BEWERTET: "Der unheimliche Gast" (The Uninvited), USA 1944 mit: Ray Milland, Ruth Hussey, Gail Russell, Donald Crisp, Cornelia Otis Skinner, Dorothy Stickney, Alan Napier, Barbara Everest u.a. | Drehbuch: Dodie Smith und Frank Partos, nach dem Roman von Dorothy Macardle | Musik: Victor Young | Kostüme: Edith Head | Regie: Lewis Allen
Die Geschwister Roderick und Pamela Fitzgerald wohnen in London und verbringen einen zweiwöchigen Urlaub an der englischen See. An ihrem letzten Ferientag kommen sie durch Zufall in ein leerstehendes Haus, das ihnen auf Anhieb gefällt. Mit dem Besitzer, Commander Beech, werden sie sich rasch einig und erwerben das Anwesen zu einem sehr günstigen Preis. Dessen Enkelin Stella sträubt sich zunächst gegen den Verkauf des Hauses, in dem sie als Kind lebte, freundet sich aber nichtsdestotrotz rasch mit den sympathischen Fitzgeralds an. Diese werden bald schon in ihrer Nachtruhe gestört: Ein unheimliches Schluchzen ertönt gegen Morgen und während es im Atelier in Winward House ungewöhnlich kalt ist, durchzieht die Räume oftmals ein starker Mimosenduft. Rick und Pamela erfahren, dass es vor siebzehn Jahren einen tödlichen Absturz an der Klippe unterhalb des Anwesens gab und eine weitere Bewohnerin des Hauses kurz darauf starb. Neben den ungeklärten Todesfällen interessiert sich Rick vor allem für die hübsche Stella, was ihrem Großvater ganz und gar nicht gefällt. Aber dann heißt es handeln, denn ein neuer Mord soll geschehen....
In vielerlei Hinsicht kann man "Der unheimliche Gast" mit dem fünf Jahre zuvor entstandenen "Rebecca" vergleichen, einem Film, der sich ebenfalls mit der Überhöhung einer Verstorbenen befasst, deren Schönheit und brillante Konversationsgabe ihre Nachfolgerin durchschnittlich und blass erscheinen lässt. Wiederum sind die Umstände ihres Todes ungeklärt und bergen ein Geheimnis, dessen Aufdeckung Gefahren mit sich bringt und mehrere Personen aus verschiedenen Gründen verhindern wollen. Anfangs sind die wahren Absichten der Protagonisten noch unklar und es erweist sich deshalb wie ein Stich ins Wespennest, als das aufgeschlossene Geschwisterpaar in der Vergangenheit gräbt. Wachte die Hausdame Mrs. Danvers in "Rebecca" über dem Andenken an ihre Herrin, so ist es hier Miss Holloway, die Vorsteherin einer Heilanstalt für psychisch Labile, die im Sinne ihrer Vertrauten deren Intentionen auch nach derem frühen Tod weiterführt.
Der heitere Umgangston der Geschwister miteinander und deren leichtfüßige, an das trinkfeste Ehepaar Nick und Nora Charles erinnernde Dialoge, berauben den Film keineswegs seines Ernstes, noch nehmen sie der düsteren Atmosphäre des Hauses ihre Berechtigung. Im Gegensatz zu anderen Filmen des 'Spukhaus-Genres' überwiegen jedoch die Zuversicht und der Glaube an eine befreiende Lösung, die sowohl dem zauberhaften Anwesen, als auch seinen Bewohnern wieder Ruhe und Zufriedenheit bringen wird. In diesem Zusammenhang erweist sich die Besetzung als Glücksgriff. Ray Milland und Ruth Hussey harmonieren als unvoreingenommenes Geschwisterpaar, das sich nach dem formellen Leben in London nach der Beschaulichkeit des Landes sehnt. Wie bereits in der "Dünner Mann"-Serie wird der männliche Part mit menschlichen Schwächen ausgestattet, statt ihn zu einem unfehlbaren Hausvorsteher zu machen (Ricks Übelkeit während der Segeltour; sein Bedürfnis, wie ein kleiner Junge das Treppengeländer hinunterzurutschen; seine Angst vor den nächtlichen Geräuschen). Der weibliche Part zeigt Neugierde, plant und gestaltet die Zukunft des Paares und verlangt in kritischen Situationen auch einmal nach einem Whiskey. In ihrer ersten Rolle sieht man Gail Russell als Stella, deren Familiengeschichte die Fitzgeralds intensiv beschäftigt und sie zusammen mit dem ebenfalls zugereisten Dorfarzt zu Hobby-Detektiven werden lässt.
Die irische Autorin Dorothy Macardle (1889-1958) veröffentlichte ihren Roman "The Easy Freehold" im Jahr 1942. Der britische Fotograf und Buchautor Sir Simon Marsden erklärt sich die Affinität der Iren zu Geistergeschichten wie folgt:
Zitat von Geistersuche - Auf den Spuren des Unheimlichen von Irland nach Transsilvanien, Eulen Verlag 1998, S. 13In diesem Land voller Überraschungen wird klar, wie dünn der Schleier ist zwischen dieser Welt und der nächsten. Hier verschmelzen Mythos, Legende und Realität zu einer keltischen Dämmerung, in der uns uralte Geister zu sich in ihre verfallenen Schlösser und die Wildnis rufen. (...) Jeder Fluss, jeder See oder Berg hat seinen prähistorischen Namen, der phantastische Bilder der irischen Landschaft heraufbeschwört.
Durch die Verbundenheit der Menschen mit der Natur, durch den Wechsel der Gezeiten und den gemächlicheren Lebensrhythmus achten die Bewohner der "Geisterküste an den Klippen von Devonshire und Cornwall", (wie Rick als Erzähler zu Beginn ausführt), mehr auf die Atmosphäre ihrer Umgebung als die Menschen in der Großstadt.
Die DVD aus der "Film Noir Collection 17" im Digipack enthält auf zehn Seiten eine Abhandlung von Frank Arnold, in der er auf den Inhalt und die Reaktionen der Filmkritiker eingeht. Es gibt eine Kapitelanwahl, eine Bildergalerie, den englischen Trailer und zwei Radio-Hörspiele als Bonus, das erste aus dem Jahr 1944 mit Ray Milland und Ruth Hussey, das zweite aus dem Jahr 1949 immerhin noch mit Ray Milland. Der FSK-Aufkleber (frei ab 16) lässt sich leicht von der Hülle ablösen. Bild- und Tonqualität sind einwandfrei und auch die deutsche Synchronisation ist hochwertig. Christian Rode spricht wie in "Ministerium der Angst" für Ray Milland, Hans Paetsch ist auf Donald Crisp zu hören und die bekannte Stimme von Manfred Schott auf Alan Napier.
Die wildromantische Umgebung und die kühlen Interieurs lassen Erinnerungen an Meisterwerke wie "Rebecca" und "Laura" (der 1945 "The Uninvited" den Oscar für die 'Beste Kamera in einem Schwarz-Weiß-Film' wegschnappte) lebendig werden und verbinden sich mit dem fein dosierten Humor, der unaufdringlichen Musik und dem charismatischen Spiel der drei Hauptpersonen zu einem Mystery-Thriller, der nach Mehrfachsichtung verlangt und sich mit seinem Optimismus deutlich von späteren Filmen des Genres abhebt. 5 von 5 Punkten
BEWERTET: "Der Mann mit der Narbe" (Hollow Triumph), USA 1948 mit: Paul Henreid, Joan Bennett, Eduard Franz, Leslie Brooks, John Qualen, Mabel Page, Herbert Rudley, Charles Arnt, George Chandler u.a. | Drehbuch: Daniel Fuchs nach einem Roman von Murray Forbes | Regie: Steve Sekely
John Muller, gerade aus dem Gefängnis entlassen, überfällt zusammen mit seinen Kumpels ein Spielcasino. Der Besitzer kommt ihm auf die Schliche und schwört, ihn bis ans Ende der Welt zu jagen. Muller taucht unter und erfährt zufällig von der Existenz eines Mannes, der ihm haargenau gleicht: Es handelt sich um den Psychoanalytiker Dr. Victor Bartok, der eine auffallende Narbe auf der linken Wange trägt. John Muller beschließt, den Mann zu beseitigen und dessen Platz einzunehmen, um so seinen Verfolgern zu entgehen....
"Der Mann mit der Narbe" wurde von Hauptdarsteller Paul Henreid produziert, der ebenso wie Regisseur Steve Sekely seit über zehn Jahren in den USA lebte. Beide Männer stammten aus Ländern, die der ehemaligen Habsburger-Monarchie angehörten und zeigen ihren fremden Blick auf die amerikanischen Verhältnisse der Gegenwart. Die Menschen sind vor allem mit sich selbst beschäftigt und begünstigen somit den Erfolg des Bösen, wie in mehreren Situationen betont wird: die Konzentration auf das eigene Spiel im Casino verhindert die Aufmerksamkeit für den Überfall auf den Kassier, die Nichtbeachtung des scheinbar unbedeutenden Mechanikers ebnet den Weg zu Täuschung und Mord, sowie die finale Ignoranz gegenüber einem Toten, der den (eigenen) Weg zu Aufbruch und Abreise blockiert. Dabei bleiben die Beziehungen und Verhältnisse der Personen untereinander ohne Verbindlichkeit; John Muller hört weder auf den Rat seines Bruders noch auf die Warnungen und Bitten von Evelyn, die ihrerseits zwischen Misstrauen und den schlechten Erfahrungen der Vergangenheit aufgerieben wird und doch bis zum Schluss auf eine Wendung hofft, an die sie eigentlich nicht mehr glaubt.
Paul Henreid zeigt in seiner Doppelrolle nicht nur zwei Männer, die sich zwar optisch ähneln, aber sonst grundverschieden sind, sondern er perfektioniert die Verschmelzung der beiden zu einem intensiven Ganzen, das die positiven Seiten des jeweiligen Charakters betont und das dunkle Element unterdrückt. So erleben wir Dr. Bartok als unnahbar und herablassend, der die Annehmlichkeiten, die ihm seine Stellung ermöglicht, auskostet, ohne sich näher damit zu befassen. John Muller muss sich hingegen offen auf die neue Welt einlassen, auch, wenn er im Grunde ein Einzelgänger ist und Partner nur Mittel zum Zweck für ihn sind. Das Desinteresse für die Vorgänge hinter der Fassade, für den wahren Kern eines Menschen, kostet die von Henreid dargestellten Figuren das Leben, da sie wie ihre Umgebung nur im eigenen Kosmos leben. Sie unterschätzen die Gefahren, die auch von respektabel aussehenden, unauffälligen Bürgern ausgehen, da die Freiheit des Individuums gleichzeitig eine Missachtung gesellschaftlicher Spielregeln mit sich bringt; Regeln, die von der Obrigkeit zum Schutz gegen ein Aufbegehren des Einzelnen erlassen wurden. Der Film macht es seinem Publikum unmöglich, sich heimisch zu fühlen und Partei zu ergreifen, weil die negative Atmosphäre von Zynismus, Hoffnungslosigkeit und Arroganz geprägt ist. Günther Ungeheuer leiht Paul Henreid in der deutschen Fassung seine Stimme und sie verschmilzt nahezu perfekt mit dem Bild auf der Leinwand. Die Ich-Bezogenheit und die kühle Voraussicht, die Ungeheuer mitbringt, adelt Henreids Figur durch sublime Variationen seines Stimmkörpers.
"Hollow Triumph" - der wertlose Sieg - überwindet die Distanz zwischen seinen Figuren und dem Publikum nie ganz, auch, wenn das Finale bitter und sentimental abläuft. Vielleicht liegt hier der Grund, warum der düstere Thriller relativ unbekannt ist und in der Wahrnehmung der Filmgemeinde hinter den schillernden Klassikern zurückbleibt. Vielleicht haben aber auch nicht alle die Botschaft verstanden, die er aussendet: "Es reicht nicht, dass die Wahrheit in der Welt ist. Es braucht auch noch den Willen und die Macht, aus ihr die richtigen Konsequenzen zu ziehen" (Thomas Willman im Booklet zur DVD-Edition von KochMedia). 4 von 5 Punkten
BEWERTET: "House on Telegraph Hill", USA 1951 mit: Richard Basehart, Valentina Cortesa, William Lundigan, Fay Baker, Gordon Gebert, Steven Geray, Herbert Butterfield, Natasha Lytess u.a. | Drehbuch von Elick Moll und Frank Partos nach dem Roman "The Frightened Child" (1948) von Dana Lyon | Regie: Robert Wise
Die Polin Victoria Kowelska freundet sich im Konzentrationslager Bergen-Belsen mit Karin Dernakowa an, deren Sohn Christopher vor dem Krieg nach San Francisco zu Verwandten geschickt wurde. Karin stirbt kurz vor der Befreiung des Lagers und Victoria nimmt deren Identität an. Sie sendet ein Telegramm in die USA, erhält aber die Antwort, dass ihre vermögende Tante Sophie kurz vorher gestorben ist. Als sie nach einigen Jahren endlich ausreisen kann, wird sie vom Vormund ihres "Sohnes", einem Mann namens Alan Spender empfangen. Sie freunden sich an und heiraten innerhalb kurzer Zeit. Die Rückkehr ins Anwesen der Familie erweist sich als zweischneidig: einerseits lebt Victoria nun im Wohlstand und in Sicherheit, andererseits spürt sie, dass ihr Mann etwas im Schilde führt. Ahnt er, dass sie nicht Christophers Mutter ist? Was hat es mit dem zerstörten Gartenhaus auf sich? Und welche Rolle spielt die Erzieherin des Jungen?
Der Weg in ein neues Leben, die zweite Chance, die jemand nach einer großen Enttäuschung ergreift, liefert die Voraussetzung, dass sich die Filmhandlung entwickeln kann. Mit den Worten 'I was hungry - lonely - desperate, I had no other choice but the house on the hill!' bringt Twentieth Century Fox die Situation, in der sich die weibliche Heldin befindet, auf den Punkt. Die italienische Schauspielerin Valentina Cortesa (* 1923) zeichnet eine mutige, warmherzige Frau, deren Lebensglück zerbrach, die jedoch nicht aufgibt und den Platz einer anderen einnimmt. Durch die enge Freundschaft mit der Toten nimmt man dies zu keiner Minute als Unrecht wahr, vielmehr legitimiert sich dieser Schritt durch die Tatsache, dass Victoria bis zuletzt für ihre Freundin kämpfte und sich nun um deren Sohn in Amerika kümmern will. Das Geheimnis, das sie bewahrt, ist nicht die größte Schwierigkeit, sich in ihrem neuen Zuhause zurecht zu finden. Auch dort lauert eine Vergangenheit, die - so paradox es klingen mag - weitaus gefährlicher und tödlicher zu sein scheint als Victorias Zeit im Konzentrationslager. Cortesa besticht durch eine Natürlichkeit, die sie nicht nur im Lager Bergen-Belsen, sondern auch in eleganten Seidenroben glaubhaft wirken lässt.
Für die elegante Ausstattung der Innendrehorte erhielt der Film 1952 eine Oscar-Nominierung für "Bestes Szenenbild Schwarzweiß-Film". Das Herrenhaus auf dem Hügel schwelgt in üppigen Dekors und bildet durch die raffinierte Ausleuchtung den passenden Rahmen für den Mann im Schatten, Richard Basehart, der die Fox überzeugen konnte, seine Frau Valentina Cortesa für die Hauptrolle zu besetzen. Das Paar war von 1951 bis 1960 verheiratet. Basehart gelingt es, seine Figur trotz der jungenhaften Ausstrahlung mental undurchsichtig zu skizzieren und Anzeichen von Unberechenbarkeit zu liefern. Sein Gegenspieler William Lundigan erhält durch seine freundliche Hilfsbereitschaft als Major der Alliierten einen Vorsprung in der Gunst des Zuschauers, der den Ehemann beim Wiedersehen in San Francisco im Zwielicht erscheinen lässt. Dennoch wird die Beantwortung der Frage, ob an den Vermutungen Victorias, ihr Mann trachte ihr nach dem Leben, durch verschiedene Testergebnisse immer wieder verzögert. Dadurch wird die Spannung konstant gehalten und das Gefühl der Ausweglosigkeit verstärkt. Verschiedene Faktoren wie z.B. die kühle Blondine Margaret sorgen für Zweifel und offene Hintertürchen. Eine eindeutige Bildsprache wie in der Szene, in der Alan Spender seiner künftigen Gattin den Schuh anzieht, der sie vom Aschenbrödel zur First Lady of the House erhebt, nimmt künftige Entwicklungen vorweg und eilt den Befürchtungen der Hauptfigur voraus.
Zitat von A Guide to the Best in Cinema Thrill" - by John Howard Reid'House' is a very deft noir thriller, with atmospheric photography by Lucien Ballard, plus excellent, moodily over-plush art direction from John De Cuir, ably assisted by set decorator, Paul S. Fox. True, Ballard does not photograph Miss Cortesa very attractively, but her stunning Renie costumes help her to disguise this problem. Lovely Fay Baker brings considerable presence to the support cast.
Der Appell an das Gewissen der Protagonisten wird dezent unter Verschluss gehalten und erst unter Druck bzw. in einer Ausnahmesituation ausgesprochen. So vermeidet es der Film, mit dem moralischen Fingerzeig an Werte zu erinnern, die in der amerikanischen Wahrnehmung als typisch für die US-Gesellschaft - vor allem nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs bzw. des Einsatzes während der Luftbrücke im Land des ehemaligen Feindes - gesehen werden: Selbstlosigkeit, strahlendes Heldentum und Charakterfestigkeit. Vorwürfe oder Schuldzuweisungen bleiben weitgehend aus und geben konkreten Verdachtsmomenten den Raum, der ihnen in einem ernsthaften Thriller zusteht.
Ein charmantes, im deutschen Sprachraum relativ unbekanntes Juwel des film noir, das durch den unvorbelasteten Cast genügend Suspense bereithält, um alle Optionen offenzulassen. Der Rahmen, der durch die Erzählperspektive aus der Sicht der Frau abgesteckt wird, erinnert an "Rebecca" wie auch die Handlung selbst immer wieder Anleihen bei David O. Selznicks romantischem Klassiker nimmt. 4,5 von 5 Punkten
Kriminalfilm, USA 1945. Regie: Edgar G. Ulmer. Drehbuch: Martin Goldsmith, Martin Mooney. Mit: Tom Neal (Al Roberts), Ann Savage (Vera), Claudia Drake (Sue Harvey), Edmund MacDonald (Charles Haskell jr.), Tim Ryan (Diner-Betreiber in Nevada), Esther Howard (Kellnerin im Diner), Pat Gleason (Joe), Roger Clark (Polizist), Harry Strang (Polizist an der kalifornischen Grenze), Don Brodie (Gebrauchtwagenhändler) u.a. Uraufführung (USA): 7. November 1945. Uraufführung (BRD): 12. Dezember 1978. Eine Produktion von PRC Pictures.
Zitat von UmleitungAl Roberts trampt quer durch die Vereinigten Staaten, um in Los Angeles seine Liebste zu treffen, die versucht, in Hollywood eine Karriere auf die Beine zu stellen. Statt der Fahrt ins Glück wird die Tour für Al zum Höllentrip – ein Millionär, der ihn mitnimmt, stirbt auf dem Sitz neben ihm. Weil niemand glauben würde, dass Al unschuldig ist, entledigt er sich der Leiche und reist unter der Identität des Toten weiter. Bis auch er widerum einen Anhalter mitnimmt ...
Man sagt dem Film Noir ja im Allgemeinen einen düsteren, pessimistischen Grundton nach. Selten kommt diese unwirtliche und ausweglose Stimmung jedoch klarer zum Vorschein als in der Geschichte des glücklosen Al Roberts, der sich als Tramper auf Begegnungen mit Menschen einlässt, denen er besser nicht begegnet wäre ... Tom Neal verkörpert zunächst das Idealbild des materiell und kognitiv eher bescheiden ausgestatteten Mannes mit der Zuversicht, trotz schwieriger Umstände das Beste aus der vertrackten Lebenssituation herauszuholen: Voll guter Vorsätze und Hoffnungen lässt er das unwirtliche New York (Nacht und intensiver Einsatz der Nebelmaschine ersparten dem B-Picture aufwändige Vorort-Drehs) hinter sich, um seiner Flamme in den heißen Südwesten zu folgen. Sue bleibt dabei immer Antrieb für Als Handeln – als ultimativer Zielpunkt seiner Wünsche und der Handlung an sich wird die blonde Barsängerin zu einem regelrechten Götzenbild stilisiert.
Auf der anderen Seite der Medaille taucht auf einmal Vera auf. Sie ist genau der entgegengesetzte Typ: Wird Sue als verständnis- und liebevolle Frau mit hohen Ambitionen vorgestellt, so zeigt sich Vera von Anfang an nicht als bloßer Wildfang, sondern als bösartige, hinterlistige und faule Person, die Zwangslagen anderer zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzt und Als anfängliche Initiative mit ihrem dominanten Auftreten auf ein Minimum zusammenschrumpft. Ann Savage mag nicht als Femme Fatale im klassischen Sinne durchgehen – dafür entbehrt ihr scharfzüngiges, zuweilen geradezu parodistisch überzeichnetes Spiel der Intelligenz und sexuellen Verführungskraft anderer Rollenvorbilder –, doch sie entpuppt sich auf jeden Fall als fatal für Al.
Man könnte „Detour“ vorwerfen, dass sich der Plot auf zu viele Unwahrscheinlichkeiten stützt und gerade bei seinem starken, bitteren Realitätsbezug doch allzu unglaubwürdig erscheint. Geht man mit der ausgewiesenen Billigproduktion wohlwollend zu Gericht, so könnte man in dieser Strategie bewusst gestreute Hinweise darauf erkennen, dass man Al als Erzähler und Voiceover vielleicht doch nicht über den Weg trauen sollte. Einige Filmtheoretiker weisen auf seine sonderbaren Ausreden, auf die weit hergeholte Geschichte mit der Erbschaft und auf Unstimmigkeiten zwischen seiner Schilderung von Sue und deren Szenen im Film als Indikatoren dafür hin, dass „Detour“ lediglich als Rechtfertigung eines Wahnsinnigen für die tatsächlich von ihm begangenen Taten verstanden werden kann. Dies lässt Al als unverlässlichen Erzähler eine interessante Sonderstellung zwischen Fall Guy und Tough Guy einnehmen.
Viele Umstände der Entstehungsgeschichte des Films wurden über die Jahre durch Edgar G. Ulmers Hang zum Fabulieren über die eigenen Leistungen so verwischt, dass letzlich unklar bleibt, inwiefern außergewöhliche Schilderungen zur Drehzeit (nur 6 Tage?) und zum Budget (nur 30‘000 Dollar?) tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Klar ist, dass „Detour“ mit geringen Mitteln eine stärkere Wirkung erzeugt als einige starbesetzte Noirs der Major Studios. Ulmer verstand es, die fatalistische Note des Films in der kurzen Spielzeit von gerade einmal 68 Minuten packend zu verbildlichen und mit gelungenen Kameraeinstellungen und klugem Musikeinsatz zu kombinieren. Auf diese Weise kann sich „Detour“ durchaus mit den Größen des Genres messen.
Die Reise ins Ungewisse entwickelt sich zu einem Alptraum voller Unfälle (oder doch Morde?). Tom Neal und Ann Savage liefern sich gesalzene Wortgefechte, während Ulmer für eine stringente und äußerst unterhaltsame Adaption der wesentlich umfangreicheren Romanvorlage verantwortlich zeichnet. Mit „Detour“ erhält der Zuschauer eine rabenschwarze Noir-Essenz, die ihre bescheidenen Produktionsumstände versiert kaschiert. 5 von 5 Punkten.
Gruselkrimi, USA 1942. Regie: Jacques Tourneur. Drehbuch: DeWitt Bodeen. Mit: Simone Simon (Irena Dubrovna Reed), Kent Smith (Oliver Reed), Tom Conway (Dr. Louis Judd), Jane Randolph (Alice Moore), Jack Holt (Kommodore), Alec Craig (Zoowärter), Alan Napier (Doc Carver), Elitabeth Russell (Katzenfrau), Elizabeth Dunne (Mrs. Plunkett), Henrietta Burnside (Sue Ellen) u.a. Uraufführung (USA): 6. Dezember 1942. Uraufführung (BRD): 3. Juli 1974. Eine Produktion von RKO Radio Pictures.
Zitat von KatzenmenschenIm Zoo lernt der unbefangene Oliver die hübsche Modezeichnerin Irena kennen. Sie freundet sich mit ihm an, weil die gebürtige Serbin in den USA noch keinen anderen Freund gefunden hat. Tatsächlich entwickeln sich tiefe Gefühle zwischen Oliver und Irena, doch eine unheimliche Kraft scheint Irena in Zaum zu halten: Sie fürchtet den Drang des Bösen in sich, der von der Legende der Katzenmenschen aus ihrer Heimat herrührt. Sobald ein Mann sie küsse, würde sie sich in einen Panther verwandeln und ihn töten. Droht Oliver tatsächlich Gefahr?
Man muss sich die Grenzen des Genres schon ein wenig zurechtzupfen, um „Cat People“ unter dem Noir-Banner zu betrachten. Doch was offenkundig eher ein Ausflug in die Gefilde des Horrorfilms und Liebesdramas ist, weist doch einige unleugbare Verwandtschaftsmerkmale mit der Schwarzen Serie auf. Sie äußern sich vor allem in der Rolle Irenas, die in ihrer Besessenheit von der Katzenmenschen-Legende für ihren Ehemann und dessen Kollegin zur ernsthaften Bedrohung wird. Das Love Triangle wäre also schonmal da. Und dann sind da die geradezu expressionistisch ausgeleuchteten Szenen, die die volle Kraft der Schwarzweiß-Fotografie unter Beweis stellen. Natürlich spielt ein Film, in dem es um schwarze Panther geht, mit dem Kontrast aus Hell und Dunkel, mit huschenden Schatten, mit den Schrecken der Vorstellungskraft, die sich bei grummelnd-fauchenden Geräuschen einstellen. Sehr effektiv entstehen auf diese Weise Spannungsmomente wie etwa die Verfolgung auf der nächtlichen Straße oder die Attacke im Schwimmbad, bevor es – recht spät im Verlauf der Handlung – dann tatsächlich zu einem Mord kommt.
Die Fokussierung auf das Unheimliche und den an Irena nagenden Wahnsinn verdankt das Publikum dem Russen Val Lewton, der für „Katzenmenschen“ zum ersten Mal als Produzent agierte. Lewton entwickelte als Chef der Horror-Abteilung von RKO einen Gegenentwurf zu jenen Gruselfilmen, mit denen Studios wie Universal schon seit Anfang der 1930er Jahre Erfolge feierten. Denn ein Erfolg war genau das, was RKO nach den großen Aufwendungen und dem mittelprächtigen Einspielergebnis von Orson Welles’ Epos „Citizen Kane“ brauchte. Da kamen Lewtons kleine Schocker mit jeweils unter 150’000 Dollar Budget und weniger als 70 Minuten Laufzeit gerade recht.
Zitat von The Artifice: Cat People – A Psychological Horror and Film Noir, QuelleUnlike [Dracula or Frankenstein], Lewton added some Freudian psychoanalytical theories to the mix, like fear of castration or penetration. As a result sex became a major aspect of the horror genre. Another aspect Lewton added was psychological horror. Actual monsters were being substituted for the suggestion of a monster and supernatural atmospheres were traded in for more psychological ones. Sexual imagery, gender role reversal, and more suggested horrors than real scares, this new look at horror provides the missing link from 1930s horror to 1940s film noir.
Gleichsam gilt für Irena, dass sie kein typisches Horrorfilm-Monster darstellt. Vor allem in der ersten Hälfte des Films wird großer Wert darauf gelegt, die tragische und tieftraurige Seite der Figur zu zeigen, deren unmöglich zu erfüllendes Verlangen nach Liebe und Zuneigung für schwermütige Momente sorgt. Nicht einmal Haustieren kann Irena zu nahe kommen – die sensible Wahrnehmung der Tiere kommt in den Szenen mit der kleinen Katze, die sich zu allen Menschen außer zu Irena zutraulich verhält, und mit dem Tumult in der Zoohandlung zur Geltung und bietet einen Anhaltspunkt dafür, dass Irena entweder tatsächlich ein Mischwesen auf dem Weg zur Katzenfrau ist oder durch ihre sich anbahnende Krankheit unterbewusst Verhaltensweisen an den Tag legt, die die Tiere verängstigen. Immerhin gibt „Cat People“ auf Wunsch des Regisseurs diese Ambiguität nicht aus der Hand:
Zitat von The Artifice: Cat People – A Psychological Horror and Film NoirA big question that is raised in the film is whether this legend of the cat people is true. [...] The film never answers it out right. There is one scene where a black panther is seen hunting Oliver and Alice. In other scenes there is growl of a panther but it’s entirely possible that it’s in the characters’ imagination. The audience never sees Irena transform, but we do see Irena take the lock off a panther cage. [...] The horror in this film could be psychological or it could be supernatural. It’s for the audience to decide.
„Cat People“ erwies sich als Schlager an den Kinokassen und rettete RKO vor der drohenden Pleite. Dennoch fand der Film seinen Weg erst recht spät nach Deutschland. 1974 ließ die ARD eine Synchronisation anfertigen, in der neben Angela Stresemann in der Hauptrolle so bekanntes Fernsehpersonal wie Volkert Kraeft (als Mr. Reed), Susanne Beck (als Alice Moore), Manfred Steffen (als Zoowärter) und Columbo-Sprecher Hans Sievers (als Dr. Judd) zu hören sind. Man sollte jedoch beachten, dass für diese Vertonung die einprägsame Musik von Roy Webb vollständig ausgetauscht wurde und derjenige, der ausschließlich die deutsche Version sieht, nicht nur eine völlig unpassende Titelmusik ertragen muss, sondern auch um das bittersüße Liebesthema, das in der Wohnung der Reeds auf Schallplatte vor sich hin spielt, gebracht wird.
Der spannungsgeladene Gruselkrimi schlägt trotz seiner Kürze mehrere Fliegen mit einer Klappe: „Cat People“ überzeugt sowohl als Liebesdrama, als Psychohorror ohne unnötiges Ekeln oder Blutvergießen und als Variation auf den Film Noir. Simone Simon erweckt eine ergreifende Rolle mit düsterem Geheimnis so zum Leben, dass sich aufgeweckt sympathische Szenen mit Trauer und Wut abwechseln und auf diese Weise ein für einen Unterhaltungsfilm vergleichsweise vielschichtiges Psychogramm entsteht. 5 von 5 Punkten.
BEWERTET: "Katzenmenschen" (Cat People), USA 1942 mit: Simone Simon, Kent Smith, Tom Conway, Jane Randolph, Jack Holt u.a. | Drehbuch: Dewitt Bodeen | Regie: Jacques Tourneur
Zitat von Zitat am Ende des Films, Heilige Sonette V.-John DonneDurch schwarze Sünde wurde meine Welt zu beiden Teilen ausgeliefert einer ewigen Nacht. Und beide Teile müssen sterben.
Die aus Serbien gebürtige Modezeichnerin Irena Dubrovna lernt vor dem Panthergehege im New Yorker Central Park den Schiffsbauingenieur Oliver Reed kennen und lieben. Dennoch zögert die junge Frau vor der Hochzeit mit dem ihr zugetanen Mann, weil sie bisher allein gelebt und niemanden an sich herangelassen hat. Sie glaubt an die Legende aus ihrer Heimat, wonach Gefühle wie Eifersucht, Zorn oder Leidenschaft die Katze wecken könnten, die in ihr schlummert. Diese reagiert auf sexuell motivierte Gedanken mit Zerstörung und der Vernichtung des Gegenübers. Oliver schickt Irena zum Psychiater, ahnt jedoch nicht, dass sein Leben und jenes seiner Arbeitskollegin vom Tode bedroht sind....
Die europäischen Einflüsse der Mitwirkenden heben diese Produktion über den Durchschnitt, indem sie ungewöhnliche Pfade einschlägt. Der französische Regisseur Jacques Tourneur und seine ebenfalls aus Frankreich stammende Hauptdarstellerin Simone Simon agieren in der von dem Ukrainer Vladimir Ivan Leventon inspirierten Geschichte über das Unheimliche inmitten der technisierten Zivilisation. Die Faszination des reichen Kulturerbes der 'alten Welt' äußert sich in Gestalt der alleinlebenden Frau, deren Unnahbarkeit und gleichzeitige Herzlichkeit den nüchternen Ingenieur von seinen Schiffsplänen weg zu einer Intimität holen, deren verweigerte Ausübung ihn herausfordert. Er reagiert mit sehr viel Verständnis auf die Bedenken seiner Frau und erkennt bald, dass er eine alltagstaugliche Beziehung, die auf Freundschaft beruht, der unberechenbaren Faszination für das Exotische vorzieht.
Der Durchschnittsamerikaner wird durch seinen konventionellen Lebensstil geschützt, während die Fremde ins Verderben läuft, wenn sie sich nicht assimiliert. Negativ besetzte Gedanken werden nicht nur zur Bedrohung der anderen, sondern stellen auch eine Gefahr für die Frau selbst dar, was Rückschlüsse auf das Gesellschaftsbild der Vierziger Jahre zulässt. Oliver und Alice arbeiten beide an technischen Berechnungen für die Schifffahrt, die gegebenenfalls auch für Kriegszwecke eingesetzt wird, während Irena noch in der Tradition des Schönen (und Oberflächlichen) verhaftet ist, indem sie Modeskizzen entwirft. Es scheint, als hätte sie durch ihr Beharren auf dem Erbe ihres Volkes, auf ihrer Einsamkeit und Unangepasstheit ihre Berechtigung verspielt, inneren Frieden zu finden. Die nicht zur Gänze erfolgte Integration in den amerikanischen 'way of life' wird zur Schwachstelle und macht sie angreifbar, indem sie nach und nach isoliert wird.
Die Horrorelemente ergeben sich aus einem raffinierten Spiel mit Licht und Schatten, wobei die schwarze Raubkatze lange nur akustisch und als Umriss auf Hauswänden auftritt. Die Verbindung zwischen dem gefährlichen Tier und der zierlichen Frau ist bald klar und wird durch die katzenhaften Bewegungen und die feinen Gesichtslinien von Simone Simon betont. Die Dämonen, die in ihr wohnen und nach außen drängen, setzen ihr zu und zwingen sie zu emotionaler Restriktion. Die Demütigung, die sie durch das Bekanntwerden ihres Leidens empfindet, artet in Aggressionen gegen die Eingeweihten aus, deren Ausmaß beunruhigend und schaurig ist.
"Bestie Mensch" ist der Titel eines früheren Films mit Simone Simon, in der es ebenfalls um verbotene Beziehungen und Mordabsichten geht - in "Katzenmenschen" verwandelt sich der Mensch in eine Bestie, sobald er gereizt wird - ein Hinweis auf die tickenden Zeitbomben, als die wir scheinbar normal durch Raum und Zeit wandern. 4,5 von 5 Punkten
Ich habe Katzenmenschen als Junge einmal gesehen. Hat mir recht gut gefallen (Besser als das Remake mit Nastassia Kinski). Ich hab das damals schon so ausgelegt, dass sich Simone Simons Charakter verwandelt. Es gab da (glaub ich zumindest) eine Szene, wo der Psychiater von einem Panther angefallen wird.
Nicht alles ist in "Katzenmenschen" unbedingt so, wie es auf den ersten Blick scheint. Die Geschichte hält viele Erklärungsmöglichkeiten und Interpretationen bereit und bietet sich deshalb auch für mehrmalige Sichtungen an. Die DVD aus der Arthaus-Collection ist diesbezüglich sehr zu empfehlen: Erhältlich für kleines Geld beinhaltet sie den Film in ordentlicher Qualität mit deutschem und englischem Ton und Originaltrailer in einem schicken Mediabook, in das ein Booklet mit Hintergrundinformationen eingearbeitet ist. Schade, dass in dieser Edition (mit Ausnahme der mittlerweile vergriffenen Noir-Romanze "Im Schatten der Nacht") nicht auch weitere Klassiker des Genres erschienen.
Ich denke, ich werde ihn mir wieder mal ansehen müssen. Aber sie Szene, in der Tom Conway Simone Simon küssen will und dann von einem Panther angefallen wird erschien mir doch ziemlich eindeutig. Zumindest hab ich's so in Erinnerung. Natürlich sah ich den Film damals mit Kinderaugen.
Ich möchte die Gelegenheit der aktuellen Noir-Diskussionen auch nutzen, um auf die kommenden zwei Veröffentlichungen der stetig wachsenden Koch-Media-Film-Noir-Collection hinzuweisen, die nun bald 21 Titel umfassen wird. Film #20 wurde hier im Thread bereits hochgelobt, Film #21 lässt durch Besetzung und Milieu auch große Erwartungen aufkommen.
#20: Opfer der Unterwelt (D.O.A., USA 1950) Der kalifornische Buchhalter Frank Bigelow freut sich auf seinen Ferienausflug nach San Francisco, nicht zuletzt weil er hofft, so für ein paar Tage seiner Sekretärin und Verlobten Paula zu entkommen. Im Hotel lernt er eine Gruppe von Geschäftsreisenden kennen, mit denen er einen Nachtclub aufsucht. Am nächsten Morgen fühlt sich Frank überaus unwohl. Bei der ärztlichen Untersuchung stellt sich heraus, dass er mit Leuchtstoff vergiftet wurde und nur noch wenige Tage zu leben hat. Regie: Rudolph Maté. In den Hauptrollen: Edmond O'Brien, Pamela Britton, Neville Brand u.a. Laufzeit: 80 Minuten. Sprache: Englisch. Untertitel: Deutsch. FSK: Ab 16 Jahren. Extras: Booklet, Bildergalerie. Erscheinungstermin: 14.05.2015.
#21: Die Nacht hat tausend Augen (Night Has a Thousand Eyes, USA 1948) Mit großem Einsatz täuschte der Mentalist John Triton in seinen Auftritten mit vermeintlicher Wahrsagerei das Publikum. Als er mit einem Mal tatsächlich kommende Ereignisse vorhersieht, sind die Folgen katastrophal: In den Zukunftsvisionen sieht er seine Verlobte Jenny ums Leben kommen. Während Johns Freund, der Pianospieler Whitney dank der Vorhersagen zu Reichtum kommt, versucht John mit aller Macht das drohende Schicksal in neue Bahnen zu lenken. Doch die Zukunft kann man nicht ändern und das Unheil scheint unabwendbar. Regie: John Farrow. In den Hauptrollen: Edward G. Robinson, Gail Russell, John Lund u.a. Laufzeit: 78 Minuten. Sprachen: Deutsch, Englisch. Untertitel: Keine. FSK: Ab 16 Jahren. Extras: Booklet, Bildergalerie. Erscheinungstermin: 14.05.2015.
Nicht alles, was mit Licht & Schatten zu tun hat, gehört automatisch zum Film Noir. Die oben erwähnten 'The Uninvited' und 'Cat People' zum Beispiel zählen zu den klassischen Horrorfilmen der 40er Jahre. Ich wüsste auch keinen renommierten Filmkritiker oder -historiker aus irgendeinem Land, der da jemals eine andere Genre-Zuordnung gewählt hätte.
Darin finden sich weitere klassische Schauerschinken aus den Jahren 1942-46, allesamt von Val Lewton produziert. Regie führten u.a. verdiente Namen wie Robert Wise, Jacques Tourneur, Mark Robson ...
Genregrenzen müssen ja nicht immer ganz strikt und puristisch gezogen werden. Einige Filme leben davon, dass sie sich sowohl aus diesem als auch aus jenem Kästchen bedienen und dabei ein ganz eigenes Flair kreieren, das in vielen Fällen durchaus empfehlenswert ist. Die Frage, ob man dann Noir dazu sagen darf, ist ähnlich strittig wie bei vergleichbaren Klassifikationen von z.B. Wallace-Epigonen oder Gialli. Wann immer das der Fall ist, versuche ich, wie im Fall von „Cat People“ in der Besprechung darauf argumentativ einzugehen.
Aber dann mach ich ’mal mit einem Film weiter, über dessen Noir-Status kein Zweifel besteht – auch wenn er immerhin mit einem ungewöhnlichen Handlungsort aufwartet:
Macao (Macao)
Kriminalfilm, USA 1952. Regie: Josef von Sternberg, Nicholas Ray. Drehbuch: Bernard C. Schoenfeld, Stanley Rubin. Mit: Robert Mitchum (Nick Cochran), Jane Russell (Julie Benson), William Bendix (Lawrence C. Trumble), Brad Dexter (Vincent Halloran), Thomas Gomez (Lt. Sebastian), Gloria Grahame (Margie), Edward Ashley (Martin Stewart), Philip Ahn (Itzumi), Vladimir Sokoloff (Kwan Sum Tang), Don Zelaya (Gimpy, Klavierspieler) u.a. Uraufführung (USA): 30. April 1952. Uraufführung (BRD): 26. September 1952. Eine Produktion von RKO Radio Pictures.
Zitat von MacaoSchon bei der Zollkontrolle im Hafen von Macao wird der korrupte Polizist Sebastian auf den Amerikaner Nick Cochran aufmerksam, in dem er einen Undercover-Cop vermutet. Aufgeregt berichtet er die Neuigkeit seinem Gönner Halloran, der als Exilant das größte und nicht gerade ehrlichste Casino von Macao betreibt und von den US-Behörden mit allen Mitteln gejagt wird. Mastermind Halloran lässt sich auf den offenen Kampf mit Cochran ein – und weiß, dass Bande mit dem Gegner am besten über die offenherzige Barsängerin Julie geknüpft werden können ...
Es erweckt Wehmut nach den alten Hollywood-Tagen, wenn man sieht, mit welch einem Geschick Josef von Sternberg und die anderen an „Macao“ beteiligten Regisseure ein dichtes atmosphärisches Netz allein mithilfe einiger einführender Stock-Footage-Szenen, mit geschickter Beleuchtung und der cleveren Fotografie der Studiosets ein authentisches Exotik-Gefühl erzeugten. Keine Computer-Effekte, keine teuren On-Location-Drehs, nur stilsicheres Handwerk und eine gute Beherrschung der Wirkung von Schwarzweiß-Bildern. Mit diesen Mitteln erweckt „Macao“ den gleichnamigen Schauplatz günstig und überzeugend zum Leben – der Film atmet geradezu eine schwül-warme Atmosphäre; Rauch und Whiskeygeruch scheinen aus der Spielhalle The Quick Reward direkt bis ins Wohnzimmer des Zuschauers hinüberzuwehen und das Rauschen und Gluckern nächtlicher Hafenbecken, über deren Quais messerbewaffnete, übellaunige chinesische Gangstertypen flitzen, ist auch nicht von schlechten Eltern.
Ganz im Stil anderer Gangsterfilme jener Zeit gefällt sich „Macao“ in der Anlage, seine Zuschauer möglichst lang über die wahren Absichten und Tätigkeiten seiner Hauptakteure zu belassen. Klar ist, dass mit Brad Dexter und Thomas Gomez zwei überaus schmierige Bösewichte einen Gegenpol suchen – doch in welchem der Protagonisten sie ihn finden werden, ist zunächst kaum auszumachen. Vielleicht zieht „Macao“ das Versteckspiel ein bisschen zu sehr in die Länge, denn gerade in der ersten Hälfte des Films entwickelt sich der Plot vergleichsweise träge. Das kostet die Zeit, die man am Ende gebraucht hätte, um einige der zahlreichen Logiklöcher zu stopfen. Dass am Script neben den offiziell erwähnten Herren Schoenfeld und Rubin noch sieben weitere Personen mitarbeiteten und dass die Geschichte trotz einer Laufzeit von knapp 77 Minuten mit mehreren Gesangseinlagen gestreckt werden musste, stellt unter Beweis, auf wie dünnem Eis sich die Handlung des Films bewegt. Als größte Frage bleibt unbeantwortet, warum Halloran trotz Angst vor Verhaftung am Ende doch das sichere Macao verlässt.
Zwar merkt man den Gesangsauftritten von Jane Russell die verzögernde Wirkung deutlich an, doch gerade ihre Interpretation des Sinatra-Klassikers „One for My Baby“ ist unbedingt hörenswert und trifft die zu diesem Zeitpunkt melancholische Filmstimmung wunderbar. Es ist bezeichnend für Russells vorwitzige und zynische Rolle, dass sie als Frau das Lied eines Mannes singt – zwar gewährt sie Mitchum einen äußerst weiblichen Ausblick auf ihre Nylonstrümpfe, doch in vielen anderen Punkten erweist sie sich als ruppig-maskulin. Mitchum gestaltete seine Rolle dagegen trotz Veteranenvergangenheit unstet, zweifelnd und im Stile eines ewigen Verlierers. Dass auch in dieser sich anbahnenden Beziehung die Frau die Hosen anhaben wird, entspricht geltendem Noir-Gesetz.
Die Dreharbeiten zu „Macao“ gerieten zu einer mittelschweren Katastrophe, da der Streifen offenbar nur gedreht wurde, um an den Erfolg des Mitchum-Russell-Films „Das Satansweib“ (His Kind of Woman) anzuknüpfen, aber niemand am Set ernsthaft am Gelingen von „Macao“ interessiert war. Von Gloria Grahame wird sogar berichtet, dass sie sich ihrer Rolle komplett verweigerte, darum bat, herausgeschnitten zu werden (mit Zweit-Regisseur Ray befand sie sich zum Drehzeitpunkt gerade in Scheidung), und schließlich als Boykotthandlung absichtlich übertrieben agierte. Sternberg war bereits vorher zum Despoten avanciert, der sich mit Mitchum in offenen Streit begab und sich damit in Hollywood endgültig unverpflichtbar machte. Schließlich lagerte der Film bei RKO fast zwei Jahre lang auf Halde, bevor er überhaupt zur Auswertung kam.
In Anbetracht seiner schwierigen Entstehung macht „Macao“ aus vertrackten Antipathien am Set und einem unheimlich schwachen Drehbuch noch das Beste. Der Film beweist, dass auch ein exotisches Flair kein großes Budget benötigt. Mitchum und Russell sind ein Paar, das hervorragend zueinander passt, wobei Mitchum stellenweise etwas desinteressiert wirkt, Russell hingegen in Bild und Ton überzeugt. Lobenswerte Gastauftritte von Bendix und Dexter. Aufgrund spürbarer Längen jedoch nur 3 von 5 Punkten.
In Deutschland, aber auch in einigen anderen Ländern, wird das 'Film Noir'-Etikett von geschäftstüchtigen Verleihern und Konzernen schon gerne mal einigen Editionen und Titeln aufgeklebt, die manchmal in anderen Genres besser aufgehoben wären.
Zur stilsicheren Abgrenzung und vertiefenden Orientierung für am Thema aufrichtig Interessierte empfehle ich die Anschaffung und Lektüre folgender Standardwerke:
- Film Noir - An Encyclopedic Reference to the American Style, herausgegeben von Alain Silver & Elisabeth Ward, dritte Auflage, 479 Seiten - Film Noir - The Dark Side of the Screen, von Foster Hirsch - Kino der Nacht - Hollywoods Schwarze Serie, Autoren: Heinzlmeier, Menningen, Schulz
Ich hoffe, du möchtest damit nicht andeuten, Percy Lister und ich seien manipulierbar oder nicht ernsthaft am Genre interessiert, nur weil wir eine etwas breitere Auslegung des Noir-Begriffs bevorzugen als du. Mir liegt übrigens Alain Silvers "Film Noir. The Encyclopedia" vor und ich lese gern die entsprechenden Artikel zu den gesichteten Filmen; allerdings macht die Tendenz aller in diesem Buch vertretenen Autoren, völlig unnötig Wendungen und Auflösungen zu verraten, die Enzyklopädie als vorherige Orientierungshilfe völlig unbrauchbar.
Ich mein's doch nur gut - sowohl mit der oben empfohlenen Val Lewton-Box als auch mit den zitierten Büchern zum Film Noir.
Zudem kann man sich bei einigen Filmhistorikern und Fachjournalisten neben Informationen in der Sache auch hin und wieder stilistische Anregungen holen. Ich für meinen Teil habe so zum Beispiel gelernt, eine 'Online-Besprechung' nicht unnötig aufzublähen und Dinge prägnanter und leserfreundlicher auf den Punkt zu bringen ...