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Dieses Thema hat 647 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

09.02.2014 20:40
#451 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Herr und Frau Brandes

Zitat von Der Kommissar: Herr und Frau Brandes
Frau Brandes empfängt gerade ihren Kunstagenten, als im nahen Wald ein Schuss fällt. Ist nicht gerade Jagdsaison? Tatsächlich scheint zum Halali auf kompromittierende Liebhaber geblasen worden zu sein. Durch das Gebell der Hunde beunruhigt, machen sich Frau Brandes und Herr Dr. Bruchsal auf die Suche und entdecken das Modell, das viele Bilder der Malerin ziert. Der geistig behinderte Sohn rückt zum Hauptverdächtigen auf ...


„Herr und Frau Brandes“ ist insofern eine untypische „Kommissar“-Episode, als alle Vorkommnisse im Haus der Titelfiguren einen theatralischen Eindruck hinterlassen. Für gewöhnlich kann es als ein Verdienst der Ringelmann-Serien betrachtet werden, dem deutschen Fernsehen seit Ende der 1960er Jahre seine Studio- und Theaterhaftigkeit ausgetrieben zu haben. Folge #66 ist also gewissermaßen ein Rückschritt auf der Entwicklungsleiter des Krimis auf dem kleinen Bildschirm. Die Fixierung auf einen einzigen Schauplatz ist nicht der einzige Grund für mein Urteil: Professor Leopold Lindtberg, für den „Herr und Frau Brandes“ die einzige „Kommissar“-Regie war, inszenierte so, dass seine großen Theatererfahrungen durchscheinen. Ähnlich wie Theodor Grädler legte er den Fokus auf die Schauspieler und ihre Emotionen, ergänzte sie aber nicht wie sein Kollege organisch mit Ausdrucksformen aus der Welt von Film und Fernsehen. Spannung erzeugende Ausleuchtungen sucht man ebenso vergeblich wie aufregende Kameraperspektiven oder ein Gespür für die notwendige Geschwindigkeit, sodass sich das Drama um „Herrn und Frau Brandes“ schnell ins Unwesentliche verläuft.

Mehrere Faktoren sorgen dafür, dass der Episode eine gewisse Falschheit und Künstlichkeit anhaftet: Ironischerweise steht die Besetzung des realen Ehepaars Agnes Finck und Bernhard Wicki im Zentrum dieses Problems. Ihnen gelingt es nicht, die Barriere zwischen eigenem und gespieltem Leben zu übertreten – alles, was sich zwischen den beiden auf dem Bildschirm abspielt, erweckt den Anschein gestellter Absichtlichkeit. „Das Ehepaar Wicki ist heute das Ehepaar Brandes“ – eine solche Rechnung muss nicht so einfach aufgehen und erschwert ein Erzielen von Glaubwürdigkeit vielleicht sogar gegenüber solchen Kollegen, die sich allein auf einer professionellen beruflichen Ebene aufeinander einlassen. Auch Andreas Seyferth als Sohn künstelt in seiner angeblichen Krankheit zu sehr vor sich her. In den Reinecker-Storys kamen mehrfach geistig behinderte Protagonisten vor – sie überzeugten aber vor allem dann, wenn sie um ihrer selbst willen eine wichtige Rolle in Ablauf oder Aufklärung des Verbrechens spielten und nicht wie in diesem Fall zu Hilfsüberführungsmitteln instrumentalisiert wurden.

Die sommerlichen Außenaufnahmen mögen versöhnlich wirken, werden durch die Innenaufnahmen, die in der Gereuthvilla entstanden und eindeutig nicht zu dem Äußeren des Landhauses in der Episode passen wollen, wieder in ein zweifelhaftes Licht gerückt. Unter optischen Gesichtspunkten muss auch gefragt werden, welcher Kunsthändler sich ernsthaft für die bestenfalls naiven Porträts der Frau Brandes interessieren würde.

Während die Idee, den eigenen Sohn unter Verdacht zu stellen, um den wahren Täter aus der Fassung zu bringen, eine sehr reizvolle ist, die in groben Zügen auch stilvoll und mit entsprechenden familiären Konflikten umgesetzt wurde, so bleibt am Ende doch eine inhaltliche Lücke. Der Kommissar stellt fest, dass das Bild, das Ulrich Brandes von der Tatwaffe malt, Details enthält, die er nur kennen kann, wenn er genau weiß, wie ein Gewehr funktioniert. Am Ende wird behauptet, dass Ulrich das nicht wüsste und alles nur ein Trick seines Vaters war, um ihn möglichst in ein belastendes Licht zu rücken – woher Ulrich dann aber die Fachkenntnis für die Zeichnung hatte, bleibt ungeklärt.

In sommerlich schwüler und träger Romantik versinkt ein Fall, der bei glaubwürdigerer und abwechslungsreicherer Umsetzung zu den besseren der Reihe zählen könnte. Die Abwesenheit der üblichen München-Szenen ist zwar an sich löblich, aber letztlich gerät „Herr und Frau Brandes“ doch zu „kommissar“-untypisch. Es war eine richtige Entscheidung, für den weiteren Verlauf der Reihe auf mit dem Ringelmann-Stil vertrautere Regisseure zu setzen.

(3,5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Inspektor Walter Grabert und sein Misstrauen gegenüber zu spät beantworteten Fragen
||||| ||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| ||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| ||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| ||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| ||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 32: Episode 66 der TV-Kriminalserie, BRD 1973. Regie: Prof. Leopold Lindtberg. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper. Unter Verdacht: Agnes Finck, Bernhard Wicki, Andreas Seyferth, Gisela Stein, Hilde Volk, Paul Hoffmann u.a. Erstsendung: 30. November 1973.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

23.02.2014 14:05
#452 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Das Ende eines Humoristen" (Folge 52/ Erstsendung am 3. November 1972)
mit: Hanns Ernst Jäger, Alfred Balthoff, Christiane Schröder, Hilde Weißner, Wolfgang Völz, Olga von Togni, Manfred Seipold - Regie: Theodor Grädler

Erwin Waldermann tourt seit über dreißig Jahren durch Deutschland. Mit seinen Witzen hat er schon ganze Säle zum Lachen gebracht. Doch nun spürt er die Ernüchterung, die sich einstellt, wenn der Erfolg ausbleibt. Lauschten ihm früher die Kurgäste auf der Strandpromenade von Travemünde, so tritt er heute vor einer überschaubaren Zahl an Zuhörern in ländlichen Gasthöfen auf. Im Frack und mit einer Nelke im Knopfloch steht er vor seinem Publikum, während seine Tochter Ursula überlegt, wie sie ihrem Vater beibringen kann, dass seine Zeit als Alleinunterhalter abgelaufen ist. Eines Abends sitzt Ursula nicht wie gewöhnlich in der ersten Reihe - man findet sie in einer Parkanlage, wo ein Schädelbruch ihrem Leben ein Ende bereitete....



Der gebürtige Wiener Hanns Ernst Jäger kennt die Bühnen Österreichs und Deutschlands wie seine Westentasche. Er feierte dort große Erfolge in klassischen Rollen und vor allem in den Stücken von Bertolt Brecht. Seine ausdrucksstarke Stimme erschüttert die Bühne ebenso wie sie imstande ist, die Anwesenden je nach Anlass zu erheitern oder einzuschüchtern. Herbert Reinecker schneiderte Jäger die Rolle des Conférenciers auf den Leib; das "Kommissar"-Team wird - mit Ausnahme des Jahrgangskollegen Erik Ode - komplett an den Rande gedrängt, ja überflüssig gemacht. Alfred Balthoff, in seiner eindringlichen, von stillen Vorwürfen getragenen Art, versucht an der Seitenlinie Akzente zu setzen und einmal mehr Verständnis für ein gestraucheltes Leben zu zeigen. Es dauert vierunddreißig Minuten bis man einen kurzen Blick auf Christiane Schröder werfen kann, jene Darstellerin, die man unvermeidlich mit ihrem eigenen Schicksal in Verbindung bringt und deren Gesicht man stets aufmerksam studiert, um darin die letzten Geheimnisse ihres Lebens zu lesen. Erst ab der fünfundvierzigsten Minute darf sie eine junge Frau zeigen, die ganz anders als ihre Bonny (Folge 15/ 1970) ist. Sie übernimmt Verantwortung und stellt sich den Tatsachen, wo ihr Vater auf Verdrängung und Selbsttäuschung setzt. Er, der Künstler, lebt in der Leichtigkeit vergangener Tage und hat zunehmend Schwierigkeiten, sich mit prosaischen Dingen wie Miete, Transport und Mahlzeiten zu befassen. Das Frackhemd wird hier als Sinnbild für die Unfähigkeit, im Alltag zu bestehen, gezeigt. Wolfgang Völz und Olga von Togni als Wirtsleute leben von ihren Einnahmen und zeigen den Kontrast zwischen der Notwendigkeit, Geld verdienen zu müssen und der Neigung, sich selbst zu verwirklichen. Der Mordfall wird nicht anhand klassischer Details aufgerollt, sondern durch die Reaktion des Hinterbliebenen rekonstruiert. In Ermangelung eines Studentenumfelds scheint es schwer, Gründe für den Mord an einer jungen Frau zu liefern. Hier setzt Theodor Grädler auf seinen dominanten Hauptdarsteller, der keine Gelegenheit auslässt, um jeden noch so kleinen Raum für sich als Bühne zu beanspruchen. Die vornehme Zurückhaltung des Regisseurs sorgt dafür, dass man die Misserfolge der Hauptfigur nicht zu sehen bekommt und, dass einem die Demütigung erspart bleibt, den Abstiegs Waldermanns hautnah zu erleben. Allein in seinen Gesten, Blicken und Erzählungen finden sich Spuren seiner Niederlage. Zudem spiegeln sie sich in der starken Persönlichkeit seiner geschiedenen Frau, der Hilde Weißner ihr strenges Schuldirektorinnen-Profil verleiht. Eine leise Folge ohne Effekthascherei, deren Auflösung betroffen macht.

Chinesische Nelke Offline



Beiträge: 136

23.02.2014 18:26
#453 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Ich stimme voll mit der Besprechung überein, besser kann man die Folge nicht beschreiben.
Tragisch nicht nur der Selbstmord von Christiane Schröder 1980 sondern auch der Tod von Hanns Ernst Jäger im Jahr 1973.
Er muss kurz nach Beendigung der Dreharbeiten verstorben sein.

Otto Mandlick Offline



Beiträge: 623

25.02.2014 11:15
#454 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Einer der wenigen gelungenen Auftritte von Christiane Schröder, sie strapaziert die Nerven der Zuschauer ausnahmsweise nicht. Im Gegenteil gibt sie diesmal den eher bodenständigen Widerpart zum in seiner eigenen Welt lebenden Vater.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

02.03.2014 13:51
#455 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Sommerpension

Zitat von Der Kommissar: Sommerpension
Die alten Leutchen fahren in die Sommerpension der Frau Schöndorf, um bei schönem Wetter in der Abgeschiedenheit der Natur ein paar Wochen zu verbringen, in denen nichts ihren rentnerischen Dämmerschlaf stört. Als nahe der Pension die Leiche eines Fremden gefunden wird, ist die Aufregung umso größer, denn die Ermittlungen des Kommissars konzentrieren sich auf die Gäste und die Vermieterin ...


Den Kommissar zieht es häufiger aufs Land als andere Ermittler. Während sich Stefan Derrick und Erwin Köster häufig in Kreisen der Münchner Schickeria wiederfanden, untersuchte der Kommissar in der Landeshauptstadt in erster Linie Mordfälle in einfachen Milieus wie Bars, Studentenkreisen oder Hinterhöfen. Die Notwendigkeit einer Abwechslung an der frischen Luft außerhalb Münchens war deshalb dringlicher als bei seinen Nachfolgern. In den Episoden des 60er-Blocks kommt dies gut zum Vorschein: Mit „Sommerpension“ und „Herr und Frau Brandes“ wurden gleich zwei Episoden hintereinander völlig abseits von Büros und Straßenschluchten realisiert und „Tod eines Buchhändlers“ ergänzt dieses Trio mit einem weiteren unkonventionellen Fall aus dem ländlichen Raum.

Zu Beginn von „Sommerpension“ fühlt man sich in die Zeiten von Wallace oder Baskerville zurückversetzt, als ein Jäger durch das neblige Moor streift und dabei auf eine halbversunkene Leiche trifft, die genauso gut auch vom „Hund von Blackwood Castle“ ins Verderben gejagt worden sein könnte. Dabei gewinnt die Schwarzweißkamera den moorigen Momenten mehr Atmosphäre ab, als es gen Ende der Wallace-Reihe unter Vohrer der Fall war. Die Episode wechselt jedoch recht schnell in geradezu sonnenbestrahlte Gefilde, die den Namen „Sommerpension“ rechtfertigen – der modernde Charme von Verfall und Tod geht dort nur mehr von der vorsintflutlichen Unterkunft und den hervorragend dazu passenden Rentnern aus, die unter Wortführung von Hans Schweikart sogar im Urlaub vor sich hinsiechen. Die alten Leute bekommen dabei typische Reinecker-Zeilen in den Mund gelegt; Schweikart stellt sich leidend, als hätte er alle Lasten der Welt zu tragen, und aus Erika von Thellmanns Augen spricht eine angewiderte Ablehnung gegenüber allem und jedem.

Glücklicherweise liegt das Zentrum des Mordfalles nicht in den Ungerechtigkeitsgefühlen gepeinigter Greise, sondern in der Beziehung, die die Vermieterin Frau Schöndorf zu ihrer behinderten Tochter Barbie aufgebaut hat. Der ergreifende Kontrast aus dem bildhübschen Aussehen Gerlinde Döberls und dem steifen Bein ihrer „Barbie“ Schöndorf gelingt ohne falsches Pathos und verlogene Moralseligkeit. Tatsächlich kann man sogar von einem Wagnis sprechen, das lahme Bein derart mit dem Mordfall in Verbindung zu bringen, wie es Herbert Reinecker in diesem Fall tat, doch gerade das latent politisch Inkorrekte an „Sommerpension“ überzeugt am meisten: das rabenschwarze Motiv, die kruden Gedankengänge und der Opportunismus, der sich im Finale unter dem Deckmantel der Fürsorglichkeit selbst enttarnt.

Neben Gerlinde Döberl, die auch dem „Segelbootmord“ zu emotionalen Anlässen verhalf, brillieren in der Konstellation der Charaktere auch Marianne Hoppe und Götz George. Die interessante und mit Menschenkenntnis erdachte und umgesetzte Zeichnung der Personen endet aber nicht bei den Hauptfiguren: Auch Lis Verhoeven überzeugt in einer kleinen Rolle als geschwätzige Kellnerin, die mit diebischem Vergnügen aus dem verräterischen Nähkästchen plaudert und im selben Atemzug mit voller Überzeugung feststellt: „Von mir erfahren Sie nichts.“

Kommissar Keller gelingt es durch sein eigenes Alter und die sehr gesetzten, konservativen Ansichten problemlos, sich in den Kreis der Pensionsgäste einzuleben. Die unkonventionelle Methode, sich selbst als Mieter in die Höhle des Löwen zu begeben und dabei auf die gleiche Stufe wie die Verdächtigen herabzusteigen, erweist sich als Glücksgriff für die Episode, weil sie die Brücke zwischen den Routineermittlungen und dem Finale so galant schlägt, dass in keinem Moment das Interesse an der Lösung des Falles verloren geht und sich die Phase des Zusammensetzen des Puzzles von anderen Fällen deutlich abhebt.

Als Geschichte einer unglücklichen Romanze wartet „Sommerpension“ sowohl mit scharfsinnig-amüsanten als auch düster-sarkastischen Momenten auf. Wohl kein anderer Autor als Herbert Reinecker hätte sich getraut, dem Publikum solche Beweggründe für einen Mord aufzutischen. Kein anderer Autor hätte sie aber auch so überzeugend vorgetragen und durch eine geschickte Lenkung von Sympathien und Befragungen verständlich gemacht. An einem Höhepunkt der Serie schrammt „Sommerpension“ nur knapp vorbei, weil die Gruppe der betagten Urlauber ein böses Nervpotential besitzt.

(4,5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Kriminalhauptmeister Harry Klein ist entsetzt über das pragmatische Entwenden eines Beweisstücks
||||| ||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| ||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| ||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| ||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| ||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 33: Episode 65 der TV-Kriminalserie, BRD 1973. Regie: Jürgen Goslar. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Marianne Hoppe, Hans Schweikart, Bruni Löbel, Erika von Thellmann, Gerlinde Döberl, Götz George, Lis Verhoeven, Charlotte Witthauer u.a. Erstsendung: 2. November 1973.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

02.03.2014 14:49
#456 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Tod eines Buchhändlers" (Folge 67/ Erstausstrahlung am 28. Dezember 1973)
mit: Judy Winter, Werner Bruhns, Pierre Franckh, Peter Carsten, Renate Grosser, Eva Brumby, Marilene von Bethmann, Maria Brockerhoff, Willi Schäfer, Marius Reusse - Regie: Theodor Grädler

Während es die braven Bürger in die Sonntagsmesse zieht, findet man am Isar-Ufer Spuren einer samstäglichen Ausschweifung: Der Buchhändler Richard Kapp liegt tot neben seinem Wagen. Doch er starb nicht am hohen Alkoholgehalt in seinem Blut, sondern durch die starke Hand eines Mörders, der ihn im kühlen Wasser ertränkte. Kommissar Keller sieht sich mit einer Witwe konfrontiert, die regelmäßig Prügel von ihrem Mann bezog und einem Lehrjungen, der zwischen Pflicht und Neigung hin- und hergerissen ist....



Der ehrwürdige Beruf des Buchhändlers abseits zentralgesteuerter Ketten, wie wir sie heute in allen größeren Städten finden, bedeutete in einer ländlichen Gemeinde der Siebziger Jahre einen sicheren Hafen für Auszubildende, die einer 'anständigen und geachteten Arbeit' nachgehen wollten. Von diesem Wunsch waren wohl auch die Schwestern Martha und Grete Beyfuß beseelt, als sie den schüchternen Roland in die Lehre bei Herrn Kapp schickten. Wir erfahren nicht viel über seine Mutter - und über seinen Vater gar nichts, sodass dem Lehrherrn eine weitaus bedeutendere Funktion zukommt, als es normalerweise der Fall ist. Doch Richard Kapp scheint sich gar nicht für sein Geschäft zu interessieren, man sieht ihn nicht beim Studium des erst zwei Jahre zuvor eingeführten VlBs, sondern beim Streit mit seiner Frau. Man merkt ohnehin wenig von buchhändlerischem Geist bei den Besitzern des Geschäfts, einzig die Angestellte Gertrud Schulte erfüllt das Klischee des unverheirateten Bücherwurms, der aus Berufung arbeitet und nicht aus kaufmännischen Überlegungen. In diesem Umfeld schwirrt und summt es wie in einem Wespennest und der junge Roland erfährt nichts von dem Schutz und der sinngegebenden Unterweisung durch intellektuell höherstehende, wohlmeinende Idealisten. Im Gegenteil: Er ist es, den man mit Problemen belastet, die ihn eigentlich nichts angehen und ihn überfordern. Pierre Franckh gelingt es in berührender Weise, einen unverdorbenen Burschen zu zeigen, der Verantwortung übernimmt und für andere einsteht. Die Szenen im Schlafzimmer der Kapps sind von einer gefährlichen Brisanz, weil sie eine Grenze überschreiten, die von Gesetzgeber und Gesellschaft beidermaßen gezogen wurde, um einen Jugendlichen davor zu bewahren, in eine emotionale Abhängigkeit zu geraten. Kommissar Keller nimmt bei den Ermittlungen Vaterstelle bei dem Jungen ein, da er früh ahnt, dass hier der Schlüssel zur Aufklärung des Verbrechens liegt. Er zeigt Verständnis und spürt, dass Roland die Enge seines Zuhauses mit der Beklemmung an seinem Arbeitsplatz eingetauscht hat. Judy Winter versteht es ausgezeichnet, eine resignierte und trostsuchende Frau zu zeigen, deren Ausharren in einer Gewaltbeziehung zugleich herausfordernd und lähmend erscheint. Sie kämpft im übertragenen Sinn mit ihrem Mann, anstatt die Spannung zu lösen, indem sie sich ihr entzieht. Auch hier finden wir eine ungesunde Bindung, die für keine Seite einen Zugewinn darstellt. Peter Carsten bleibt wenig mehr, als die Ereignisse zu kommentieren. Jeder Außenstehende findet sich durch sein Eingreifen als Verlierer wieder, wobei die Instrumentalisierung durch die vermeintlich schwächere Partei (die Frau) für ihre Umgebung fatale Folgen nach sich zieht. Auch hier wird die Anteilnahme des Kommissars deutlich, der nach dem Abschluss der Ermittlungen selten unbeteiligt bleibt, sondern in Frage stellt, ob Rechtssprechung im herkömmlichen Sinn tatsächlich immer für Recht sorgt.
Die stimmigen Bilder in und vor der Buchhandlung zeigen den Konflikt, den auch der Zuschauer spürt: das Bedürfnis, vor der drohenden Gefahr wegzulaufen und dennoch hinzusehen - eine Anspannung, die auf der Berechenbarkeit aufbaut, die Menschen liefern, wenn sie sich bis zur Besinnungslosigkeit mit Alkohol anfüllen. Richard Kapp ist dadurch Täter und Opfer zugleich; Täter, weil er alle Hemmungen fallen lässt, um seinem Zorn freien Lauf zu lassen und Opfer, weil er durch seine geminderte Reaktionsfähigkeit achtlos wird.
Theodor Grädler gelingt es wieder einmal, die alltäglichen Abgründe hinter den Hausfassaden sichtbar zu machen und einen Stein ins trübe Wasser zu werfen.

Georg Offline




Beiträge: 3.259

02.03.2014 17:04
#457 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Für mich ist die "Buchhändler"-Folge eine der langweiligsten, wie ich ja schon mal ausführlicher in diesem Thread festgestellt hatte.

Anbei ein Kurzbericht aus der Bild & Funk 17/1969. Wem ist Helmut Ringelmann in der Episode "Der Tod fährt 1. Klasse" schon mal aufgefallen? Mir bisher noch nie.

Angefügte Bilder:
Ringelmann Bild u.Funk 17.1969.jpg  
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

02.03.2014 20:14
#458 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

@Georg: Das ist eine Sicht auf Folge 67, die ich leider wirklich gar nicht teilen kann. Für mich steht sie unter den bisher aus Box 3 gesehenen Episoden sogar auf Platz 1.

Hier eine weitere Besprechung, anlässlich des heutigen 70. Geburtstags von Uschi Glas:



Der Kommissar: Ein Mädchen nachts auf der Straße

Zitat von Der Kommissar: Ein Mädchen nachts auf der Straße
In einer Regennacht liest der Unternehmer Bergmann die mit dem Fahrrad auf der Landstraße verunglückte Inge Sobach auf. Ihr Drahtesel ist hinüber, aber weil sie durch ihre lebensfrohe Art die Sympathie des älteren Herrn gewinnt, währt dieser Verlust nicht lang. Als seine Freundin umgibt Bergmann sie mit Luxusgütern aller Art – doch mit allem Geld der Welt kann er sie nicht vor ihrem Mörder schützen ...


Uschi Glas ist die Opferrolle beschieden. Im Prinzip gestalten sich ihre Parts in „Der Kommissar: Ein Mädchen nachts auf der Straße“ und in „Derrick: Angst“ deckungsgleich – als Geliebte eines reichen Mannes in dessen zweitem Frühling und damit als Projektionsfläche von Vergötterung auf der einen und abwertender Geringschätzung auf der anderen Seite. Die junge Freundin fungiert als ultimatives Statussymbol, als unbeschwerter Zeitvertreib abseits der eingefahrenen Routine des ermüdenden Alltags, als Kontrastprogramm zu verkrusteter Maniriertheit des Alters und gleichzeitig als Bedrohung der Ehefrau und Unterminierung lange sicher geglaubter Positionen und Beziehungen.

Insofern steht Uschi Glas im Zentrum dieser Episode, auch wenn sie gleich zu Beginn tot aufgefunden wird und sich Anzahl und Länge der Rückblenden in überschaubaren Grenzen halten. Inge Sobach wird nur fragmentarisch vorgestellt, doch die Wirkungen, die sie auf Männer wie Frauen gleichermaßen ausübt, dominieren alle Handlungen im Hause Bergmann. Und welch ein Unterschied zwischen der von Glas trotz einiger holprig vorgetragener Zeilen ausgestrahlten Unbefangenheit und Liebenswürdigkeit und der mit trockener Selbstverständlichkeit behaupteten Machtposition Inge Birkmanns besteht! Die beiden Frauen bekleiden die absoluten Plus- und Minuspole, denken und agieren so grundverschieden, wie es nur irgend möglich ist. Ihre Andersartigkeit gründet sich auf eine Unvergleichbarkeit der Generationen und es scheint, als wolle Reinecker davor warnen, dass in ausnahmslos jedem Fall die Unvoreingenommenheit der Jugend der Anspruchshaltung des Alters weicht und über die Attraktivität hinaus auch die charakterliche Anziehungskraft einer Frau mit den Jahren verloren geht. Ein Rechtfertigungsversuch für die Affären gesetzter Herrschaften?

Als Kriminalfall ist „Ein Mädchen nachts auf der Straße“ geradlinig und sogar ein wenig zu simpel aufgebaut. Nach und nach fügen sich alle Spuren wie von selbst in das gesamte Bild, sodass die polizeilichen Ermittlungen bei so wenig Gegenwehr und kriminalistischer Raffinesse beinahe überflüssig erscheinen. Die Überführung wird zwar aufgrund der schauspielerischen Solidität glaubhaft vermittelt, doch es fühlt sich an, als hätte schlicht die Zeit nicht mehr gereicht, um zu erklären, dass das bisher Gesehene nur ein Trick war, um nun den tatsächlichen, besser versteckten Täter ans Messer zu liefern. Auch offensichtliche Fährten wurden nicht weiter verfolgt, um bloß nicht vom einfachen Grundgerüst des Falles abzulenken. Wäre es nicht viel klüger gewesen, hätte der Mörder das Frühstück hergerichtet, um einen roten Hering auszuwerfen? Wer fuhr Inge Sobach in der Nacht auf der Landstraße an? Hätte man nicht diesen Unfall und den Autounfall Bergmann-Juniors irgendwie zusammenführen können (freilich eingeschränkt: dass ein Autofahrer beim Zusammenstoß mit einem Fahrrad eine Narbe davon trägt, ist unwahrscheinlich)? Eine interessante Schuldsituation wäre dadurch jedenfalls garantiert gewesen.

Neben Uschi Glas profiliert sich in erster Linie Inge Birkmann, die bei der familiären Teestunde mit vollem Geschütz auf- und ihre Beziehung zu ihrem Mann mit Genuss an die Wand fährt. Der Hausdrache ist sowohl ihr bevorzugtes Metier als auch eine der Spezialitäten aus Reineckers Panoptikum, sodass die Synthese wie in vielen anderen, vergleichbaren Fällen sehens- und lohnenswert ausfällt. Wenn in Bezug auf diese Folge von Weltstar Curd Jürgens die Rede ist, so wird in den werbenden Worten unter den Tisch fallen gelassen, dass seine Rolle recht wenig Interesse generiert, weil sie zu gönner- und tugendhaft gezeichnet wird. Man meint, Jürgens flüstern zu hören: „Schreibt mir eine schöne, dankbare Rolle, in der ich Verständnis für die Armen zeige und gegen Unterdrückung rebelliere.“ In solch hehr überhöhten Gefilden scheint sich jedenfalls seine Verkörperung des reifen Casanovas zu bewegen. Kein Vergleich zu seinen bösartigen oder wenigstens zweifelhaften Darstellungen ...

Mit der A-Klasse des TV-Krimis besetztes Familiendrama, das zum unzähligsten Male das Eindringen eines Fremdkörpers in den Kernbereich des klassischen Familienbildes thematisiert und diesmal für eine solche Extravaganz jedes Verständnis aufbringt. Zu naheliegend sind die Unterschiede zwischen der wissbegierigen, lockeren Inge und Frau Bergmann, die meint, schon alles zu wissen und ein rigides Regiment über Haus und Hof führt. Theodor Grädler gelingt es, die Folge in schlichte, aber ergreifende Bilder zu gießen.

(4 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Kriminalhauptmeister Harry Klein und seine profunde Kenntnis kaufmännischen Vokabulars
||||| ||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| ||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| ||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| ||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| ||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 34: Episode 64 der TV-Kriminalserie, BRD 1973. Regie: Theodor Grädler. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Curd Jürgens, Inge Birkmann, Uschi Glas, Amadeus August, Eva Berthold, Dieter Eppler, Erni Singerl, Hans Elwenspoek u.a. Erstsendung: 5. Oktober 1973.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

09.03.2014 14:48
#459 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Mit den Augen eines Mörders" (Folge 74/ Erstsendung am 28. Juni 1974)
mit: Michael Heltau, Susanne Uhlen, Ruth-Maria Kubitschek, Gerd Baltus, Maria Sebaldt, Simone Rethel, Wolfgang Weiser, Marlies Schoenau, Fritz Schmiedel u.a. - Regie: Theodor Grädler

Die sechzehnjährige Eva Wechsler ist eine begabte Schülerin: sie treibt Sport, singt und musiziert. Als Bauarbeiter ihre Leiche in einem Rohbau finden, deutet alles darauf hin, dass sie auf dem Nachhauseweg von einem Unhold erwürgt worden ist. Ihre Freundin Anneliese berichtet von einer besonderen Beziehung Evas zu ihrem Musiklehrer Herrn Voss, einem sensiblen Mann Ende Dreißig, der seine Gefühle für die Schülerin nur mühsam unterdrücken kann....



Die Episode beginnt mit den Blicken auf Eva, die jemand aus einem geschützten Umfeld auf sie richtet. Blicken, denen sie sich in der Öffentlichkeit nicht entziehen kann und die beim Beobachter die Überzeugung auslösen, das Mädchen zeige sich ihm und nur ihm. Schon in diesen ersten Sekunden wird deutlich, dass man es mit einem Mörder zu tun bekommt, der von einer fixen Idee besessen ist, einem Mann vorzugsweise, der unauffällig in der Menge unterzutauchen im Stande ist. Einem Mitglied der Gemeinschaft, keinem Finsterling aus dem Bahnhofsviertel. Die Wut auf den Täter eint das Team des Büros Keller diesmal in besonderer Weise und sorgt dafür, dass die Ermittlungen gleichmäßig auf alle Mitarbeiter verteilt und von diesen mit viel Engagement durchgeführt werden. Wieder einmal zeigt sich, wie wertvoll der empathische Erwin Klein für Gespräche mit Hinterbliebenen ist. Der Kommissar weiß, dass Erwin wegen seiner Jugend Zugang zu den Geheimnissen Evas erhalten wird, die ihm Anneliese Dorfmann dann auch anvertraut. Die Beziehungen zwischen Eltern und Töchtern äußern sich diesmal nicht mit belehrendem Unterton, sondern zeugen von einem gelassenen, aber dennoch anteilsvollen Nebeneinander. Einzig Gerd Baltus als Vater des Mordopfers bemüht seine großen Schuldgefühle, mit denen er seiner Trauer ein Ventil geben und sich das unfassbare Verbrechen erklären kann. Ruth-Maria Kubitschek zeigt eine aufgeschlossene Pädagogin, die dem verstaubten Schulgefüge - ebenso wie ihr Kollege Heltau - Frischblut zuführt. Bemerkenswerterweise erklärt Reinecker ihre Offenheit mit einem Weitblick, den ihr der einjährige Aufenthalt in Frankreich verschaffte, auch der Musiklehrer weilte für längere Zeit dort. Die übrigen Lehrer agieren trocken und unbeeindruckt und verspürten offenbar nie das Bedürfnis, dem starren Schulalltag zu entfliehen. Die gemeinsamen Szenen von Uhlen und Heltau stellen die beiden vor eine besondere Herausforderung. Immer noch ist es problematisch, wenn ein Lehrbeauftragter einem Schüler Gefühle entgegen bringt. Die Unbefangenheit des Mädchens und die bis zum Anschlag gespannte Selbstbeherrschung des Mannes machen diese Minuten zu intensiven Momenten eines Neuanfangs, der jedoch in dem Mord ein abruptes Ende findet. Hier zeigt sich einmal mehr die Auswirkung aufgestauter Empfindungen, der Verlust der Selbstkontrolle und die Fehlinterpretation menschlicher Stimmungen. Theodor Grädler verhindert, dass die Geschichte ins Triviale abgleitet und richtet seinen Fokus gleichbleibend auf die Routine-Ermittlungen, die Emotionen kanalisieren und auswerten - bis am Ende nur mehr ein Verdächtiger übrig bleibt.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

01.04.2014 22:50
#460 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Sonderbare Vorfälle im Hause von Professor S.

Zitat von Der Kommissar: Sonderbare Vorfälle im Hause von Professor S.
Um einen gewöhnlichen Einbrecher kann es sich kaum handeln: Die Person, die spätabends in die Wohnung von Professor Steger eindringt, schaltet nicht nur eine Festbeleuchtung ein, sondern stellt auch Musik an, liest und zieht sich den Hausmantel des Psychiaters über. Logisch, dass die Haushälterin nach dem Rechten sieht und dabei kaltblütig ermordet wird. Für den Kommissar liegt nahe, dass ein Geisteskranker aus Stegers Kartei für die sonderbaren Vorfälle verantwortlich ist, aber der Professor wiegelt diesen Verdacht konsequent ab ...


Wolfgang Becker gilt völlig zurecht als jener Regisseur aus dem Ringelmann-Stall, der am natürlichsten und effektivsten seine filmische Arbeit mit zeitgenössischen musikalischen Klängen kombinieren konnte. Seinem Ruf wird die Folge von den „Sonderbaren Vorfällen im Hause von Professor S.“ auf ganzer Linie gerecht, denn das Lied „I’d Love You to Want Me“ von Lobo wird hier auf clevere Weise zum Inbegriff von Verbrechen stilisiert, die diese Bezeichnung eigentlich überhaupt nicht verdienen. Die Handlungsweise des Einbrechers erscheint von Anfang an so ungewöhnlich, dass eine logische Erklärung der Vorkommnisse schlichtweg unmöglich ist. Mit großer Konsequenz bewegt sich Reinecker folglich in Richtung eines geistig nicht ganz gerade gewickelten Täters, greift dabei aber nicht auf stereotype Schreckensbilder von beknackten Zwangsjackenträgern hinter Schloss und Riegel zurück (auch wenn Referenzen zu einem solchen mit dem altbekannten Namen Bruno gezogen werden). Vielmehr zeigt die Episode, dass Geisteskrankheiten und die Geisteskranken ein häufig unbemerkter Bestandteil der Gesellschaft sind; dass die betroffenen Personen – von den alltäglichen Rhythmen getrieben – gar nicht weiter auffallen und dass es häufig „schon zu spät ist“, wenn ihnen Hilfe zuteil werden kann.

Lobos Song bringt den Wunsch, zu den „Normalen“ dazuzugehören und im wahrsten Sinne des Wortes ihr Leben zu leben, lyrisch gekonnt auf den Punkt, auch wenn der Text ursprünglich sicher als nichts anderes als ein typisches Liebeslied gedacht war. Die metaphorische Ebene fügte erst Wolfgang Becker hinzu. Und Becker arbeitete auch sonst vorbildlich: Das beginnt bei einem düsteren Einstieg, der so simple Dinge wie halboffen stehende Türen zu hochspannenden Gefahrenquellen hochstilisiert, und endet in einem persönlichen, emotionalen Finale, das ausgiebige Großaufnahmen und ein Voice-over verwendet, um Zustände und Gedanken zu erklären, die kaum erklärlich sind.

Während Mathieu Carrière für mich persönlich ein rotes Tuch darstellt, fällt seine Darstellung doch leidlich glaubwürdig aus, nicht zuletzt weil er in der Geschichte den Sohn eines Psychiaters spielt und im wahren Leben – quelle surprise! – Sohn eines Psychiaters ist. Seine Rolle fällt ohnehin so unsympathisch aus, dass er voll und ganz in ihr aufgehen kann, auch wenn Reinecker es nicht unterlassen kann, zu versuchen, dem Publikum einen gewissen Mitleidsfaktor für Steger Junior unterzujubeln. Mein persönlicher Wunsch, Carrières ständig fordernde und andere anklagende Figur selbst unter Anklage zu sehen, wird dadurch aufgewogen, dass die letztlich präsentierte Lösung der Geschichte eine zusätzliche wohltuende Wendung verleiht.

Hans Caninenberg als Vater wird doch deutlich stärker von den „Vorfällen“ mitgenommen als sein Sohn. Unter der festen Vorstellung, dieser sei für die Taten verantwortlich, verwischt er alle Spuren und betätigt sich damit als typischer Familienschützer. „Sonderbare Vorfälle im Hause von Professor S.“ ist deshalb ein so außergewöhnlicher Krimi, weil er ein Familiendrama und doch so viel mehr ist. Der Konflikt zwischen Vater und Sohn, der sonst häufig in aller Detailfreude ausgewälzt wird, steht hier nur am Rande des Geschehens und dient gewissermaßen als eine Art roter Hering. Caninenberg tut sich dementsprechend nicht nur als Familienoberhaupt, sondern auch als zweischneidiger Fachberater für den Kommissar hervor – ein Spagat, der für den erfahrenen Mimen leicht zu meistern ist und der Folge besondere Würze verleiht.

Die überraschende Auflösung verfehlt ihre beabsichtigte Wirkung nicht, wirkt aber dennoch nicht allzu weit hergeholt. Betrachtet man sich gewisse Szenen ein zweites Mal, so fallen Hinweise auf, die subtil eingestreut wurden, um die Täterschaft so vorzubereiten, dass sie dem informierten Zuschauer offensichtlich erscheinen muss, ohne dabei dem Erstling den Spaß am Mitraten zu verderben.

In eine eigene Welt entführen die „Sonderbaren Vorfälle“ nicht nur Professor Steger, Kommissar Keller und dessen Team, sondern sie fesseln vor allem den Zuschauer mit einem unkonventionellen Blick auf das, was für eine routiniert arbeitende Mordkommission zunächst aussieht wie ein Standardjob, in Wahrheit aber ein einzigartiger Ausflug in psychiatrische Abgründe darstellt. Wolfgang Becker inszenierte diese mit Stil und Zurückhaltung, sorgte für genug Anteilnahme, vermied aber, an unpassenden Stellen auf die Kolportage-Pauke zu schlagen.

(5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Kommissar Herbert Keller, der sich seine Fantasie nicht verbieten lässt
||||| ||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| ||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| ||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| ||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| ||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 35: Episode 63 der TV-Kriminalserie, BRD 1973. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Hans Caninenberg, Anneliese Uhlig, Matthieu Carrière, Günther Ungeheuer, Margarethe von Trotta, Anita Mally, Lisa Hellwig u.a. Erstsendung: 21. September 1973.

Gubanov ( gelöscht )
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02.04.2014 13:20
#461 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Ein Funken in der Kälte

Zitat von Der Kommissar: Ein Funken in der Kälte
Achtlos wird die Leiche der Prostituierten Heide Hansen aus einem fahrenden Auto auf die Straße geworfen. Die Frau, gezeichnet von Jahren auf dem Münchner Strich, wurde mit mehreren Messerstichen getötet – aller Wahrscheinlichkeit nach spielt ihr Gewerbe in dem Mordfall eine wichtige Rolle. In welche Richtung die Polizei auch immer ermittelt – sie sticht in ein Wespennest: Die Erkundigungen ziehen heimtückische Übergriffe, einen weiteren Mord und einen handfesten Sexskandal nach sich. In alles verwickelt: der Penner Schichta und der Zuhälter Schönau ...


Die Besprechung enthält leichte Spoiler.

„Ich persönlich glaube, dass es sich hier nicht um eine übliche Prostituierten-Geschichte handelt“, versetzt Kommissar Keller seiner Meinung Nachdruck und zeigt sich damit in einem Fall, den hauptsächlich Walter Grabert und Robert Heines bearbeiten, reichlich naiv. Tatsächlich ist der Mord an Heide Hansen – von einem leichten Mädchen zu sprechen, wäre bereits eine üble Untertreibung – nichts anderes als das: eine übliche Prostituierten-Geschichte, die mit allen Zutaten angereichert wird, um möglichst viel Mitleid für eine Szene zu kreieren, zu der aller Relativiererei zum Trotz niemand ohne eigenes Zutun Zutritt erhält.

Hauptsächlich auf einer dunklen Straße, in einer einschlägigen Kneipe und in einem tristen Kellerzimmer spielt sich „Ein Funken in der Kälte“ ab. Eigentlich weist die Folge alle Bestandteile auf, die mich dazu veranlassen würden, einen schallenden Verriss auf sie zu schreiben. Dass ich das nicht tue, kann schon als kleiner Erfolg für das teilweise Funktionieren der Besonderheiten der Story angesehen werden: Der Angriff auf Harry sorgt an einer Stelle, an der die Handlung im Klischeehaften zu versinken droht, für eine aufsehenerregende Abwechslung und verdeutlicht gleichermaßen, dass die Polizei mit ihren üblichen offenen Taktiken bei diesem Fall nicht weiterkommt. Die Gespräche zwischen Schichta und Heide Hansen in der ärmlichen Kellerwohnung vermitteln den titelgebenden „Funken in der Kälte“ – das Stückchen menschlicher Wärme, das sich hinter dem gegenseitigen Anbluffen der beiden heruntergekommenen Gestalten verbirgt. Und auch die schlussendliche Enttarnung der „Ballettschule“ überzeugt, weil sie – ungewöhnlich für die sonst von Reinecker immer bierernst angegangenen Thematiken von Prostitution und Alkoholmissbrauch – sogar über eine Prise schwarzen Humors verfügt.

Unter den Gastdarstellern gelingt es Mady Rahl, einige darstellerische Raffinessen aus dem Hut zu ziehen. Falls sie die undankbare Rolle der zu alten und zu stark geschminkten Prostituierten davor zurückschrecken ließ, weitere Parts in Ringelmann-Krimis zu übernehmen, kann ich das sehr gut verstehen. Einmal ein Image in diesen Produktionen, immer ein Image. Während die gebürtige Berlinerin in der ARD-Serie „Dem Täter auf der Spur“ in nicht weniger als vier Episoden mitspielte, war sie bei Ringelmann überhaupt nur in dieser einen „Kommissar“-Folge zu sehen. Ihr gegenüber erhalten Klaus Behrendt und Hans Brenner (zu) viel Raum, ihre bekannten Ekelporträts abzuliefern. Brenner wirkt als Zuhälter jedoch insofern überzeugend, als er zwar mit Geld um sich werfen kann, aber neben dem fehlenden Gewissen auch keinen Funken Stil besitzt. Auch wenn „Ein Funken in der Kälte“ mit seiner schlussendlichen Überführung keinerlei Überraschungswert besitzt, so erfüllt die Episode doch immerhin mit dem von Anfang bis Ende abstoßenden Zuhälter eine andere Funktion:

Zitat von Gerald Grote: Der Kommissar. Eine Serie und ihre Folgen. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2010 (3. Auflage). S. 22f
„Die Beruhigungspille ‚Kommissar’ vermittelt Geborgenheit, entspannt und sorgt für mehr Zärtlichkeit im Schlafzimmer. Sogar Kleinkinder schlafen besser als nach ‚Schweinchen Dick’ ...“ Angesichts vielfach ungesühnter Verbrechen im wirklichen Leben haben die Zuschauer von Kriminalfilmen häufig Rachegedanken, die sie automatisch in ihre Wünsche über den weiteren Handlungsverlauf integrieren. Wenn es in der Wirklichkeit schon so wenig gerecht zugeht, dann sollen zumindest die TV-Verbrecher kräftig büßen.


Ein Schläger, Kartenspieler und Profiteur wie Schönau stellt das Idealbild eines Verbrechers aus purer Bösartigkeit und Gier dar und verdient im Auge des Publikums eine entsprechend harte Bestrafung. Der Kommissar und sein Team fungieren in so eindeutigen Fällen eher als Wiederhersteller von Gerechtigkeit als bei zweifelhaften Täter-Opfer-Konstellationen, in denen die Konsequenz einer polizeilichen Überführung im Zweifelsfall sogar mehr kaputtmachen als helfen kann.

Die trostlose und mit Konzentration auf Leiden und Versagen erzählte Geschichte aus dem Rotlichtmilieu ist fraglos kein Glanzfall für die Kripo. Im Rahmen der bescheidenen Möglichkeiten einer solchen Episode werden jedoch klar umrissene und erstaunlich wenig nervige Figuren zum Leben erweckt. Reinecker hat „solche Stoffe“ schon bedeutend schlechter angegangen.

(3 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Inspektor Walter Grabert, der Harry aus einer ganz engen Klemme befreit
||||| ||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| ||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| ||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| ||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| ||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 36: Episode 62 der TV-Kriminalserie, BRD 1973. Regie: Wolfgang Staudte. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Klaus Behrendt, Mady Rahl, Hans Brenner, Gretl Schörg, Lilith Ungerer, Cordula Wiedemann, Horst Sachtleben, Walter Sedlmayr u.a. Erstsendung: 8. Juni 1973.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

04.04.2014 12:45
#462 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Mit „Der Geigenspieler“ tritt mein „Kommissar“-Countdown in eine neue Phase ein. Dies ist die erste Folge, die ich bereits aus den TV-Ausstrahlungen bei 3sat in den Jahren 2008/09 sah. An die betreffenden Episoden (zunächst nur wenige, chronologisch rückwärts aber anteilig zunehmend) habe ich unterschiedlich präsente Erinnerungen, aber es ist sehr spannend, ihnen mit einem deutlich gewachsenen Erfahrungsschatz auf dem TV-Krimi-Gebiet wiederzubegegnen und ggf. Urteile neu zu fällen oder einfach wie hier festzustellen, dass der Fall noch besser ist als im Hinterkopf abgespeichert.



Der Kommissar: Der Geigenspieler

Zitat von Der Kommissar: Der Geigenspieler
Der Geigenspieler Triberg soll auf keinen Fall mit dem Zug nach Hause fahren. Eine anonyme Anruferin lässt dem Musiker, der gerade in der Vorstellung spielt, diese eindringliche Warnung ausrichten. Doch Triberg hört nicht auf sie: Als der Zug in Wolfratshausen einfährt, prangt in einer Scheibe ein Einschussloch und der Geigenspieler liegt tot auf dem Boden des Waggons. Noch seltsamer: Der Portier des Theaters bestätigt, in der Stimme der Anruferin Tribergs Ehefrau wiederzuerkennen ...


Auch wenn Herbert Reinecker hier ein kriminalistisches Konstrukt von althergebrachter Einfachheit schildert, so fällt die simple Anlage des Falles bei dessen stilvoller Ausgestaltung doch eigentlich gar nicht ins Gewicht. Würde man das edle Ambiente, die bohrenden Spitzen und die psychologische Kriegsführung des Kommissars entfernen, so bliebe nichts weiter als eine Dreiecksgeschichte mit finanzieller Schlagseite übrig. Gut aber, dass Herbert Reinecker durch seine Erfahrung genau wusste, wo welche Zutaten den Plot aufzuhübschen im Stande sind. So erfreut man sich an jeder Menge klassischer Musik, an der wuchtigen Ehrwürdigkeit des Herkulessaals, an den Eisenbahnaufnahmen auf der Strecke in Richtung Wolfratshausen und an zwei hinterbliebenen „Damen“, die beide einen Stock verschluckt zu haben scheinen.

„Der Geigenspieler“ beeindruckt in erster Linie durch seine Besetzung. Er dürfte zu den am prominentesten gecasteten „Kommissar“-Folgen zählen. Günther Stolls stoisch ruhiger Auftritt stellt eine ungewöhnliche Interpretation des gehörnten Ehemanns dar. Wenn man erfährt, dass Professor Triberg hartnäckig dafür kämpfte, dass seine Frau bei ihm bleibt, so mag das fast gar nicht zu dem stillen, depressiven Charakter passen. Wie man bei Gerald Grote liest: Triberg „[s]pielte nur im Orchester die erste Geige“ – zu Hause hatte eindeutig seine Frau die Hosen an. Diese wird von Sonja Ziemann in einer exaltierten, übermäßig betroffenen Weise dargestellt. Zwar erscheint ihre schlafwandlerische Aura ein wenig gewöhnungsbedürftig, doch in Anbetracht der Auflösung fügt sie sich gut in das Gesamtkonzept der Folge ein.

Ziemanns Antagonistin dürfte wohl der Höhepunkt der Episode sein: Elisabeth Flickenschildt mimt die Schwiegermutter des Grauens mit einer eisigen Schärfe und stellt damit unter Beweis, dass anklagende Hinterbliebene nicht immer nörgelnde Besserwisser und Moralapostel sein müssen. Sie ist mit Leib und Seele dabei, wenn der Kommissar bei Ehefrau Triberg den dritten Grad ansetzt, und schürt das Feuer in bester mephistophelischer Manier gleich noch ein bisschen heißer. Allein über dieses Dreiergespann gewinnt die Folge einen bestechenden noblen Schick, der nur noch durch ein anderes Produktionsjahr und damit durch das Fehlen der üblen 70er-Jahre-Kleider und -Frisuren hätte gesteigert werden können.

Die Eisenbahn als Bestandteil des Mordes zu zeichnen, passt in das autozentrierte Weltbild Herbert Reineckers: Wer mit dem Zug fährt, ist seiner Logik nach nicht nur erheblich langsamer unterwegs als mit dem eigenen Wagen, sondern läuft auch Gefahr, dabei sein Leben zu verlieren. Das wäre eine ärgerlich einseitige Schwerpunktsetzung, wenn es den Fortbewegungsmitteln in „Der Geigenspieler“ nicht generell an den Kragen gehen würde: Im Finale wird ein Auto dazu genutzt, den Kommissar und Frau Triberg in große Gefahr zu bringen und die Spannung enorm zu steigern. Nicht nur sind die Szenen auf der dunklen Landstraße mit ihren Licht- und Schatteneffekten hervorragend aufgenommen, auch schließt sich auf diese Weise der Bogen einer durch und durch dynamischen Erzählung, in der die lokale Rastlosigkeit der Charaktere auch ihre emotionale Heimatlosigkeit aufgreift. Kaum irgendwo passt die optische Analyse der handwerklichen Meriten beim „Kommissar“ besser als bei „Der Geigenspieler“:

Zitat von Gerald Grote: Der Kommissar. Eine Serie und ihre Folgen. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2010 (3. Auflage). S. 53f
Der kreative Kameramann organisierte und dirigierte virtuos das Spiel von Licht und Schatten. Besonders bei den nächtlichen Szenen konstruierte er dramaturgische Kontraste. Er hob Vordergründiges noch mehr in den Vordergrund, trennte es von Hintergründen, Gegenständen und Dekorationen. Die bewusst unvollständige Ausleuchtung, die nur Teile eines Ganzen in das Licht der Öffentlichkeit stellte, schuf eine schwarzweiße Strenge, die den abgebildeten filmischen Raum gliederte und emotional auflud.


Dazu passt, dass bis zum Ende nur Teile des Gesamtbildes enthüllt werden und in einer letzten, packenden Wende die Wahrheit – um mit Grote zu sprechen – in den Vordergrund gehoben wird. Der Schlusssatz stellt unter Beweis, dass der Täter vielleicht mehr unter dem Mord leidet als das Opfer.

Die Überführung des Mörders gleicht in „Der Geigenspieler“ einer animalischen Hetzjagd. Kompromisslos und mit abgebrühter Strenge fährt der Kommissar seine Krallen nach dem Verantwortlichen aus. Der Kontrast zur feinsinnigen Eleganz des Umfeldes, in die Mord besonders erschütternd hineinbricht, ist perfekt: Eine bittere Charakterstudie ist die Spezialität Theodor Grädlers.

(5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Kommissar Herbert Keller und seine Schussfahrt im Opel Rekord
||||| ||||| ||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| ||||| ||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| ||||| ||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| ||||| ||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| ||||| ||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 37: Episode 61 der TV-Kriminalserie, BRD 1973. Regie: Theodor Grädler. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Sonja Ziemann, Elisabeth Flickenschildt, Heinz Bennent, Erik Schumann, Günther Stoll, Willy Semmelrogge, Lilo Dietrich, Hilde Brandt u.a. Erstsendung: 18. Mai 1973.

Giacco Offline



Beiträge: 2.499

04.04.2014 19:20
#463 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Zwei zeitgenössische Zuschauermeinungen zum "Geigenspieler":

"Ausgezeichnet! Schon die Besetzung der Rollen mit so bekannten und beliebten Schauspielern wie Elisabeth Flickenschildt und Sonja Ziemann, um nur zwei zu erwähnen, war hervorragend, ganz abgesehen von den gebotenen Leistungen, die volles Lob verdienen."

"Auf einen Fehler in dieser sonst ausgezeichneten Folge möchte ich hinweisen: Es war für die Handlung von größter Bedeutung, dass der Geiger Professor Triberg während der Rückfahrt von seinen Konzerten im Zug stand. Begründet wurde dies damit, dass er während seiner Konzerte soviel sitzen müsse. Triberg war nun aber Virtuose und Solist. Und als solcher sitzt er nicht im Orchester, sondern steht auf einem Podium."

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

10.04.2014 12:00
#464 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Danke dir, Giacco, für dieses interessante kleine Meinungsbild. Über den Fauxpas mit Tribergs Position im Orchester könnte man sich direkt amüsieren.



Der Kommissar: Die Nacht, in der Basseck starb

Zitat von Der Kommissar: Die Nacht, in der Basseck starb
Die Nacht, in der Basseck starb, verbrachte der Hannoveraner Frisör Günter Wagner in der Wohnung von Animiermädchen Dana Martin. Doch können sich die beiden wirklich ein Alibi für den Mord an dem fiesen Zuhälter geben? Bei genauer Untersuchung stellt sich heraus, dass der Abend der zwei Verdächtigen schon deutlich vor der Tatzeit vorüber war. Da hilft dem Kommissar und seinem Team nur noch psychologisches Vorgehen, denn irgendwo muss der schwache Punkt des verschwiegenen Pärchens liegen. Die Ermittler finden ihn in einer gemeinsamen Bekannten ...


Auch wenn sich dieser „Kommissar“ vorwerfen lassen muss, eine der Folgen mit dem geringsten erkennbaren Aufwand in Bezug auf Kulissen und Schauplätze zu sein, so nutzt „Die Nacht, in der Basseck starb“ seine bescheidenen Set-Möglichkeiten gut und kreiert damit eine Stimmung, die recht weit weg von dem üblichen schäbigen Landmädchen-wird-Nutte-Gusto angesiedelt ist. Durch den exzessiven Einsatz von Unterhaltungsmusik der Les Humphries Singers, die gute Ausleuchtung und die Tatsache, dass Evelyn Opela und Joachim Bissmeier nicht wie das typische Pärchen aus Prostituierter und Freier wirken, gelingt es der Episode, eine gewisse glamouröse Ausstrahlung zu bewahren, die auch die moralischen Fingerzeige ein wenig abmildert.

Nicht nur Les Humphries verbindet das hier aktive Personal mit der ein Jahr später gestarteten Reihe „Derrick“, auch und vor allem die letzte Besetzung Horst Tapperts in einem Ringelmann-Krimi vor der Aufnahme der Erfolgsserie macht gespannt auf die Rolle des Oberinspektors in spe. Leider bleibt Tappert eine eher undankbare Nebenrolle beschieden, in der ihm nicht mehr übrigbleibt, als die Leiche zu finden. Nicht einmal zum Verdächtigen steigt er empor, denn die Episode konzentriert sich von Anfang an auf Dana Martin und ihren geheimnisvollen Besucher. Dadurch lässt sie sich gleichsam ein Potenzial an Ablenkungen und falschen Spuren entgehen, das mit dem Nightclub-Geschäftsführer, dem Barmann und Danas Freundin durchaus ausbaufähig gewesen wäre und der Folge eine stärkere Whodunit-Triebkraft verliehen hätte. So bekommt man das Gefühl, einen eher geradlinigen und vorhersehbaren Ereignisverlauf zu betrachten, dessen Lösung kaum Überraschungen für den geübten „Kommissar“-Zuschauer birgt.

Andererseits ergibt sich aus der Aufklärung eine interessante Frage nach dem genauen Motiv des Täters und inwiefern der Mord nicht nur mit dem fehlgeleiteten Mädchen aus Norddeutschland, sondern auch mit dem eigenen sozialen Versagen zu tun hat. Genau geklärt wird das leider nicht, da vorher zu viel Spielzeit für recht gleichförmige Verhöre in Wohnungen und Hinterzimmern draufging.

Joachim Bissmeier weiß, durch eine eher distanzierte Beteiligung an dem Schicksal seiner Bekannten zu überzeugen, die nicht ganz so platt ausgekostet wird wie die des ähnlich angelegten, aber hoffnungslos naiven Heinz-Reincke-Parts in „Ohne auf Wiedersehen zu sagen“. Bissmeiers Motivation wird erst nach und nach ersichtlich – die Ursachen für sein auf der einen Seite verwirrtes, auf der anderen bestimmtes Spiel sind zwar zu ahnen, könnten aber auch woanders liegen. Evelyn Opela zeigt sich dagegen einmal mehr als die abgebrühte Geheimwaffe mit latenter Exotik, doch dass ihre Dana Martin in einigen Momenten enorm irreal und selbstschädlich handelt, nahm mich nicht unbedingt für sie ein. Als vierter nennenswerter Darsteller bleibt Jürgen Goslar, der allerdings ebenfalls in die Tappert-Falle tritt und nicht mehr als eine grobe Holzschnitt-Figur präsentiert. Man kann sich des Gefühls nicht erwähren, dass Basseck kein real agierender Charakter, sondern lediglich eine Kunstfigur ist, die reflexartig immer versucht, möglichst stark die Abneigung des Gegenübers zu provozieren, und sich damit für einen unüberlegten Vergeltungsschlag geradezu auf dem Silbertablett präsentiert.

Ähnlich wie bei „Ein Funken in der Kälte“ kann man es der „Nacht, in der Basseck starb“ nicht einmal übelnehmen, dass die Episode sich eher im lauen Mittelfeld der Serie ansiedelt. Wolfgang Staudte gelang es mit seinen letzten beiden Arbeiten für den „Kommissar“ noch einmal, mit gewisser Nervigkeit immer wieder auftauchende Zeigefingerwedeleien in Inszenierungen zu gießen, die dem kriminalistischen Aspekt genug Raum bieten, weil sie wenigstens nicht vor Lehrgehalt und Du-du-du-Manier triefen. In „Basseck“ reißen Bissmeier und Opela die Vorstellung an sich – den beiden leidenschaftlich agierenden Darstellern ist es zu verdanken, dass die ansonsten ausnehmend unspektakuläre Episode ein gewisses Charisma erhält.

(3,5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Inspektor Robert Heines, der mit Trinkmoral das Bild tugendhafter Polizisten festigt
||||| ||||| ||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| ||||| ||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| ||||| ||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| ||||| ||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| ||||| ||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 38: Episode 60 der TV-Kriminalserie, BRD 1973. Regie: Wolfgang Staudte. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper. Unter Verdacht: Evelyn Opela, Joachim Bissmeier, Horst Tappert, Rose-Marie Kirstein, Jürgen Goslar, Manfred Spies, Hannes Kaetner, The Les Humphries Singers u.a. Erstsendung: 27. April 1973.

Mark Paxton Offline




Beiträge: 347

04.05.2014 19:22
#465 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

12 Folgen "Der Kommissar" schaffen es mal wieder ins Fernsehen: an Pfingsten zeigt ZDF neo zu nachtschlafender Zeit folgende Episoden (laut Wunschliste.de):

ZDFneo So08.06.2014 23.15 h 01 Toter Herr im Regen
ZDFneo Mo09.06.2014 00.10 h 02 Das Messer im Geldschrank
ZDFneo Mo09.06.2014 01.10 h 03 Ratten der Großstadt
ZDFneo Mo09.06.2014 02.15 h 04 Die Tote im Dornbusch
ZDFneo Mo09.06.2014 03.15 h 05 Ein Mädchen meldet sich nicht mehr
ZDFneo Mo09.06.2014 04.10 h 06 Die Pistole im Park
ZDFneo Mo09.06.2014 05.10 h 01 Toter Herr im Regen (Wdh.)
ZDFneo Mo09.06.2014 23.20 h 07 Keiner hörte den Schuß
ZDFneo Di10.06.2014 00.20 h 08 Der Tod fährt 1. Klasse
ZDFneo Di10.06.2014 01.15 h 38 Grauroter Morgen
ZDFneo Di10.06.2014 02.15 h 10 Schrei vor dem Fenster
ZDFneo Di10.06.2014 03.15 h 11 Die Schrecklichen
ZDFneo Di10.06.2014 04.15 h 12 Die Waggonspringer
ZDFneo Di10.06.2014 05.15 h 38 Grauroter Morgen (Wdh.)

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