Zitat von kaeuflinDer Tiger von New York / Killer's Kiss
Besonders schlimm wird der Film allerdings in der deutschen Bearbeitung – Ursprünglich in einer gekürzten Version Synchonisiert, hat man einige Szenen mit anderen Sprecher nachsynchonisert, ohne dabei darauf zu achte, das die Dialoge nun keinen Sinn mehr ergeben bzw. sich widersprechen ...
Es gibt auch eine TV-Synchronisation aus den 60er Jahren, die vollständig ist.
DIE SPUR IM DUNKEL (USA 1942, Original: Eyes in the Night)
Enthält Spoiler!
Trotz des etwas düsteren Titels, der Geschichte um Verschwörung, Mord und Spionage und des „ernsthaften“ Regisseurs Fred Zinnemann bekommt man einen erstaunlich leichtfüßigen Film im Stil der in den 30er-Jahren beliebten Krimikomödien präsentiert, der seine Screwball-Reminiszenzen geschickt dosiert. Der Hauptdarsteller, ein bulliger, blinder Privatdetektiv in mittleren Jahren (Edward Arnold), gibt mit seinem treuen Hund ein sympathisches Gespann ab, das in dieser Form sogar das Zeug zu (Film)-Serienfiguren gehabt hätte. Er ermittelt zunächst in einem unspektakulären Fall um Mord und Eifersucht (Hauptfiguren: eine störrische Göre, deren hilflose Stiefmutter und der neue Freund der Tochter, gleichzeitig der abgelegte der Mutter), der nur durch seine Behinderung und den ihm an die Seite gestellten vierbeinigen Freund interessant wird, nach einer guten Viertelstunde jedoch wandelt sich die Geschichte, kommt mit praktisch nur einem Schauplatz – dem Haus eines Wissenschaftlers - und einer zeitlichen Begrenzung auf Nacht und Morgen aus. Der Detektiv – wenig gehandicapt durch seine Behinderung, dadurch zeitenweise fast im Vorteil – schleicht sich undercover in das Haus ein und versucht gemeinsam mit den Bewohnern, den Plan der Verschwörer – eine kriegswichtige Formel aus dem Tresor zu entwenden – zu vereiteln. Trotz guter Unterhaltung darf man eine gewisse Schablonenhaftigkeit und Oberflächlichkeit nicht übersehen, zum einen in der stereotypen Charakterisierung der Beteiligten – das verwöhnte Töchterchen nervt schnell, ihre Stiefmutter und der seriöse Wissenschaftler strotzen vor Verständnis und Ehrhaftigkeit und auch die Bösewichte wirken mehr wie Karikaturen denn wie eine reelle Bedrohung, einzig der Detektiv überzeugt über weite Strecken –, zum anderen in dem den Gesetzen solcher Filme gehorchenden turbulenten, z.t. etwas komödiantischen Handlungslauf, der allerdings so konsequent durchgehalten wurde, dass keine Brüche entstanden. Unterm Strich bleibt amüsante, kurzweilige Krimiunterhaltung ohne viel Anspruch und mit durchwachsenen bis routinierten Schauspielerleistungen, von denen die des Hundes nicht die schlechteste ist (und dabei gehör ich eher zu denen, die mit Haustieren in Film und Fernsehen wenig anfangen können). (Ich hab die Besprechung mit schlechtem Gewissen in diesen Thread gepackt, da man dem Film nur wenige Noir-Merkmale zuordnen kann, am ehesten und intensivsten noch in den nächtlichen Szenen im Haus des Wissenschaftlers, und Krimikomödien und Film Noir ja fast ein Widerspruch in sich sind).
Murder can sometimes smell like honeysuckle Nachbetrachtungen zu Billy Wilders „Double Indemnity“ von 1944
„Schwärzer kann die Schwarze Serie nicht sein als in diesem minutiös nachvollzogenen, sparsam und sensibel gefilmten Drama von der Kälte der Welt“, schrieb Hellmuth Karasek über „Double Indemnity“ (1). Und tatsächlich streiten sich die Forscher darüber, ob die Geschichte von sexueller Anziehung und Gewissenlosigkeit nicht als der erste waschechte Film Noir gezählt werden muss. Andere Sichtweisen attestieren „The Maltese Falcon“ von 1941 oder gar „Stranger from the Third Floor“ aus dem Jahr 1940 diese Ehre, sicher ist aber, dass Billy Wilder mit „Frau ohne Gewissen“ die Kunstform der Schwarzen Serie auf ein völlig neues Niveau gehoben hat. Dabei sah es lange Zeit im wahrsten Sinne des Wortes düster für die Umsetzung aus, die James M. Cain nach dem realen Vorbild des „Sensationsprozess[es] gegen Ruth Snyder und Judd Grey“ gestaltete, „ein Pärchen, das im wahren Leben beinahe das perfekte Verbrechen begangen hätte, sich dann aber gegenseitig bezichtigte und schließlich gemeinsam auf dem elektrischen Stuhl endete“ (2).
Die ersten Planungen für eine Verfilmung gehen auf das Jahr 1935 zurück, was einem vor Augen führt, wie mühsam und schwierig der Weg bis hin zu einer so geschliffenen Adaption war. Von allen Seiten wird dem Erfolg von „Double Indemnity“ deshalb auch ein großes Maß an Zufall zugesprochen, das sich auf Entscheidungen und Beteiligungen verschiedenster Personen und Institutionen bezieht. Wilders Stammautor Charles Brackett beispielsweise hegte eine starke Abneigung gegen Cains Geschichte und weigerte sich, sie in ein Drehbuch umzuformen. Auch die Arbeit mit Krimilegende Raymond Chandler ging Wilder nicht leicht von der Hand, trafen hier doch zwei kopfstarre Menschen zusammen, die nicht immer alle Ansichten teilten. Die größten Hindernisse setzte aber zweifelsohne die Hollywood’sche Prüfbehörde in den Weg, von deren Seite „Double Indemnity“ zunächst als „unverfilmbar“ eingestuft wurde. Vielleicht erklären sich auf diese Weise die diversen Abweichungen von Cains Romanvorlage.
„It was not so much what Cain had said, but the way he said it, blunt and artless, that made ‚Double Indemnity‘ look so dangerous to moralists. By attacking what they saw as legitimate problems, Wilder and Chandler obviated the less legitimate ones. Lightening and brightening the story with their dialogue, adding the ‚love story‘ between Neff and Keyes, removing the psychopathic overtones from Phyllis’s character – all those things, good in themselves, had the further effect of disarming the censors.“ (3)
Richard Schickel schreibt ebenfalls, dass die Avancen zwischen Walter Neff und Phyllis Dietrichson weniger offensichtlich, ja sogar schicklicher sind als die vergleichbare Liebesgeschichte in „The Postman Always Rings Twice“. Ein Grund hierfür könnte in der Verpflichtung Fred McMurrays für die männliche Hauptrolle liegen, die Wilder einiges Kopfschütteln und McMurray Selbstzweifel einbrachte. Aus ähnlichen Gründen wie Brackett hatten die noir-erprobten Alan Ladd („The Blue Dahlia“) und George Raft („You and Me“) das Angebot, Neff zu spielen, ausgeschlagen. Doch selbst nach diesen Fehlschlägen hätte kaum jemand erwartet, dass Wilder mit Fred McMurray einen bislang auf Komödien und leichtherzige Parts spezialisierten Mimen verpflichten würde. Das Experiment gelang trotz einiger Unkenrufe hervorragend, denn Neffs Erzählung, die stilbildend über die Rückblenden gelegt wird, strotzt vor sarkastischer Selbstdemontage und einem Blick fürs Detail. Dass Mord nach Geißblatt riechen kann (in der deutschen Fassung ist von Jasmin die Rede), belegt die bitter-süßlichen Erinnerungen, die Neff an die schicksalsvollsten Tage seines Lebens pflegt.
Trotzdem bleiben die Charaktere vage und verschwommen. Nur zu wenigen Zeitpunkten kann man konstatieren, was genau in den Köpfen von Walter und Phyllis vor sich geht und ob ihre Handlungen durch Zuneigung oder Gewinnsucht motiviert sind. Brauchte der Film nicht weniger als neun Jahre von der ersten Reißbrettskizze zur Kinoaufführung, so wird es Filmhistoriker noch für weitere 90 reizen, diese Beziehung zu analysieren. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass der Film sich immer mehr zu seinen eigenen Vorteilen entwickelt. War er 1944 noch ein eher mittelmäßiger Publikumserfolg, so zählt er inzwischen zu den berühmtesten Vertretern seiner Art; erhielt er 1944 zwar sieben Oscar-Nominierungen, aber am Ende keine einzige dieser Auszeichnungen, so steht er jetzt auf Platz 29 der Liste der besten 100 Hollywood-Filme, die das American Film Institute 2007 herausgab. Die Vorliebe für das „Schwärzeste unter den schwarzen Filmen“ wächst und wächst.
(1) Be … Billy Wilder, Broschüre zur Ausstrahlungsreihe Billy Wilder vom 14. Januar bis 6. Februar 2011 im Kino Babylon, Berlin, S. 16; (2) Alain Silver, James Ursini, Paul Duncan: Film Noir, Taschen, Köln, 2012, S. 25; (3) Richard Schickel: Double Indemnity: BFI Film Classics, Palgrave Macmillan, Basingstoke, 1992 (Nachdruck 2010), S. 56
BEWERTET: "Feind im Dunkel" (The Dark Corner), USA 1946 mit: Lucille Ball, Clifton Webb, Mark Stevens, William Bendix, Kurt Kreuger, Cathy Downs, Reed Hadley, Constance Collier u.a. | Drehbuch: Jay Dratler, Bernard C. Schoenfeld | Regie: Henry Hathaway
Nachdem er von seinem Partner betrogen wurde, saß der hartgesottene Privatdetektiv Bradfort Galt zwei Jahre wegen Totschlag im Gefängnis. Jetzt versucht er, unterstützt von seiner neuen Sekretärin und Liebe Kathleen, einen Neuanfang. Doch die Schatten der Vergangenheit kehren eines Tages in Gestalt eines geheimnisvollen Mannes in einem weißen Anzug zurück. Galt entdeckt, dass sein neuer Klient für seinen Ex-Partner, Tony Jardine, arbeitet. Als Jardine kurze Zeit später ermordet wird, fällt der Verdacht auf Galt. Ihm ist klar, dass ihm jetzt die Todesstrafe droht, wenn es ihm nicht gelingt, seine Unschuld zu beweisen ...
Der 1946 entstandene "Film Noir" thematisiert die fragile Normalität, die sich der Privatdetektiv Galt nach seiner Haftentlassung aufgebaut hat. Die Firmenaufschrift an seinem Bürofenster ist noch nicht trocken, da erhält er bereits Besuch von Police-Lt. Frank Reeves, der sich ein Bild über Galts neues Leben machen will und ihn ermahnt, sich zu bewähren. Ein wichtiger Faktor in Galts Alltag ist seine Mitarbeiterin Kathleen, die zwar erst seit drei Wochen für ihn tätig ist, sich durch Loyalität, Humor und ihren Sinn fürs Praktische bereits unentbehrlich gemacht hat. Lucille Ball verkörpert wieder einmal eine Frau, die zwar schöne Kleider (besonders Nylons ohne Laufmaschen) und Tanzabende schätzt, jedoch mit beiden Beinen auf der Erde steht und im Gegensatz zur anderen weiblichen Darstellerin Cathy Downs selbst Hand anlegt, wenn es darum geht, Spuren eines Kampfes zu beseitigen. Ihre Kameradschaftlichkeit und oft zitierte Mütterlichkeit sorgen dafür, dass der männliche Hauptdarsteller sich immer wieder aufrafft und klare Gedanken fasst, anstatt sich der Polizei oder seinen Feinden zu überantworten. Sind Nick und Nora Charles Mitte der Vierziger Jahre bereits ein eingespieltes Team, dessen Ehe auf gleichberechtigter Partnerschaft beruht, so stehen Brad und Kathleen erst am Anfang dieses Weges, wie ein Bonmot zu Beginn der Handlung betont: "Engagieren Sie doch William Powell!" - "Wer ist das?"
Durch die lange Einleitung, die den Film ein wenig ausbremst und vor allem dazu dient, das künftige Paar Brad/Kathleen vorzustellen, gerät die pathologische Dreiecksbeziehung zwischen Anthony Jardine, Marie Cathcart und Hardy Cathcart ein wenig ins Hintertreffen und beweist, dass man die Geschichte auch ganz anders erzählen hätte können. Der Tresorraum im Keller der Kunstgalerie, Jardines Tätigkeit als Erpresser reicher Damen und die obsessive Leidenschaft, die sowohl Hardy, als auch Marie verzehrt, erinnern an große Klassiker des Genres ("Laura", "Das Geheimnis hinter der Tür"). Der Schwachpunkt des Films liegt darin, dass er Stoff aufbietet, der für zwei Produktionen reichen würde. Die Zusammenführung beider Handlungsstränge im Finale wirkt nicht so überzeugend, wie von den Drehbuchautoren beabsichtigt. Die Intention Cathcarts, seinen Nebenbuhler aus dem Weg zu schaffen, indem er dessen Ex-Partner anstacheln lässt, ihn aus Rache bzw. Notwehr zu ermorden, ist zu vage und wirkt als Ganzes zu unausgegoren. Das elegante Ambiente eines Clifton Webb ...
Zitat von Sascha Lehnartz: Unter Galliern. Pariser Lebenbildet die perfekte Projektionsfläche, die Männern wie Frauen aus aller Welt die Gelegenheit bietet, ihre jeweiligen Minderwertigkeitskomplexe zu spiegeln und zu vergrößern. Männer stellen sich mit der femme fatale den wilden Sex vor, den sie zuhause nie erleben; Frauen träumen sich mit ihr in die Kleider, in die sie selbst niemals passen werden.
Dieses Zitat von Sascha Lehnartz aus "Unter Galliern. Pariser Leben" (Ullstein-Verlag) wird in der "EMMA"- Ausgabe 2/2012 zwar im Zusammenhang mit den Frauen der Stadt Paris verwendet, doch es passt auch gut auf die Vorstellungen, die das Publikum vom dekadenten Leben hat, das im "Film Noir" abgehandelt wird. Während Lucille Ball als Kumpel und gute Seele dargestellt wird und karierte Mäntel und kämmbare Frisuren trägt, wird Cathy Downs als liliengleich schön und madonnenhaft unnahbar gezeigt. Clifton Webbs Absichten erinnern an seine Rolle in "Laura" und scheinen viel mit dem Privatmann gemein zu haben, wie das Buch "Unsere Filmlieblinge" vom Verlag Bernhard Reiff (2. Auflage 1956) erläutert:
Zitat von Unsere Filmlieblinge"Beschränkung ist höchste Vollendung - beim Schauspieler und in der Mode", pflegt er zu sagen. Und das eine muss man ihm lassen: Er versteht von beiden - vom Schauspiel und von der Mode - sehr viel. Das eine wissen die zahllosen Verehrer seines Spiels, das andere ist in ganz Hollywood bekannt, wo er als einer der bestangezogenen und exzentrischesten Männer gilt.
Er erhebt das Schöne zu seiner Religion und betrachtet eine attraktive Frau mit der selben ehrfürchtigen Distanz wie ein Gemälde von Raffael. Deshalb konstatiert sein Hardy Cathcart: "Liebe ist kein absolutes Vorrecht der Jugend. [...] Diese Krankheit ist unheilbar." Sie wird alles zerstören, sein Leben und das seiner Frau. Das für einen "Film Noir" ungewöhnliche Ende deutet Optimismus an, der dem Genre eigentlich fremd ist. Hier wird erneut die längere Lebensdauer bodenständiger Beziehungen betont, die auf Vertrauen und Freundschaft fußen; die "typische" Noir-Bindung geht mit Pauken und Trompeten unter. Der Spannungsgehalt der Geschichte stützt sich auf die glänzende s/w-Kamera, die jeden dunklen Winkel stimmig in Szene setzt, sowie einige Sequenzen, die die durchgängige Bedrohung zu Mord und Mordversuch anschwellen lassen. William Bendix ist der personifizierte "rote Hering", was der Zuseher relativ spät merkt.
Fazit: Ein Film, der sich erst bei mehrfacher Sichtung in allen Details erschließt, dessen opulente Ausstattung und gedämpfte Atmosphäre das Auge des Betrachters einlullen und wie ein heißer Kakao auf seine Psyche wirken.
Ein typisches Merkmal für "Feind im Dunkel" ist übrigens auch die Verwendung von Spiegeln, wie der nachfolgende Screenshot beweist. Mann und Frau werden gern zusammen im Spiegel gezeigt, seien es nun Bradford und Kathleen oder Marie und Hardy. Ihre Beziehung wird im unbarmherzigen Widerhall des Utensils gezeigt und legt Schwächen und Zweifel der Personen offen.
Eine feine Darstellung in FEIND IM DUNKEL liefert der Deutsche Kurt Kreuger. Kreugers Meinung zu dem Film, aber auch Infos wie die Studioverantwortlichen auf die Geschichte Einfluss nahmen, gibt es in der neuen Biografie "Kurt Kreuger - Ein Deutscher in Hollywood" (Verlagsallianz 2012) nachzulesen.
Zitat von Percy ListerBEWERTET: "Feind im Dunkel" (The Dark Corner), USA 1946
Danke für die vorzügliche Analyse Percy. Wie es der Zufall wollte, hab ich „Feind im Dunkel“ auch gerade erst am Montag gesehen und war positiv überrascht und gefesselt, zudem ich mich auf ein eher belangloses B-Movie eingestellt hatte. Deine Besprechung ist für mich nun ein unverhofftes und treffendes Plädoyer für einen wohl leider etwas unterschätzen und/oder in Vergessenheit geratenen Vertreter des Film Noir, öffnet mir z.T. eine neue oder höchstens im Unterbewusstsein wahrgenommene Betrachtungsweise (und enthebt mich dankenswerterweise zudem der Aufgabe, mich selbst als „Kritiker“ plagen zu müssen ). Erwähnen möchte ich noch die hörenswerte deutsche Bearbeitung, in der Siegfried Schürenberg Clifton Webb spricht, was für mich einen zusätzlichen Genuss darstellt.
Kriminalfilm, USA 1951. Regie: Bretaigne Windust, Raoul Walsh. Drehbuch: Martin Rackin. Mit: Humphrey Bogart (Staatsanwalt Martin Ferguson), Zero Mostel („Big Babe“ Lazick), Ted de Corsica (Joseph Rico), Everett Sloane (Albert Mendoza), Roy Roberts (Inspektor Frank Nelson), Michael Tolan (James „Duke“ Malloy), King Donovan (Sergeant Whitlow), Bob Steele (Herman), Adelaide Klein (Olga Kirshen), Don Beddoe (Thomas O‘Hara) u.a. Uraufführung (USA): 25. Januar 1951. Uraufführung (BRD): 9. November 1951. Eine Produktion von United States Pictures und Warner Bros.
Zitat von Der TigerDer Staatsanwalt Ferguson und sein Team stehen vor einer schweren Aufgabe: Der Kronzeuge Rico soll vor Gericht gegen einen Mann aussagen, der für eine ganze Flut von Auftragsmorden verantwortlich ist. Rico ist die Sache aber zu heikel. Er ist überzeugt, dass sein Leben auch dann in Gefahr ist, wenn der Verantwortliche Albert Mendoza hinter Gittern sitzt. Seine eigene schiere Panik treibt ihn am Vorabend der Verhandlung in den Tod und Ferguson muss innerhalb einer Nacht einen anderen Belastungszeugen auftun. Ein Kampf gegen Zeit und Gewalt beginnt.
Das Phänomen der Auftragsmorde erachten wir Europäer gern als typisch amerikanisch. Ein schönes Beispiel hierfür bietet der Edgar-Wallace-Film „Das Rätsel der roten Orchidee“, in dem amerikanische Gangster und ein FBI-Mann sich in London ein Duell liefern, das von Außenstehenden mit hochgezogenen Brauen betrachtet wird. „Soetwas passiert im zivilisierten England eigentlich nicht.“
Tatsächlich gründete sich die „Murder, Inc.“ (so betitelte man „The Enforcer“ auch bei seiner britischen Kinoauswertung) in den Vereinigten Staaten der 1920er Jahre. Vor allem im Raum New York beging diese Vereinigung, die von der Amerikanischen und der Jüdischen Mafia protegiert und mit Aufträgen versorgt wurde, mehrere hundert Morde, womit sie das alte, auch in „Strangers on a Train“ aufgegriffene Prinzip, die Aufklärung eines Mordes durch das Ausschalten der Verbindung zwischen Täter und Opfer und damit dem Fehlen eines direkten Motivs zu erschweren oder gar unmöglich zu machen, auf Gewalttaten in ungeahntem Ausmaß anwandte. Mord als professioneller Beruf fasste Fuß. Verbunden damit ist eine Art „Geheimsprache“, die heute weder der Polizei noch in Gangsterfilmen unbekannt ist, damals in „The Enforcer“ aber zum ersten Mal offiziell verwendet wurde: „Vertrag“ steht für Mord, „Treffer“ für das Opfer, dem ein schnelles, meist brutales Ende zugedacht ist.
Gerade die Brutalität, Ruchlosigkeit und Endgültigkeit vieler Handlungen machen den Reiz des Films aus. Er wirkt kalt, bösartig und erbarmungslos, was durch die Tatsache verstärkt wird, dass alle Hauptrollen von Männern gespielt werden. Zunächst konzentriert man sich hierbei auf den von Ted de Corsica dargestellten Rico, der panische Angst vor einer Aussage gegen seinen Boss hat, in den zahlreichen Rückblenden aber ein anderes, selbstsichereres und ebenso grausiges Gesicht zeigt. Trotzdem bleibt Albert Mendoza der Nabel allen Übels. Der Leiter jener Mordtruppe, der erst spät im Film überhaupt ein Gesicht erhält und vorher in der Vorstellungskraft des Zuschauers alle möglichen abstoßenden Formen annimmt, wird schließlich von Everett Sloane verkörpert. Dem Mann mit den unheimlichen Augen war ein Leinwanddebüt in keiner geringeren Produktion als „Citizen Kane“ beschieden; auch in „The Enforcer“ trägt nicht unwesentlich zum Gelingen des Gruselmoments bei:
Zitat von Atheismyes: Religious Symbolism in „The Enforcer“, IMDB BoardThere is every reason to believe that Mendoza is supposed to be a stand-in for Satan. First, Rico says to Ferguson, „You can‘t kill ‘im. He‘s not human, I tell you!“ – Second, Lazick hiding in the church, saying they never kill a guy in there. In medieval times, it was believed that demons were unable to enter a church. [… – Third, w]hen Rico tells how he first met Mendoza, the latter says, „I‘m a great man, but I was born too late. All the big rackets are already sewn up. So I‘ll start a new one.“ Satan had megalomania, wanting […] to reign in hell than to serve in Heaven.
Wesentlich gediegener Humphrey Bogarts Auftritt, der nicht von ungefähr an „Vor verschlossenen Türen“ erinnert. Der große Star dieser Produktion war unter der Flagge von Warner Bros., u.a. in Produktionen wie „Angels with Dirty Faces“, „The Maltese Falcon“, „Casablanca“ und „The Big Sleep“, weltberühmt geworden, zeigte sich gen Ende der Zusammenarbeit aber weniger dankbar, als man vermuten würde. Im Zusammenhang mit „The Enforcer“, der letzten Warner-Bogart-Kolaboration, kam es zu einem Eklat, den ein Warner-Mitarbeiter wie folgt beschrieb:
Zitat von Jeremy Arnold: The Enforcer, TCM.comAs a frantic telegram to Jack Warner from his New York office stated, Bogart had announced „in a loud voice to everyone within earshot what a lousy picture ‚The Enforcer‘ is. Ridiculous to try and arrange press interviews. He is only looking for trouble.“ This incident exacerbated the already heightened tension between the star and the studio. Their relationship deteriorated steadily for three more years, with Bogart rejecting bad scripts and enduring shabby treatment at the hands of Warner, until finally, on Sept. 21, 1953, Bogart was released from his contract.
An „The Enforcer“ bestechen jedoch nicht nur die ungeschönte Härte und die treffend besetzten Hauptrollen. Es ist vor allem die sich ständig weiterentwickelnde, immer wieder neue Charaktere vorstellende und gleich wieder von der Bildfläche fegende Story, die Abwechslung in das düstere Geschäft der „Murder, Inc.“ bringt. Zudem gibt es einige optische Leckerbissen, etwa bei Ricos „Klettertour“ im Innenhof des Gerichtsgebäudes oder in der Szene, in der ein Wagen aus dem Moor gezogen wird. Und nicht einmal – das wusste schon Hitchcock – machen Mord und Unmoral vor malerischen amerikanischen Kleinstädten Halt.
Ein starker, pseudorealistischer Film-Noir-Reißer, der vielleicht weniger raffiniert als viele seiner Kollegen gearbeitet ist, aber das Publikum nichtsdestoweniger immer auf Trab hält. Man merkt dem Film auch nicht negativ an, dass Regisseur Windust während der Dreharbeiten erkrankte und die Aufnahmen von Raoul Walsh zu Ende geführt werden mussten. 4 von 5 Punkten.
Die "Chronik des Films" formuliert relativ zurückhaltend:
Zitat von Die Chronik des FilmsBretaigne Windust dreht einen raffiniert konstruierten, spannungsgeladenen Thriller, der sich durch hohes Tempo auszeichnet. Humphrey Bogart glänzt in einer Paraderolle.
Dem ist eigentlich zuzustimmen. Wem also die Zeit fehlt, meine Ausführungen zu lesen, verpasst nichts, wenn er nur die "Chronik des Films" befragt.
"Der Tiger" erscheint übrigens am 21. Juni 2012 bei Studio Canal als Einzel-VÖ im Rahmen der Arthaus-Retrospektive, nachdem der Titel bislang nur im Doppelpack mit "Mr. Dodd geht nach Hollywood" in der Humphrey-Bogart-Filmlegenden-Edition zu beziehen war. Preislich nehmen sich die beiden Releases aber nichts:
Während man dem Bild eine fehlende gründliche Restauration gerade zu Beginn ansieht, wo es sehr grobkörnig und ziemlich überstrahlt wirkt, bessert sich der Seheindruck mit voranschreitender Laufzeit dann ein wenig. Lobenswert ist, dass man deutsche Untertitel erstellte, die optional die deutsche bzw. englische Tonspur begleiten. Extras sind nicht enthalten.
BEWERTET: "Gefährliche Begegnung" (The Woman in the Window), USA 1944 mit: Edward G. Robinson, Joan Bennett, Raymond Massey, Dan Duryea, Thomas E. Jackson, Dorothy Peterson, Edmond Breon, Arthur Loft, Frank Dawson u.a. | Drehbuch: Nunnally Johnson (nach einem Roman von J.H. Wallis) | Regie: Fritz Lang
Zitat von Die Chronik des FilmsNach einem reichhaltigen Mahl schläft Professor Wanley in seinem Club ein. Er verlässt scheinbar eine Stunde später die Räume. Vor einem Schaufenster mit einem Frauenbild bleibt er stehen und wird von einer Passantin angesprochen. Er begleitet die Frau in ihre Wohnung. Als deren aufbrausender Liebhaber auftaucht, ersticht ihn Wanley aus Notwehr und beseitigt die Leiche. Von nun an lebt er in ständiger Angst vor der Polizei ...
Edward G. Robinson wurde im Jahr 1893 als Sohn jüdischer Eltern in Rumänien geboren. Im Alter von zehn Jahren wanderte er mit seiner Familie in weiser Voraussicht in die USA aus. Nach Beendigung des Colleges beschloss er, Schauspieler zu werden. Joan Bennett wurde 1910 in eine alte Schauspielerfamilie geboren; ihr Weg war somit bereits vorgezeichnet. Die beiden Darsteller spielten nach "Gefährliche Begegnung" auch im nächsten Fritz-Lang-Film "Straße der Versuchung" (Scarlet Street) zusammen. Professor Richard Wanley, der am New Yorker Gotham College Vorlesungen zum Thema "Mord und seine Motive" hält, bringt seine Frau und seine Kinder zum Bahnhof. Sie werden in den nächsten Wochen Ferien im Bundesstaat Maine machen. Anschließend begibt er sich in seinen Club, wo er von zwei Freunden, die ebenfalls "Strohwitwer" sind, aufgezogen wird. Die wortreichen Szenen erinnern an den Film "Das verflixte siebente Jahr" mit Tom Ewell und Marilyn Monroe, der das Thema elf Jahre später leichtfüßig und voller Ironie aufgriff. Die Überzeichnung der Handlung spielt eindeutig auf den Noir-Klassiker von Fritz Lang an und ist reichlich mit schwarzem Humor gewürzt. Professor Wanley ist ein korrekter Mann, der die Annehmlichkeiten, die ihm sein Beruf ermöglicht, genießt. Ein paar Whiskey und eine gute Zigarre in seinem Club, Gespräche mit alten Freunden und die Lektüre eines anspruchsvollen Buches, bedeuten für ihn den vollkommenen Feierabend. Die Betrachtung eines Gemäldes im Schaufenster der Gallerie neben seines Clubs, lähmt sein klares Urteil und verleitet ihn zum Gedankengang "Was wäre wenn?". Die Intention seiner Freunde, die gemütliche, ein wenig altertümliche Atmosphäre ihres Herrenclubs gegen den angesagten "Stork Club" auszutauschen, lehnt er ab. Für Anhänger der SH-Filme mit Basil Rathbone gibt es ein Wiedersehen mit dem Spieldosensammler Emery (Edmond Breon) aus "Dressed to Kill".
Wanley kommt in dem Moment vom Pfad der Tugend ab, als die Frau auf dem Porträt menschliche Gestalt annimmt. Wie in einer Allegorie auf die Filmbranche steigt die buchstäbliche Leinwandgöttin von ihrer Bühne auf die Erde herab und zieht den Mann in ihren Bann. Dabei wirkt Joan Bennett gar nicht einmal so faszinierend oder anziehend wie etwa ihre Kollegin Gene Tierney, deren Antlitz in "Laura" für Verwirrung unter den Männern sorgt. Ihre kühle Ausstrahlung und ihre Passivität täuschen darüber hinweg, dass sie sehr wohl wusste, was sie wollte, was sich an ihrer erfolgreichen beruflichen Laufbahn und an ihrem selbstbestimmten Liebesleben sehen lässt. Fritz Lang beschleunigt die Handlung beim ersten Treffen der Hauptdarsteller ein wenig, um dem Zuseher erst gar keine Zeit zum Überlegen zu geben. Ehe man es sich versieht, liegt eine Leiche im Wohnzimmer der noch namenlosen Fremden. Selbst der Mord mit der Schere wird hastig und grob ausgeführt - vom Blitzen der Schere "der Sauce hollandaise" wie Alfred Hitchcock seine Umsetzung in "Bei Anruf Mord" nennt - ist nichts zu sehen. Geschickt spielt der Film mit Symbolen, die wortlos auf Gefahr und Zeitdruck hinweisen. Die Präsenz der Uhren im Club, auf der Straße vor Alice Reeds Haus und im Mordzimmer sollen den dokumentarischen Ablauf der Ereignisse verdeutlichen und für ihre Echtheit bürgen. Ein weiteres gern genommenes Stilmittel ist der Regen, der in der Nacht zweimal einsetzt. Zunächst kündigen heftige Schauer die Ankunft des geheimen Liebhabers an, später begleiten sie seinen Abtransport. Das Aufpeitschen des Wassers auf dem Asphalt deuten auf einen inneren Aufruhr und eine daraus resultierende aggressive Handlung (Mord und Leichenbeseitigung) hin. Zentral auf dem Glastischchen in Miss Reeds Salon steht eine Vase mit Anthurien (auch Schwanzblume genannt), ein klassisches Phallussymbol. Eine sich eventuell anbahnende Romanze wird durch die Schere "kastriert". Als die Lage für Alice Reed und den Professor ausweglos erscheint, lässt die Kamera sie zusammen hinter einem Gitterzaun vorbeigehen, wobei es so aussieht, als seien sie bereits in Haft. Der Abstieg des angesehenen Professors zeigt sich im Wechsel der Schauplätze. Zunächst lehrt er in den altehrwürdigen Sälen einer Bildungsstätte, dann sieht man ihn in seinem Freizeit-Refugium; der weiche, tiefe Teppich in Miss Reeds Wohnung lässt ihn einsinken - letztendlich zeichnen sich seine Spuren im Schlamm am Waldrand ab. Die akribische Polizeiarbeit führt Wanley vor Augen, dass sich kleine Hinweise nach und nach zu einer klaren Spur verdichten und als auch noch ein Erpresser auf der Bildfläche erscheint, ist er mit seinem Latein am Ende. Eine auswegslose Situation tut sich auf, die jedoch zweimal in letzter Minute umkippt.
Kritikerstimmen zum Film:
Zitat von Die Chronik des FilmsFritz Lang erhält für seinen ironischen Schluss Kritik, verteidigt ihn aber als einzig mögliche Alternative zu einem negativen, traurigen Ende, das er vermeiden wollte.
Zitat von John Howard Reid: Mystery, Suspense, Film Noir and Detective Movies on DVDAlthough the viewer encounters some problems in dealing with the screenplay, particulary as regards the surprise ending, there's no doubting the movie is otherwise a masterpiece of charismatic acting, tense direction and atmospherically film noir lighting. [...] Krasner's moody camera-work aids Lang's vision: Fluid, dramatically composed and strikingly lit.
Fazit: Ein stimmiger Film Noir mit einem "mild-mannered" Edward G. Robinson und einer distanzierten Joan Bennett, der noch während des Tobens des Zweiten Weltkriegs zeigt, wie die vermeintlich sichere Welt eines kleinen Bürgers urplötzlich aus den Fugen gerät.
Kriminalfilm, USA 1944. Regie: Jean Negulesco. Drehbuch: Frank Gruber (Buchvorlage: Eric Ambler). Mit: Peter Lorre (Cornelius Leyden), Sidney Greenstreet (Mr. Peters), Zachary Scott (Dimitrios Makropoulos), Faye Emerson (Irana Preveza), Victor Francen (Wladislaw Grudek), Steven Geray (Karel Bulic), Florence Bates (Madame Elise Chavez), Eduardo Ciannelli (Marukakis), Kurt Katch (Colonel Haki), Marjorie Hoshelle (Anna Bulic) u.a. Uraufführung (USA): 1. Juli 1944. Uraufführung (BRD): 30. Juni 1991. Eine Produktion von Warner Bros.
Zitat von Die Maske des DimitriosIn der Nähe von Istanbul wird eine Leiche ans Bosporusufer gespült, die die Behörden als Dimitrios Makropoulos identifizieren. Der zufällig vor Ort befindliche holländische Autor Cornelius Leyden interessiert sich für den Toten, der zu den gerissensten und skrupellosesten Agenten und Mördern Europas gehört. Auf der Suche nach dessen Lebensgeschichte reist er quer über den Kontinent, beteiligt sich selbst an einer Erpressung und gerät mehrfach in Lebensgefahr.
Von einem typischen Film Noir würde man vielleicht erwarten, dass er einen nach New York, Los Angeles oder San Francisco führt, kaum aber nach Istanbul, Athen, Sofia, Genf, Belgrad und Paris. Wer diese Abwechslung spannend findet, sollte sich „Die Maske des Dimitrios“ zu Gemüte führen. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman des britischen Schriftstellers Eric Ambler und stellt die vierte von insgesamt acht Kollaborationen des „Casablanca“-Duos Peter Lorre und Sidney Greenstreet dar, die auch in „The Maltese Falcon“ zusammen spielten. Während Lorre ausnahmsweise einmal keinen düsteren Zeitgenossen darstellt, sondern einen durch und durch harmlosen, von naiver Neugier getriebenen Kriminalschriftsteller, der fast schon ein wenig zu verträumt wirkt, um glaubhaft zu sein, triumphiert Greenstreet wieder einmal mit Durchtriebenheit und brodelndem Hass. Als eine Art drohende Rächerfigur in einer zunächst unklaren, aber schlussendlich nicht ganz zu verurteilenden Mission sorgt er für die dramatische Komponente einer sonst eher kurzweiligen Inszenierung.
Obwohl sich gerade der Einstieg durch die exotische, aber irgendwie auch artifizielle Ausstrahlung der südosteuropäischen Schauplätze rasant, vergnüglich und enorm atmosphärisch gestaltet, dauert es eine Weile, bis die Cleverness der Erzählstruktur einleuchtet. Der kleine Haken liegt eventuell an der etwas fraglichen Motivation für Leydens Beteiligung, die nach und nach der Faszination der neu freigelegten Schichten des „Großen Dimitrios“, wie man ihn hätte nennen können, weicht. Für Zachary Scott war die Titelrolle das Leinwanddebüt, was ihm zweifelsohne einen erstklassigen Grundstock für die Filmkarriere legte. Auf Dimitrios treffen alle Begriffe zu, die in einer jener typischen Vorspanntafeln aneinander gereiht werden: Er ist Verräter, Lügner, Betrüger, Dieb und Mörder, pflegt jedoch eine geniale, charmante und großzügige Fassade.
In gewisser Weise könnte man ihn als eine Art jungen Professor Moriarty sehen, zumal er, den unruhigen politischen Zeiten geschuldet, vor Spionagetätigkeiten ebenso wenig zurückschreckt wie seinerzeit Lionel Atwill in „Die Geheimwaffe“. Auch das Symbolbild der Spinne, die ihre Fäden über Ländergrenzen hinweg und doch bis in kleinste Zahnräder hinein webt, trifft auf Dimitrios zu. Sein spannendster Auftritt in einer Pariser Hotelszene am Ende des Films beweist, dass ihm nur schwer und mit perfekten Vorkehrungen beizukommen ist. Die Flucht der beiden „Helden“ in die Pariser Metro, um dem todbringenden Verfolger zu entkommen, fügt sich in das Gusto der Produktion ein, die schon vorher einen Blick in ein Schlafwagenabteil eines Balkanzugs warf, zumal auch hier die künstlerische Distanz zur Realität eine latent unheimliche, aber nostalgisch berührende Märchenhaftigkeit zur Folge hat.
Wenn auch einige der wortreichen Sequenzen zwischen Lorre und Greenstreet kürzer hätten ausfallen können, so drückte Jungregisseur Negulesco immer dann aufs Gas, wenn es eine der Episoden aus Dimitrios’ verbrecherischem Leben zu schildern galt. Die ausgesprochen wohligen Sets von Ted Smith garantieren Bonussternchen, sodass auch hier gute 4 von 5 Punkten gezogen werden können.
Agententhriller, USA 1945. Regie: Herman Shumlin. Drehbuch: Robert Buckner (Buchvorlage: Graham Greene). Mit: Charles Boyer (Luis Denard), Lauren Bacall (Rose Cullen), Victor Francen (Licata), Wanda Hendrix (Else), George Coulouris (Captain Currie), Peter Lorre (Contreras), Katina Paxinou (Mrs. Melandez), John Warburton (Neil Forbes), Holmes Herbert (Lord Benditch), Dan Seymour (Mr. Muckerji) u.a. Uraufführung (USA): 10. November 1945. Uraufführung (BRD): 10. März 1989. Eine Produktion von Warner Bros.
Zitat von Jagd im NebelEin spanischer Agent fährt zu Bürgerkriegszeiten nach England, um eine wichtige Mission zu erfüllen. Am Bahnhof lernt er die resolute Rose Cullen kennen, die noch mehrfach seinen gefährlichen Weg kreuzen soll. Schon in der ersten Nacht kommt es zu einer Schlägerei, an der einer von Denards faschistischen Gegnern beteiligt ist. In London angekommen, wird er aber nicht nur in geheimdiplomatische Spielchen verwickelt, sondern auch zum Rächer eines brutalen Kindsmords.
Wer den Beweis dafür sucht, dass aus einem Roman von Graham Greene ein mustergültiger Noir geschneidert werden kann, sei insbesondere an „Ministerium der Angst“ erinnert. Fritz Lang schuf mit Ray Milland und Marjorie Reynolds einen überaus spannenden Agentenkrimi, sodass man sich bei der Sichtung von „Jagd im Nebel“ ein wenig verdutzt fragt, wohin der Green’sche Charme verflogen ist. Die Thematiken der Filme gleichen sich schließlich in großem Maße, obschon „Jagd im Nebel“ deutlich ernster und gesetzter ausfällt. Es gibt mehrere Gründe, die die Schwächen der Produktion erklären.
Die Laufzeit: Mit gut an die zwei Stunden Spieldauer gewinnt „Jagd im Nebel“ gegen das abwechslungsreiche Lang-„Ministerium“ keinen Blumentopf, zumal der Schnitt Bemühungen nicht kaschieren kann, überhaupt die gegenwärtigen 112 Minuten einzuhalten. Das Problem kann zu großen Teilen dem Regisseur angelastet werden: Herman Shumlin war ein erfahrener Theatermann, hatte im Film aber vorher nur eine einzige Erfahrung gesammelt („Die Wacht am Rhein“). Ihm fehlte jegliches Gespür für Tempo und Dynamik – viele Szenen strotzen zwar vor düsterem Unheil, wissen aber nicht so recht, wohin sie sich überhaupt entwickeln sollen. Die gute Hälfte, eine rathbone-artig vollgepackte Stunde, hätte vollends genügt, die Geschichte, die im Übrigen selbst für Agentenverhältnisse sehr vage bleibt, zu erzählen. Shumlin war danach nie wieder als Hollywood-Regisseur tätig.
Die Hauptdarstellerin: Lauren Bacall musste für ihren Auftritt viel Kritik einstecken. Zeitgenössische Rezensenten bemängelten, dass sie in ihrer Rolle als englische High-Society-Tochter eindeutig fehlbesetzt wurde. Bacall erkannte das Problem auch selbst und bezeichnete ihren Einsatz als „Wahnsinn“. Der einzige Grund, dass sie den Film machte: die leidige Vertragsverpflichtung.
Zitat von Dan Stumpf: Graham Greene’s Confidential Agent, MysteryFile.comBrooklyn-born Bacall (aka Bette Perske) plays the daughter of an English „honorable“ and nothing in the screenplay makes any attempt at explaining her flat American accent. Normally, faced with incongruity of this magnitude, the writers throw in something about being raised by an aunt in Canada or something, but not here. Nope, that’s just the way she talks and let’s get on with the show.
Glücklicherweise mindert sich ihr Sprachproblem in der deutschen Synchronfassung von ganz allein, sodass mein hauptsächlicher Einwand gegen die Rolle der Rose ein anderer ist: Für meine Begriffe fügt sie sich nicht sinnstiftend genug in den Verlauf des Films ein. Abgesehen davon, dass sie dem Helden, der sich – auf den ersten Blick noirtypisch, dann aber doch etwas übertrieben offensichtlich – gar nicht als Held, sondern immer und immer wieder als Versager entpuppt, willkürlich aus einigen Klemmen hilft, fehlt ihre echte Involvierung sowohl in Bezug auf den Inhalt als auch auf Bacalls schauspielerische Leistung.
Wenn man sich „Jagd im Nebel“ trotzdem ansehen möchte, sollte man dies unter dem Gesichtspunkt eines überzeugenden Alt-Londoner Flairs tun, einiger – bereits erwähnter – stimmungsvoller Szenen, die im Tod des jungen Dienstmädchens Else kulminieren, und der recht erfreulichen Nebendarsteller. George Coulouris ist eigentlich immer einen kleinen Freudenschrei wert (seine Gangstervisage hätte im Film Noir gern häufiger und effektiver eingesetzt werden können); dasselbe trifft auf eine Riege an Mimen zu, die man sofort aus den Sherlock-Holmes-Filmen jener Zeit erkennt: Ian Wolfe, Holmes Herbert, George Zucco, Miles Mander, Harry Cording und Olaf Hytten sind alle mit von der Partie.
Abschließend liefert auch Charles Boyer eine passable Leistung ab, die besonders von den aufgebrachten Szenen im dritten Viertel des Films profitiert. Wie er kühl gegen Peter Lorre und den bösen Hausdrachenprototyp Katina Paxinou ankämpft, ist durchaus sehenswert und ließ mich umso mehr bedauern, dass ihn das Script nie wirklich eine Mission zu Ende führen und anstatt dessen ständig als Verlierer vom Spielfeld gehen lässt.
Eine eher schwachbrüstige Spionagegeschichte, aufgeplustert mit einem wenig einprägsamen Liebessidekick. In Anbetracht der für gewöhnlich sehr starken inszenatorischen Konkurrenz im Noir-Feld kann die Arbeit Shumlins nur als mangelhaft bezeichnet werden, weil die mitreißenden Szenen zu rar in einem Umfeld schierer Muffigkeit gesät sind. 2 von 5 Punkten.
@Jack_the_Ripper: Ich überlege derzeit, ob ich mir "Die Spur des Fremden" (The Stranger) bestellen soll, da mir Edward G. Robinson in "Frau ohne Gewissen" und "Gefährliche Begegnung" so gut gefallen hat. Du hast den Film bereits im Herbst 2011 hier besprochen und auf gewisse Minuspunkte hingewiesen. Da auch mir eine eher negative Kritik (in der Monographie "Orson Welles" des Rowohlt-Verlags) vorliegt, wollte ich Dich bitten, kurz einzuschätzen, ob er für "Noir"-Liebhaber ein "must have" ist oder im Endergebnis als überholt gilt.