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 Film- und Fernsehklassiker national
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Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

30.12.2012 12:59
#376 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Die Serie "Der Kommissar" bot neben spannenden und/oder kontroversen Kriminalfällen auch interessante Porträts geheimnisvoller, introvertierter oder exaltierter Menschen, vor allem von Frauen. Diese Frauen möchte ich in meinem einleitenden Bericht genauer unter die Lupe nehmen. Neben etablierten Kinostars bekommt der Zuseher auch neue Talente zu sehen, die sich in unkonventionellen Rollen erstmals einem großen Publikum präsentieren können und deren Image nachhaltig von ihrem Serienauftritt geprägt wird. Bei einigen Darstellern bleibt "Der Kommissar" gar die wichtigste Station innerhalb ihrer Schauspieler-Biografie.

Die Frauen in der Serie "Der Kommissar"



Zu den klassischen Komponenten eines Kriminalfilms zählen ein aufsehenerregender Mord, ein schlauer Ermittler und natürlich zwielichte Tatverdächtige. Zur Geheimnisträgerin avanciert nicht selten die Frau, hinter deren aparten (und meist unbewegten) Fassade man Abgründe, aber mindestens die Ursache für das Verbrechen vermutet. Sie wird zur Projektionsfläche von Wünschen, Phantasien und Mutmaßungen, was in manchen Fällen dazu führt, dass die Schauspielerin mit wenig Dialog auskommt und nur durch ihre (zugegebenermaßen) angenehme Optik besticht. In diese Kategorie fallen Alexandra Marischka ("Ende eines Tanzvergnügens") und Ini Assmann ("Schwester Ignatia"). Doch auch erfahrene Stars wie Marianne Koch oder Lili Palmer können Akzente setzen und sorgen für gespannte Aufmerksamkeit. Das vordergründige Ziel des Kommissars (und im erweiterten Sinn das des Drehbuchautors) ist, die Intention des weiblichen Handelns aufzudecken; bei besonders kühlen Damen verliert Keller schon einmal die Beherrschung ("Rührt sich denn gar nichts in Ihnen?" [zu Marianne Koch in "Die Pistole im Park"]). Gefühlskalte Frauen bilden nicht selten den Auslöser für einen Mord; Narzissmus, unbeteiligtes Verhalten und eine gewisse Gelangweiltheit aufgrund mangelnder Beschäftigung und gleichzeitigem sorgenfreien Dasein prägen die Ausstrahlung der Frauen, sie provozieren ihre Umgebung und damit auch den Zuseher.



Das primäre Ziel vieler "Kommissar"-Figuren ist, anzuecken und aufzufallen. In diesem Zusammenhang sei an erster Stelle Christiane Schröder genannt, deren Auftritt in "Der Papierblumenmörder" energiegeladen und unkonventionell für Begeisterung oder Abneigung sorgt. Kaum eine Darstellerin polarisiert innerhalb der Reihe so wie Schröder. Das genaue Gegenteil stellt eine Dame wie Nadja Tiller dar, deren Auftritt die Kamera liebevoll unterstreicht und deren Würde, Schönheit und Stil zur gehobenen Atmosphäre von "Überlegungen eines Mörders" passt. Abwechselnd pendelt die ZDF-Serie zwischen noblen Villen und heruntergekommenen Mietshäusern; wir begegnen einer kaputten Mady Rahl ebenso wie einer wohlhabenden Agnes Fink, wir beobachten Dorothea Wiecks Festhalten an Traditionen und leiden mit der ausgebrannten Ann Smyrner, wir bedauern Sylvia Lukan und fürchten Maria Becker. Agnes Dünneisen ist uns unheimlich, Lis Verhoeven wegen ihrer Willensstärke sympathisch und die liebenden Frauen Kubitschek und Iplicjian sind uns suspekt - so viele Frauen, so verschiedene Charaktere. Stillstand, Monotonie und Langeweile kommen bestimmt nicht auf und die Mitwirkenden vor der Kamera werten auch so manches schwache Drehbuch auf.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

06.01.2013 20:50
#377 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Herr und Frau Brandes" (Folge 66/ Erstausstrahlung am 30. November 1973)
mit: Agnes Fink, Bernhard Wicki, Hilde Volk, Gisela Stein, Andreas Seyferth, Paul Hoffmann - Regie: Professor Leopold Lindtberg

Gerda und Wolfgang Brandes bewohnen ein Landhaus am Waldrand. Die Malerin unterhält sich gerade mit dem Kunsthändler Dr. Bruchsal, als ein Schuss ertönt. Kurze Zeit später wird die Leiche von Andreas Haupt, ihrem jungen Liebhaber, am Forstweg gefunden. Dr. Brandes, der in München war, hat kein Alibi. Die Pflegerin des geistig zurückgebliebenen Sohnes Ulrich war mit diesem an einem Badesee. Alles deutet auf einen verspäteten Eifersuchtsanfall von Dr. Brandes hin, der schon lange vom Verhältnis seiner Frau wusste, es aber gleichmütig hinnahm. Bevor es zu einer Verhaftung kommt, eröffnen sich jedoch durch seine Aussage neue Perspektiven, die Kellers längst gehegten Verdacht bestätigen....

Die wunderbare Sommeratmosphäre mit Singvögeln, weidenden Kühen und abendlichem Kaffee im Garten umspielt die Härten einer langjährigen Ehe zwischen zwei starken Persönlichkeiten, von denen keine kompromissbereit oder nachsichtig handelt. Der Tote ist nur der Anlass für das Ziehen einer Bilanz, für das Überdenken festgefahrener Verhaltensmuster und gegenseitige Vorwürfe. Während sich Gerda Brandes künstlerisch betätigt und von Phantasie und Inspiration leiten lassen muss, um ihr Gewerbe gewinnbringend ausüben zu können, muss sich Dr. Brandes auf nüchterne Fakten konzentrieren, die einen Verstand fordern, der frei von Sentimenten ist. Die große Leidenschaft, die sich in den Gemälden der Frau ausdrückt, ist dem Mann unbekannt und führt zwangsläufig zur Entfremdung der Ehepartner. Das Schauspielerpaar Wicki und Fink dominiert die Folge und nimmt den Zuseher in die Pflicht, jedem ihrer Gespräche aufmerksam zuzuhören. Die Sympathien müssen dabei weder auf der einen, noch auf der anderen Seite liegen; kraftvoll gelingt es beiden, ihre Position zu festigen und Charaktere entstehen zu lassen, die weder Mitleid, noch Bewunderung hervorrufen sollen. Die distinguierte und dennoch intime Art der Inszenierung verdanken wir Leopold Lindtberg, der auch das Familiendrama in "Derrick: Kein schöner Sonntag" (Folge 22) leitete. Trotz der wenigen Verdächtigen sorgt die Frage nach der Identität des Mörders bis zuletzt für Spannung und der begrenzte Schauplatz, der nur kurz für ein Glas Bier im Dorf verlassen wird, bekommt durch die Einbeziehung aller Räume (Atelier, Arbeitszimmer, Schlafzimmer des Jungen, Veranda, Garten) eine Aura der Weitläufigkeit. Leider sind die dort lebenden Personen viel zu sehr mit sich selbst und ihren Problemen beschäftigt, um die Beschaulichkeit und Unabhängigkeit ihres Daseins genießen zu können. Neben Andreas Seyferth, der das infantile Gemüt mit der ihm eigenen Verletzlichkeit porträtiert, agieren die resche Hilde Volk und Gisela Stein, die allerdings neben den etablierten Stars blass bleibt und blass bleiben soll.
Eine gelungene Episode, die gepflegte Krimiunterhaltung vermittelt und gegen Ende sogar für ein finale furioso sorgt, bei dem sich Wicki und Fink ganz auf ihre Stärken verlassen können.

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

08.01.2013 21:07
#378 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



LAGANKES VERWANDTE (Folge 33)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Josef Meinrad, Konrad Georg, Ralf Schermuly, Susanne Uhlen, Volker Lechtenbrink, Peter Martin Urtel, u.a.



Als Herr Schöndorf eines Nachts mit seinem Hund um den Block gehen möchte, hört er im Juwelierladen, der sich im gleichen Haus befindet, verdächtige Geräusche. Umgehend alarmiert er den Inhaber des Geschäfts, Laganke, der eigenhändig versucht, den Einbrecher zur Strecke zu bringen. Doch plötzlich fallen Schüsse, und der Juwelier kommt ums Leben. Für die Polizei stellt sich bei den Ermittlungen heraus, dass der Täter unbedingt mit den Örtlichkeiten vertraut gewesen sein muss, außerdem benutzte er wohl einen Schlüssel bei dem Einbruch. Die Befragungen unter den Verwandten des Toten ergeben schnellstens eindeutige Hinweise, denn jeder von ihnen hätte ein Tatmotiv gehabt...

Wolfgang Beckers Beitrag startet seht vielversprechend und kann mit einer gelungenen Atmosphäre überzeugen, wobei man jedoch sagen muss: zunächst. Die Anfangssequenz erweist sich als sehr gelungen und zählt zu den bislang überzeugendsten Openern, es kommt eine gute Portion Spannung auf, was der Folge dann im Verlauf aber leider vollkommen abgeht. Negativ in dieses Gesamtbild wirken für mich die beteiligten Personen, die einen gehörigen Schliff nötig gehabt hätten weil sie teilweise einfach zu uninteressant wirken, da sie sich mit aller Gewalt wichtig machen möchten. Die beinahe drastische Unterteilung in sehr verdächtig und vollkommen unverdächtig kann man als absolut misslungen bezeichnen, ohnehin gibt es sowieso kaum Verdächtige, was zu allem Überfluss noch schwammige Motive zu Tage bringt. So bekommt der Zuschauer nur gewöhnliche familiäre Schuldzuweisungen aufgetischt, also kleine Privatkriege, die alles andere als Aufsehen erregend wirken. Sowohl der Kriminalfall, der schnellstens untergeordnet erscheint, als auch die ungelenk wirkenden Psychogramme der Hauptpersonen können nicht überzeugen und machen "Lagankes Verwandte" zu einer über weite Strecken zähen Angelegenheit.

Das Gäste-Karussell sieht schon einmal sehr verlockend aus, doch erweist sich im Rahmen der schwachen Rahmenbedingungen als eher ebenbürtig. Josef Meinrad hinterlässt beispielsweise einen unbefriedigenden Gesamteindruck. Die Anforderung sicherlich ernst nehmend, agiert er dennoch verhalten und inkonsequent genug, um Angriffsflächen entstehen zu lassen. Das gilt nicht nur für die Personen um ihn herum, sondern auch für seine Leistung im Allgemeinen. Das Tauziehen mit den Verwandtschaft wirkt ermüdend, da bei keinem der Beteiligten eine klare Motivation, oder ein greifbarer Ursprung für ihr Handeln zu erkennen ist. Auch die emotionalen Verbindungen werden nicht erklärt, sind daher weitgehend schleierhaft. Als Zuscher wünscht man sich bei der ungleichen Konstellation Meinrad/Schermuly, dass es einfach mal zu einem gewöhnlichen, primitiven Gefühlsausbruch kommen sollte, denn dieses ewige unter Druck setzen, um Reaktionen zu erzwingen, beziehungsweise dieses blinde Hinnehmen ohne zu Hinterfragen, um dem Gegner den Wind aus den Segeln zu nehmen, fällt nach kürzester Zeit komplett durch. Diese Folge bringt keine der anvisierten Komponenten auf den Punkt, und redet sich schlussendlich selbst um den heißen Brei herum. Die vollkommen irrelevante Rolle einer hier so schrecklich uninteressanten Susanne Uhlen rundet das Bild geschickt ab. Konrad Georg ist für mich der einzige nennenswerte Akteur in dieser Riege, der mich überzeugen konnte. Schade, dabei hatte das Spektakel doch so gut angefangen, aber hier wird das Pferd offensichtlich von hinten aufgezäumt. Spannung und Atmosphäre ebben zum gewollt bizarren Finale ab, die merkwürdige Orgelmusik der Episode 33 konnte mich ebenfalls nicht überzeugen. Da diese Kommissar-Folge so inkonsequent ausgefallen ist, wirkt ihre Vorhersehbarkeit um so ärgerlicher.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

18.01.2013 21:08
#379 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Sein letzter Coup" (Folge 76/ Erstsendung am 26. Juli 1974)
mit: Eva Pflug, Walter Buschhoff, Peter Vogel, Peter Lühr, Günther Stoll, Michael Hinz, Friedrich Karl Grund, Willy Schäfer u.a. - Regie: Helmuth Ashley

Mitten in der Nacht legen zwei Männer eine Leiche vor den Eingang eines Polizeireviers. Der Mann war ein Informant der Kriminalpolizei und wurde mit einem Messerstich ins Herz getötet. Kurz vor seinem Tod hatte er seiner Vertrauten, der Garderobiere Josefa Koschena, erzählt, er sei nun auf einer heißen Spur. Der Besitzer der Diskothek, in der Koschena arbeitet, ein gewisser Karl Rahl, hat Verbindungen zu einem Meister seines Fachs: dem vor kurzem vorzeitig aus der Haft entlassenen Fredersdorf, genannt "Professor". Die Männer planen einen Überfall, bei dem es um 3 Millionen Mark geht. Kommissar Keller, der den Professor vor zehn Jahren ins Gefängnis brachte, sucht den alten Mann auf, der über Rheuma klagt und seinen Lebensabend im sonnigen Tessin verbringen möchte. Wäre da nicht die Geldfrage.....

Eine etwas andere Form der Altersvorsorge betreibt der Gentleman-Ganove Fredersdorf in "Sein letzter Coup". Ein Naturliebhaber, der im Englischen Garten promeniert, Schwäne füttert, kleinen Kindern ein Eis bezahlt und abends gern ein Glas Cognac trinkt. Der Tote passt natürlich weniger ins Bild des netten alten Herrn, der sich bei Keller unterhakt und mit ihm über seine Pläne spricht. Für die grobe Arbeit hat er seine Leute: Peter Vogel (mit längeren Haaren und Schnurrbart), der seine Angestellte Eva Pflug auch einmal ohrfeigt, wenn sie sein Misstrauen erregt; Walter Buschhoff, der als glänzender Organisator alle Fäden in der Hand hält und Günther Stoll, der wie weiland Nick Knatterton einem Gully entsteigt und dabei anscheinend vergisst, dass er in einigen Monaten bei Oberinspektor Derrick anzutreten hat. Willy Schäfer hat ebenfalls einen kleinen Auftritt als Beifahrer eines Geldtransporters. Nervenkitzel gibt es genug. Immer wieder zittert der Zuseher um die Assistenten des Kommissars, die sich in die Höhle des Löwen vorwagen und dabei durch die beherzte Garderobenfrau bzw. die eigene Flinkheit der Entdeckung durch die Gegenseite entgehen. Eva Pflug stattet die desillusionierte Frau, die einen ehrbaren Beruf in einem zwielichten Lokal ausübt, mit dem Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit aus. In erster Linie geht es ihr darum, für ihre Hilfe eine Belohnung von der potenziell geschädigten Bank zu bekommen. Wir sehen also zwei Menschen, die Kapital benötigen, um sich ein sorgenfreies Leben zu schaffen - einen Neuanfang ohne kriminelle Gestalten wie Vogel und Buschhoff. Die Ermittlungen des Kommissars konzentrieren sich auf seinen alten Gegenspieler Fredersdorf, während Klein, Grabert und Heines bei Speditionsfirmen, in der Kanalisation und im Lokal schnüffeln. Spannung ist nach den beiden unnötigen musikalischen Einlagen von Donna Hightower genügend gegeben. Bis in der letzten Minute ist ungewiss, ob der Drahtzieher entkommen kann oder nicht.
Das Kräftemessen zweier älterer Herren frei von Rachegedanken, sondern teils aus sportlichen, teils aus beruflichen Gründen, stellt im Zusammenspiel mit dem geplanten Überfall auf den Geldtransporter eine gelungene Krimistunde dar.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

20.01.2013 20:42
#380 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

BEWERTET: "Eine Kugel für den Kommissar" (Folge 24/Erstausstrahlung am 18. September 1970)
mit: Harald Juhnke, Klaus Löwitsch, Angelika Zielcke, Horst Michael Neutze, Gerd Günther Hoffmann, Johannes Buzalski - Regie: Erik Ode

Nach Dienstschluss bringt Kommissar Keller seinen Wagen in die Werkstatt und geht zu Fuß nach Hause. Gerade als er die Haustür aufschließen will, werden aus einem Auto drei Schüsse auf ihn abgegeben. Keller schleppt sich in seine Wohnung, wo er bald von seinen Mitarbeitern aufgesucht wird. Obwohl er nur einen Streifschuss abbekommen hat, steht für alle fest: Jemand wollte den Kommissar töten. Frau Keller sorgt sich besonders um das Leben ihres Mannes und bittet Fräulein Rehbein, um den Namen eines Polizei-Spitzels, eines Kleinganoven, der sich umhören soll, wer für den Anschlag in Frage kommt. Währenddessen suchen Harry, Walter und Robert nach dem Lokal, aus dem die Männer nach dem Attentat angerufen haben. Die Beamten begegnen einem gewissen Rosse, einem vorzüglichen Billardspieler, dessen Bruder vor kurzem aus dem Gefängnis entlassen worden ist. In der Zwischenzeit folgt Franziska Keller dem Kleinkriminellen Diebach auf der Suche nach den Hintermännern des Mordanschlags.....

Die Episode beginnt überaus spannend mit dem Versuch, Keller aus dem Hinterhalt zu töten. Das fast familiäre Zusammentreffen im Einfamilienhaus des Kommissars, bei dem jedes Mitglied des Büros eigene Kombination anstellt und Keller telefonisch verwarnt wird, bildet den Auftakt zur einer konzertierten Aktion aller Beteiligten, die diesmal besonders die Funktion der Damen hervorhebt. Rehbein als Herrin über die Akten, erinnert sich an Details abgeschlossener Fälle und kann aus ihrem Erfahrungsschatz schöpfen, wenn es darum geht, Namen und Anlaufpunkte zu nennen. Sie trifft sich mit Franziska Keller in der Polizei-Kantine, wo diese ihr von ihrem Wunsch, als unbeschriebenes Blatt inkognito mitzuhelfen, erzählt und nach einigem Zögern doch noch den Namen eines vertrauenswürdigen Mannes erhält. Gerhard Diebach wird von Harald Juhnke gespielt, "dessen Leben ein Spaziergang durch das 20. Jahrhundert ist; ein Schnelldurchlauf durch die 30er-Jahre, den Krieg, vor allem aber durchs Nachkriegsdeutschland, mit allem, was dazugehört: Schwarzmarkt, Swing, Bars, neue Chancen, Möglichkeiten und Verlockungen." * In der "Kommissar"-Folge spielt er eine ernste Rolle, einen Mann, der die Risiken des Lebens genau abwägt und für die gute Sache Kopf und Kragen riskiert. Rosemarie Fendel steht hier erstmals im Mittelpunkt einer beharrlichen Suche nach den Urhebern eines Verbrechens und beweist Mut und Geschick. In einer Mini-Rolle ist der Regisseur Brynych als Mann im Hof zu sehen, in dem Franziska auf Diebach wartet. Mürrisch verlässt er, in seiner Landessprache schimpfend, das Gelände. Klaus Löwitsch liefert sich mit Robert ein spannendes Match, noch spannender ist jedoch der anschließende Kampf mit den Billardqueues. Alles läuft auf ein Finale hin, in dem die fast gebannte Gefahr noch einmal neu aufflammt und für Schreckenssekunden sorgt.

*Zitat aus: "Berlin - Eine Stadt in Biografien" von Dorothee Fleischmann, MERIAN porträts, Travel House Media 2012

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

27.01.2013 14:13
#381 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Die Anhalterin" (Folge 32/ Erstsendung am 19. März 1971)
mit: Karin Baal, Peer Schmidt, Max Mairich, Werner Pochath, Lambert Hamel, Hans Michael Rehberg, Friedrich Georg Beckhaus, Helga Lehner, Ellen Frank, Willy Harlander, Jakob Amerseder - Regie: Wolfgang Staudte

Jeden Samstagmorgen fährt Irmgard Lenz zu ihrem Freund nach Stuttgart. Sie wird dabei von einem Lastwagenfahrer mitgenommen, der diese Strecke jeden Tag zurücklegen muss. Diesmal hat sie jedoch verschlafen und kommt zu spät zur Autobahnausfahrt. Kurze Zeit darauf bemerkt ein Lokführer einen Mann neben den Gleisen, der eine Frau durch den Wald trägt. Der telefonisch verständigte Bahnwärter schickt jemanden los, die Strecke abzusuchen, da bereits der nächste Zug herannaht. Gerade noch rechtzeitig kann die tote Irmgard Lenz von den Gleisen entfernt werden. Sie wurde erwürgt und sollte buchstäblich unter die Räder kommen.....

Die dreißigjährige Karin Baal spielt Erika Lenz, die ältere Schwester der Ermordeten. Nach dem Tod von Irmgard überlegt sie nicht lange, sondern stellt sich an die Autobahn, um dem Mann zu begegnen, der ihre Schwester regelmäßig mitgenommen hat. Sie hat nur wenige Informationen, die sie der Polizei geben kann, dennoch gelingt es dem Kommissar und seinen Mitarbeitern, die Spedition Schmett ausfindig zu machen, deren Fuhrpark täglich Transporte nach Stuttgart durchführt.
In einer temporeichen Parallelmontage zum Auftakt der Folge sieht man Irmgard Lenz zum Treffpunkt laufen, während sich die LKWs auf den Weg machen und die Bahnstrecke von einem Zug befahren wird. Durch die schnellen Schnitte wirkt es, als werde die blonde junge Frau von Eisenbahn und Lastzug verfolgt; als laufe sie im wahrsten Sinne des Wortes um ihr Leben. Die winterlichen Aufnahmen der Bahntrasse, die links und rechts von einem tief verschneiten Wald flankiert wird, sorgen für düstere Spannung, da man ahnt, dass hier eine Leiche beseitigt werden soll. Das Herannahen des Zuges sorgt für Schrecksekunden. Karin Baal greift zur Selbstinitiative, obwohl Keller alle Mitarbeiter ausschwärmen lässt, um die in Frage kommenden Transportunternehmen unter die Lupe zu nehmen. Unabhängig von den Ermittlungen wartet Baal an der Straße und begibt sich dabei in Lebensgefahr. Mit eisernem Willen, Mut und der ihr eigenen Hartnäckigkeit befragt sie zum Beispiel den freundlichen, aber immer auch ein wenig unheimlichen Werner Pochath, der seinen Kollegen vorgeschwindelt hat, er und Irmgard hätten ein Verhältnis miteinander. Durch die Lügengeschichten angestachelt, wurde die Phantasie der Männer in Gang gesetzt, was den Kreis der Verdächtigen erweitert. Neben dem schmierigen H.M. Rehberg, der Karin Baal mit seinen Augen verspeist, erscheinen besonders Lambert Hamel und Peer Schmidt, der Fahrmeister, verdächtig. "Der kleine Doktor" hebt sich durch sein Verhalten von seinen Kollegen "on the Road" ab und wird deshalb vom Kommissar in einem nächtlichen Verhör ausgefragt. Max Mairich überzeugt als Fuhrunternehmer, der sich vor seine Mitarbeiter stellt. Der untersetzte Mann konnte bereits als Tulpenhändler in "Tim Frazer - Der Fall Salinger" Eindruck hinterlassen, hier agiert er weitaus entschlossener. Helga Lehner zeigt in einer Rückblende, dass Irmgard eine patente junge Frau war, deren Tod durch falsche Informationen eines Dritten provoziert worden ist. Staudte impliziert somit unterschwellig die Verantwortung aller Frächter, die die Entgleisung des Täters möglich gemacht haben. Besonders zu erwähnen sind noch die interessanten Kameraperspektiven, die der Handlung einen fließenden Eindruck geben.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

27.01.2013 15:04
#382 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Warum es ein Fehler war, Beckmann zu erschießen" (Folge 85/ Erstausstrahlung am 14. Februar 1975)
mit: Will Quadflieg, Gerd Böckmann, Alwy Becker, Dirk Dautzenberg, Hans Brenner, Friedrich Karl Grund, Reinhard Kolldehoff, Jörg Pleva, Ulli Kinalzik u.a. - Regie: Michael Braun

Der Geldtransporter, den die Herren Beckmann und Metzler durch die belebte Münchner Innenstadt steuern, wird von einer Funkstreife angehalten. Die Beamten erklären, sie hätten die Mitteilung erhalten, dass ein Überfall auf den Wagen geplant sei. Der Beifahrer steigt daraufhin in die Polizeistreife und einer der Beamten fährt zur Sicherheit bei Beckmann mit. Ein paar Stunden später wird der betäubte Metzler auf einem Schrottplatz gefunden. Er berichtet, dass es sich bei den Polizisten um Verbrecher handelte. Auch Beckmann wird bald darauf neben dem aufgesprengten Transporter gefunden - allerdings tot. Man hat ihm in den Rücken geschossen. Einer der Täter, die zwei Millionen Mark erbeuteten, sprach mit Tiroler Dialekt und wird als Walter Koch, vorbestraft, ermittelt. Seltsamerweise sucht der geschädigte Bankdirektor Dr. Höringer dessen Stammlokal auf und taucht auch sonst an vielen Orten auf, die Koch frequentiert.......

Die Versuchung, am großen Kuchen mitzunaschen, taucht in vielen Drehbüchern Herbert Reineckers auf. Mitwisser, Tippgeber und Helfershelfer, die sich eine schnelle Mark verdienen wollen, nehmen nicht selten ein böses Ende. So auch Beckmann, dessen Tod Wellen schlägt und vom engeren kriminellen Umfeld, in dem der notorische Kriminelle Hans Brenner verkehrt, bis in die vornehme Bankiersfamilie Höringer durchdringt. Gerd Böckmann gehört diesmal aufgrund seiner Jugend noch zur Gattung "Sturm und Drang" und liefert sich mit dem knochentrockenen Quadflieg senior erbitterte Familienduelle. Alwy Becker steht als Stiefmutter und zweite Ehefrau des grimmigen Alten zwischen den Stühlen, wobei ihre Anwesenheit für die üblichen Spekulationen sorgt, wenn Stiefmutter und Stiefsohn ungefähr gleich alt sind. Reinhard Kolldehoff als Wirt einer finsteren Verbrecherkneipe - ebenso typisch und beliebt innerhalb der "Kommissar"-Reihe - sorgt für das Alibi des ständig zwischen süffisantem Lächeln und latenter Drohung (weichgezeichnet durch die ländliche Ausdrucksweise) balancierenden Brenner. Musikalisch wird die Handlung von "Kung Fu Fighting" vorangetrieben, dessen Rhythmus gut zum Heist-Thema passt und die Leichtigkeit ausdrückt, mit der der Coup über die Bühne gegangen wäre, wenn nicht der titelgebende Fehler passiert wäre. Dirk Dautzenberg gebärdet sich gewohnt begeisterungsfähig, wittert Frischluft und kneift am Ende doch. Die unberechenbaren Launen der Mitläufer gefährden manchen ausgeklügelten Plan im Reinecker-Universum, weshalb Keller und Robert diesmal nur Sitzfleisch in der Villa Höringer beweisen müssen, um die fragile Selbstbeherrschung von Vater und Sohn zu Fall zu bringen.

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

03.03.2013 12:42
#383 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



DER TOTE VON ZIMMER 17 (Folge 34)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Peter Pasetti, Hannelore Elsner, Günther Mack, Peter Chatel, Hans Quest, Hans Schweikart, Joseph Offenbach, u.a.



Aufruhr in einem noblen Hotel. Ein dort abgestiegener Gast wird in seinem Zimmer mit der Nummer 17 ermordet aufgefunden. Die Polizei stellt sofort Ermittlungen an und befragt sowohl das Personal, als auch einige Hotelgäste. Schnell liegt auch ein mögliches Motiv auf der Hand, das allerdings in mehrere Richtungen zu deuten ist. Der Ermordete wird durchgehend als unsympathischer Zeitgenosse charakterisiert, der gerne Angestellte schikanierte und im Allgemeinen äußerst unbeliebt war. Doch ist der Mörder tatsächlich im Kreise des Hotel-Personals zu finden, oder muss Kommissar Keller von einem Motiv ausgehen, das bislang noch im Unklaren liegt..?

Wolfgang Beckers "Der Tote von Zimmer 17" hatte ich als eher schwachen Beitrag in Erinnerung, und auch die erneute Sichtung konnte wieder keinen überdurchschnittlichen Eindruck entstehen lassen. Zwar erschienen einige Komponenten dieses Mal wesentlich stichhaltiger, beziehungsweise eher gelungen, doch die Vorhersehbarkeit der Geschichte und die isoliert wirkende Handlung stören das Krimi-Vergnügen erheblich. Ein Hotel ist eigentlich wie geschaffen für einen überzeugenden Schauplatz des Verbrechens, doch hier wurde einiges an Möglichkeiten liegen gelassen. Mir kam es schließlich so vor, als habe man sich nicht die Mühe gemacht, das sicherlich vorhandene Potential auch nur ansatzweise auszunutzen. So setzte man schließlich auf den atmosphärischen Aufbau in Form des Aufzeigens von deutlichen Kontrasten, wie beispielsweise die feudale Bar, in der man sich amüsiert und Ausgelassenheit an den Tag legen darf. Gegensätzlich dazu stehen die schäbigen, dunklen Dachkammern, die Trostlosigkeit und Hoffnungslosigkeit vermitteln, in denen die eingezwängten Angestellten ihre Zeit absitzen, wenn sie sich nicht gerade die Finger wund arbeiten müssen. Das wurde zwar alles recht gut herausgearbeitet und auch ins Bild eingefangen, doch wirken die sozialkritischen Themen bei ihrer Häufigkeit langsam etwas zu kopflastig.

Überdurchschnittlich wirken hingegen die Leistungen der Hauptdarsteller, die hieb- und stichfest agieren. Peter Pasetti passt ausgezeichnet in dieses gehobene Ambiente, genau wie seine Verhaltensweisen. Es scheint, er fühle sich durch eine Nebensächlichkeit wie Mord belästigt, was er in den Verhören offen zur Schau trägt. Nicht gerade kooperativ und ungeduldig wirkend, zeichnet er den klassischen Snob, der nicht gerade Sympathien auf sich zieht. Das interessiert ihn aber auch nicht im Geringsten, denn die Sentiments der anderen sind ihm vollkommen egal. Günther Mack hat keinen sonderlich großen Part zu tragen, jedoch füllt er ihn sehr markant aus, Hans Quest trifft den Nagel mit seiner Darstellung wie fast immer auf den Kopf, Hans Schweikart als desillusionierter Angestellter, zeichnet im Namen vieler einen hoffnungslosen Lebensabschnitt bemerkenswert glaubhaft und Joseph Offenbach wirkt unscheinbar, jedoch sympathisch. Hannelore Elsner ist darüber hinaus vollkommen eins mit ihrer Aufgabe als Zimmermädchen und man kann insgesamt sagen, dass die Besetzung hier nochmal einiges aus dieser leider nur mäßig spannenden und schließlich weitgehend vorhersehbaren Geschichte herausholen kann. "Der Tote von Zimmer 17" bleibt auch bei erneutem Ansehen nur eine durchschnittliche Folge, die herunter gespult wirkt, und wenig Liebe zum Detail preisgibt. Positiv hervorzuheben sind schließlich eher die Befragungen und die Interaktion der beteiligten Personen, die einen gewissen Realitätstransfer herstellen können.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

18.03.2013 12:28
#384 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Beim „Kommissar“ geschah bei mir vieles unter falschen Vorzeichen. Als ich die Serie vor nunmehr fünf Jahren kennenlernte, war ich recht wenig von ihr angetan. Düster-graue, oft moralinsaure Folgen erwischten mich auf dem falschen Fuße und zu einer Zeit, zu der meine Leidenschaft für Ringelmann-Krimis des ZDF weit weniger ausgeprägt war, als sie es heutzutage ist. „Der Kommissar“ soll nun eine zweite Chance erhalten – und diesmal ganz anders aufgezäumt und aufgeräumt werden. Wenn so viele Besprechungsreihen chronologisch vorgehen, warum soll man das Phänomen dann nicht auch einmal umkehren und am anderen, am wortwörtlichen „Ende“ beginnen? Auf diese Weise werde ich zunächst vielen unbekannten Episoden begegnen, die die Chance erhalten werden, mich neu von der Arbeit des Kommissar Keller zu überzeugen, obwohl ich vor Beginn meines „Kommissar-Countdowns“ nicht weniger als 28 Folgen bereits gesehen habe.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

18.03.2013 12:30
#385 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Tod im Transit

Zitat von Der Kommissar: Tod im Transit
Zwei Kleinganoven stehlen von einem Hotelparkplatz einen unverschlossenen Wagen. Die Tragweite ihrer Spritztour geht ihnen erst dann auf, als sie im Kofferraum des Autos eine Leiche finden. Der Besitzer des Wagens, ein gewisser Franz Eckert aus Essen, gibt vor, nichts von dem Toten zu wissen, doch die Polizei findet heraus, dass er Beziehungen zu zwielichtigen Gestalten, so etwa dem Hotelgast Krefelder unterhält …


Die Verabschiedung passt zur Type: Im Gegensatz zu Oberinspektor Derrick oder Kommissar Köster, die in ihren Serienhauptrollen Alleinherrscher waren und sofort alle Gedanken der Zuschauer auf sich ziehen, wenn von „Derrick“ oder „Der Alte“ die Rede ist, hatte sich Erik Ode alias Kommissar Keller von Anfang an dem Teamplayertum verschrieben. Integriert in eine gut funktionierende Ermittlergruppe, verhielt sich der ältere Mann zwar gescheit und mit einiger Führungsstärke, aber dennoch auch irgendwie unauffällig und kaum despotenhaft. So geht er dann auch von seiner kleinen, 97-teiligen Bühne ab: Mit einem unauffälligen Schlusssatz, einem freundlichen und freundschaftlichen Dank, sehr professionell und bescheiden. Es ist gar nicht nötig, viele Worte zu machen, denn Kommissar Keller inszeniert sich nicht gern.

Mir war das zu Anfang zuwider: Erik Ode spreche ich auch heute keine so beeindruckende Schauspieler-Persönlichkeit wie Horst Tappert oder Siegfried Lowitz zu. Wenn ich an den „Kommissar“ denke, denke ich nicht sofort an Ode, sondern eher an „seine“ Fälle, an die Gastdarsteller, an die fantastische Musik. Es wäre falsch gewesen, diese Punkte in der letzten Folge hinter sein überschaubares Ego zurückzustellen. Und noch dazu langweilig: Gut, dass man es nicht getan hat! Der Fall von Schmuggeltransporten, der zwangsläufig früher oder später auch einmal einen Toten heraufbeschwören muss, zählt nämlich zu den ganz besonders spannenden innerhalb der Serie. Sicher: Einfach gestrickt ist es schon, was Reinecker da auftischt – in puncto Rätselfaktor gewinnt „Tod im Transit“ keinen Blumentopf. Das muss aber auch gar nicht sein, denn es ist ebenso unterhaltsam, den von Anfang an als Bösewichter markierten Charakteren im wahrsten Sinne des Wortes auf Schritt und Tritt zu folgen. In dieser Funktion tut sich vor allem Grabert hervor, der sich in beeindruckenden Aufnahmen von der Verfolgung quer durch ganz Österreich beinah um Kopf und Kragen ermittelt. Ich werde nicht der einzige gewesen sein, der tatsächlich vermutete, dass Grabert die Überführung der Täter nicht mehr miterleben würde. Als Abschlusspunkt hätte das aber einen Etappensieg für die Gauner bedeutet, den Herbert Reinecker und Helmut Ringelmann, zwei treue Verteidiger von Recht und Ordnung, nie gutgeheißen hätten. So bleibt dem Zuschauer immerhin, erleichtert über die schlechte Treffsicherheit von Arthur Brauss aufzuatmen, sobald „unser Walter“ wieder ins Bild kommt. (Bei den Dreharbeiten zog sich Günther Schramm sicher wenigstens eine gehörige Erkältung ein – durchnässt im Schnee zu liegen, pah!)

Während mir Udo Vioff zu einseitig gezeichnet erscheint und mich demzufolge in anderen seiner vielen starken Krimiauftritte mehr überzeugte, so steigt durch „Tod im Transit“ meine Ehrfurcht vor Peter Fricke an, dem es überzeugend gelingt, einen schwachbrüstigen Halbverbrecher mit Restgewissen und Muffensausen zu porträtieren. In Verbindung mit seinem versatilen Mienenspiel gelingt es der Kamera von Manfred Ensinger, mit sehr stimmungsvollen Schwarzweißaufnahmen die enge Hotelszenerie zu beleben.

Der umgekehrte Einstieg funktioniert fabelhaft, wird man doch augenblicklich von einer gelungenen Folge begrüßt, die über die Jahre nichts an ihrer Wirkung verloren hat. Der Mord fällt zwar nur als Nebenprodukt ab, hängt aber wie ein drohendes Schwert auch über den Köpfen des Teams um Kommissar Keller. Gut, dass es für mich noch nicht an der Zeit ist, es zu verabschieden!

(4,5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Inspektor Walter Grabert auf einer gefährlichen Mission
||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 1: Episode 97 der TV-Kriminalserie, BRD 1976. Regie: Theodor Grädler. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Elmar Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Peter Fricke, Udo Vioff, Paul Muller, Petra Drechsler, Angela Hillebrecht, Arthur Brauss, Minja Vojvodic, Karl-Otto Alberty u.a. Erstsendung: 30. Januar 1976.

Gubanov ( gelöscht )
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18.03.2013 13:00
#386 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Der Held des Tages

Zitat von Der Kommissar: Der Held des Tages
Zum Held des Tages wird der kleine Hans Weise erklärt, der durch Geistesgegenwart seine Eltern aus den Fängen von Bankräubern befreit. Anstatt ihm dafür zu danken, lassen ihn Mutter und Vater jedoch auch in den kommenden Tagen allein die Nachmittage verbringen – bis sich Hans einen der Bankräuber als Spielgefährten aussucht. Seine Eltern ahnen nicht, dass der Junge allein mit dem Verbrecher Fahrradtouren unternimmt …


Hin und wieder gelingt es dem „Kommissar“, bei mir mit alten Vorurteilen und Voreingenommenheiten aufzuräumen. Meine Assoziation zur Serie: graue Schauplätze, Kneipen und Münchner Geschäftigkeit. Es ist erfrischend, dann einer Episode zu begegnen, die kaum etwas von alledem beinhaltet, die im Gegenteil sogar richtiggehend idyllische Züge aufweist. Beginnt man mit der Betrachtung von „Der Held des Tages“, so ist das zunächst kaum zu erkennen – lediglich Herrmann Thiemes kunstvolle und doch kindlich einfache Klaviermusik deutet zaghaft darauf hin. Zwei Fälle zum Preis von einem, möchte man meinen, doch alles geht kohärent und stimmig zu: Zunächst wird etwas für den Spannungs- und Actionanteil getan – ein Banküberfall nach dem aus Jürgen Rolands „Vier Schlüssel“ sehr vertrauten Muster inklusive eines unfreiwilligen Zeugen und einer wilden Schießerei am Ende sorgt für die Aspekte, die man sich vor der Sichtung einer „Kommissar“-Folge (oder einem Krimi im Allgemeinen) wünscht.

Wie sich die Geschichte im Anschluss entfaltet, wird auch den geübten Krimifan überraschen. Anstatt auf die Aufklärung des Verbrechens und damit auf die in der Serie reichlich durchexzerzierte routinemäßige Aufteilung von Rollen, Befragungen, Verdächtigen und Verhören zu setzen, gelingt es Herbert Reinecker, die Geschichte durch die Augen des kleinen Jungen zu erzählen, der, von seinen Eltern vernachlässigt, seinen Zeitvertreib in einer anrührenden Mischung aus Naivität und Selbstsicherheit bei dem wiedererkannten Bankraub-Gehilfen sucht. Nicht nur muss man Georg Wondraks jungschauspielerische Leistung als überaus gelungen anerkennen, auch komplementiert Johannes Schaaf diesen Part seinerseits mit einer erstaunlichen Kindlichkeit. Das ungleiche Paar, das zusammen mit dem Drahtesel in den Wald und auf die Pferdekoppel fährt, führt zwar dazu, dass der eigentliche Krimi von Zeit zu Zeit aus dem Fokus gerät, aber gleichsam auch zu einer so gelungenen Abwechslung, dass von Längen nie die Rede sein kann. Die Unbeschwertheit, die von diesen Szenen ausgeht, illustriert einerseits vortrefflich die gute alte Zeit, in der man Kindern nicht ständig das unheilvolle „Rehe“-Szenario vor Augen führen musste, andererseits aber auch den klaffenden Unterschied zwischen der Wunschwelt Hans Weises und seinem Elternhaus, in dem Geschäftigkeit, Anspannung und unsinnige Zurechtweisungen an der Tagesordnung sind. Latent bietet diese Situation Raum für die übliche Sozialkritik, sie bleibt allerdings erfreulich vage, denn dem „Held des Tages“ ist weder an einer Verdammung berufstätiger Eltern noch an der Glorifizierung später 68er-Ideale gelegen.

Abseits der dominanten Rollen von Schaaf und Wondrak haben es sowohl die Ermittler als auch die Verbrecher schwer, sich als einprägsame Rollen zu etablieren. Es spricht deshalb für die Qualität von Darstellern und Inszenierung, dass man trotzdem innerhalb der kurzen Spielzeit einen guten Eindruck der drei auf illegalen Pfaden wandernden Brüder erhält.

Eine Folge, die eine gewisse Nachwirkungszeit benötigt. Sie ist weder typisch für die Reihe noch in ihrem Verlauf ein waschechter Krimi, aber sie überzeugt durch Warmherzigkeit und eine anrührende Freundschaft, die nicht ins Kitschige abdriftet. Mit Dietrich Haugk war ein absoluter Profi am Werk, der mich gespannt macht auf weitere interessante Regiearbeiten innerhalb der Serie.

(5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Kommissar Herbert Keller als locker-beschwingter Kinderfreund
||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 2: Episode 96 der TV-Kriminalserie, BRD 1976. Regie: Dietrich Haugk. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Elmar Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Sonja Sutter, Claus Biederstaedt, Georg Wondrak, Johannes Schaaf, Gottfried John, Burkhard Driest, Hans Helmut Dickow, Herbert Steinmetz u.a. Erstsendung: 2. Januar 1976.

Gubanov ( gelöscht )
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19.03.2013 12:00
#387 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Eine Grenzüberschreitung

Zitat von Der Kommissar: Eine Grenzüberschreitung
Völlig überraschend wird ein entführter Junge vor der Lösegeldübergabe auf freien Fuß gesetzt. Der Grund ergibt sich aus seiner Aussage: Er hat einen der am Komplott Beteiligten, den Sohn des Hausmeisters Kerk, wiedererkannt. Als Kerk junior tot aufgefunden wird, fokussieren sich die Ermittlungen des Kommissars und seines Teams auf die Clique des Ermordeten, in der vielleicht noch weitere Entführer zu finden sind …


Lässt der Titel auf eine unausgegoren oberlehrerhafte Folge im Prostitutions-, Vergewaltigungs- oder Drogenmilieu erwarten, so lehnt man sich doch entspannt zurück, als man erfährt, dass man es doch glücklicherweise „nur“ mit einem einfachen Mordfall unter „Menschen wie du und ich“ zu tun bekommt. Die Idee, spaßeshalber ein Verbrechen auszuarbeiten und es dann zu begehen, nur weil man schon so clevere Überlegungen angestellt hat, zählt sicher nicht zu den stärksten Motivationen der Serie und die langen Rückblenden am Ende der Episode haben es schwer, den Zuschauer hiervon zu überzeugen. Da wird mit ausschweifenden Worten erzählt, was besser durch Regie und Bild hätte vermittelt werden sollen – doch bei dem Namen Michael Braun im Abspann wundert es nicht, dass man eher mittelmäßige Kost serviert bekommt, die sich zwar durch eine gute Geschichte, aber ganz sicher nicht durch eine irgendwie überdurchschnittliche Regieleistung auszeichnet. Die gesamte Präsentation der Folge ist sehr nüchtern, Akzente werden nur dann gesetzt, wenn die Leiche Toni Kerks (ein recht entstellter Wolfgang Müller) wieder und wieder in unappetitlichen Nahaufnahmen gezeigt wird. Das ist für das Niveau der Serie eindeutig zu wenig.

Erfreulich gestaltet sich die Beleuchtung der Jugendtruppe, die, obwohl sie zu Verbrechern mutiert, nicht mit der üblichen Reinecker-Skepsis angepackt wird. Luftig und sonnig geht es zu, wenn die jungen Menschen zusammen sind, muffig und überschattet von regelkonformem Verhalten, wenn die Eltern sich in greifbarer Nähe befinden. Gerade diese bieten namenstechnisch so einiges auf: Dieter Borsche gibt den Bücherwurm mit starkem Ego und lautem Organ, der seinem Sohn durch scharfen Realismus Angst einflößt; Inge Birkmann kämpft wie eine Löwin um ihr Kind, bis sie die Wahrheit erkennt; Elisabeth Wiedemann schlottert vor Angst, weil sie es nicht gewohnt ist, die Polizei im Hause zu haben; Claus Biederstaedt bereitete sich schon einmal auf seine Rolle in „Der Held des Tages“ vor, die mehr oder weniger exakt denselben Einschlag besserwisserischer Patriarchenwut von ihm erforderte. Bei Biederstaedt handelt es sich um einen Schauspieler, der zwischen den frühen und den späteren Jahren seines Schaffens einen so großen Stimmungs- und Typenunterschied durchlaufen hat wie kaum ein anderer Mime im deutschen Film und Fernsehen.

Abgesehen von Biederstaedts Rolle bietet auch das wieder auftauchende Kind Grund, Parallelen zu „Der Held des Tages“ zu suchen. Es mag verwunderlich erscheinen, dass zwei Folgen mit infantilem Aufhänger direkt nacheinander ausgestrahlt wurden, doch immerhin packen beide die Thematik an unterschiedlichen Enden an. Im Gegensatz zur Hans Weise bleibt der kleine Ralf nämlich nur eine Nebenfigur, die an den Rand der Aufmerksamkeit geschoben wird, sobald die routinemäßigen Ermittlungen anlaufen. Und das, obwohl es sich bei Darsteller Tobias Ringelmann um niemand geringeren als den Sohn des Produzenten handelte!

Gediegene, gute Mittelfeldfolge mit großer Besetzung. Verbesserungen hätten ein elaboraterer Regisseur und eine gekürzte Geständnisszene bringen können.

(3,5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Inspektor Robert Heines als cooler Isarauen-Cop und kurzzeitiger Autocamper
||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 3: Episode 95 der TV-Kriminalserie, BRD 1975. Regie: Michael Braun. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Elmar Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Elisabeth Wiedemann, Dieter Schidor, Inge Birkmann, Bernd Herzsprung, Dieter Borsche, Christian Reiner, Claus Biederstaedt, Ekkehard Belle u.a. Erstsendung: 19. Dezember 1975.

Gubanov ( gelöscht )
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21.03.2013 20:30
#388 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Mord nach der Uhr

Zitat von Der Kommissar: Mord nach der Uhr
Frau Reese schaut ständig auf die Uhr. Verschreckt und doch erleichtert ist sie, als sie aus dem Salon einen Schrei hört. Sie findet ihre Schwiegertochter ermordet vor. Die Polizei soll an einen Einbrecher glauben. Lang kann sich diese Theorie aber nicht halten, denn Kommissar Keller ist überzeugt: Die Familie gaukelt den Einbruch nur vor. Hier walten andere Motive.


„Der Kommissar“ verließ sich seltener auf klassische Familiendramen als etwa „Derrick“, was „Mord nach der Uhr“ zu einer willkommenen Abwechslung in dieser ersten Reinecker-Serie machte. Erzählweise, Plot und Beweggründe sind ebenso altbekannt und nobel wie Familie und Villa, in deren Reihen und Mauern sich das Geschehen abspielt: Die Matriarchin, die ihre Söhne wie Zinnsoldaten um sich aufmarschieren lässt und deren Wille geschieht, gehörte ebenso wie ihr männliches Gegenstück zur Standardausstattung einer angesehenen Sippe, was Jungermittler Erwin Klein zu der Bemerkung veranlasst, die Reeses könne man mit einer Bilderbuchfamilie vergleichen. Aus Reinecker-Sprech übersetzt heißt das vor allem Zaster und Zusammenhalt. Um beides geht es: um einen schmerzlichen finanziellen Verlust, der höher eingeschätzt wird als der Verlust eines menschlichen Lebens, weil er mit der Zerstörung der familiären Firma und damit des gemeinsamen Stolzes einherginge, und um enge Bande, die zwischen Mutter und Kindern bestehen und die die Protagonisten eng aneinander fesseln. Schwiegertöchter sind da nur unerwünschte Eindringlinge!

Maria Becker, die im Jahr 1920 in Berlin geboren wurde und im vergangenen September in der Schweiz starb, zählte zu den überzeugendsten Darstellerinnen in der Rolle der Herrscherin über ihr eigenes kleines Reich. Eine ähnlich ergreifende Darstellung einer Mutter, die um ihren Sohn kämpft, gab sie auch in der „Der Alte“-Folge „Bis dass der Tod uns scheidet“ von Alfred Vohrer, in der sie sich um Dieter Schidor sorgte. Hier dagegen spielen Bruno Dietrich und Detlev Eckstein die Sprösslinge, die ausführen, was ihnen aufgetragen wird und für kleinste Fehler in der Durchführung eines auch für den Zuschauer offen dargelegten Vorhabens aufs Schärfste gerügt werden. Mord, immerhin das stellt Frau Reese fest, ist eben kein Kinderspiel. Unterschätzt hat sie jedoch ihre planerische Macht über die Kripo, die sich von alten Ehrbegriffen ebenso wenig lenken lässt wie von ihren Schachzügen, die Kastanien für den einen Sohn aus dem Feuer zu holen, indem sie den anderen in den Ofen steckt.

Alfred Weidenmann ist für sachliche und themengerechte Umsetzungen bekannt, zumal hier keine Möglichkeit vorhanden ist, kritische Untertöne einzuflechten. Das bedeutet, dass eine gewisse düstere Spannung beim Schauen der Folge wahrzunehmen ist, dass sie aber durchaus auch bedrohlicher hätte ausfallen können. Dabei gelingt es Weidenmann eigentlich recht gut, das Haus, die darin befindlichen Uhren, die schummrige Beleuchtung und die sich abwechselnden Zustände von Enge und Weite dramaturgisch sinnvoll mit der Handlung zu verbinden, sodass man beinah das Gefühl bekommt, dass das traute Heim eine ebenso große Rolle spielt wie seine Bewohner. Auf jeden Fall eine größere als Thomas Fritsch, der im „Kommissar“ offenbar nur auf grenzdebilem Posten patrouillierte – diesmal immerhin nur am Rande der Ereignisse und ohne Teekanne.

Bedrückende Familiengeschichte, die ein verzweifeltes Aufbegehren gegen ungünstige Umstände bis zum Mord führt, dabei aber weder versucht, diesen Ausweg zu rechtfertigen noch zu verdammen. Maria Becker spielt wuchtig auf, aber auch Detlev Eckstein gelingt es, Eindruck zu machen. Schöne, aber nüchterne Aufnahmen im Haus Reese ergänzen die Folge zu angenehmer Abendspannung.

(4,5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Kriminalhauptmeister Erwin Klein, der als erster die Wahrheit erkennt
||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 4: Episode 94 der TV-Kriminalserie, BRD 1975. Regie: Alfred Weidenmann. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Elmar Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Maria Becker, Bruno Dietrich, Detlev Eckstein, Renate Schroeter, Thomas Fritsch, Alexandra Marischka, Angelika Zielcke, Herbert Fleischmann u.a. Erstsendung: 21. November 1975.

Gubanov ( gelöscht )
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24.03.2013 21:20
#389 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Ein Playboy segnet das Zeitliche

Zitat von Der Kommissar: Ein Playboy segnet das Zeitliche
‚Ist der wirklich so dumm?‘ fragen sich manche intelligenten Geschöpfe, wenn Mandy Schulz mit seiner Gefolgschaft eines seiner Stammlokale in der Münchner Schickeria-Szene betritt. Der ungekrönte Partykönig Münchens verschleißt Frauen wie Taschentücher und macht sich damit vergnügliche Abende, aber auch einige Feinde. Nun erhält er seit einigen Tagen Drohanrufe – und er hat wirklich Angst, erschossen zu werden!


„Ein Playboy segnet das Zeitliche“ illustriert vielsagend die Beweggründe, weshalb mir München von allen deutschen Millionenstädten die unsympathischste ist. Die Dekadenz der dortigen Partybevölkerung, die Mediengeilheit und die Dummheit, anderen bis hin zur völligen Selbstaufgabe gefallen zu wollen, stehen im Mittelpunkt der Folge, die eindeutig auf ein heimisches Publikum gemünzt ist, das sich mit derlei Phänomenen auskennt und auseinandersetzen möchte. Das Düsseldorf des Südens führt hier seine eigenen Luxusproblemchen vor, die man sich schnell hinwegwünscht. Selten kamen deshalb die Kugeln des Mörders so willkommen wie bei Mandy Schulz, dem Helmuth Lohner ein ebenso glaubwürdiges wie abstoßendes Gesicht verleiht. Lohner untermauert hier erneut meinen Eindruck, dass er auf Tunichtgut-Rollen abonniert war und deshalb auch z.B. in „Babeck“ keinen würdigen Ersatz für Joachim Fuchsberger stellen konnte.

Nachdem der Playboy abserviert ist und wieder ein latenter Hauch von Normalität einkehrt, indem die Kripobeamten ihre unterschiedlichen Sichtweisen auf die Lebensumstände des Mordopfers kundtun, wird das Gezeigte in erträglichere Bahnen gelenkt. Zwar sind dem unseligen Schulz noch einige Rückblendenauftritte vergönnt, doch die scharfe Kritik, die vor allem von Robert Heines, Albert Krugmann und Herrn Schulz, dem Onkel aus Augsburg, kommt, mildert die anfangs reichlich glorifizierende Sichtweise. Für das Milieu, in dem „Ein Playboy segnet das Zeitliche“ angesiedelt ist, erwies sich Wolfgang Becker natürlich als idealer Mann, denn der Regisseur stellte schon häufig seine Musikaffinität und den Hang zu rasanten Inszenierungen auf die Probe. Im Vergleich zu Braun und Weidenmann ist das ein deutlicher Schritt hin zu mehr Professionalität und Originalität, die die Geschichte aber auch gut vertragen kann.

Sehr gefreut habe ich mich über den Auftritt Barbara Rüttings als Hausdame, die die Folge in meiner Erinnerung in Zukunft dominieren wird. Frau Eber wird zwar in einem gewissen Maße dem Klischee der bewunderungsvollen Dienerin gerecht, wie man es häufig in Sekretärinnen- und Dienstmädchenrollen findet, entwickelt durch Rüttings erwachsenen und selbstständigen Impetus allerdings eine gewisse über den Dingen stehende, manchmal mütterliche Fürsorglichkeit, die nur wenig mit konventionellen Rollenbildern gemein hat. Die gibt es dafür umso mehr bei den anderen Frauen, die auf Schulz’ Kommando und die Anweisungen seines Freunds Willy Schmidt reagieren wie trainierte Hündinnen. Elisabeth Krugmann, von der man wiederum nur in Rückblenden erfährt, fällt als einzige aus dem Rahmen, doch ihre Figur bleibt recht unklar, die Beweggründe für ihren Selbstmord sind nicht auf Anhieb nachvollziehbar, weil die von Reinecker vorgeschobene Fragilität irgendwie kaum ausreichend für einen derartigen Schritt erscheint. Aber was soll’s: Lieschen kann der Liste der auswärtigen Mädchen, die in und an München zugrunde gingen, hinzugefügt werden – und jede Zahl in dieser Statistik belegt Stereotypen der Ringelmann-Krimis.

Das Haus, das Mandy Schulz sein Eigen nennt, ist dasselbe, das später auch bei „Derrick“ in den Episoden „Via Genua“ und „Der Mann aus Antibes“ zu sehen war. Das Gebäude in der Pullacher Richard-Wagner-Straße macht mit ausgedrehten Farben einen deutlich tristeren Eindruck als später bei Polizeikollege Derrick, kommt aber dafür in aller Ausführlichkeit während der Verhöre und der Überführung zum Zuge.

Mit Mandy Schulz kreierte Herbert Reinecker kurz vor Ende der „Kommissar“-Serie noch einmal einen echten Kotzbrocken, dessen Tod man nicht wirklich beweinen mag. Deshalb hält sich das Interesse an der Mördersuche in Grenzen, doch Regisseur Becker tat das Beste, um es auch aus einem unwilligen norddeutschen Zuschauer herauszukitzeln. Barbara Rütting spielt einmal mehr fantastisch auf – leider handelte es sich um ihren einzigen Auftritt in der Reihe.

(3,5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Kriminalhauptmeister Erwin Klein, der aus kritischer Distanz das Playboytum bewundert
||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 5: Episode 93 der TV-Kriminalserie, BRD 1975. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Elmar Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Helmuth Lohner, Barbara Rütting, Peter Fricke, Dieter Prochnow, Donata Höffer, Andreas Seyferth, Evelyne Kraft, Kai Fischer u.a. Erstsendung: 24. Oktober 1975.

Prisma Offline




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25.03.2013 16:39
#390 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



LISA BASSENGES MÖRDER (Folge 35)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Boy Gobert, Klausjürgen Wussow, Diana Körner, Peter Ehrlich, Jan Hendriks, Gert Haucke, u.a.



Wie immer winkt Lisa ihrem Geliebten, dem Lokführer Leo vom Fenster ihrer Wohnung zu, wenn er vorbei fährt. Als er seine Freundin nach Beendigung seiner Schicht besuchen möchte, steht er vor verschlossener Tür, doch Leo weiß, dass sie zu Hause sein muss. Wenig später findet er sie ermordet auf, sie wurde erwürgt. Die Tote, die als Serviererin in einem Lokal am Bahnhof gearbeitet hatte, liefert Kommissar Keller nach kurzer Zeit ein eindeutiges Motiv, nämlich Eifersucht, da ihr die Männer zu Füßen lagen. Um so schwerer für die Polizei, denn der Kreis der Verdächtigen ist somit erheblich weitläufiger. Die Ermittlungen ergeben lange keine eindeutigen Hinweise, so dass Keller den Mörder aus der Reserve zu locken versucht...

Wolfgang Staudtes Beitrag habe ich bezüglich der Thematik und der gut konstruierten Geschichte seit jeher als starke Episode in Erinnerung, was sich auch bei der erneuten Sichtung bestätigen konnte. Dabei handelt es sich noch nicht einmal um einen außergewöhnlichen Kriminalfall, aber Folge 35 spricht den Zuschauer auf einer recht eigenartigen Ebene an. Ich möchte es gar nicht Sentimentalität nennen, doch eine gewisse Tragik des Falles und die blendend funktionierenden Charaktere geben dieser Angelegenheit eine besonders erschreckende, aber im Endeffekt auch einen einfühlsamen Schliff, der bei aller Nüchternheit immer wieder durchschimmert. Der Schauplatz des Verbrechens spielt sich im bürgerlichen Milieu ab, das gezeichnet ist von den üblichen Problemen seiner Überlebenskünstler. Lisa Bassenge wirkt wie ein Lichtblick in diesem Szenario, doch sie wird bei den eindringlichen Ermittlungen keineswegs als Heilige dargestellt. Eher handelt es sich bei dieser seltsamen Lichtgestalt erneut um eine Person, der ihre Naivität und Leichtfertigkeit zum Verhängnis wurde. Für den Zuschauer wird die junge Frau in Rückblenden transparent gemacht, und mit fortlaufender Zeit wird immer mehr deutlich, dass man sich in einer ziemlich nachdenklichen Folge befindet. Es wird dieses Mal kein Leichter, miterlebter Tod für den Zuschauer, da man es mit einer Person zu tun hat, die im Gegensatz zu vielen anderen Mordopfern, alle Sympathiepunkte vereint.

Das glaubhafte Gesicht dazu liefert eine bezaubernde Diana Körner, die mir persönlich selten einmal derartig imponiert hat. Es ist nicht nur ihre Schönheit, die Männer aller couleur reizt bis aufs Blut, es ist ihre Art, die in dieser Reihe oft Verwendung fand, aber immer mit anderen Gesichtern ausgestattet wurde, die erneut etwas indirekt Aufforderndes transportiert. Verlieren Männer tatsächlich so leicht den Kopf oder die Contenance? Bei den richtigen Objekten rückte es die Folge, und schließlich die Serie, immer wieder in den Bereich des Möglichen. Boy Gobert und Klausjürgen Wussow als ungleiche Brüder agieren sehr glaubhaft. Der eine leidet unter einer nicht näher erläuterten Erkrankung, die seine Motorik stark beeinträchtigt, und er ist es, der möglicherweise das Wahre-Liebe-Motiv bedient. Im Endeffekt ist es nicht einmal seine körperliche Beeinträchtigung, die ihn für Frauen, beziehungsweise für Lisa, uninteressant macht, sondern es ist sein Verwirrung stiftendes Wesen, das eine Mischung aus bestem Freund, großem Bruder und möglichem Liebhaber vereint. Wussow als Draufgänger kommt mit seiner direkten Art schließlich besser an, und hat daher permanent wechselnde Liebschaften. Doch er entwickelt keine nachhaltigen Gefühle, im Gegensatz zu Alfred, der beinahe manische Tendenzen entwickelt, die seinen Komplexen entspringen. Die Dreieckskonstellation lässt also viel Spielraum zum Spekulieren. Hätte Lisa gerne Alfreds Kopf und Leos Körper als perfect match, entwickelt sie Gefühle für Alfred, da sie sich des Ursprungs nicht bewusst ist, weil sie nur eine Sorte Männer kennen gelernt hat? Das soll alles der Zuschauer entscheiden, und egal zu welchem Ergebnis man letztlich kommt, der Mordfall ist und bleibt einer der Tragischen in der Kommissar-Reihe. Dass sich viele falsche Untertöne im Szenario breitgemacht haben, erscheint daher verkraftbar zu sein, auch dass der Fall eigentlich unspektakulär und vorhersehbar ist, jedoch glücklicherweise eine gute Umsetzung erfuhr, tut der Unterhaltung keinen Abbruch. Nicht nur die immer wieder auftauchende Melancholie, die im Wechsel mit kleinen Lichtblicken ein regelrechtes Tauziehen veranstaltet, sondern vor allem das Finale wirkt schon ziemlich bitter.

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