und vor allem auch Günther Schramm und Reinhard Glemnitz in gemeinsamen Szenen gut zur Geltung bringt. Die kleine Trophäe für besondere Verdienste im Schnüffeleinsatz erhält jedoch erneut Elmar Wepper, dessen Erwin Klein mit einer Mischung aus liebenswerter Penetranz und herzensguter Unverbrauchtheit Familientragödien auf die Spur geht.

Schon die anfänglichen Szenen im Hotel versprechen einen spannungsgeladenen Krimi, dessen weiterer Verlauf nicht enttäuscht, obwohl er deutlich anders als erwartet abläuft. Lediglich der Umstand, dass die meisten wichtigen Figuren erst relativ spät eingeführt werden, verhindert eine absolute Top-Wertung. Ansonsten lohnt sich auch diese Folge allein schon wegen ihrer Musik!

(4,5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Kriminalhauptmeister Erwin Klein in seiner neuen Beschäftigung als Taxifahrer und Gewichtheber
||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 14: Episode 84 der TV-Kriminalserie, BRD 1975. Regie: Theodor Grädler. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Elmar Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Maria Schell, Gaby Fischer, Romuald Pekny, Werner Pochath, Eva Ingeborg Scholz, Erik Schumann, Paul Edwin Roth, Eva Meier u.a. Erstsendung: 31. Januar 1975.

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

02.06.2013 17:23
#407 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



GRAU-ROTER MORGEN (Folge 38)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Lilli Palmer, Hans Caninenberg, Sabine Sinjen, Fritz Schmiedel, Fred Haltiner, Michael Hinz, Annemarie Wendl, u.a.
Regie: Theodor Grädler



Ein Spaziergänger findet Am Ufer der Isar ein junges Mädchen, welches erschossen wurde. Bei den Ermittlungen stellt sich schnell heraus, dass das Mädchen namens Billie drogensüchtig war. Bei den Befragungen lernt Kommissar Keller Frau Larasser, die Mutter der Toten kennen, die ihre Tochter fast zwei Jahre in der Sucht betreute, und die zum Erstaunen aller Dinge aus dieser Zeit mit ihrer Tochter schildert, die nur schwer zu verstehen sind. Die Familie fiel in dieser Zeit auseinander. Es gibt viele Tatverdächtige im einschlägigen Milieu und auch im Umfeld der Ermordeten finden sich Motive, doch die Klärung des Falles gestaltet sich nicht so einfach, wie der Kommissar zunächst vermutet hat...

Folge 38 stellt innerhalb der Kommissar-Reihe einen Klassiker dar, vor allem weil die Thematik, beziehungsweise die Schilderung um Drogensucht und Mord eben alles andere als konventionell ausgefallen ist. Der Kriminalfall an sich wird hier eher wie eine Nebensächlichkeit abgehandelt, und der Fokus liegt auf dem Durchleuchten eines erdrückenden Scherbenhaufens und den dazugehörenden, gescheiterten Personen, die wegen einer Kettenreaktion kapitulieren mussten. Im Grunde genommen wirkt allerdings auch das alles untergeordnet, denn die konsequente Zwangszentrierung liegt im Endeffekt nur auf einer bestimmten Person, nämlich auf Stargast Lilli Palmer, die das komplette Szenario von Anfang bis Ende - für Kommissar-Verhältnisse nahezu beispiellos - dominieren wird. Dem Zuschauer wird eine Geschichte der empfundenen Befremdlichkeiten offeriert, man kann beinahe sagen zugemutet, und der Verlauf zeigt einen bizarren, gewollt verzerrten, aber auch teils ambitioniert erschreckenden Blick auf eines der vielleicht unzähligen Gesichter der Co-Abhängigkeit, des Leidensdruckes und der Verzweiflung. Theodor Grädler inszenierte sehr interessant, nicht zuletzt weil man Lilli Palmer die große Bühne überließ, die in dieser Folge wirklich alle Register zieht. Die Geschichte ist wie gesagt nicht besonders außergewöhnlich, aber es sind die unerwarteten Verhaltensweisen der Beteiligten, die für Aufsehen sorgen. Wo man zu Beginn, beziehungsweise in Rückblenden noch die üblichen Parolen und Sorgen einer Mutter gegenüber ihrer Tochter sieht, wirkt die mittlerweile tief verwurzelte Resignation in Verbindung mit den manchmal unbegreiflichen Hilfsaktionen der Frau Larasser wie ein kontraproduktiver Schlag ins Gesicht. Die indirekte Frage nach der Schuld stellt schließlich die Hauptwertung dieser Episode dar, auch wenn sie dem Zuschauer eher diffus präsentiert wird.

Es gibt wohl keine andere Kommissar-Folge, in der es derartig viele und ausgiebige Großaufnahmen gegeben hat, und jedes Mal wenn Lilli Palmers versteinertes Gesicht angezoomt wird, um damit Rückblenden einzuleiten, entsteht eine besonders dichte Atmosphäre, die hin und wieder sogar unangenehme Formen annimmt. Man kann sagen, dass es sich um Lilli Palmers Erzähl-Folge handelt, die eben nichts anderes brauchte, als ihre Dominanz und ihre Präzision. So liefert sie nicht nur erneut eine Lehrstunde in Sachen herausragender Schauspielerei, sondern sie verwirrt den Zuschauer förmlich mit ihren eigenartigen Auffassungen und Thesen, um ihre Filmtochter zu kurieren. Dabei stellt sich allerdings schnell heraus, dass Frau Larasser völlig falsche Ansatzpunkte gewählt hat, und erschreckend konsequent in die Abhängigkeit ihrer Tochter hineinwirkte. Diese seltsamen Formen sind allerdings keineswegs Produkte der späten Verzweiflung und Resignation, die sich langsam aber zielstrebig aufgebäumt haben, sondern diese Frau hat die Katastrophe, womöglich schon viele Jahre zuvor fabriziert und provoziert, so dass sie nun hilflos vor ihrem eigenen Werk stehen muss. Es sind keine Tränen mehr übrig, die Beteiligten reagieren nüchtern und beinahe beruhigt auf die Todesnachricht. Nur dass es sich um Mord handelt, sorgt für stille Hysterie. Erwähnenswert sind auch die Leistungen von Sabine Sinjen, die der süchtigen jungen Frau eine authentische Aura verleihen konnte, auch Hans Caninenberg zeigt sich wieder einmal sehr überzeugend. Die Schilderung des Milieus und der dazu passenden Leute wirkt vielleicht ein wenig überzeichnet, erweist sich dennoch als nötige Zutat für diese Folge, die im Endeffekt ohne falsche Sentimentalitäten von seiten des Drehbuches auskommt, jedoch im Zweifelsfall das Potential besitzt, diese beim Zuschauer hervorzurufen. Theodor Grädler hat den schwierigen Stoff mit seiner nüchternen Arbeitsauffassung sehr ansprechend und interessant umsetzen können.

Chinesische Nelke Offline



Beiträge: 136

02.06.2013 18:55
#408 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Die großartige Sabine Sinjen verstarb 1995 im Alter von nur 52 Jahren.
Auf Ihrer Wikipedia Seite wie die Folge GRAU-ROTER MORGEN explizit genannt.
Die Folge war es auch die anlässlich des Todes von Erik Ode im Juli 1983 wiederholt wurde.

Die ersten Wiederholungen liefen im ZDF von 1978-1982, danach dauerte bis 1988, er die Serie wieder auf dem Bildschirm war, damals in 3-Sat.

Stroheim Offline




Beiträge: 170

19.06.2013 14:04
#409 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Nach Jahren hab ich mir kürzlich mal wieder Folge #93, 'Ein Playboy segnet das Zeitliche' (Regie Wolfgang Becker, 1975), angeschaut. Für mich nach wie vor eine der unterhaltsamsten der gesamten Serie.

Die Figur des Playboys Mandy Schulz ist eine von Drehbuchautor Reineckers interessantesten Schöpfungen. Außerlich durchaus dem landläufigen Klischee entsprechend, aber doch anders als viele Machos von der Stange: oft schüchtern beim Erstkontakt, häufig unentschlossen und willensschwach, umgibt sich der mit Helmuth Lohner passend besetzte Mandy mit starken Personen: einer resoluten Haushälterin (Barbara Rütting), einem Aufreiß-Assistenten (Peter Fricke) ...

Schier unglaublich ist der Ansturm der Presse wenige Minuten nach Mandys Tod. Die öffentliche Freigabe des Tatorts für die Fotografen direkt nach dem Abgang der Spurensicherung, das Posieren von Vera Schimmel neben der Leiche in der Badewanne - niemals zuvor wurden die Dienstvorschriften in München derart gedehnt. Einen leicht surrealen Einschlag besitzt auch die feucht-fröhliche Fahrt der Partygesellschaft auf dem Riesenfloß auf der Isar, die Aufnahmen könnten glatt aus einem Fellini-Film stammen. (Die Schnupftabakeinlagen stehen sicher symbolisch für ausgiebigen Kokainkonsum - selten wurde in einem deutschen Fernsehkrimi eleganter die Zensur ausgehebelt.)

Donata Höffer und Blondine Evelyne Kraft wirken noch aufreizender als die unvergessenen Schönheiten anderer Folgen (Ini Assmann, Alexandra Marischka, Ingrid Steeger, Andrea L'Arronge, Diana Körner ...). Und Mandy Schulz fährt stilbewusst den kultigsten Sportwagen sämtlicher Episoden: einen Maserati Ghibli. Nur Kellner & Aktfotograf Wofgang Völz in 'Das Messer im Geldschrank' (1969) kann da mit seinem Jaguar E-Type noch mithalten ...

Stroheim Offline




Beiträge: 170

19.06.2013 17:14
#410 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Noch ein paar Anmerkungen zu einer anderen gelungenen Episode, die offenkundig auch zu den Favoriten einiger Schreiber hier zählt:

- Drei Tote reisen nach Wien (Regie Dietrich Haugk, 1970)

Drehbuchautor & Regisseur wurden zu dieser Folge offensichtlich von einem Klassiker des Französischen Kriminalfilms angeregt: Die Idee, das Mordmotiv zu verschleiern und falsche Fährten zu legen, indem man neben dem Erblasser noch weitere, scheinbar durch irgendein schicksalhaftes Ereignis aus der Vergangenheit miteinander verbundene Personen um die Ecke bringt, hat bereits der insbesondere auch für seine späteren Politthriller ('Z') bekannte Costa-Gavras in seinem Debüt, dem 1965 in Frankreich gedrehten 'Compartiment Tueurs' (Dt. Titel: Mord im Fahrpreis inbegriffen), eindrucksvoll verarbeitet: Dort werden im Verlauf weniger Tage nacheinander mehrere Reisende, die sich vorher untereinander nicht kannten und nur zufällig ein Nachtwagenabteil auf einer Zugfahrt nach Paris teilten, brutal ermordet.

Die Ermittlungen werden detailliert und anschaulich geschildert; die Spannung wird in dem Reißer von Gavras noch bezwingender geschürt, die Morde noch drastischer inszeniert. Bis hin zur überraschenden Auflösung im furiosen Finale, welches das ZDF seinerzeit freilich nicht 1:1 kopieren konnte - denn dann hätte die Münchner Mordkommission das Team Keller fortan auf einer Position neu besetzen müssen.

Mehr will ich hier nicht verraten. Nur noch so viel: Compartiment Tueurs wartet, ähnlich wie auch 'Drei Tote reisen nach Wien', mit einer ganzen Reihe von herausragenden Charakterdarstellern auf - Neben- & Hauptrollen sind perfekt besetzt: Michel Piccoli, Jean Louis Trintignant, Simone Signoret ... und - in der Rolle des scharf kombinierenden Chefinspektors: Yves Montand.

Hier das Intro und die noch recht gemütlichen ersten zehn Minuten der Französischen Fassung. Nach dem ersten Mord überschlagen sich später die Ereignisse und es wird zunehmend dramatischer ....

http://www.youtube.com/watch?v=0mrDzA9yp4U

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

23.06.2013 14:17
#411 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Das goldene Pflaster" (Folge 83 / Erstsendung am 10. Januar 1975)
mit: Gracia Maria Kaus, Traugott Buhre, Fritz Muliar, Wolfgang Gasser, Hugo Gottschlich, Rose Renée Roth, Peter Gebhart, Walter Sedlmayr, Ellen Umlauf, Jane Tilden u.a. - Regie: Wolfgang Becker

Die Bewohner eines vor allem von Türken bewohnten Mietshauses werden eines Nachts vom lauten Scheppern der Mülltonnen geweckt: Unbekannte veranstalten Lärm, um die Menschen in den Hof zu holen, in dem einer ihrer Mitbewohner erschossen auf dem Boden liegt. Die Leiche ist eine Warnung an die vorwiegend illegal in Deutschland lebenden Einwanderer: Wer sich weigert, Schutz-und Schleppergelder zu zahlen, stirbt!

Zitat von Gerald Grote: Der Kommissar - Der TV-Klassiker. Die Serie und ihre Folgen. Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, 1999
Schon im Vorfeld hatte sich die Presse-Abteilung der türkischen Botschaft in einem Schreiben an das ZDF gewandt. Doch es ging den Absendern weniger um die Art und Weise, wie bei den Dreharbeiten türkische Gastarbeiter dargestellt wurden, [...] sondern um den Ort: "Wäre dies wenigstens in einem Wohnheim gedreht worden, hätten wir nichts dagegen einzuwenden. Aber da es mitten im Münchner Hauptbahnhof passierte, sind wir sehr betrübt, dass aufgrund solch einer 'Inszenierung' unsere Landsleute in der BRD in einer negativen Form zur Schau gestellt werden."


Nach Ausstrahlung der Episode gab es Proteste der türkischen Botschaft, die insofern erfolgreich waren, als das ZDF die Schuld an den Unstimmigkeiten nicht in der Realität suchte, die bis heute tagtäglich mit skrupellosem Menschenhandel aller Couleur konfrontiert wird, sondern in der "Fehlleistung des Drehbuchautors Herbert Reinecker", wie in der Klarstellung des Mainzer Senders betont wurde. Daraufhin verschwand die Folge im Giftschrank und ist auch in der kürzlich erschienenen DVD-Komplettbox nicht enthalten. Dabei thematisiert die Geschichte Ereignisse, wie sie gang und gäbe sind, und befasst sich in unaufdringlicher und gemäßigter Weise mit dem Schicksal einer Familie, deren Kopf von Gracia Maria Kaus überzeugend dargestellt wird. "Deutsch ist die Sprache, die mich ernährt", erklärt Murada sachlich und skizziert die Beweggründe ihrer Landsleute, Vertrautes zurückzulassen, um in der Fremde einen Neuanfang zu wagen. Es trifft sich gut, dass der in der Folge 82 angeschossene Kommissar Keller zur Erholung in Wien weilt, wobei man sich unwillkürlich fragt, warum der Münchner Ermittler ausgerechnet ins Nachbarland fahren muss, um sich von Verletzungen zu erholen, die er sich im Dienst zugezogen hat. Bezahlt die deutsche Krankenkasse die Kur im Ausland oder tut er dies auf eigene Rechnung?

Die Mobilität der Herren Klein und Heines sorgt für temporeiche Spannung, die besonders in den Szenen mit Traugott Buhre zum Tragen kommt. Im Gegensatz zu Folge 28 ("Drei Tote in Wien"), in der Oberinspektor Marek Kellers Ansprechpartner vor Ort ist, leitet diesmal Oberinspektor Gruber die Ermittlungen, der vom weitaus angenehmeren Fritz Muliar gespielt wird. Die Wiener in all ihrer larmoyanten Präpotenz werden u.a. von Jane Tilden treffend in Szene gesetzt. Ohnehin tauchen "am Rande der Ereignisse" skurille Figuren auf, die die Exotik der Migranten in den Schatten stellen: eine kaputte Ellen Umlauf, eine aufgewühlte Rose Renée Roth und ein mürrischer Walter Sedlmayr, der wieder einmal nur seine Pflicht tut. Becker drückt mächtig auf die Tube, um die Dramatik der Vorgänger-Folge zu übertrumpfen. Der perfide Mord durch Maschinengewehrsalven ereilt den Zuseher in einem Moment der gemächlichen Entspannung. Der Überraschungstwist im Finale markiert nicht nur einen Höhepunkt der durchaus reizvollen Episode, sondern brachte auch das Fass in der türkischen Botschaft zum Überlaufen. Schade, dass dem breiten Publikum so eine Serienfolge vorenthalten bleibt, die ein heißes Eisen mutig anfasst und Tatsachen sachlich und unaufgeregt verarbeitet.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

23.06.2013 14:27
#412 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Das goldene Pflaster

Zitat von Der Kommissar: Das goldene Pflaster
Illegale türkische Einwanderer überschwemmen die deutschen Großstädte. Sie in das Land mit dem „goldenen Pflaster“ zu holen – eine moderne Form der Sklaverei – besorgt eine groß angelegte Organisation, die sich von den armen Schwarzarbeitern hoch bezahlen lässt. Als einer der Männer sein Schicksal nicht weiter hinnehmen will, wird er getötet und zur Warnung seinen Landsleuten vor die Tür gelegt. Die heiße Spur führt nach Wien, einer Zwischenstation für den Menschenhandel.


Die Besprechung enthält Spoiler.

Einige der deutschen Krimiserien können sich kleiner, schmutziger Geheimnisse rühmen – verbotener Folgen, die nach Ansicht dieser oder jener Instanzen für das Publikum zu schockierend oder anstößig waren und deshalb nach ihrer Erstsendung im Giftschrank verschwanden. Dass es beim „Kommissar“ ausgerechnet „Das goldene Pflaster“ erwischt hat, erweist sich als wenig verwunderlich, wenn man allein die Thematik bedenkt, derer sich die Episode annimmt. Unter heutigen Sichtweisen mag das „goldene Pflaster“ nichts allzu Anrüchiges an sich haben, aber alte Sünden werfen, wie es so schön heißt, nunmal lange Schatten. Zum Ausstrahlungszeitpunkt Anfang 1975 wurde die Folge als ein diplomatischer Fauxpas angesehen, der in seiner elementaren Anlage schon nicht viel richtig machen kann, weil jede Art realistischer Schilderungen des schlechten Lebens illegaler Einwanderer „Ausländer in schlechtes Licht rücken“ und das Zurschaustellen nicht gerade freundlicher, aber dafür notwendiger Abschiebungen wiederum der deutschen Politik den schwarzen Peter zuschieben würde. Folglich war zu erwarten, dass sich türkische Stellen bereits über die anfänglichen, abgehalfterten Szenen in dem Mietshaus beschweren würden, die die Einwanderer zusammengepfercht, in armseligen und ungepflegten Verhältnissen zeigen, und ebenso, dass das ZDF bzw. Ringelmanns Neue Münchner Fernsehproduktion von hiesigen Stellen keine Rückendeckung zu erwarten hatte. Als man dann auch noch einen türkischen Botschaftsmitarbeiter aus Wien als den Drahtzieher des Menschenhandels enttarnte, waren das Maß und die Briefkästen des Senders voll: „Es ist leicht, eine Freundschaft zu ruinieren, aber sehr schwer, sie wiederzugewinnen“, schmollten Türken angesichts einer durch die Auflösung angeblich empfindlich verletzten Beziehung zwischen den drei in „Das goldene Pflaster“ vertetenen Ländern.

Was die Protestler nicht bedachten, war, dass potenziell einige Angehörige einer jeden Nationalität Verbrecher sein können. Eher als über eine absichtliche Stichelei und Verunglimpfung bestimmter Staatsbürger sollte man sich deshalb über die augenscheinliche Willkür der Überführung ärgern, die eigentlich nur mangels alternativer Verdächtiger so geschah. Herbert Reinecker versäumte es über seine Schilderung der unhaltbaren Zustände, einen vernünftigen Whodunit zu konstruieren, zumal solche leidgeprägten Folgen sowieso besser funktionieren, wenn man weiß, wer „auf der anderen Seite steht“. Das sah man an dem ebenfalls 1975 ausgestrahlten „Tatort“ „Tod im U-Bahnschacht“, der ganz ähnlich gelagert war, aber einen viel schwerwiegenderen Eindruck hinterließ als die weichgekochte Reinecker-Story. Zwar kann sich „Das goldene Pflaster“ immerhin nicht die bei „Tod im U-Bahnschacht“ häufig zur Sprache gebrachte Geschmacklosigkeit vorwerfen lassen, wirkt aber in seiner Botschaft, Deutschland sei für Türken alles andere als das gelobte Land, dafür aber auch nur halbherzig und lasch.

Trotz eines grundlegenden Levels an Spannung kommt „Das goldene Pflaster“ über durchschnittliches Niveau nicht hinaus. Ein Fehler, den ich Ringelmann und Becker sehr übel nehme, ist die fehlende Authentizität, die daherrührt, dass sich zwar alle Wiener mit touristisch hochwertigstem Schmäh äußern, die „wichtigen Türken“ aber von Becker-Liebchen Gracia Maria Kaus und Ösi-Mime Wolfgang Gasser verkörpert werden. Man glaubte wohl, Kopftuch, Schnauzer und falscher Akzent würden genügen, um das Publikum aufs Glatteis zu führen. Auch hier erwies sich der SFB in seinem „Tatort“ als konsequenter und kompromissloser – opferte gewöhnliche Publikumshascher zugunsten höherer Glaubwürdigkeit.

Das ambitionierte Vorhaben Reineckers, auf gesellschaftliche Mängel hinzuweisen, die über Drogenspielchen und Werteverlust hinausgehen, kann man nur unterstützen. Auch überzeugt das Skript in seinem grundlegenden Aufbau, jedoch ist es nicht schonungslos, offen und lebensecht genug, um einen nachhaltigen Effekt zu erzielen. Jedem, der „Das goldene Pflaster“ als einen gelungenen „Kommissar“-Exkurs betrachtet, kann ich deshalb nur „Tod im U-Bahnschacht“ ans Herz legen.

(3,5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Inspektor Walter Grabert, der in der U-Bahn für einen Schwindler gehalten wird
||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 15: Episode 83 der TV-Kriminalserie, BRD 1975. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Elmar Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Gracia Maria Kaus, Fritz Muliar, Traugott Buhre, Wolfgang Gasser, Hugo Gottschlich, Jutta Rieck, Rose Renée Roth, Peter Gebhart u.a. Erstsendung: 10. Januar 1975.


PS: „Das goldene Pflaster“ stellt eine bewundernswerte Fundgrube für Freunde des Schienenverkehrs dar. Nicht nur der vieldiskutierte 12-Stunden-Nachtzug von München nach Wien sorgt für Aufsehen, auch kann man einen Blick auf den Orientexpress riskieren und Robert und Walter auf eine Verfolgungsjagd durch die noch junge Münchner U-Bahn begleiten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

23.06.2013 22:41
#413 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Traumbilder

Zitat von Der Kommissar: Traumbilder
Es scheint ein glücklicher Zufall zu sein, dass Kommissar Keller auf dem Rückweg vom Büro an einer Telefonzelle vorbeikommt, von der aus ein Anrufer um Polizeischutz gebeten hat. Kaum angekommen, peitschen jedoch Schüsse durch die Nacht. Der junge Herkel ist tot und auch Kellers Oberschenkel hat eine Kugel abbekommen. Es stellt sich heraus, dass eine Bande von Drogenhändlern hinter dem Anschlag steckt. Diese Art Verbrecher schreckt vor nichts zurück, wenn sie Enttarnung fürchtet ...


Wenn ein junger Mann in den nächtlichen Straßen Münchens um sein Leben rennt, kann es nur um die üblichen Machenschaften rund um Sex und Drogen gehen. „Traumbilder“ enttäuscht in dieser Hinsicht nicht, was man sich von einem waschechten Reinecker-Krimi erwartet und tischt große philosophische Betrachtungen und abgründige Schurken auf. Zwar werden die schlimmsten Befürchtungen, die Folge würde gänzlich in einen schmutzigen LSD-Sumpf abgleiten, nicht erfüllt, wohl aber verliert man dank deutlich wedelnden Zeigefingers und vieler suggestiver Schnitte nie das große, „unmoralische“ Ganze aus dem Auge.

„Traumbilder“ stellt insofern eine Art Zäsur in der Reihe dar, als Kommissar Keller schwer verwundet wird und fortan nur mit halber Kraft vom Krankenbett aus ermitteln kann. Das aber möchte er unbedingt – ebenso wie in der Nachfolgerepisode „Das goldene Pflaster“, wo er sich aus dem Kuraufenthalt heraus in den Fall einmischt. Nachdem Keller aus dem OP auf sein Zimmer gefahren wurde und den ersten Besuch empfangen kann (Rehbein, denn von seinem Privatleben hat sich Keller rechtzeitig verabschiedet), verkneift er sich zwar nicht, festzustellen, es gehe ihm „beschissen“, sofort aber fragt er nach Kriminalakten. Das Gute und das Böse unterscheidet in allen Reinecker-Stoffen ein entscheidendes Merkmal: Alle Vertreter des Rechts sind so dienstbeflissen, dass sie nie über nennenswerte Freizeit verfügen und unfähig geworden sind, abzuschalten und Verbrechensbekämpfung auch nur für den kürzesten Augenblick aus ihrem Blickfeld zu verbannen. Der Abschaum dagegen, der entweder schon in die Kriminalität abgerutscht oder von einer solchen Entwicklung bedroht ist, kennzeichnet sich durch Langeweile, fehlendes Lebenskonzept oder so verdammenswerte Dinge wie einen laufenden Fernsehapparat. Diesen hört man zum Beispiel im Hintergrund, als die Ermittler zum ersten Mal bei Frau Linnhoff aufschlagen.

Die Mutter der entrückten Martina wird von Inge Langen gespielt, deren dritter und letzter „Kommissar“-Auftritt „Traumbilder“ war. Nur 11 Jahre nach „Der Zinker“ ist es erstaunlich und erschreckend zugleich, zu sehen, wie sich eine Person von einer eigentlich ganz attraktiven Dame zu einer verhärmten, richtiggehend abstoßenden Frau entwickeln kann – was sich in „Der Gorilla von Soho“ bereits andeutete, hatte einige Jahre später voll an Fahrt zugelegt. Langen enttäuscht nicht nur auf optischer Ebene, sondern zeichnet einen selbst für die Verhältnisse des Autors übel daherschwadronierenden Charakter, der an Peinlichkeit nur schwer zu überbieten ist. Sowohl Sabine von Maydell als auch Harry Meyen tun dennoch ihr Möglichstes, wenigstens mit Langen gleichzuziehen und ähnlich abstruse Persönlichkeiten darzustellen. Über alle drei kann man nur den Kopf schütteln und sich erneut fragen, warum man Drogenopfern und Besserwissern in Weiß eigentlich stets Sympathie entgegenbringen soll.

Durch die Skrupellosigkeit der Gangster – Percy Lister erinnerte an dieser Stelle richtigerweise an „Das Rätsel der roten Orchidee“ – sehen sich der Kommissar und seine Assistenten beinah mit amerikanischen Vorgehensweisen konfrontiert, sodass wir es mit stellenweise sehr hohem Tempo und einem saftigen Bodycount zu tun bekommen. Als völlig unglaubwürdig erweist sich diesbezüglich wieder einmal der dramaturgische Kniff, dass die Verbrecher jeden treffsicher niederballern und natürlich ausgerechnet bei der wichtigsten Zeugin daneben schießen. Dabei wäre es für Keller & Co problemlos möglich gewesen, auch nach Martina Linnhoffs Ableben noch die entsprechenden Schlüsse zu ziehen, was ihren Malereien, den titelgebenden „Traumbildern“ größere Bedeutung und der Episode eine zusätzliche, interessante Komponente verliehen hätte. Diesem Ärgernis zum Trotz, das man im Trubel der Geschehnisse bald vergessen hat, hinterlässt vor allem das Ende einen nachhaltigen Eindruck, was in allererster Linie der Leistung Alexander Gollings zu verdanken ist.

Keller KO, „Kommissar“ mit Keule – die Moralnummer ist hier kaum zu übersehen und erdrückt den recht actionreichen Krimi. Gute Schauspieler im Dienste fragwürdiger Botschaften – für Unterhaltung sorgt eher die ideal ausgewogene Aufteilung der Ermittlungsarbeit, die Raum für einige humorige Augenblicke vor allem für Günther Schramm und Reinhard Glemnitz lässt.

(3 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Inspektor Walter Grabert – auch wenn er in die Menschen nicht hineinsehen kann
||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 16: Episode 82 der TV-Kriminalserie, BRD 1974. Regie: Helmuth Ashley. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Elmar Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Paul Hubschmid, Sabine von Maydell, Harry Meyen, Inge Langen, Alexander Golling, Peter Chatel, Irene Marhold, Wolfrid Lier u.a. Erstsendung: 27. Dezember 1974.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

24.06.2013 10:14
#414 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Hier nun die erste Folge innerhalb des „Kommissar“-Countdowns, die ich bereits vorher kannte und nicht zum ersten Mal gesehen habe. Das gleiche trifft auch auf die kommende Episode #80 zu; danach geht es wieder auf den Pfad der Neuentdeckungen zurück.



Der Kommissar: Der Liebespaarmörder

Zitat von Der Kommissar: Der Liebespaarmörder
Anita König ist die Sensation des Filmcafé Mehringer. Mit ihren langen Beinen und kurzen Röcken beeindruckt sie vor allem die männliche Klientel, die bald darauf kommt, dass sich Anita nach Feierabend mit einem unbekannten Mann trifft. Eines Abends fährt er wieder mit ihr in den Wald – zurück kommt Anita allein: Ihr Liebhaber wurde erschossen. Eine Affäre, Eifersucht und übertriebene väterliche Zuneigung bieten sich als Mordmotive an ...


Auch wenn ich gern und ausführlich die Regiearbeiten Michael Brauns piesacke, so komme ich bei „Der Liebespaarmörder“ doch nicht umhin, anzuerkennen, dass der spröde, realitätsnahe Stil Brauns in manchen Situationen durchaus gut funktionieren kann. Eine solche liegt hier zweifellos vor, denn bei dieser 81. „Kommissar“-Episode haben wir es nach (bzw. große Teile des Publikums vor) zwei ausgesprochenen Problemfolgen mit einem wunderbar leichtherzigen, beinah schon naiven Stoff zu tun. Die Geschichte, deren Dreh- und Angelpunkt das Filmcafé an den Bavaria-Studios in Grünwald ist, wurde nach allen Regeln der Whodunit-Kunst aufgebaut und bietet somit für den Zuschauer die Möglichkeit, sich als sechstes Rad an das Ermittlerteam anzuhängen. Als verwunderlich muss vermerkt werden, dass die Episode auch bei mehrfacher Sichtung nicht verliert, sondern sogar an Eindringlichkeit gewinnt, was in Anbetracht des zentralen Täterrätsels nicht selbstverständlich ist. Die Mördersuche erhält durch spleenige Charaktere und die spürbare Nähe des trügerischen Filmbusiness jedoch eine heiter-amüsante Note, die die Folge trivialer als andere Outings der Serie erscheinen lässt, dabei aber für nachhaltige erstklassige Unterhaltungswerte bürgt.

Claus Biederstaedt und Ruth-Maria Kubitschek agieren als eingeschliffenes, aber nach wie vor Ecken und Kanten aufweisendes Ehepaar ganz hervorragend und tragen gemeinsam mit Christiane Krüger die Folge mehr oder minder im Alleingang. Insgesamt hätte die Belegschaft im Café Mehringer nicht überzeugender besetzt werden können, denn auch Krüger wirkt die Rolle wie auf den viel bewunderten Leib geschrieben. Man bekommt wahrlich dass Gefühl, dass sie sich mitten auf dem sprichwörtlichen Präsentierteller befindet und dort in einer nicht greifbaren Gefahr schwebt, obwohl es schon seltsam anmutet, dass der Killer sie so mir nichts, dir nichts weglaufen lässt, nachdem er ihren Freund umgebracht hat. Der damit nicht ganz korrekte „Liebespaarmörder“ (eher ein Liebhabermörder) bietet darüber hinaus einen kleinen Jan-Hendriks-Auftritt, in dem der Berliner eine Spur zu hartnäckig seine Ziele verfolgt, gleichzeitig jedoch allein schon durch den stereotypen Verbrecherbart jedes ernsthaften Verdachts enthoben wird. Fritz Tillmann zeichnete in seiner erstaunlicherweise einzigen „Kommissar“-Folge den obligatorischen alten Lüstling mit mehr Zügelung als etwa Alexander Golling in „Traumbilder“, fügte dem Lechzen des Alters sogar eine gewisse elegante, sympathische Note hinzu. Alles andere als sympathisch trat Rolf Henniger auf als Vater König auf Vollgas – eine zweischneidige Vorstellung, die irgendwo zwischen verkrampftem Spießbürgertum und völliger Lächerlichkeit changiert.

Eine überdurchschnittliche Anzahl an Nachtszenen sorgt für Suspense, gerade der anfängliche Mord hallt in der Art seiner Inszenierung lange nach. Damit der Krimi nicht allzu gruselig gerät, setzte Michael Braun wieder seine Vorliebe für die Verwendung damals aktueller Chartkracher durch. George McCraes „Rock Your Baby“ ist diesmal das Mittel der Wahl, um die Gehörgänge der Zuschauer auf unbestimmte Zeit zu besetzen.

Leichtfüßig – so wie Christiane Krüger durch das Filmcafé tänzelt, gerät auch der „Liebespaarmörder“ im Ganzen: Eine attraktive „Kommissar“-Folge, die ohne tiefgreifende Substanz einfach eine nette Abendunterhaltung bietet. Die Besetzung leistet Herausragendes, wenn es darum geht, ein gewisses menschliches Bedürfnis und die daraus resultierenden Probleme und Zerwürfnisse zum Leben zu erwecken.

(4 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Kriminalhauptmeister Erwin Klein und seine Vorliebe für „die gute alte Mini-Zeit“
||||| ||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| ||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| ||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| ||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| ||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 17: Episode 81 der TV-Kriminalserie, BRD 1974. Regie: Michael Braun. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Elmar Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Claus Biederstaedt, Ruth-Maria Kubitschek, Christiane Krüger, Rolf Henniger, Tommy Piper, Fritz Tillmann, Jan Hendriks, Ruth Hausmeister u.a. Erstsendung: 29. November 1974.

Peter Offline




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25.06.2013 23:05
#415 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Reift hier nicht langsam der Traum von einem Kommissar-Grandprix?

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

26.06.2013 00:50
#416 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Mit 97 Folgen? Ein Grandprix-Marathon wäre das. Und bitte erst, wenn ich mit der Serie durch bin. Dürfte so in zirka eins, zwei Jahren der Fall sein.

Peter Offline




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26.06.2013 10:01
#417 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #416
Mit 97 Folgen? Ein Grandprix-Marathon wäre das. Und bitte erst, wenn ich mit der Serie durch bin. Dürfte so in zirka eins, zwei Jahren der Fall sein.

Die meisten Träume reifen ganz langsam. Um letztlich Träume zu bleiben....

Stroheim Offline




Beiträge: 170

27.06.2013 14:54
#418 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Zitat von Joe Walker im Beitrag #56
Ich gehöre auch zu denjenigen, die die Brynych-Folgen aus dem Kommissar lieben. In diesem Zusammenhang ein sehr erhellendes Interview mit dem Regisseur: http://www.diequereinsteigerinnen.de/ico...index.php?id=63
Zitat von Cora Ann Milton im Beitrag #166
Ich persönlich habe zahlreiche Lieblingsfolgen: “Die Pistole im Park” von Wolfgang Becker, “Die Schrecklichen” und “Der Papierblumenmörder” von Zbynek Brynych, “Dr. Meinhardts trauriges Ende” von Michael Verhoeven ...
Zitat von Jan im Beitrag #53
Brynych inszenierte zumindest in früheren Jahren deutlich weniger "geleckt" als z.B. der zumeist völlig unauffällige Theodor Grädler ... halte Brynych für einen der besten Regisseure der Ringelmann-Reihen.

'Tod einer Zeugin': Durchgedrehtes Stückchen deutsche Fernsehgeschichte. Nichts passt, nichts lässt sich so wirklich erklären, und doch fügt sich alles zu einer Stunde perfekter Unterhaltung zusammen. Ein kleines Meisterwerk. 5 von 5 Punkten.

Im Vergleich zu Zbyněk Brynych war Theodor Grädler zwar ein recht zurückhaltender Regisseur, doch für einige Episoden war Grädlers unspektakulärer Inszenierungsstil meiner Ansicht nach absolut angemessen und perfekt. Insbesondere Grädlers im Berufsschulmilieu angesiedelter, kammerspielartiger 'Auf dem Stundenplan: Mord' zählt nach wie vor zu meinen Top Ten-Lieblingsfolgen.

In dieser Spitzengruppe rangieren für mich auch die zwei Brynych-Beiträge 'Der Papierblumenmörder' und 'Tod einer Zeugin'. Zwar verärgert Brynych häufig Logikfanatiker und eher konservative Zuschauer, doch in ihrer optischen Fülle und Vielschichtigkeit sowie auch vom Unterhaltungswert sind diese beiden Folgen in meinen Augen nicht zu schlagen.

In den späten 60er Jahren war Brynych voll auf der Höhe seiner Kunst und im Gebrauch filmischer Ausdrucksmittel in einer ganz anderen Liga als sämtliche sonstigen Regisseure der Serie: Ausleuchtung, Schnitt, schiefe Perspektiven, extreme Kamerapositionen und -fahrten, Überblendungen, Tiefenschärfe als Parallelmontage, Weitwinkelaufnahmen mit einem 18,5mm Objektiv, das den Raum verzerrt... hier hat Brynych eindeutig von Orson Welles und Jean Renoir gelernt. Kein Wunder, dass diese beiden Folgen auch heute noch häufig Filmstudenten und Cineasten faszinieren.

Zu den Brynych-Bewunderern zählt seit jeher der mittlerweile recht bekannte deutsche Film- & Fernsehregisseur Dominik Graf. Graf hat vor ein paar Jahren in einer Besprechung von Samuel Fullers innovativem Ausnahme-Tatort 'Tote Taube in der Beethovenstraße' (Folge 25, Januar 1973) auch Brynychs Engagement beim Kommissar lobend erwähnt....

http://www.zeit.de/2007/46/Zustand-des-d...en-Fernsehfilms

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

20.07.2013 20:56
#419 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Lagankes Verwandte" (Folge 33/ Erstsendung am 16. April 1971)
mit: Josef Meinrad, Ralf Schermuly, Susanne Uhlen, Peter Martin Urtel, Volker Lechtenbrink, Ann Höling, Hannes Kaetner, Konrad Georg, Margit Weinert - Regie: Wolfgang Becker

Nach Mitternacht führt Herr Schöndorf seinen Hund noch einmal vors Haus, als er seltsame Geräusche im Juwelierladen Laganke hört. Statt die Polizei zu rufen, klingelt er bei dem Inhaber des Geschäfts und sorgt dafür, dass dieser den Einbrecher stellt. Lob erhält Schöndorf für seine Beobachtungsgabe keines: Laganke wird vom Eindringling erschossen, als der Laden bereits leergeräumt ist. Den Zutritt hatte er sich mit einem Schlüssel verschafft und auch mit der Alarmanlage war er vertraut. Die nächsten Verwandten des Toten beschuldigen sich gegenseitig und machen es Kommissar Keller nicht einfach....

Wolfgang Becker inszeniert die Episode wie einen Sog, in den der Zuseher hineingezogen wird. Die entscheidenden Momente finden im Zwielicht, in der Dunkelheit und im Schattenspiel der künstlichen Beleuchtung statt. Das zuckende Leuchten der Edelsteine, deren Feuer im nächtlichen Schaufenster nicht nur pekuniäre Verlockung, sondern auch die gefährliche Verheißung eines anmaßenden Lebensstils verkörpert, wird im Verlauf der Handlung noch einmal zu sehen sein und eine entscheidende Wende markieren. Die Geldfrage steht oft und gern im Mittelpunkt einer Kriminalgeschichte und führt vor allem im zwischenmenschlichen Umgang zu tiefen Gräben, die im Laufe des Lebens kaum noch zugeschüttet werden können. Josef Meinrad steht trotz seines tadellosen Auftretens auf der Verliererseite; er hatte geografisches Pech: die geerbte Zuckerfabrik in Görlitz/Sachsen ging verloren, während sein Bruder das Elternhaus und den Juwelierladen in München erhielt. Seine kerzengerade Haltung, die altmodischen Koteletten und die charakteristische Stimme verleihen ihm stets eine Aura der Verletzlichkeit. Irgendwie scheint er immer noch Teil der untergegangenen kaiserlich und königlichen Monarchie Österreich-Ungarn zu sein, als er noch Oberst Böckl, der treue Untertan von "Sissi" war.

Ralf Schermuly ist sein Gegenpart: der verlorene Sohn, dem nach dem Tod des Vaters ein großes Vermögen zufällt und dessen Ideale damit den Bach runtergehen. Susanne Uhlen symbolisiert den schmalen Grat, der zwischen Auflehnung und Anpassung liegt. Das sechzehnjährige Mädchen, das orientierungslos darauf wartet, dass andere ihre Fürsorge übernehmen und sich durch ihr Verhalten in die skurrile Galerie der "Kommissar"-Mädchen einreiht, deren Handlungen von unnahbar-abwesend bis aufgedreht-dominierend reichen. Herbert Reineckers Empörung über die Tatsache, dass oftmals "Unwürdige" das lange gehegte und gepflegte Erbe erhalten, drückt sich in den Gesprächen deutlich aus, wobei die Kameraperspektiven und die Wahl der Musik vieles ausgleichen, was anderswo versäumt wird. Die elegante Villa in Grünwald bildet eine erfrischende Abweichung von der Gereutvilla und kontrastiert mit dem muffigen Quartier des Studenten. Die Auflösung gestaltet sich ein wenig wankelmütig und überzeugt nicht hundertprozentig - die langweiligste Figur wurde zum Täter gemacht. Eine solide Folge, die aber nicht zu den Klassikern oder den am häufigsten gesehenen Episoden aufsteigen kann. Dazu versäumte man das Setzen von Spannungsmomenten in den Ermittlungen. Nach dem Abspann erinnert man sich kaum mehr an das Team Keller - zu sehr liegt der Fokus auf Meinrad-Schermuly.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

25.08.2013 13:43
#420 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Der Schwarzwälder Bote erinnert sich in einem Artikel vom 17. August an den „Kommissar“. Die Zeilen, die Wolfgang Molitor über die Serie schrieb, sind kritisch und von den frauenrechtlichen Zwanggedanken geprägt, aber letztlich doch recht unterhaltsam.

Unvergessene TV-Serien III: Der Kommissar – Männer und Morde

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