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Dieses Thema hat 656 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Prisma Offline




Beiträge: 7.593

26.11.2012 12:01
#361 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



DER MORD AN FRAU KLETT (Folge 25)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Alfred Balthoff, Hans Ernst Jäger, Vadim Glowna, Hilde Volk, Laurence Bien, u.a.



In einem heruntergekommenen Viertel findet ein Lumpensammler eine Ermordete, die in einem Hinterhof einfach in einer Mülltonne abgelegt wurde. Um mit diesem rätselhaften Fall weiterzukommen, untersucht Kommissar Keller den sozialen Hintergrund der toten Frau Klett, die, wie sich schnell heraus stellt, ein sehr karges Leben führte. Auch zu ihrem Mann und ihrem Sohn hatte sie schon länger keinen Kontakt mehr, und keiner kann oder will eigentlich wirklich viel über die Frau berichten, bis die Spur in ein zweifelhaftes Lokal führt, und sich einige Zusammenhänge entschlüsseln...

Folge 25 beginnt recht eindrucksvoll mit dem Ende einer Frau, die im Leben offensichtlich kaum das Nötigste zur Verfügung gehabt hat. Nicht nur für den Zuschauer, sondern auch die für ermittelnden Personen (die ja schließlich so einiges gewöhnt sind) offenbart sich eine Situation der Bestürzung, da die Tote einfach in einen Müll-Container abgelegt wurde, wie Abfall den man dringend loswerden möchte, weil man ihn nicht mehr ertragen kann. Hinzu kommt, dass die Frau schrecklich zugerichtet vorgefunden wird. Das Aufzeigen des sozialen Hintergrundes von Frau Klett dokumentiert wohl, dass nach Ansicht des Mörders einfach nur ein wertloses Leben beendet wurde. Zunächst bilden diese Bausteine eine gewisse Tragik und Nachdenklichkeit oder auch Entrüstung, doch eigentlich stellt sich relativ schnell heraus, dass man nur versuchte, eine äußerst schwache Geschichte durch Emotionen auf dem Servierteller zu verschleiern. Diese Krokodilstränen des Drehbuches verwässern leider die gesamte Angelegenheit in beinahe unangenehmer Art und Weise, so dass ich es vorweg nehmen kann. "Der Mord an Frau Klett" ist eine ungewöhnlich schwache und aufdringliche Kommissar-Folge geworden. Man kann ihr schließlich zu Gute halten, dass Dietrich Haugk versuchte, die Episode handwerklich-solide ins Ziel zu bringen.

Die Besetzungsliste mit Alfred Balthoff, Hans Ernst Jäger, Vadim Glowna und Hilde Volk bringt mir ein persönliches, für Kommissar-Verhältnisse beispielloses Horror-Kabinett zu Stande, und auch hier hat man es in dieser Hinsicht mit der wohl bislang schwächsten Episode zu tun. Eine abgesattelte Truppe, die wenigstens die schäbigen Schauplätze und die triste Geschichte unterstreichen. Gut, die unsympathischen Charaktere gehören zwingend zu diesem Fall, da sie die nebulöse Geschichte mit ihren markanten, vielleicht auch eigenartigen Kapriolen prägen sollen. Doch leider passt hier nichts zusammen. Alle klagen über das karge Leben und merken nicht, dass sie sich in ihrer Resignation und Lethargie bereits längst dem Schicksal hinnehmend gebeugt haben. Die einzige von ihnen, die schließlich ihr Leben aus Stroh zu Gold machen wollte, wurde ermordet. Diese hoffnungslosen Fälle wurden nicht im Geringsten stichhaltig oder wenigstens annähernd verständlich herausgearbeitet, lediglich Else Knott als Frau Klett konnte eine hauchdünne Duftmarke setzen. Die Regie versucht jedenfalls die Folge durch Kompetenz glattzubügeln, was jedoch leider nicht komplett gelungen ist. Das Finale ist versöhnlicherweise noch sehr einprägsam und rasant ausgefallen, aber dennoch bleibt der Fall mit seinen Irrungen und Wirrungen im Rahmen dubioser Familienverhältnisse und dem Sinn des Ganzen Theaters eher schwach. Bei Zbyněk Brynychs Beiträgen hatte man trotz teils unerträglichen Passagen wenigstens eine auch teilweise beachtliche Besetzung (sozusagen als Tranquilizer) zur Verfügung, hier ist erstmals die Geschichte trotz schwerer Geschütze sehr wässrig, was aber viel schwerer ins Gewicht fällt ist, dass es keinen adäquaten darstellerischen Ausgleich gibt. Ich fühlte mich letztlich vollkommen unbeeindruckt, obwohl man sich bei dieser Erzählung - was ich einmal als Intention unterstellen möchte - nicht unbeeindruckt fühlen sollte. Für mich einfach zu verdächtig!

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

28.11.2012 21:26
#362 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Schwierigkeiten eines Außenseiters" (Folge 78/ Erstausstrahlung am 30. August 1974)
mit: Raimund Harmstorf, Curt Bois, Elfriede Irrall, Joachim Ansorge, Rosl Mayr, Dirk Dautzenberg, Wolf Richards - Regie: Michael Braun

Das Ehepaar Helmut und Margot Domrose hat eine Wohnung über ihrem Laden, in dem Spirituosen, Spiel- und Schreibwaren verkauft werden. Eines Nachts hört Frau Domrose das Splittern einer Glasscheibe und weckt ihren Mann, der seine Schusswaffe aus der Lade nimmt und hinunter geht. Kurze Zeit später findet ihn seine Frau tot auf dem Boden des Geschäfts - er wurde mit einer Flasche erschlagen. Der Verdacht richtet sich sofort gegen Theo Klinger, den Schrecken der Nachbarschaft. Ein junger Mann mit Cowboystiefeln und schwerem Motorrad - und einem alkoholkranken Vater.....

Raimund Harmstorf, ein Mann wie ein Bär, und Curt Bois, das kleine, ausgemergelte Männchen, spielen das ungleiche Vater-Sohn-Gespann. Während Theo Klinger den übrigen Hausbewohnern Gleichgültigkeit entgegenbringt und durch seine genagelten Schuhe und den Motorradlärm Unmut erregt, behandelt er seinen Vater mit Nachsicht, Geduld und Fürsorge. Man stellt mit Erstaunen fest, dass das Verhältnis der beiden das herzlichste im ganzen Haus ist. Herbert Reinecker stattete seinen Buhmann mit den klassischen Eigenschaften aus, die in bürgerlichen Kreisen allgemein Misstrauen erwecken: Arbeitsscheu, Nonkonformismus und Unangepasstheit. Dennoch wirkt Harmstorf weitaus sympathischer als der Rest der Mietparteien, der in der leutseligen Rosl Mayr, dem Denunzianten Dirk Dautzenberg und der gefassten Witwe Elfriede Irrall wichtige Augenzeugen findet. Die Welt der Hinterhöfe und der Frühlokale veranlasst den Kommissar sein gesamtes Büro einzuspannen. Selbst Rehbein wird nachts mit Erwin und Robert zur Überwachung der Witwe herangezogen, während Keller in seinem Bett schlummert.
Die Verwicklung des durch ungeschützte Industriearbeit geschädigten Alten in den (Raub)mord ist offensichtlich; die Frage ist nur: Wie wird Klinger junior eine Verhaftung seines Vaters verhindern? Am Ende bestätigt sich das, was man schon die ganze Zeit geahnt hat, weshalb die Episode wenig Innovatives bietet, sondern einmal mehr aufzeigt, wie schnell die Volksseele zum Kochen zu bringen ist und wie schwer einer Vorverurteilung entgegenzutreten ist. Hintertreppengeschichten können sehr spannend sein, wenn man es macht wie in der Episode "....wie die Wölfe". Dies schafft "Schwierigkeiten eines Außenseiters" nicht. Zu vorhersehbar sind die Aussagen der Zeugen, zu wenig kooperiert das Mehrfamilienhaus im Kampf gegen Klinger. Ein offener Zank im Hof hätte befreiend gewirkt, oder, wahlweise auch eine listige Attacke gegen das Motorrad. Dafür inszenierte Michael Braun aber zu zahm - es scheint, als habe auch er die Fäuste von Harmstorf gefürchtet....
Eine unterdurchschnittliche Folge mit einem überzeugenden "Seebär".

Prisma Offline




Beiträge: 7.593

01.12.2012 14:02
#363 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



DIE KLEINE SCHUBELIK (Folge 26)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz
Gäste: Peter Kuiper, Erni Mangold, Margarethe von Trotta, Susanne Schaefer, Josef Fröhlich, Sigfrit Steiner, Thomas Piper, u.a.



Der Gelegenheitsarbeiter Schubelik wird tot in seinem Bett aufgefunden. Starb er eines natürlichen Todes? Er bewohnte eine kleine Laube am Rande der Stadt. Zunächst deutet keine Spur auf ein Gewaltverbrechen hin, doch Kommissar Keller ist skeptisch und rekonstruiert den Tag vor Schubeliks Tod noch einmal. Es hat eine Feier stattgefunden bei der auch die minderjährige Tochter des Toten, genannt "die kleine Schubelik", und ein Freund von ihm anwesend waren. War noch jemand zur besagten Zeit dort und kommt daher als Täter in Frage? Die Ermittlungen durchleuchten die Familienverhältnisse und fügen das Puzzle schließlich zusammen...

Mit einer Regie-Arbeit von Georg Tressler, weiß man die Angelegenheit eigentlich in sicheren Händen. "Die kleine Schubelik" gehört allerdings nicht zu dieser Gattung und kann aufgrund des eintönigen Kriminalfalles, vor allem aber wegen der denkbar schwachen Titel gebenden Figur kaum Punkten. Lediglich die Charakterzeichnungen der übrigen Akteure sind wirklich gelungen und überzeugen daher auch in den meisten Fällen. Wenige Verdächtige in Verbindung mit einem herkömmlichen Fall, lassen die Handlung hier deutlich an Spannungshintergrund verlieren, und die Vorhersehbarkeit erscheint daher exponiert wie selten. Die Einführung in die Geschichte ist mehr als eindeutig, genau wie die Zeichnung des Ermordeten, der ein Tyrann gewesen sein muss, und über dessen Ableben man bei einigen Beteiligten mehrmals beinahe Erleichterung sehen kann. So ist die ganze Angelegenheit auch wieder einmal schnellstens eine Art Konglomerat aus Kriminalfall und Milieu-Studie mit einigen gescheiterten Existenzen geworden, allerdings der weniger beeindruckenden Sorte, da es zu empfundener, aufgesetzter Tragik kommt. Allerdings darf man Folge 26 zu Gute halten, dass sie handwerklich, der Schauplätze wegen, und vor allem ermittlungstechnisch so manches an Überzeugung zu bieten hat.

Für ein derartiges Milieu hatte man mit einem Kaliber wie Peter Kuiper als Klenze auf jeden Fall den richtigen Mann zur Verfügung. Seine Manneskraft steht offenbar antiproportional zu seiner Intelligenz, und er präsentiert sich als klassischer, Ekel erregender Prolet. Warum lange Reden schwingen, wenn die Fäuste doch eine eindeutigere Sprache sprechen; warum Arbeiten, wenn diese doch bekanntermaßen nur krank macht; warum nur eine Frau haben, wenn es doch so viele gibt? Kuiper liefert eine großartige und vor allem glaubwürdige Interpretation ab. Beim ersten Verhör weiß man bereits sofort, mit wem man es zu tun hat. Seine Frau, die er betrunken auch gerne windelweich prügelt, wird von ihm hin und herschickt, ja wie ein minderwertiges Objekt behandelt, und man kann ihn beobachten, wie er die sichtlich angewiderte Helga mit einem geilen Grinsen fixiert, oder wirklich eher schon angafft. Dabei hört man ständig den Sekundenzeiger der Uhr ticken, die sich im Raum befindet, was Klenze eindeutig charakterisiert. Eine Zeitbombe, die jederzeit ausrasten könnte oder schon längst explodiert ist. Somit bietet diese Folge eines der wohl groteskesten, aber auch interessantesten Verhöre der ganzen Reihe. Margarethe von Trotta überzeugt als resignierte Ehefrau dieses Herrn ebenfalls, und sie gehört wie die meisten anderen Interpreten in die Riege der bedauernswerten Personen (von denen besonders noch Erni Mangold hervorsticht), die sich mutwillig mit einer Art Hölle arrangiert haben. Emely Reuer hat in dieser wenig erbaulichen Atmosphäre leider schon ihren letzten Auftritt als Helga. Sie bekam hier eine der wenigen Möglichkeiten, sich ein etwas mehr in den Fokus zu rücken, was besonders im Zusammenspiel mit einem lüsternen Peter Kuiper zur Geltung kommt. So erteilt sie ihm die wohl beste Abfuhr der Kommissar-Reihe, als sie ihn auf seine plumpen Avancen quasi fragt, als ob er noch ganz bei Trost sei. Eine Köstlichkeit! Ansonsten verläuft die Episode wie gesagt wenig originell, für meine Begriffe sogar langweilig, weil sie vorhersehbar erscheint und man vergleichsweise wesentlich Besseres gesehen hat. Auch dieser tragisch angehauchte Versuch von Georg Tressler hat mich persönlich unbeeindruckt zurück gelassen, wie es schon beim Vorgänger der Fall war.

Prisma Offline




Beiträge: 7.593

05.12.2012 14:57
#364 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



ANONYMER ANRUF (Folge 27)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Martin Lüttge, Gerlinde Locker, Dunja Rajter, Jürgen Goslar, Friedrich Joloff, Hanne Hiob, Paul Edwin Roth



"Ihre Frau betrügt Sie!" So lautet der erste seltsame Anruf, der bei Kurt Gersdorf eingeht, und kurz darauf folgt ein zweites Telefonat, bei dem der Fremde behauptet, Frau Gersdorf betrüge ihn mit Herrn Stein, dessen eigenem Onkel. Von Zweifeln getrieben sucht Gersdorf die Villa seines Onkels auf und schon beim Betreten fallen Schüsse und die Alarmanlage ertönt laut. Stein wurde ermordet. Handelt es sich um eine mörderische Falle, oder hat der Neffe einen perfiden Plan ausgeführt? Kommissar Keller machen die unterschiedlichen Zeugenaussagen skeptisch, außerdem stellt sich heraus, dass die Mordwaffe dem Hauptverdächtigen Gersdorf gehört. Kann er seine Unschuld beweisen..?

Die Folge beginnt mit Panorama-Einstellungen der Stadt, schwenkt in Gersdorfs Dachgeschoss und beschäftigt sich mit einigen Details seiner Wohnung, bis der erste anonyme Anruf ertönt. Bereits zu Beginn wird ganz klar deutlich, dass Helmut Käutners Folge 27 mit einem glasklaren Aufbau überzeugen wird und die gesamte Konstruktion schmückt sich im Verlauf mit einigen raffinierten Zügen. Leider ist folgendes jedoch nicht wegzudiskutieren, denn der Kriminalfall an sich ist leider unspektakulär. Man verfolgt das Ganze und merkt bald, dass es eigentlich kaum Tatverdächtige gibt, und wenn man sich schließlich an den Titel der Episode erinnert, hinterfragt man natürlich, wer der anonyme Anrufer gewesen ist. Spätestens hier fällt der Groschen, da man die Stimme der Person aufgrund ihrer prägnanten Farbgebung erkennt. Ziemlich schade, denn spätestens damit ist eine gute Portion Spannung einfach hinfällig geworden. Die Falle, die gnadenlos in der Villa des Herrn Stein zuschnappt, ist sehr originell, auch die beteiligten Personen, die einiges zu verbergen haben, und deren eigenartige Beziehungen zueinander, sind mindestens einmal interessant gestaltet worden. Insgesamt gesehen hebt sich diese Angelegenheit trotzdem nicht vom Mittelmaß ab, wohl eher das Gegenteil ist der Fall.

Die Besetzung ist bunt, aber nicht uninteressant zusammen gewürfelt worden. Martin Lüttge, der in Kommissar-Fragen bereits einen wesentlich prägnanteren Auftritt zu verbuchen hatte, wirkt als Student Gersdorf etwas bemitleidenswert, da er ohne Weitsicht und ziemlich naiv in eine mörderische Falle tappt. Dem Eindruck nach scheinen seine Kompensationsstrategien ziemlich begrenzt zu sein, auch die Tatsache, was ihm nahe stehende Personen aus seinem direkten Umfeld treiben, und zu was Menschen im Allgemeinen aus Kalkül und Egoismus fähig sein können, scheint ihm vollkommen fremd zu sein. Gerlinde Locker als seine zunächst unscheinbar anmutende Gattin, wirkt recht überzeugend als Verantwortliche zum Aufbessern der Haushaltskasse. Anschaffen fürs Studium ihres ziellos wirkenden Mannes, das hat man jedenfalls von Gerlinde Locker auch nicht alle Tage gesehen, wobei sich doch Zweifel etablieren, ob das alles der Logik oder der Wahrscheinlichkeit entspricht. Eine weitere Genossin der diskreten Prostitution stellt die aparte Dunja Rajter dar, die ich in ihren wenigen und belanglosen Rollen immer sehr gerne sehe. Leider wurde sie hier mit einer Stimme synchronisiert, die einem beinahe schmerzhaft ins Ohr springt. Ich musste dabei sofort an Evelyn Opela denken, die (wie Rajter eben auch) gerade durch ihre Original-Stimme so nachhaltige Akzente setzen konnte. Mit Jürgen Goslar und Friedrich Joloff bekommt man sehr überzeugende Interpreten zu Gesicht, die im Endeffekt auch den Kreise der Verdächtigen darstellen, da der Anrufer zu Beginn ein Mann war. Die komplette Folge besteht dem Empfinden nach ausschließlich aus Verhören, das große Aha! bleibt auch nach der sehr gelungenen Überführung des Täters, bei der alle in der Villa zusammen geführt werden, leider aus, die Charakterzeichnungen wirken wenig geschliffen. Auch das Prinzip, dass wieder einmal ein rücksichtsloser Unmensch das Zeitliche segnen musste, wirkt langsam überholt (wenn auch nachvollziehbar), das Tatmotiv offenbart sich 5 vor 12 und erscheint quasi aus dem Nichts. Ja diese Folge lässt einen nicht nur unschlüssig, sondern leider auch etwas unzufrieden zurück, da sie einerseits klassisch konstruiert wirkt, ihr andererseits aber das gewisse Etwas fehlt.

Prisma Offline




Beiträge: 7.593

06.12.2012 23:31
#365 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



DREI TOTE REISEN NACH WIEN (Folge 28)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper und Fritz Eckhardt
Gäste: Hans Caninenberg, Dieter Borsche, Herbert Steinmetz, Hilde Weissner, Christoph Bantzer, Susanne Wisten, u.a.



Eine anonyme Morddrohung richtet sich gegen Schreiner Bessmer, den Buchhändler Sasse und den Großkaufmann Roth. Diese Ankündigung steht in direktem Zusammenhang zu der letzten Vergnügungsfahrt nach Wien, die die drei alten Freunde gemeinsam unternommen hatten. Es gab häufiger solche Reisen, um dem Alltagstrott und dem langweiligen Eheleben entkommen zu können. Als Bessmer auf offener Straße ermordet wird ist klar, dass es sich um tödlichen Ernst handelt. Auch die Schüsse wurden aus einem Wagen mit Wiener Kennzeichen abgegeben. Was ist bloß in Wien geschehen und warum führen alle Wege dort hin? Kommissar Keller versucht, die übrig gebliebenen Herren vor Anschlägen zu schützen, doch die Zusammenhänge liegen im Dunkeln...

Dietrich Haugk lieferte mit "Drei Tote reisen nach Wien" einen wirklichen Kommissar-Klassiker ab, der sogar, wenn man das Ganze ein bisschen mehr gestreckt sieht, blendend als Spielfilm funktioniert hätte. In Folge 28 merkt man richtig, dass man sich noch einmal aufraffte um frischen Wind in die Reihe und in das übliche Konzept zu bringen, was nach den schwächeren Vorgängern der zweiten Staffel auch dringend notwendig war. So kommt es zu einigen Neuerungen und unterschiedlichen Herangehensweisen, die genügend Potential liefern, sich abzuheben was ja im Endeffekt auch gelungen ist, weil es sich außerdem um einen sehr spannenden Stoff handelt. Episode 28 wirkt überraschend. Der maskierte Mörder sorgt für eine richtig unheimliche Atmosphäre, auch seine Vorgehensweise erscheint wesentlich brutaler zu sein als es sonst den Anschein hatte. Dieser wesentlich nachhaltigere Eindruck entsteht nicht zuletzt auch deswegen, da die Morde hier gezeigt werden und die Toten, nicht wie üblich, gefunden werden, und die Tat an sich eine Sache der Fantasie zu bleiben hatte. Auch bleibt es diesmal nicht nur bei einem Mord und insgesamt bekommt man es bei Kommissar-Verhältnissen schon mit einer neuen Ebene der Spannung zu tun. Zusätzlich gibt es ein gelungenes Crossover mit der Integration des Wiener Kollegen, Oberinspektor Marek, und schließlich wirkt "Drei Tote reisen nach Wien" wesentlich aufwendiger inszeniert, als viele seiner Artgenossen.

Bei derartig gehobenen Voraussetzungen durfte natürlich eine Glanz-Besetzung nicht fehlen, die alleine mit den Titel-Figuren schon bemerkenswert ausgestattet ist. Die drei "Toten", die Vergnügungen nicht abgeneigt sind, bekamen durch Hans Caninenberg, Dieter Borsche und Herbert Steinmetz sehr überzeugende, wenn auch vollkommen unterschiedliche Gesichter. Auch die Familienverhältnisse bekamen sehr differenzierte Färbungen. Wo es bei Erwin Bessmers Tod zu Tränen seiner Frau kommt, was innerhalb der Serie einen Seltenheitscharakter besitzt, denn meistens waren die Beteiligten über diverse Ableben erleichtert oder zeigten sich sogar unempfindlich, gibt es im Hause Sasse vorwurfsvolle und desillusionierte Konversationen, die von Hans Caninenberg und Hilde Weissner scharfzüngig und pointiert dargeboten werden. Auch Dieter Borsche als wohlhabender Kaufmann glänzt durch einen Präzisionsauftritt. Alle schüren sie die Befürchtung, dass Schweigen letztlich tödlich sein kann, so dass die Folge deswegen, aber auch aus den unterschiedlichsten Gründen von einer gesunden Spannung profitiert. Episode 28 offenbart ihre Stärken wie am Fließband, was durchaus positiv zu verstehen ist. Originelle Wendungen, dosierte Effekte, stichhaltige Charakterzeichnungen, tolle Schauplätze und schließlich die klassischen Ermittler-Tätigkeiten überzeugen hier restlos. "Drei Tote reisen nach Wien" verblüfft letztlich durch die Verschleierungstaktik des Drehbuches, und man ist sich als Zuschauer bis zum Ende hin nicht im Klaren darüber, wohin die Reise denn tatsächlich gehen wird. Dass die Regie die günstigen Voraussetzungen optimal genutzt hat, wird in jeder Minute dieser weit über dem Durchschnitt liegenden Kommissar-Folge sichtbar. Auch viele Einfälle, wie beispielsweise der alternative Abspann mit Darstellern und Namen, Rückblenden als Standbilder, etc., wirken als Bonus sehr erfrischend. Ein überzeugender Kommissar-Volltreffer voller Dynamik, Kompetenz und Vorstellungsvermögen.

Georg Online




Beiträge: 3.276

07.12.2012 07:41
#366 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Zitat von Prisma
. "Drei Tote reisen nach Wien" verblüfft letztlich durch die Verschleierungstaktik des Drehbuches, und man ist sich als Zuschauer bis zum Ende hin nicht im Klaren darüber, wohin die Reise denn tatsächlich gehen wird. Dass die Regie die günstigen Voraussetzungen optimal genutzt hat, wird in jeder Minute dieser weit über dem Durchschnitt liegenden Kommissar-Folge sichtbar

... und das ist auch der Grund, warum die Folge auch beim x-ten Sehen immer noch gleich mitreißend und gut wirkt, einen quasi jedes Mal aufs Neue auf eine spannende "Reise" mitnimmt. Ein großes Verdienst gilt hier in meinen Augen vor allem dem überaus begabten Regisseur Dietrich Haugk, der ja fast ausnahmslos bei Ringelmann (und auch bei anderen Krimiserien wie "Männer vom K3", "Sonderdezernat K1" und beim "Tatort" (ich denke da z.B. an "Der King") vorzüglich gearbeitet hat.

Prisma Offline




Beiträge: 7.593

08.12.2012 19:23
#367 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Das fiel mir beim erneuten Anschauen der Serie auch auf, dass "Drei Tote reisen nach Wien" eine der wenigen Folgen ist, die ihren hohen Status beibehalten konnte, und dass vom Eindruck her einfach alles passt. Definitiv auch eine meiner Lieblingsfolgen. Was auch erstaunlich war ist, dass ich mich - im Gegensatz zu vielen anderen Folgen - noch genau an alles, oder an viele Details, erinnern konnte. Bei den meisten anderen hatte ich oft den Eindruck, dass ich sie zum ersten Mal sehen würde. Hier sieht man einfach einen sehr hohen Wiedererkennungswert aufgrund der dichten Inszenierung.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

17.12.2012 20:03
#368 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Tod einer Zeugin" (Folge 16/ Erstausstrahlung am 6. Februar 1970)
mit: Götz George, Werner Bruhns, Joseph Vinklar, Wolfgang Spier, Klaus Dahlen, Renate Roland, Hans Elwenspoek, Claudia Bethge, Brigitte Röpke u.a. - Regie: Zbynek Brynych

Die kaufmännische Angestellte Erika Nagold übt ihren Beruf nicht aus, sondern arbeitet selbständig. Sie verkauft sexuelle Dienstleistungen und hat sich bereits ein beachtliches Vermögen erarbeitet. Als Wolfgang Karras, ein Freund von Erika, sie besuchen will, hören er und der Hausmeister Schüsse. Die herbeigerufene Polizei findet die Leiche der jungen Frau und eine gerichtliche Vorladung: Erika Nagold sollte am nächsten Morgen als Zeugin vor dem Untersuchungsrichter aussagen, offenbar in der Erpressungssache Dr. Stockbauer. Der Mann wurde vor einiger Zeit tot aufgefunden.....

"Tod einer Zeugin" ist wohl die umstrittenste Folge der gesamten "Kommissar"-Reihe und stellt für viele Fans den absoluten Tiefpunkt dar, während sie von einigen wenigen um ihrer Verrücktheit willen geliebt wird. Mein Urteil nach der Erstsichtung -so kann man es nennen, obwohl ich die Episode vor gefühlten hundert Jahren bereits einmal gesehen habe- fällt weitaus prosaischer aus. Sie ist insgesamt betrachtet schlichtweg langweilig und mündet in eine Täterauflösung, deren Mordmotive ungenügend erläutert werden. Exzessiv auftrumpfen darf ein Mann, von dem man es nicht anders gewohnt ist: Götz George. In bohemienhafter Aufmachung betritt er das Büro Keller und ist sich der uneingeschränkten Bewunderung der beiden Damen Lauer und Rehbein sicher, während Walter Grabert seine Emotionen in dieser Folge bis zum Anschlag aufdrehen kann. Zunächst verbissen, kämpferisch und hart, verfällt er später in "böhmisches Gelächter" und ergänzt sich mit Sparringspartner Keller auf spielerische Weise. Die Motive für den Mord an Nagold werden anfangs noch nüchtern untersucht, doch bald schon verfängt sich das Drehbuch in den Fallstricken, die der listige Brynych ausgelegt hat, um einmal mehr seiner osteuropäischen Herkunft -diesmal in Gestalt von Joseph Vinklar- Tribut zu zollen. Kann man die Schwäche der Folge wirklich primär dem anlasten, der das Buch umgesetzt hat oder hatte Herbert Reinecker beim Verfassen ebenfalls einen launigen Tag? Der stets mampfende Klaus Dahlen steht auf meiner persönlichen "No go"-Liste und gehört zu den wenigen Schauspielern, bei denen ich ausnahmslos den Daumen senke. Es ist schade, dass man so wenig vom Opfer hört oder sieht; by the way: die musikalische Untermalung stört mich wenig - im Gegenteil, man ertappt sich dabei, wie man nach wiederholtem Anspielen des Stückes mit dem Bein wippt. George dreht gegen Ende noch einmal ordentlich auf, überzeugt jedoch trotz schriller Töne und offenem Pyjama - ein Klassiker unter Herren der leichten Muse - nicht vollends. Werner Bruhns hat hier den weitaus dankbareren Part erwischt und mimt den Rollstuhlfahrer mit gekapptem Unterleib und weiterhin vorhandenen sexuellen Bedürfnissen glaubwürdig. Ähnlich seinem Leidensgefährten Erich Felz ("Die Tote im Park", Folge 44) regt eine käufliche Frau seine Phantasie an und beschäftigt ihn in der Eingeschlossenheit seiner vier Wände. Alles in allem enttäuscht der Geheimtipp der Brynychianer; wer eine wirklich gelungene Episode aus der abgedrehten Frühphase des Regisseurs sehen will, dem empfehle ich den stimmig choreografierten "Papierblumenmörder" (Folge 15).

Prisma Offline




Beiträge: 7.593

19.12.2012 21:03
#369 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



DER MOORMÖRDER (Folge 29)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Harald Leipnitz, Charles Regnier, Louise Martini, Gustl Halenke, Angelika Zielcke, Hartmut Becker, Hilde Hildebrand, Simone Rethel, u.a.



Spaziergänger finden in einer unwegsamen Moorlandschaft eine Leiche, und wie sich bei den Ermittlungen herausstellt, wurde sie ermordet. Der Kriminalpolizei gelingt es, die Tote zu identifizieren, und Tage vor dem Mord zu rekonstruieren. Die Spur führt in einen unscheinbaren Gasthof im Moor und schon bald bekommt es Kommissar Keller mit einigen verdächtigen Personen zu tun. Doch wo liegt das Motiv? Als man schließlich glaubt, den Mörder in eine Falle locken zu können, geschieht ein zweiter Mord, der dem ersten verdächtig ähnlich sieht...

Schon der Anfang dieser, von Wolfgang Becker inszenierten Folge, hat einiges zu bieten. Eine Moorlandschaft die zu atmen scheint, die bedrohlich wirkt und Grausames ans Tageslicht bringt. Es ist schon eine starke Szene, als man die Hand der Toten mit einem Stock herausfischt, und zum Vorschein bringt. Ein lautloser Tod, jedenfalls normalerweise, denn es ist davon auszugehen, dass das Moor keine Geheimnisse mehr preisgibt. So dachte vermutlich auch der Mörder. Schon zu Beginn zeigt die Regie ein gutes Gespür für die nötige Atmosphäre von Folge 29 und bringt schnellstens mehrere Personen zusammen, die aus welchen Gründen auch immer, verdächtig wirken. Dreh- und Angelpunkt für eigenartige Vorkommnisse und potentielle Täter ist ein relativ trostlos wirkender Gasthof, in den schließlich auch die ersten Spuren führen. Immer wieder wird dem Zuschauer das bedrohliche Moor ins Gedächtnis gerufen oder unmittelbar vor Augen gehalten, so dass man formlich auf das nächste Unglück wartet, das ja auch folgen soll. Hier entstehen sehr starke Szenen, als man in der Dunkelheit Todesschreie aus einer nicht genau zu definierenden Richtung hört, der die beteiligten Personen Angst und Schrecken, und den Zuschauer das Gruseln lehrt. Eine Folge voll Atmosphäre und Überzeugungskraft, auch wenn der tatsächliche Fall bereits einen hohen Wiedererkennungswert besitzt.

Die guten Voraussetzungen fanden mit bekannten und überzeugenden Gastdarstellern zuverlässige Helfershelfer für ein Gelingen der kompletten Angelegenheit. Harald Leipnitz überzeugt als Wirt, der alles daran setzt, seine eigene Frau in diesem trostlosen Ambiente festzunageln, da sie lieber heute als morgen raus will auch diesem Loch. Er macht sich geschickt verdächtig und funktioniert überzeugend in dieser Rolle, die ihm auch aufgrund der unterschiedlichen Anlegung bezüglich der meisten seiner anderen Rollen gut steht. Seine Frau wird von Louise Martini gegeben, eine Wirtin, die sich im Kopf offenbar für ein Mannequin hält. Sie will weg, sie will raus, der Ruf der großen Städte hat sie erfasst, in denen sich Leben abspielt. In dieser Umgebung hat sie nichts als Alltag und nur das Radio lässt sie zeitweise kurz vergessen, wo sie sich eigentlich befindet. In einer Szene macht sie Harry schöne Augen, in denen man genau ablesen kann, was sie antreibt. Sie würde sich an jeden hängen, der sie aus dieser Misere befreit. Charles Regnier überzeugt ebenfalls in seiner Rolle als Doktor, der offenbar etwas zu verbergen hat. Durch seine Abgebrühtheit behindert auch er die Ermittlungen erheblich, leider wurde das Alles nicht optimal dosiert, und liefert zu viele Hinweise in einer Folge, die ohnehin nicht viele Verdächtige zur Verfügung hat. Hartmut Becher mit dem "Beruf Sohn" und Gustl Halenke als Jungfer, die sich in extra dafür vorgesehenen Lokalen von Männern ansprechen lässt, bekleiden für ihre Verhältnisse sehr bekannte Rollen, allerdings wie immer recht glaubwürdig, und hervorzuheben ist noch Angelika Zielcke, die als erstes Mordopfer ihre Stärken in Rückblenden unter Beweis stellen darf. Insgesamt hat man es bei "Der Moormörder" mit keinem zu außergewöhnlichen Fall zu tun, aber die Episode überrascht durch ihre hervorragende Umsetzung. Trotz erwarteten Verlaufes gibt es am Ende noch einen netten Twist, der Zufriedenheit beim Zuschauer hervorruft, und letztlich ist der Fall doch sehr klar aufgebaut und bemerkenswert rekonstruiert worden. Eine starke Kommissar-Folge.

Prisma Offline




Beiträge: 7.593

23.12.2012 23:57
#370 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



BESUCH BEI ALBERTI (Folge 30)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz
Gäste: Christine Wodetzky, Carl Lange, Herbert Mensching, Klaus Schwarzkopf, Signe Seidel, Stephan Stroux, Angela Hillebrecht, u.a.



Firmenchef Alberti wird ermordet in seinem Büro aufgefunden. Zuvor benahm er sich seinem Angestellten Sidessen, der Überstunden machte und darauf wartete, dass ihn seine Frau abholt, recht sonderbar. Um ein Haar erlebt er stattdessen den Mord an seinem Chef mit, und ertappt den mutmaßlichen Täter beinahe auf frischer Tat. Doch handelt es sich dabei auch tatsächlich um den Mörder? Die Kriminalpolizei durchleuchtet das Umfeld des Toten und rekonstruiert die letzten Minuten des Geschehens. Dabei kommt es kommt zu erstaunlichen Indizien, die den Mörder jedoch zunächst nicht überführen können...

Wolfgang Staudtes Beitrag hatte ich ehrlich gesagt in besserer Erinnerung, und bei der damaligen Erstansicht fiel die Durchschaubarkeit der ganzen Angelegenheit wohl nicht so schwer ins Gewicht, da ich vermutlich von den guten darstellerischen Leistungen abgelenkt wurde. Es ist sicherlich nicht uninteressant, wie das rätselhaft wirkende Puzzle hier Stück für Stück zusammengefügt wird, aber das hat es auch bei anderen Kommissar-Fällen bereits gegeben, und ganz bestimmt noch überzeugender. Auch die Tatsache, dass man zwischen einer richtigen und einer falschen Variante des Tathergangs wählen muss, sorgt für gelungene Abwechslung. Die vielen Kehrtwendungen beteiligter Personen bringen lange kein wirkliches Licht in diesen relativ nebulösen Fall, aber Kommissar Keller zeigt sich wie immer gerne hartnäckig, und spürt Ungereimtheiten sicher auf, insgesamt ist hier tatsächlich die Arbeit der ermittelnden Personen das interessantere Vergnügen, im Kontrast zu einem eigentlich unspektakulären Fall im aufregenden Gewandt, bei dem unterm Strich mit allen Mitteln versucht wurde, ihn irgendwie aufzupolieren, nachdem er doch so spannend begonnen hatte. Die Schauplätze wirken aufgrund des Geschehens reichlich limitiert, auch wenn anfängliche Sequenzen wie die Verfolgung durch den unübersichtlichen Heizungskeller sehr rasant wirken, doch Tempo mag im anschließenden Verlauf leider kaum mehr im überzeugenden Maße aufkommen.

Folge 30 sieht sich in folgendem Prinzip: Wachse oder weiche. Da der Kriminalfall nicht über sich hinauswachsen kann, dafür ist er definitiv nicht satt genug, musste er schließlich einem anderen Konzept weichen, und zwar der beinahe bis ins Vakuum gehenden, viel zu zentrierten Ansicht auf die wenigen, beteiligten Charaktere. Am Ende sollen alle möglichst transparent dastehen, was auch eigentlich gelungen ist, dennoch wurden Tat und Motiv nicht besonders stichhaltig herausgearbeitet, wobei das noch gar nicht einmal der Fall sein muss, wenn man es mit empfundener Langeweile verwechselt. Christine Wodetzky wirkt überaus rätselhaft, was sie auch wieder einmal exponiert in Erscheinung treten lässt, doch man bekommt die Quelle ihres Handelns nicht erklärt. Warum? Weshalb? Wieso? Damen die genau so sind wie sie, und bei denen es keine (un-)nötigen Erklärungen mit auf den Weg gibt, wirken entgegen der Intention vollkommen uninteressant. Sie wirkt wie eine Art schwarze Witwe und genau so präsentiert sie sich auch, was schließlich noch von der Optik untermauert wird. Hat sie ihren Mann auf dem Gewissen, kann man sich tatsächlich auf seine Eindrücke verlassen? Wenn ja, dann wäre es eine ziemlich fade Angelegenheit, denkt man sich, denn der Kreis der Verdächtigen ist so schrecklich übersichtlich. Christine Wodetzky jedenfalls liefert eine ihrer leichtesten Fingerübungen beim Interpretieren einer derartigen Fassade, für mich ist sie stets (irgendwie) überzeugend, aber vor allem gerne gesehen, obwohl ich einräumen muss, dass sie hier einen ihrer schwächeren Auftritte hatte. Carl Lange in der Titelrolle spielt in seinen kurzen Sequenzen ausgezeichnet, genau wie Herbert Mensching und Klaus Schwarzkopf. Für eine besonders große persönliche Freude sorgt schließlich noch eine der wenigen Partizipationen von Signe Seidel, die allerdings innerhalb dieser Serie auch schon einen besseren Gastauftritt hatte. Die Personen werden also auf dem Präsentierteller serviert, die Rechtfertigungsarbeit von Regie und Drehbuch hat mich letztlich nicht überzeugen können, das Ende kommt viel zu abrupt, und im Großen und Ganzen hat man es mir einer durchschnittlichen Arbeit von Wolfgang Staudte zu tun, darüber hinaus mit einer durchwachsenen Folge innerhalb der Kommissar-Reihe.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

25.12.2012 13:37
#371 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Ein Funken in der Kälte" (Folge 62/ Erstausstrahlung am 8. Juni 1973)
mit: Klaus Behrendt, Mady Rahl, Hans Brenner, Horst Sachtleben, Walter Sedlmayr, Gretl Schörg, Lilith Ungerer, Cordula Wiedemann u.a. - Regie: Wolfgang Staudte

Eine kalte Winternacht in einer Münchner Nebenstraße. Heide Hansen, eine Prostituierte um die Fünfzig, wird aus einem fahrenden Auto gestoßen. Sie ist tot. Man hat sie mit vier Messerstichen ermordet. Nachdem Harry Klein bei den Ermittlungen im Milieu des Opfers mit einer Drahtschlinge gewürgt wird und sein Angreifer kurze Zeit später selbst tot aufgefunden wird, heftet sich Robert Heines an die Fersen des Mannes, der Heide Hansen am besten kannte: ein Alkoholiker namens Schichta. Der Mann zeigte Verständnis für die Frau und umsorgte sie, wenn sie wieder einmal in einer Regennacht oder bei Schneefall vor seinem Fenster stand. Er scheint mehr zu wissen, als er zugibt, besonders über den windigen Zuhälter Erich Schönau.....

Klaus Behrendt scheint für die Rolle des heruntergekommenen Einzelgängers prädestiniert zu sein, spielte er sie doch auch innerhalb der "Derrick"-Reihe mit Überzeugung. Im Zusammenspiel mit der abgehalfterten Mady Rahl, die ihre Figur aus dem "Hund von Blackwood Castle" weiterentwickelt hat, gelingt es ihm, die Vorzüge eines schwachen, verletzlichen Mannes aufzuzeigen. Das Gegenstück bildet Hans Brenner, der seine Brutalität mit süffisantem Lächeln kaschiert und seine Arbeitsscheu durch Abhängigkeitsverhältnisse in bare Münze umwandelt. Verachtung, Selbsthass, Abstumpfung und Resignation sorgen in der Rotlichtszene dafür, dass einige wenige an den Hebeln der Macht und des Profits sitzen und eine gesichtslose Zahl an Frauen für geringes Entgelt das Milliardengeschäft am Laufen hält.
Keller und seine Männer konzentrieren sich deshalb vor allem auf den einzigen Freund der getöteten Frau und hoffen, dass er ein Geheimnis kennt, das den Täter zum Handeln herausfordern wird. Doch wie in der "Derrick"-Episode "Am Abgrund" (1980) erhält der Trinker reichlich Gelegenheit, auf Zeit zu spielen und wird durch flüssiges Schmieröl von der Polizei zum Sprechen angeregt. Dadurch streckt das Drehbuch die Geschichte mehr als nötig und vergibt sich den finalen Suspense um die Ballettschule. Langsam, durch diskrete Andeutungen hätte man hier einen Rätselfaktor aufbauen können, stattdessen bleibt die Kamera entweder auf den armen Tropf Schichta oder den Angeber Schönau gerichtet. Was genau mit dem "Funken in der Kälte" gemeint ist, erschließt sich mir leider nicht. Dafür kriechen die winterlichen Temperaturen dem Zuseher langsam die Beine hoch und machen die Folge zu einem moderaten Sehvergnügen für trübe Abende.

Prisma Offline




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25.12.2012 16:15
#372 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



ENDE EINES TANZVERGNÜGENS (Folge 31)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper
Gäste: Alexandra Marischka, Gisela Peltzer, Karl Michael Vogler, Ellen Umlauf, Alice Treff, Dirk Dautzenberg, Detlev Eckstein, u.a.



Ein junger Mann wird auf offener Straße, genau vor seiner Wohnungstür erschlagen. Seine Schwester, die ihm öffnen wollte, jedoch die verschlossene Türe nicht aufbekam, hört auf der anderen Seite nur noch die Todesschreie ihres Bruders. Die Kriminalpolizei stellt schnell fest, dass der Ermordete zuvor auf einer Tanzveranstaltung gewesen ist, doch alle Zeugen behaupten, sich plötzlich an Nichts mehr erinnern zu können. Die Schwester des Toten glaubt die Ursache des Mordes zu kennen und führt die Polizei zu einem jungen, atemberaubend schönen Mädchen namens Ilo Kusche, die sie für verantwortlich hält. Doch ist das Tatmotiv tatsächlich Eifersucht? Keller gerät in groteske Familienverhältnisse...

Wolfgang Staudtes "Ende eines Tanzvergnügens" zählt definitiv zu meinen Lieblingsbeiträgen innerhalb der Kommissar-Reihe, denn abgesehen von der hochklassigen Inszenierung ist es der denkwürdige Gast-Auftritt von Alexandra Marischka, der etwas ganz Extraordinäres darstellt und zumindest mein Herz höher schlagen lässt. Schon das Intro der Folge setzt ein dickes Ausrufezeichen und bahnt eine spannende Geschichte um fatale Verwicklungen an. »Wer war das?«, schreit die verzweifelte Schwester des Toten, und der Zuschauer sieht sich nach kürzester Zeit mit einer beinahe rhetorischen Frage konfrontiert. Wo die Charakterzeichnungen in Staudtes Vorgänger-Episode noch ausbaufähig waren, bekommt man hier schon wesentlich mehr Überzeugendes geboten. Der Kriminalfall an sich steht lange Zeit im Licht eines eher profanen Mordfalles, doch zahlreiche Wendungen und Überraschungen wurden vornehmlich zum Finale hin mit eingebaut. Außerdem hat man es mit der Figur der Ilo Kusche, mit einer der gefährlichsten Frauenrollen innerhalb der Reihe zu tun. So funktioniert jedes Zahnrad in dieser Geschichte exzellent und transportiert im Endeffekt eine hohe Glaubwürdigkeit und ein denkwürdiges Thema zugleich. Gut herausgearbeitet wird die jeweilige Atmosphäre, ob bei den Kusches zu Hause, quasi in komplett verdrehter Verhältnismäßigkeit, wo Ilo in keinem goldenen Käfig sitzt, denn sie ist eher der goldene Vogel in einem ziemlich heruntergekommenen Milieu. Oder beruflich, wo sie in einem Ambiente arbeitet, das ihr zwar temporär genügt, jedoch auf Dauer ihren Bedürfnissen nicht entsprechen kann. In Discotheken sieht man sie ausgelassen und die Zeichnungen der anderen Personen zeigen, dass ihr unbekümmertes Dasein ausschließlich auf Kosten anderer ausgetragen wird, und dass viele Männer um sie herum gefährdet sind, den Verstand verlieren zu können.

Alexandra Marischkas erster Auftritt wird mit den folgenden, eindeutigen Worten der verbitterten Schwester des Ermordeten eingeleitet. »Komm raus du Dreckshure!«, ruft Lisa Stoltze in das Fenster der sich in einem Hinterhof befindenden Wohnung, in jenes Fenster, an dem auch ihr Bruder oft stand, und auch andere junge Männer wohl Nacht für Nacht Schlange gestanden haben. Die verwunderte Polizei findet nur eines vor, nämlich die Unempfindlichkeit und Gleichgültigkeit einer jungen Frau, die selbst einen Mord lediglich zur Kenntnis nimmt. Die junge Frau wird von ihren Eltern wie ihr wertvollster Besitz behandelt, und so werden alle Unannehmlichkeiten von ihr ferngehalten, damit es zu keinem Wertverlust kommt. Sie soll einmal ein besseres Leben haben (und vor allem auch für andere mit sich bringen), und der Zweck heiligt schließlich alle Mittel. Wird es durch die persönlichen Umstände also verständlicher, warum Ilo Kusche so ist, sie sie ist. Nein! Diese junge Frau besitzt alle Waffen, die Männer freiwillig zur bedingungslosen Kapitulation bringen. Kusche ist auf den ersten Blick eine Kreuzung aus einer Art amourösen, und einer elitären Narzisstin. Sie liebt sich selbst so sehr, dass die Liebe der anderen wertlos und uninteressant wird. Dementsprechend wird jeder, der ihren Köder schluckt, auf der Strecke bleiben müssen. Der Tote reagierte beispielsweise eindeutig auf die falschen Signale, für die offenbar jeder Antennen hat: »Ich bin fasziniert, ich bin einfach glücklich!« Ein hoher Preis für ein wirkungsvolles Gefühl ohne greifbaren Ursprung der Gegenseite, wenn am Ende schließlich der Tod steht. Über die perfekte Besetzung durch Alexandra Marischka habe ich schon einiges gesagt, daher möchte ich meine vielen Gedanken dazu nur noch einmal unterstreichen. Besonders hervorzuheben ist in dieser Folge die Interpretation von Gisela Peltzer, deren Person zum universellen Vorwurf wird. Auch Karl Michael Vogler, der der Versuchung in vollem Umfang verfallen zu sein scheint, spielt sehr überzeugend, genau wie Ellen Umlauf als hinnehmende, aber autonome Ehefrau, der ihre gute materielle Stellung wichtiger als Treue erscheint, so lange sie nicht durch ein jüngeres, aufregenderes Modell ausgetauscht wird. Ilos Eltern bekommen durch Alice Treff und vor allem Dirk Dautzenberg beinahe paradoxe Anstriche, die Besetzung ist durchgehend ein Fest! Folge 31 überrascht durch die eher unkonventionelle Herangehensweise und stellt eine kleine Ausnahmeerscheinung dar. Das Finale liefert schließlich noch einen der vielen atemberaubenden Momente der Kommissar-Reihe, so dass man es aufgrund unterschiedlichster Komponenten mit einer ausgefallenen und lange in Erinnerung bleibenden Episode zu tun hat. Die Prognose der Folge bleibt unterm Strich ernüchternd: Ilo Kusche wird definitiv weiter tanzen, es werden noch unzählige Motten, die um dieses verwirrende Licht schwirren, über die Klinge springen. Und mein Eindruck ist schlussendlich deckungsgleich mit der Aussage von Hansi Stoltze: »Ich bin fasziniert!« Fasziniert von Alexandra Marischka, deren Schönheit so durchdringend wirkt, und angezogen von der verträumten, kühlen Distanz einer Frau, die hier das Potential hatte, Verrückte zu machen.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

26.12.2012 12:52
#373 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Die andere Seite der Straße" (Folge 37/Erstausstrahlung am 10. September 1971)
mit: Bruno Hübner, Christine Ostermayer, Gerd Baltus, Klaus Höhne, Lieselotte Quilling, Kurt Beck, Gisela Dreyer, Hans Brenner, Wolfried Lier u.a. - Regie: Theodor Grädler

In Panik rennt Eduard Bofinger auf das Haus zu, in dem er wohnt. Doch er kann die Tür nicht öffnen, da einer der Mieter den Schlüssel im Schloss abgebrochen hat. Während die kleine Gruppe den Hausmeister ruft, fallen plötzlich drei Schüsse. Auf offener Straße und vor den Augen seiner Nachbarn bricht der gelernte Bäcker zusammen. Als die Polizei die Zeugen anschließend befragt, will niemand den Mörder gesehen haben. Offenbar fürchtet man um das eigene Leben, denn der Täter soll eine Morddrohung ausgesprochen haben: Wer redet, stirbt! ....

Die trostlose Umgebung einer schäbigen Wohngegend bildet wieder einmal das Zentrum für gescheiterte Existenzen; Bürger, die ihre Ruhe haben wollen und lichtscheue Angehörige der Unterwelt, die Helmut Ringelmann aus seinem Schreckenskabinett ausgewählt hat: der ängstlich-aggressive Wolfried Lier (hier zum Glück nur in einer kleinen Rolle), sowie Kurt Beck und Hans Brenner. Gerd Baltus und Klaus Höhne üben sich im Widerstand gegen die Fragen der Kriminalpolizei, der nörgelnde Bruno Hübner und seine Enkelin fechten einen banalen Hauszwist aus, der sich vor allem um dicke Linsensuppe, ständigen Geldmangel und Zigaretten dreht. Vom Mordopfer erfährt man nur, dass seine teuren Anzüge nicht durch Brötchenbacken, sondern dubiose Bekanntschaften in der nahe gelegenen Nachtbar finanziert wurden, weiters, dass er die Enkelin des alten Gallusch einmal im Treppenhaus angefasst hat. Die burschikose Christine Ostermayer schafft es nicht, den Anti-Typ einer unangepassten Monika Bleibtreu ("Fluchtwege") zu verkörpern, sondern verspielt sich durch Radiogedudel und doofe Stänkereien jede Sympathie. Inmitten dieser widerwärtigen Bande gibt es in der "ausgesprochenen Verbrecherkneipe" (O-Ton Keller) einen Lichtblick: Gisela Dreyer als Marion. Die gebürtige Leipzigerin (1939-2008) spielte eine ähnliche Rolle in "Der Tod läuft hinterher", war auch in "Der Alte: Die Kolonne (1978) und als Senatorengattin Lisa Smith im ambitionierten Fernsehspiel "Titanic-Nachspiel einer Katastrophe" (1984) zu sehen. Sie verkörpert zunächst eine resignierte Frau am Rande der Ereignisse, avanciert dann jedoch zur Schlüsselfigur und sorgt für ein überraschendes Finale, das einiges erklärt, aber die schwache Folge nicht mehr retten kann.
Merke: Wer Trübsinn verbreitet, sorgt selten für ein Erfolgserlebnis im Publikum.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

26.12.2012 13:37
#374 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Das Ungeheuer" (Folge 14/Erstausstrahlung am 19. Dezember 1969)
mit: Paul Edwin Roth, Inge Langen, Klaus Höhne, Hannelore Elsner, Rainer Basedow, Signe Seidel, Volker Lechtenbrink, Jochen A. Blume, Manfred Spies u.a. - Regie: Dietrich Haugk

Ein junges Pärchen findet bei einem Waldspaziergang die Leiche eines jungen Mädchens. Erna Muring war beim Steinpilzesammeln überrascht und erwürgt worden. Der Täter ist noch in der Nähe und flüchtet in eine nahe gelegene Wohnsiedlung. Für Kommissar Keller steht fest: Der Mörder muss in einem der Häuser wohnen. Nach und nach verhört er alle Bewohner und stellt fest, dass jeder seinen Nachbarn verdächtigt. Anschuldigungen werden geäußert, Beobachtungen mitgeteilt und Ereignisse aus der Vergangenheit der Anwohner zu ihrem Nachteil angeführt. Doch der Mörder wird nicht durch Indizien am Tatort entlarvt werden, sondern durch Kellers Gabe, aufmerksam zuzuhören....

Der Wald als Schauplatz eines Mordes verkörpert die Urangst des Menschen vor einem einsamen, dunklen Ort, an dem das Böse ebenso plötzlich auftauchen, wie auch verschwinden kann. Kommissar Keller und seine drei Mitarbeiter Helga Lauer, Walter Grabert und Robert Heines besinnen sich fernab des muffigen Münchner Büros der akribischen Polizeiarbeit, sichern Spuren und befragen alle potentiellen Täter nach Alibis und Vorleben. Die Bereitschaft, den Beamten Hinweise zu geben, ist unter den Anwesenden groß, besonders der Augenzeuge Ewald, eifrig und aufdringlich gespielt vom jungen Volker Lechtenbrink, tut sich mit Ausschmückungen seiner Erlebnisse hervor. In jedem Haushalt scheint es Unstimmigkeiten zu geben, Solidarität findet man zwischen Mutter und Sohn oder Schwester und Bruder - Eheleute begegnen sich weitaus frostiger, wie das gelungene Porträt des Ehepaars Vollmer zeigt. Herr Vollmer wird nuancenreich von Paul Edwin Roth gespielt, der zwischen Duckmäusertum und privatem Verlust der Selbstbeherrschung pendelt. Während die Nachbarn als gaffende Zaungäste auf der Straße warten, lässt sich Keller nicht beirren, sondern begibt sich ins Dorfgasthaus, um dort die "Stimme des Volkes" zu hören. Helga Lauers protokollierte Zeugenaussagen und ein Fahrplan bringen ihn schließlich auf des Rätsels Lösung. Die Männerrunde ist mit dem phlegmatischen, aber reizbaren Rainer Basedow, dem hektischen Klaus Höhne und dem aalglatten Manfred Spies passend besetzt. Selbst der Faktor der Unberechenbarkeit wird durch den geistig zurückgebliebenen Bruder der ebenso schönen wie mitfühlenden Hannelore Elsner bedient. Die aus Gründen der Schaffung von Wohnraum hochgezogene Neubausiedlung liegt zwar gar nicht soweit außerhalb der bayerischen Landeshauptstadt, wirkt aber dennoch in sich geschlossen. Giesing, ein südöstlicher Stadtteil Münchens, wird als nächster großer Bahnhof genannt. Der Eisenbahnfreund hat mehrmals Gelegenheit, einen Blick auf Gleise und einfahrende Zuggarnituren zu werfen und glaubt, dass es sich um einen Schienenbus handelt; vom Aussehen her könnte er aus der Baureihe VT 97, VT 98 stammen. Die erreichte Höchstgeschwindigkeit lag bei 90 km/h. Allerdings hat das in dieser Folge gezeigte Modell nur einen Beiwagen.
Eine spannende und kurzweilige Episode, die zwar mit 61,16 Minuten die übliche Sendedauer einer "Kommissar"-Folge überschreitet, durch ihren Aufbau und die gelungenen Charakterisierungen "redlicher Durchschnittsbürger" nicht nur dem Münchner Ermittlerteam angenehme Abwechslung vom Büroalltag bietet.

Prisma Offline




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26.12.2012 19:30
#375 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



DIE ANHALTERIN (Folge 32)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz
Gäste: Karin Baal, Helga Lehner, Werner Pochath, Max Mairich, Peer Schmidt, Lambert Hamel, u.a.



Ein Zug naht mit hoher Geschwindigkeit heran. Auf den Gleisen liegt eine junge Frau, die in letzter Minute gerettet werden kann, doch von Rettung kann keine Rede sein. Sie ist bereits tot und wurde dort nur platziert, um sie unkenntlich zu machen, und um womöglich einen Selbstmord vorzutäuschen. Die Ermittlungen ergeben, dass die Ermordete an Wochenenden immer zur gleichen Zeit als Anhalterin von einem Lastwagenfahrer mit ins Wochenende genommen wurde. Nun heißt es für die Kripo, die betreffende Spedition ausfindig zu machen. Die Schwester der Toten begibt sich derweil in tödliche Gefahr, da sie sich selbst an die Autobahn-Auffahrt stellt, um von dem betreffenden LKW mitgenommen zu werden...

Erneut schickte Wolfgang Staudte einen rasanten Beitrag ins Rennen, der Bereits in der Anfangssequenz für Hochspannung sorgt. Dabei merkt man durch die schnelle Montage fast einen Sekundenzeiger ticken. Der Zug naht heran, die Tote wurde auf die Gleise gelegt, dann wieder der Zug und abwechselnd die Gleise, der Mörder rennt durch den neben der Strecke liegenden Wald, man fiebert mit. Dem Zuschauer ist natürlich klar, dass die Frau nicht mehr am leben ist, doch es entsteht eine große Hektik, da man befürchten muss, dass der Zug über den Kopf rollen wird, und es sich um ein überaus grauenvolles Vorhaben handelt, die Leiche unkenntlich machen zu wollen. Dass die Spur sehr schnell an die richtige Adresse führt, und damit die richtige Spedition ausgemacht wurde, tut der Spannung keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil, denn man bekommt in diesem Unternehmen eine Reihe von zwielichtigen Verdächtigen serviert, die dem Vernehmen nach schon so mancherlei auf dem Kerbholz haben. Interessant ist die Idee, die Schwester der Toten als laienhafte Ermittlerin in der Geschichte zu sehen. Man befürchtet, dass sie früher oder später in Gefahr geraten wird, es kommt ja auch tatsächlich dazu, sozusagen auf freiwilliger, oder eher fahrlässiger Basis. Auch die Hauptpersonen bekamen in dieser abwechslungsreichen Geschichte erneut genügend Spielraum, sich glaubhaft zu profilieren, und dafür hatte man eine blendende Besetzung zur Verfügung.

Zunächst möchte ich auf die schöne, und leichtfüßig agierende Helga Lehner ("Scharfe Küsse für Mike Forster") aufmerksam machen, die alleine von der Optik eine glaubwürdige Schwester von Karin Baal abgibt. Die 1944 geborene Schauspielerin, deren Arbeiten für den Film leider auch recht übersichtlich sind, formt eine überzeugende Titelrolle, die in Rückblenden angelegt ist. Da sie so sympathisch wirkt, und ihr die eigene Zutraulichkeit zum Verhängnis wurde, stattet das sie mit einer ordentlichen Portion Tragik aus. Das stichhaltige Pendant zu ihr liefert Karin Baal, die ihre Wandlungsfähigkeit erneut unter Beweis stellen konnte. Ihr hätte ein wenig mehr Temperament sicherlich ganz gut gestanden, außerdem vermisste ich tatsächlich mehr Emotion, beispielsweise in der Pathologie, als sie die Todesnachricht bekommt. Wie dem auch sei, Karin Baal trumpft dennoch auf. Ihr erscheinen alle Mittel recht zu sein, um in der Mordsache weiterzukommen, sie wirkt gehetzt und getrieben. Auch pfeift sie auf alle möglichen Konventionen und agiert kaltschnäuzig und indiskret. »Sie haben noch nie ein Mädchen angerührt?«, fragt sie einen der Fahrer, der sich in Gedanken eine intimere Beziehung mit der Anhalterin vorstellte, und dies unter Kollegen als Tatsachen hinstellte. Diese Frage bekommt übrigens Werner Pochath ab, und als Zuschauer hält man einen Moment den Atem an, da man es ja oft gewöhnt war, dass er bei solchen unliebsamen Konversationen gerne mal ausgerastet ist. Aber nicht hier, er zeichnet einen eher bedauerlichen Charakter, der genau wie sein Kollege Peer Schmidt sehr überzeugend wirkt. Das kann man auch uneingeschränkt vom Chef der Spedition, Max Mairich, behaupten, der einen insgesamt unangenehmen Eindruck in der Rolle, und einen hochklassigen Eindruck in seiner Darstellung präsentiert. Folge 32 ist insgesamt sehr ansehnlich geworden, sie wurde mit genügend Spannung versehen, und auch unterschwelliger Gefahr, da sich Karin Baal immer wieder mutwillig tödlichen Gefahren aussetzt. Die Schauplätze und das Ambiente passen und unterm Strich steht ein solider Kriminalfall, der gute Unterhaltung liefert. Besonders gut hat mir die alternative Abspann-Idee gefallen, in der die Kamera immer weiter über die Autobahn davon fährt, und somit erneut Distanz beim Zuschauer hervorruft.

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