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Dieses Thema hat 977 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Blap Offline




Beiträge: 1.128

20.08.2011 23:54
#136 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 5 (Folgen 61-75)

Folge 72 - Der Tod sucht Abonnenten (Deutschland 1980)

Nach einem langen Arbeitstag möchte Derrick den verdienten Feierabend geniessen. Plötzlich hört er laute Hilfeschreie, in letzter Sekunde kann er eine junge Frau (Dinah Helal) davor bewahren, von zwei unbekannten Gestalten in ein Auto gezerrt zu werden. Unser Lieblingsermittler erkennt sofort den Ernst der Lage, das Mädchen leidet offensichtlich unter starken Entzugserscheinungen. Während Derrick telefonisch einen Arzt verständigt, macht sich die Süchtige in aller Eile aus dem dem Staub. Die anschliessende Suche endet mit einem herben Tiefschlag, die junge Frau hat sich in der Toilette einer verufenen Kneipe erhängt. Derrick geht das traurige Schicksal des Mädchens nahe, er versucht die Hintergründe aufzudecken. Die Tote hieß Lieselotte Schenke, sie wohnte mit Marga Mende (Verena Peter) zusammen, die ebenfalls von Heroin abhängig ist. Lieselottes Bruder Rudolf Schenke (Manfred Zapatka) reist an, er möchte für einige Tage im Zimmer seiner verstorbenen Schwester leben, will das Unfassbare verstehen, verarbeiten. Derweil stellen Derrick und Klein weitere Nachforschungen an, die sie zu einer Grafikerschule führen, welche von Lieselotte und Marga besucht wurde. Vor allem fällt Kurt Weber (Jacques Breuer) auf, der für einen Schüler auf verdammt großem Fuß lebt...

Diesmal steht der erschreckende Werdegang junger Mädchen im Blickpunkt, die in die gnadenlose Knochenmühle aus Drogensucht und Prostitution geraten. Noch vor "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" wird die Abhängigkeit von Heroin thematisiert. Ich erinnere mich noch recht gut an die frühen achtziger Jahre, die Hysterie um Drogen und deren Folgen war damals allgegenwärtig. "Der Tod sucht Abonnenten" wedelt dermaßen heftig und ausführlich mit dem erhobenen Zeigefinger vor der Nase des Zuschauer herum, dass die gut gemeinte Warnung nahezu in Richtung Nerventerror abdriftet. Glücklicherweise kippt die Folge nicht in unerträgliche Gefilde ab, was wir der flotten Inszenierung von Zbynek Brynych zu verdanken haben. Trotz "Zaunpfahl" und gebotener Ernsthaftigkeit, transportieren die teils skurrilen Dialoge und überzeichneten Charaktere einen hohen Unterhaltungswert. Selbst der ansonsten stets souveräne Derrick verliert fast die Contenance, macht der ausflippenden Marga eine harte Ansage: "Wenn Sie hysterisch werden, versohle ich Ihnen den Hintern!" Horst Tappert entgleisen jedoch vor allem die Gesichtszüge, wenn er sich mit dem von Jacques Breuer dargestellten Widerling auseinandersetzen muss. Fritz Wepper macht seinem Unmut im Büro Luft, zwar ziemlich aufgesetzt, aber ohne Frage sehr kurzweilig.

Das Ensemble soll nicht ohne Würdigung bleiben. Verena Peter liefert als Drogenwrack eine erstklassige Vorstellung ab, hat starke Szenen mit dem sehr engagierten Manfred Zapatka. Aus der Verzweiflung heraus entwickelt sich ein Band zwischen den Charakteren, für Marga vielleicht ein Weg aus Drogensumpf? Dirk Dautzenberg dreht als Onkel der Toten durch, Frank Muth spielt dessen Sohn. Muth mutet wie eine groteske Schiessbudenfigur an, inklusive einzigartig bizarrer Brille und Trenchcoat mit aufgestelltem Kragen. Jacques Breuer spielt überzeugend einen äusssert schmierigen Kerl, einen aalglatten Widerling der ekelhaftesten Sorte. Käte Jaenicke und Ute Willing füllen die Abteilung der verzweifelten Figuren auf, Herbert Tiede gibt den überforderten Schuldirektor. Die Reihe kann quasi immer mit starken Darstellern auftrumpfen, diese Folge sticht besonders hervor, auch -aber nicht nur- wegen Verena Peter und Manfred Zapatka. Der Score von Frank Duval ist mir sehr positiv aufgefallen, eine Passage aus dem Pink Floyd Album "Wish you were here" kommt ergänzend zum Zuge.

7/10 (gut) - Eventuell sogar ein halbes Pünktchen mehr, sofern man die penetranten Versuche den Zuschauer zu gängeln nicht berücksichtigt.

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Blap Offline




Beiträge: 1.128

21.08.2011 23:13
#137 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 5 (Folgen 61-75)

Folge 73 - Auf einem Gutshof (Deutschland 1980)

Marlene Schulte (Ellen Schwiers) fährt der Schrecken ins Gebein. Aus der stürmischen Gewitternacht peitscht ein Schuss durchs Fenster, der die geschockte Dame nur knapp verfehlt, die Kugel bleibt in der Wand des Zimmer stecken. Marlene ist sich absolut sicher, dass ihr Ehemann Richard (Horst Buchholz) den Anschlag auf ihr Leben ausführte, sie will ihn eindeutig erkannt haben. Ihre Geschwister Waltraut (Helga Anders) und Eberhard (Rolf Becker) zweifeln keine Sekunde an Marlenes Worten, auch die herbeigerufene Polizei beäugt den aufbrausenden Richard Schulte sehr skeptisch. Marlene nimmt von einer belastenden Aussage Abstand, wirkt dabei aber nicht glaubwürdig. Zwar bestreitet der mutmaßliche Schütze den Vorwurf, doch sein Vorstrafenregister wirft kein gutes Licht auf ihn. Zu allem Überfluss stand die Ehe sowieso auf der Kippe, da Marlene erst nach der Hochzeit von der unrühmlichen Vergangenheit ihres Gatten erfuhr. Im Falle einer Scheidung würde Richard alles verlieren...

Ellen Schwiers setzt zu Beginn ein dickes Ausrufezeichen, sie leistet sich einen herrlich irren Ausbruch geifernder Hysterie. Helga Anders verdrehte in Folge 46 (Kaffee mit Beate) allen den Kopf, diesmal sehen wir sie als schlecht gelauntes Biest. Ich sehe Helga Anders immer wieder gern, ich mag ihre vulgär angehauchte Erotik. Leider verstarb Anders bereits 1986, sie wurde lediglich 38 Jahre jung. Verweilen wir noch kurz bei den Damen. Karin Baal spielt die abgetakelte Ex-Frau des Verdächtigen. War Baal wenige Jahre zuvor noch eine attraktive Erscheinung, passt sie nun vortrefflich in die Rolle der *zensiert*. Horst Buchholz ringt ständig um Fassung, neigt zu handgreiflichen Anwandlungen. Er spielt den ambivalent angelegten Charakter sehr überzeugend, obschon seine Darbietungen in den Folgen 26 (Das Superding) und 47 (Solo für Margarete) noch eindrucksvoller waren. Rolf Becker gibt den wenig sympathischen Bruder von Schwiers und Anders, der sich mit Verbissenheit auf Buchholz eingeschossen hat, allerdings mit dessen Faust nähere Bekanntschaft macht. Peter Dirschauer agiert in einer Nebenrolle. Auch er ist kein Neuling in der Reihe, Folge 52 (Abitur) wurde durch seine starke Leistung geprägt.

An der Besetzung gibt es nichts zu meckern, der hohe Standard kann gehalten werden. Zum Auftakt zeigt man uns Bilder einer regnerischen Nacht, die Kamera lässt das herrschaftliche Gut in einem nahezu gruseligen Gewand erscheinen. Leider ist der Kriminalfall wenig interessant erdacht, die Schweinereien der Bösewichter sind zu leicht durchschaubar. Oft kaschiert die Reihe "dünne" Kriminalgeschichten durch interessante Figuren, was in diesem Fall nur in einem sehr eingeschränkten Maße gelingt. Sicher, wie erwähnt machen die Darsteller ihren Job gut, nur lässt man sie (kaum) von der Leine, unterwirft sie dem Zwang des spröden Drehbuchs. So lässt man sogar die Chance ungenutzt, zumindest das Ende der Folge mit einem fiesen Tiefschlag zu garnieren. Gleiches gilt für die konsequente "Nichtnutzung der atmosphärischen Möglichkeiten", welche sich aus der reizvollen Kulisse ergeben, die nur zu Beginn wirklich stimmungsvoll eingesetzt wird. Raimund Rosenbergers Musik passt sich der unscheinbaren Anlage von "Auf einem Gutshof" an, Regisseur Theodor Grädler bleibt deutlich unterhalb seiner Möglichkeiten. Fans der Reihe wird nette Unterhaltung geboten, jedoch hätte man weitaus mehr mit diesem Szenario anstellen können.

6/10 (obere Mittelklasse)

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Blap Offline




Beiträge: 1.128

27.08.2011 23:13
#138 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 5 (Folgen 61-75)

Folge 74 - Zeuge Yurowski (Deutschland 1980)

Karl Yurowski (Bernhard Wicki) fährt nach seinem wohlverdienten Feierabend erneut ins Büro, will sich Arbeit mit nach Hause nehmen. Als Yurowski und der Nachtwächter Baumbauer (Sepp Wäsche) verdächtige Geräusche innerhalb des Gebäudes bemerken, stellt der Nachtwächter wenig später mehrere Einbrecher und wird durch einen gezielten Schuss getötet. Der geschockte Yurowski traut seinen Augen nicht, seine Sekretärin Irmgard Becker (Christiane Krüger) gehört offensichtlich zu den mörderischen Eindringlingen. Weil seine Sekretärin ihn energisch dazu auffordert sich in seinem Büro zu verstecken, entgeht der Zeuge den Kugeln des schiesswütigen Mitglieds der Räuberbande. Zuvor wurde Yurowski von seiner Mitarbeiterin instruiert, sie um keinen Preis an die Polizei zu verraten, sein Leben sei sonst in akuter Gefahr, sogar seine Familie wäre vor ihren Komplizen nicht sicher. Wenig später durchschlagen zwei Kugeln das Wohnzimmerfenster der Zeugenfamilie, Yurowksi macht daher gegenüber Derrick und Klein unvollständige Angaben, will niemanden erkannt haben. Derrick ahnt schnell wo der Hase im Pfeffer liegt, kann den überforderten Zeugen allerdings nicht zu einer korrekten Aussage bewegen...

Bernhard Wickis Spiel mutet hin und wieder etwas überzogen an, unterstreicht aber mit Nachdruck die panische Angst des verstörten Büromenschen. Hannelore Schroth sehen wir als Wickis Ehefrau, die versucht die Gedankengänge ihres Gatten zu verstehen. Johanna Elbauer und Bruno Dietrich stellen sich nach und nach gegen ihren Vater, wollen sich trotz der ernsthaften Bedrohung nicht dem Terror beugen. Auf diese Weise kommt es zu brisanten Konflikten innerhalb der Familie, die zu Beginn einen sehr harmonischen Eindruck vermittelt. Christiane Krüger war bereits in Folge 71 (Die Entscheidung) zu sehen. Diesmal hat sie einen ambivalent angelegten Part erwischt, den sie durchaus glaubhaft ausfüllen kann. Christian Quadflieg spielt einen weiteren Mitarbeiter aus dem direkten Arbeitsumfeld Wickis, Manfred Seipold agiert als Johanna Elbauers Freund.

Es mag ermüdend sein, aber der übliche Hinweis auf die solide Qualität des Ensembles ist Pflicht. Das zeitweilige Overacting Wicks mag der überschaubaren Laufzeit geschuldet sein. Andererseits verliert sich die Folge im Mittelteil ein wenig in den Streitigkeiten der Familie, scheint die Handlung nicht mehr konsequent vorwärts getrieben zu werden. Über den etwas schwächelnden Mittelteil trösten der sehr spannende Auftakt und das packende Finale hinweg. Während der letzten Minuten wird auf die Pauke gehauen, es kommt zu einer Schiesserei, inklusive eines verzweifelten Fluchtversuchs per PKW. Frank Duval untermalt das Geschehen in der frühen Phase mit schneidenden Klängen, zum Ausklang groovt "Zeuge Yurowski" im flotten Disco-Sound. Alfred Vohrer hat -wie so oft- einen guten Job gemacht, obschon er im Rahmen der Reihe noch stärkere Folgen inszeniert hat.

7/10 (gut)

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Mr Keeney Offline




Beiträge: 1.365

29.08.2011 15:59
#139 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Folge 34: Tod des Wucherers (1977)

Eine herausragende Folge und wieder mal eine sehr gelungene Regiearbeit von Zbynek Brynych, der diesmal schwungvoll und doch nie komplett überdreht inszeniert. Im Großen und Ganzen kann ich auf Blaps vorausgegangene gelungene Rezension verweisen und möchte nur noch ergänzend anmerken, dass ich diese Folge in meinem persönlichen Derrick-Ranking noch etwas höher ansiedeln würde (nach bislang 34 gesichteten Episoden auf jeden Fall locker flockig unter den Top 10).

Dies liegt vor allem daran, dass ich die Sichtweise des fulminanten Starts und der dann doch leider „nur“ soliden Folge so nicht teile. Ich finde den Start zwar aufgrund der geschilderten Körpersprache und vor allem auch aufgrund des kameratechnisch virtuos eingefangenen „Besorgungsganges“ (u. a. Bierholen, auch sehr knuffig: „Wenn er sich aufregt, kriegt er immer Durst“) von Buchhalter und Lehrmädchen auch stark, aber aufgrund der wahrhaftig um manches Klischee herummanövrierenden und fortlaufend offenen Darstellung der Beziehung dieser beiden fesselte mich die Folge bis zum Ende. Vielleicht gerade weil Agnes Dünneisen so undurchsichtig und eher zurückhaltend wie unentschlossen (vielleicht meinetwegen tatsächlich manchmal „hölzern“, aber eher im Sinne von „mit den Umständen unvertraut unsicher und daher steif“) agiert, sah ich sie lange Zeit als eine eher ambivalente Figur, die den netten, höflichen umständlichen und unbeholfenen Buchhalter Winterhammer (bärenstark: Gerd Baltus) nur irgendwie ausnutzen könnte und die man eben nicht so leicht einschätzen kann. Und doch war ich mir dieser meiner Sichtweise stets unsicher und hinterfragte diese permanent. Weil nur aufgrund widriger Umstände im Grunde anständige junge Mädchen ja bei Reinecker durchaus etwas schamhaft und lammfromm sein dürfen, wenn sich ihrer angenommen wird und sich ihnen Chancen bieten.

Und dann kamen ja plötzlich auch noch die bösen Rocker ins Spiel, bei denen (und denen) Hilde, zurückgeholt auf vertrauteres „Parkett“ (auf dem sie wohl endgültig „ausgelernt“ hat) ein anderes Antlitz bietet. Für mich tragen sowohl Gerd Baltus als auch Agnes Dünneisen mit hervorragendem Spiel die Folge.

Auch ist das Auftauchen von Derrick auf der Party der Witwe des Verstorbenen ein ganz großer Moment des Oberinspektors, in dem Derrick spürbar mal wieder etwas offensiver anecken darf und will, wie auch das gesamte Team diesmal endlich wieder etwas flappsiger und humorvoller zu Werke geht. Auch die Art, wie Derrick schon vorab die Tatwaffe und damit den Täter intuitiv erkennt und dem Publikum präsentiert finde ich sehr nonchalant und ich liebe ja solche Fälle, die mit einer gehörigen Portion Selbstironie gespickt sind. Auch bei der Auflösung kann ich nicht meckern, sie ist wohlvorbereitet, wirkt daher realistisch und ist doch meines Erachtens nicht zu vorhersehbar, da man nie so ganz weiß, wie die Angestellten des Wucherers eventuell darin verwickelt sind.

Fazit: sehr gute Folge!

Blap Offline




Beiträge: 1.128

04.09.2011 00:26
#140 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 5 (Folgen 61-75)

Folge 75 - Eine unheimlich starke Persönlichkeit (Deutschland 1980)

Robert Renz (Siegfried Wischnewski) ist ein knallharter und erfolgreicher Geschäftsmann. Er hält Freundlichkeit und Milde für Schwächen, drückt seine Lebensweise ohne Kompromisse durch. Darunter leiden seine Ehefrau Alberta (Anaid Iplicjian) und sein Sohn Erich (Nikolaus Büchel). Als in der Firma eine Jubiläumsfeier ansteht, hat sich Alberta Renz bereits nett zurechtgemacht, möchte den festlichen Abend an der Seite ihres Gatten verbringen. Robert Renz bügelt sie jedoch mit kalter Bestimmtheit ab, denn Ursula Momm (Franziska Bronnen) wird ihn auf die Feier begleiten. Völlig selbstverständlich bekennt sich Renz zu seiner Geliebten, nun auch zu einem offiziellen Anlass. Frau Renz hat Kenntnis von der Liebschaft, diese Form der Demütigung sprengt jedoch den bisher üblichen Rahmen. Einige Stunden später wird Robert Renz vor dem Wohnhaus seiner Mätresse niedergeschossen, er überlebt den Anschlag nicht. Ist sein Sohn Erich der Mörder, der nach einem Telefonat mit seiner Mutter wütend von Nürnberg in Richtung München raste...?

...und wieder ein Familendrama mit tödlichen Folgen. Siegfried Wischnewski kann zu Beginn eine herbe Duftmarke setzen, die Darstellung des rücksichtslosen Erfolgsmenschen gelingt ihm ausgesprochen gut. Anaid Iplicjian wahrt stets die Contenance, was Nikolaus Büchel als unterdrücktem Sohn nicht gelingen mag. Der Tod des Vaters wirkt zumindest vordergründig wie eine Befreiung, der auf einen unwichtigen Posten abgeschobene Sohn wittert bessere Zeiten. Rose Renee Roth sehen wir als Hausdame der Familie Renz, die wenig Verständnis für die Umtriebe ihres Arbeitsgebers zeigt. Roth erfreut mit einem Hauch von Schrulligkeit, überschreitet dabei nie die Grenze zur Nervensäge. Franziska Bronnen kommt als Geliebte gut davon, die Rolle der Ursula Momm zieht sich nicht den Zorn des Zuschauers zu. Der von mir sehr geschätzte Herbert Fleischmann taucht in einer Nebenrolle auf, in diesem Fall als leitender Angestellter im Unternehmen des Mordopfers.

Wie immer gibt sich das Ensemble keine Blöße, die Darbietung von Nikolaus Büchel mutet nur auf den ersten Blick überzogen an. Sie ist der überschaubaren Laufzeit geschuldet, die eine entschleunigte Charakterentwicklung kaum ermöglicht. Erik Ode inszenierte diese Folge mit handwerklicher Routine, hat aber mit dem nicht wirklich einfallsreichen Drehbuch zu kämpfen. Fritz Wepper versucht sich als Wadenbeisser, Horst Tappert spielt mit dieser ab und an auftretenden unverschämten Lässigkeit, mit der er schelmisch gegen das maue Drehbuch angeht. Nikolaus Büchel lässt in seinem kleinen 3er-BMW laut AC/DC rocken. Später besteigt er doch lieber Papis dicken Jaguar, lauscht symbolträchtig der bevorzugten Musik seines verstorbenen Erzeugers. Während des Abspanns ertönt eine sehr schöne Komposition von Frank Duval. Fans wird solide Unterhaltung geboten, die Story versinkt jedoch im tristen Mittelmaß. Dank der guten Schauspieler und der gelungenen Atmosphäre:

6/10 (obere Mittelklasse)

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Blap Offline




Beiträge: 1.128

04.09.2011 22:48
#141 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 6 (Folgen 76-90)

Folge 76 - Pricker (Deutschland 1980)

Die Gefängnisinsassen Hamann (Dirk Galuba) und Pricker (Klaus Schwarzkopf) sollen München gebracht werden, doch kurz vor der Abfahrt wird Hamanns Gerichtstermin verschoben. So befindet sich neben den Justizbeamten lediglich Alfred Pricker im Bus der Behörde, der auf einer Landstrasse plötzlich von drei Männern überfallen wird. Auf die Beamten eröffnet man ohne Vorwarnung das Feuer, einer der beiden Staatsdiener ist sofort tot. Die Überraschung des Rollkommandos ist gross, als die Burschen im Bus nur den kleinen Ganoven Pricker vorfinden. Dieser ist nun ein lästiger Zeuge, er kann den Killern jedoch knapp entkommen, landet schliesslich auf dem Anwesen von Franziska Sailer (Ruth Drexel) und deren Tochter Hanni (Ute Willing). Die Frauen nehmen den unfreiwilligen Flüchtling auf, obwohl sie Kenntnis von der Suche nach ihm haben. Besonders Franziska hat einen Narren an Alfred gefressen, der sie wohlig an ihren vor einigen Jahren verstorbenen Gatten erinnert. Derrick ist sofort klar, dass nicht Pricker Ziel der brutalen Aktion war, doch Hamann will nichts von der Sache geahnt haben. Der Oberinspektor fühlt Hamanns Frau Josefine (Gaby Herbst) auf den Zahn, die zunächst ebenso jede Verbindung mit dem Überfall abstreitet...

Klaus Schwarzkopf als freundlicher Kleinganove, der unerwartet auf hilfsbereite Mitmenschen trifft, die sich selbst von seiner kriminellen Vorgeschichte nicht abschrecken lassen. Schwarzkopf verkörpert Alfred Pricker glaubwürdig, sein gesamtes Erscheinungsbild passt vortrefflich zu diesem Charakter. Ruth Drexel und Ute Willing scheinen nur auf den ersten Blick eine angespannte Mutter-Tochter-Beziehung zu pflegen, ihr lauter Umgangston entpuppt sich bald als rauh aber herzlich. Maria Singer sorgt als schrullige Nachbarin für Schmunzler, mit unerschütterlicher Ausdauer und Neugier geht sie den Sailer-Frauen auf die Nerven. Gaby Herbst mutet wie eine herbe und gleichzeitig verstörte Ausgabe von Iris Berben an, Dirk "Sturm der Liebe" Galuba muss einmal mehr als Fiesling herhalten (bei dem Gesicht kein Wunder). Willy Schäfer (Berger, der Dauersklave Derricks) gerät in einer berüchtigten Kneipe an wilde Gestalten. Bulle zu sein ist kein leichter Job, vor allem nicht als ewiger Zuarbeiter.

"Pricker" erfreut mit einem erfrischenden Szenario, welches mit den üblichen Familiendramen (einiger) der vorherigen Folgen weitgehend bricht. Das Drehbuch verlässt sich nicht nur auf das starke Trio Schwarzkopf/Drexel/Willing, sondern kontert die "ländliche Wärme" mit der "kriminellen Kälte" der Großstadt. Die Verhaltensweisen der Charaktere bewegen sich auf nachvollziehbaren Bahnen. Warum sollte sich die Witwe in den besten Jahren sich nicht nach einem neuen Partner sehnen, während die Frau eines inhaftierten Verbrechers sich nicht minder nach ihrem Ehemann verzehrt. Das Finale verstrickt sich nicht in Kitsch, präsentiert aber einen eindeutigen Fingerzeig in Richtung Hoffnung, lässt die bitteren Pillen im Giftschrank liegen. Alfred Vohrer hat (wie so oft) einen guten Job gemacht, beim Überfall auf den Gefangenentransport wird ordentlich auf den Putz gehauen. Spannung, Herzlichkeit und tolle Schauspieler, abgerundet durch schöne Kompostionen von Frank Duval. Nachdem die fünfte Box durchwachsen startete (Ein Kongress in Berlin, # 61), beginnt die sechste Box mit einer sehr unterhaltsamen und äusserst sympathischen Folge.

7/10 (gut)

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Blap Offline




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11.09.2011 22:46
#142 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 6 (Folgen 76-90)

Folge 78 - Eine Rechnung geht nicht auf (Deutschland 1980)

Achim Moldau (Wolfgang Müller) kommt über seinen Kumpel Josef Schenk (Tommy Piper) mit dem Ganoven Recke (Arthur Brauss) in Kontakt. Recke plant einen grossen Coup, Achim kennt sich bestens mit Schweißgeräten aus. Nach dem ersten Treffen in einer Gaststätte, verlässt Moldau das Anwesen als Teil von Reckes Mannschaft. Die Freude währt jedoch nicht lange, denn auf dem Rückweg verschuldet der aufsteigende (absteigende?) Kleingauner einen folgenschweren Autounfall. Im anderen Fahrzeug sind die Eheleute Hofstetter unterwegs, Gudrun Hofstetter (Jutta Kammann) ist sofort tot, ihr Mann Hans (Holger Petzold) jedoch noch bei Bewusstsein. Moldau will helfen, doch der wenig später auftauchende Recke schickt ihn und Schenk fort, will sich selbst um die Angelegenheit kümmern. Hans Hofstetter wird kaltblütig ermordert, alle am Geschehen beteiligten Personen entkommen unerkannt. Derrick und Klein finden zunächst keinen brauchbaren Ermittlungsansatz, bis sie von einem jungen Mann erfahren, der sich rührend um die drei minderjährigen Kinder des getöteten Ehepaares kümmert...

Folge 77 habe ich versehentlich übersprungen, obwohl das Menü der DVD eindeutig gegliedert ist. Ich werde die Sichtung selbstverständlich nachholen.

"Die Rechnung geht nicht auf" lässt den Zuschauer zunächst an einem stimmungsvoll in Szene gesetzten Treffen einiger Ganoven teilnehmen, bei dem sofort die Fronten geklärt werden. Der bereits mehrfach in der Reihe vertretene Wolfgang Müller steht im Mittelpunkt. Müller verkörpert den unscheinbaren, durchschnittlichen Typen, der trotz seiner kriminellen Umtriebe ein Gewissen und Anstand besitzt. Arthur Brauss sehen wir als radikalen Gegenentwurf zu Müllers "gutem Gauner", ein rücktsichtloses Subjekt, vor keiner noch so grausamen Tat zurückschreckend. Tommy Piper fungiert als Bindeglied zwischen diesen Extremen. Lisa Kreuzer wirkte (wie Müller) ebenfalls schon zuvor mehrfach bei "Derrick" mit, sie unterstreicht als Ehefrau Müllers ihre sehr respektable Wandlungsfähigkeit. Alice Treff gibt eine Verwandte der Opfer, die alte Dame reist an um die plötzlich verwaisten Kinder zu beaufsichtigen. Jutta "Oberschwester Ingrid" Kammann und Holger Petzold kommen nur kurz zum Zuge. Wie immer ein starkes Ensemble, Wolgang Müller entpuppt sich als ideale Besetzung, Arthur Brauss spielt überzeugend ekelhaft.

Ein Füllhorn deutscher Krimikunst ergießt sich über den geneigten Zuschauer. Zum Auftakt rauchig-alkoholisiertes Gangstermilieu, ein fieser Mord, ein daraus resultierendes Familiendrama, der von seinem schlechten Gewissen gepeinigte Kleinschurke. Als Krönung der alte Fuchs Derrick, der sich instinktiv und gleichzeitig clever auf den unsicheren Verdächtigen festlegt. Trotz der überschaubaren Laufzeit bleibt genügend Platz für Zwischentöne, sieht man von der eindimensionalen Rolle des Herrn Brauss ab (die aber erstklassig gespielt ist). Nicht nur Achim Moldaus Zerfall wird thematisiert, sondern weiteren Figuren wurde Fleisch auf das Charakterskelett gehangen. Nur vordergründig keift Lisa Kreuzer ihren Gatten ständig an, hinter der schroffen Maske wohnt ein besorgter, liebender Mensch. Alice Treff wahrt als echte Dame die Contenance, doch ihre Frau Riebeck ist mit der tragischen Situation völlig überfordert, steht kurz vor dem Zusammenbruch. Helmuth Ashley kann seine Regie auf ein solides Drehbuch und starke Schauspieler stützen, ein Alfred Vohrer oder Zbyněk Brynych hätte eventuell hier und da diverse Ausrufezeichen hinzugefügt. In diesem Fall gibt es an der nüchternen Arbeit Ashleys keine ernsthaften Kritikpunkte.

7/10 (gut)

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Blap Offline




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18.09.2011 22:58
#143 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 6 (Folgen 76-90)

Folge 77 - Dem Mörder eine Kerze (Deutschland 1980)

Pfarrer Scholz (Horst Frank) erhält in der Nacht ungewöhnlichen Besuch, ein Mörder beichtet dem Geistlichen seine Tat. Am nächsten Morgen sucht Scholz das Atelier des Fotografen Dernberg auf, die Kriminalpolizei ist bereits vor Ort, Dernbergs Leiche wurde von dessen Mitarbeiterin dort aufgefunden. Kurz vor seinem Tod konnte das Opfer noch das Wort "Schule" auf einen Zettel schreiben. Derrick und Klein wundern sich über das unerwartete Auftauchen des Pfarrers, beschäftigen sich jedoch zunächst mit der durch die Notiz entstandenen Spur. Offenbar arbeitete Dernberg gern mit jungen Leuten zusammen, die er für Werbefotos engagierte und recht gut für ihre Dienste entlohnte. Schnell ist die passende Schule gefunden, nicht minder flott weckt das Verhalten des Klassensprechers Albert Hess (Sven-Eric Bechtolf) reges Interesse bei den Ermittler. Derrick hofft auf die Hilfe von Pfarrer Scholz, der an der betreffenden Schule häufiger den Religionsunterricht abhält, daher auch Albert und seine Klassenkameraden kennt. Doch Scholz fühlt sich dem Beichtgeheimnis verpflichet, lässt sich zu keiner eindeutigen Aussage bewegen. Welche Rolle spielt der zunehmend hektisch und ängstlich wirkende Horst Gronau (Sascha Hehn), der ebenfalls für Dernberg vor der Kamera stand, nun an der Übernahme des Studios interessiert zu sein scheint...???

Horst Frank überzeugt als Pfarrer auf ganzer Linie. Pfaffe Scholz versteckt sich nicht mit abgebrühter Routine hinter seinen Sonderrechten, sondern trägt die innere Zerrissenheit seines Charakters sehr eindrucksvoll zur Schau. Käte Jaenicke sehen wir als Haushälterin des Kirchenmannes, die mit der tragischen Situation hoffungslos überfordert ist, obschon sich ihr die gesamte Tragweite nicht erschliesst. Sven-Eric Bechtolf füllt den Part des von Zorn und Leidenschaft angetriebenen Schülers mit Leben aus, trotz der eher "lauten" Anlage der Rolle, gewährt man Bechtolf auch ruhige und feinfühlige Momente. Eva-Ingeborg Scholz spielt die "Heile-Welt-Mami" des jungen Mannes, die reichlich weltfremd und schönfärberisch auf das Leben ihres Sohnes blickt. Sascha Hehn umgibt etwas schleimig-schmieriges, was freilich prächtig zur aalglatten Erscheinung des Blondschopfs passt. Katja Bienert sehen wir als jugendliches Wrack, Rolf Castell als ihren hilflosen Vater. Horst Tappert behält stets den Überblick, weist Fritz Wepper bei Bedarf in die Schranken (und/oder bringt ihn auf Kurs), worauf Harry in einer Szene beleidigt auf der Rückbank des Dienstwagen Platz nimmt.

"Dem Mörder eine Kerze" ist eine sehr starke Folge. Zwar ist der Kriminalfall nicht unbedingt schwer zu knacken, doch (einmal mehr) sorgt das tolle Ensemble für jede Menge Wiedersehensfreude und Wiedererkennungswert. Die nach und nach aufgedeckten Schweinereien bereiten den Nährboden für ein beklemmendes Gefühl. Wenn Derrick schliesslich im Pornokino erschreckende Erkenntnisse eindringlich untermauert sieht, ergiesst sich eine wohlige Ladung Sleaze über den Zuschauer. Der Weichspüler kommt freundlicherweise nicht zum Einsatz, das Finale mündet in die Zerstörung weiterer Leben, setzt ein bitteres Ausrufezeichen. Auf den erhobenen Zeigefinger wird verzichtet, (fast) niemand ist frei von Schuld, weder der Mann der Kirche, noch die Jugendlichen. Umso höher ist der Verzicht auf den Versuch einer moralinsauren Gängelung des Betrachters zu werten, ein mutiges, starkes Drehbuch! Dietrich Haugk inszenierte die sehr gelungenen Folgen "Tod der Kolibris" (#16, 1976) und "Karo As" (#65, 1979), mit "Dem Mörder eine Kerze" kann er seine vorherigen Arbeiten sogar noch toppen. Frank Duval steuerte den Song "Angel of Mine" bei, der im Dezember 1980 im deutschsprachigen Raum die Charts eroberte. Vielleicht nicht Duvals beste Arbeit, aber ohne Zweifel ein angenehmer Popsong. Für mich gehört dieser Fall zu den bisher stärksten der Reihe, ein echter Klassiker des deutschen TV-Krimis!

8/10 (sehr gut)

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Vom Ursprung her verdorben

Blap Offline




Beiträge: 1.128

24.09.2011 23:47
#144 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 6 (Folgen 76-90)

Folge 79 - Der Kanal (Deutschland 1981)

Herbert Junker (Bernd Herzsprung) ist ein echter Schwerenöter, momentan trifft er sich häufig mit seiner Liebschaft Elisabeth Röder (Claudia Rieschel) in einem abgelegenen Landgasthof vor den Toren Münchens. Nachdem wie üblich ein paar Stößchen geplaudert wurden, macht sich Elisabeth auf den Weg nach Hause, ihr Ehemann Jürgen (Volker Eckstein) schöpft ohnehin Verdacht. Herbert Junker will sich noch umsehen, ein anonymer Anruf im Gasthof hat ihn beunruhigt. Einige Stunden später wird Herberts Leiche aus einem Kanal gefischt, zuvor wurde sein herrenloses Auto mit laufendem Motor auf der Strasse entdeckt. Für Derrick und Klein ist Jürgen Röder zunächst der Hauptverdächtige, sein merkwürdiges Verhalten und ein mangelhaftes Alibi belasten ihn schwer. Doch welche Rolle spielt Hannelore Junker (Helga Anders), die Ehefrau des Opfers hatte immerhin seit längerer Zeit unter den amourösen Eskapaden ihres Mannes zu leiden. Auch Herr Zeissler (Wolfgang Wahl), der Schwiegervater des Getöteten, hatte keine hohe Meinung von Herbert Junker, wer sieht die eigene Tochter gern leiden? Die Kriminalbeamten treffen bei ihren Ermittlungen ferner auf Jürgen Röders aufbrausenden Vater (Hubert Suschka), der seinen Hang zum tyrannischen Familienboss offensiv zur Schau trägt. Der Kreis der potentiellen Täter scheint beständig zu wachsen, was ist wirklich mit Herbert Junker geschehen...???

Bernd Herzsprung erweist sich als ideale Besetzung für den Part des windigen Rittmeisters, der gern und häufig die ehelichen Fesseln abstreift. Dennoch wird er nicht als völlig sorgloser Filou gezeichnet, ein rätselhafter Anruf weckt seine glaubwürdig gespielte Besorgnis. Claudia Rieschel investiert mehr Gefühle als ihr Liebhaber, andeutungsweise scheint sie ihre Ehe für ihn aufgeben zu wollen, was von Herzsprung nonchalant übergangen wird. Herzsprung und Rieschel funktionieren als ehebrecherisches Paar sehr gut, im späteren Verlauf der Folge wird Rieschel mehr in den Hintergrund gedrängt. Volker Eckstein war bereits häufiger in der Reihe zu sehen, besonders in "Anschlag auf Bruno" (54) lieferte er eine erstklassige Leistung ab. Einmal mehr agiert er als angespannter und überforderter Zeitgenosse, der zu allem Überfluss unter seinem geringen Selbstwertgefühl leidet. Bei dem Vater kein Wunder, Hubert Suschka poltert lautstark umher, bringt kein Verständnis für seinen schwachen Sohn auf. Entsprechende Charaktere liegen Suschka, spontan muss ich an seine Rolle als fieser Gangster denken, die er in "Perrak" (1970) mit Bravour zum Besten gab. Wolfgang Wahl vertritt als Oberhaupt der anderen in den Fall involvierten Familie ähnliche Ansichten, verkündet diese weniger lautstark, allerdings keinesfalls weniger bestimmt. Mein sinnlicher Höhepunkt dieser Folge kommt in Form von Helga Anders daher. Ihr Auftritt gerät diesmal zwar längst nicht so beeindruckend wie z. B. in "Kaffee mit Beate" (46), doch ich fühle mich stark zu dieser attraktiven Frau hingezogen, die mich "irgendwie" an die lechzige Lina Romay erinnert. Leider verstarb Helga Anders bereits 1986 unter tragischen Umständen. Max Griesser und Monika Baumgartner sehen wir als Gastwirt und dessen Tochter, sie runden das starke Ensemble gelungen ab.

Diesmal gibt es gewissermaßen ein "familienübergreifendes Familiendrama" auf die Augen, eine vermeintlich harmlose Affäre mündet in ein Drama mit tödlichem Ausgang. Mir hat die winterliche Kulisse sehr gut gefallen, die mit ihrer reizvollen Tristesse wie für mich geschaffen ist, sich ausserdem der Atmosphäre als äusserst zuträglich erweist. Für meinen Geschmack ist "Der Kanal" eine der besten von Helmut Ashley inszenierten Folgen, in der Vergangenheit sorgte der Regisseur nicht unbedingt für die Höhepunkte der Reihe. Der erhobene Zeigefinger bleibt in der Tasche, die Umtriebe der Ehebrecher werden weder geschönt noch angeprangert. Lediglich Harry scheint ein wenig angenervt zu sein, ordnen wir sein Verhalten wohlwollend unter "ermittlungstaktike Maßnahmen" ein. Als musikalische Untermalung hält ein Disco-Song her (dessen Titel ich nicht kenne), der mit seinem sanften Gestöhne perfekt zur frühen Phase von "Der Kanal" passt. Was gibt es noch zu berichten? Am liebsten möchte ich in die Glotze springen und Helga Anders trösten, glücklichweise sind die Gedanken frei, darf die Phatasie wirre Netze spinnen. Eine gute und unterhaltsame Folge, starke Schauspieler treffen auf ein solides Drehbuch und eine schöne Winterstimmung.

7/10 (gut)

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25.09.2011 22:33
#145 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 6 (Folgen 76-90)

Folge 80 - Am Abgrund (Deutschland 1981)

Der Trinker Jakob Hesse (Klaus Behrendt) ist auf der Suche nach Stoff, fliegt aber wegen Geldmangel aus jeder Spelunke. Auch in der "Nachteule" hat er keinen Erfolg, der Wirt Walter Raspe (Dirk Dautzenberg) lässt den Alkoholiker von seinem Sohn Willi (Rainer Hunold) rauswerfen. Während Hesse im Hinterhof verzweifelt nach trinkbaren Resten im dort gelagerten Leergut sucht, hört er plötzlich einen lauten Streit, in der Kneipe geht es offenbar hoch her. Tatsächlich kommt es zu einem dramatischen Zwischenfall, bei dem eine junge Frau ihr Leben verliert. Hesse versteckt sich zunächst vor dem Wirt und dessen Gästen, wird wenig später von einem Taxifahrer entdeckt, der den Säufer und die Tote zufällig im Lichtkegel seiner Scheinwerfer wahrnimmt. Überfordert ergreift der Säufer die Flucht, Derrick und Klein ermitteln jedoch ohne grössere Schwierigkeiten seinen Aufenthaltsort. Obschon somit ein Tatverdächtiger ausgemacht ist, stellen sich bei den Kriminalbeamten erhebliche Zweifel an der Schuld Hesses ein. Derrick ist sich sicher, dass Hesse mehr weiss als er preisgibt, konsequent fühlt er dem vermutlichen Zeugen auf den Zahn, setzt damit indirekt den Kneipenbetreiber und die zum Zeitpunkt der Tat anwesenden Gäste unter Druck...

Klaus Behrendt lieferte in "Der Spitzel" (49) eine sehr gute Leistung als ängstlicher Zuträger ab. In der Rolle des völlig fertigen Alkoholikers überzeugt er ebenso, seine Darstellung wirkt glaubwürdig, der Gestank des vergammelten Zechers scheint geradezu aus der Glotze zu kriechen. Ilse Neubauer sehen wir als seine Gattin, die die Anwesenheit ihres trinkenden Mannes schon seit einiger Zeit nicht mehr ertragen kann. Lotte Ledl gewährt Behrendt Unterschlupf in einem kleinen Nebenraum ihrer Unterkunft, die Prostituierte gibt sich schroff, hat aber Herz und pflegt einen ausgeprägten Puppentick. Dirk Dautzenberg pendelt zwischen abweisend und schleimig, Rainer Hunold bleibt blass und weitgehend im Hintergrund. Anton Diffring wird jeder Fan des europäischen Films kennen, er wirkte vor allem in den sechziger und siebziger Jahren in zahlreichen Film-Perlen mit, oft in der Rolle des Bösewichts. Auch hier darf er sich kalt und unsympathisch zeigen, ein wandelndes Gaunerklischee nach bewährtem Schnittmuster. Als Sohnemann des Gangsters lässt Thomas Schücke das arrogante Oberekel raushängen. Die gestandenen Veteranen Joachim Wichmann und Konrad Georg sind in Nebenrollen am Start, Wichmann als unscheinbarer Kellner, Georg als ständig maulender Zimmernachbar der von Lotte Ledl gespielten Hure.

Sieht man von Klaus Behrendts Leistung ab, agiert das übrige Ensemble mit leicht angezogener Handbremse. Regisseur Helmuth Ashley hätte gern ein wenig mehr aus den fraglos qualifizierten Schauspielern herauskitzeln dürfen, denn das Drehbuch von "Am Abgrund" ist bestenfalls biederer Durchschnitt, hätte ein wenig frecher und quirliger agierende Darsteller gut gebrauchen können. Um den ständig strammen Behrendt in einem milderen Licht zu präsentieren, erfährt der Zuschauer den Grund für den totalen Absturz des ehemaligen Lehrers. Ich hätte lieber darauf verzichtet, der zugefügte Weichspüler saugt der Folge lediglich weitere Kraft ab. Das Kneipenmilieu wurde treffsicher eingefangen. Die nach Bier, Schnaps, Kippen und Urinal stinkenden Pilgerstätten sind mit unfreudlichen Wirten ausgestattet, die für ihren besten Kunden nur Spott und Verachtung übrighaben. So ist dann auch der Auftakt dieser Episode stark und zupackend, im weiteren Verlauf verliert sie jedoch spürbar an Biss und Atmosphäre. Insgesamt ordentlich, ein anderer Regisseur (Alfred Vohrer, Zbyněk Brynych) hätte sicher mehr aus dem Stoff herausgeholt.

6,5/10 (oberste Mittelklasse)

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16.10.2011 13:13
#146 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 6 (Folgen 76-90)

Folge 81 - Kein Garten Eden (Deutschland 1981)

Ingo Rolfs (Markus Boysen) taucht im Büro von Derrick, Klein und deren Sklaven auf. Der junge Mann berichtet von schriftlichen Morddrohungen gegen seinen Stiefvater Rudolf Voss (Thomas Holtzmann). Ingo will nichts mit diesen Briefen nichts zu haben, allerdings nehme der Gatte seiner Mutter die Drohungen nicht ernst. Weil sein Verhältnis zu Rudolf Voss sehr angespannt ist, will der Stiefsohn bereits im Vorfeld einer eventuellen Straftat jede Schuld von sich weisen. Als Harry die Wohnung von Voss betritt, findet er dort dessen Leiche vor. Sofort fällt der Verdacht auf Ingo Rolfs, seine Mutter Nadine (Ellen Schwiers) hält ihren Sohn jedoch für unschuldig, zu einer derartigen Tat unfähig. Ulrich Reber (Michael Degen) und seine hübsche Gattin Ute (Rita Russek) wohnen über Voss, im Gemäuer knisterte es gewaltig. Die Kriminalbeamten tauchen in ein verzwicktes Beziehungskonstrukt ein, in das offenbar alle Bewohner des Hauses verstrickt sind...

Markus Boysen spielt den eifersüchtigen, milchbärtigen Sohnemann sehr gut, pendelt gekonnt zwischen Nervosität, Unsicherheit und Wut umher. Ellen Schwiers bleibt zurückhaltend, hat ihre stärksten Szenen während der Rückblenden, in denen sie mit Thomas Holtzmann agiert. Holtzmann zeigt uns ein tragisches Opfer, getrieben von der Sehnsucht nach Liebe und Zärtlichkeit, dabei zunächst durchaus um ein gutes Verhältnis zu seinem Stiefsohn bemüht. Rita Russek werden viele Zuschauer aus der ZDF-Reihe "Wilsberg" kennen, die 1952 geborere Schauspielerin ist noch immer eine attraktive Frau. In den frühen achtziger Jahren war dies nicht anders, doch mir gefällt nicht nur die anziehende Optik der Russek, auch ihre Darbietung der "kokett-naiv-verdorbenen" Ute Reber ist großartig. Derricks Dauersklave Berger (Willy Schäfer) ist wieder für ein paar kleine Schmunzler gut. Er wird von seinem Chef "Tippse" genannt, verhält sich erstaunlich unterwürfig und grenzdebil.

"Kein Garten Eden" präsentiert uns eine Gruppe Menschlein, die allesamt auf der Suche nach Nähe, Zuneigung und Anerkennung sind. Letztlich kommt keiner zum Zuge, bleiben allen Charakteren bestenfalls kurze Momente des Glücks. Derrick veranlasst diese Tatsache zu philosophischen Ausführungen, die er uns in den letzten Sekunden der Folge in die Ohren massiert. Besonders wird dieser Beitrag zur Reihe durch den teils grotesk anmutenden Umgang der zentralen Charakte miteinander, einer seltsamen Mischung aus Gedankenlosigkeiten und Begierden, der stetigen Überbewertung der eigenen Bedürfnisse, bei gleichzeitiger (bewusster und/oder unbewusster) Herabwürdigung der anderen Beteiligten. Diverse Schludrigkeiten (Schatten des Mikrofons, kleine Anschlussfehler) muten ebenfalls ungewöhnlich an, da die Reihe ansonsten durch solides Handwerk geprägt wird. Zur musikalischen Untermalung dient Trompetenterror, nebenbei kommen Pink Floyd mit Auszügen aus ihrem grandiosen Album "Wish You Were Here" zum Zuge. Günter Gräwert inszenierte einen kantigen und erfrischenden Beitrag. Kein Höhepunkt, dennoch sehr sehenswert.

7/10 (gut)

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16.10.2011 22:30
#147 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 6 (Folgen 76-90)

Folge 82 - Eine ganz alte Geschichte (Deutschland 1981)

Arne Reuter (Mathieu Carrière) berichtet Derrick und Klein von einem Mord. Bei dem Opfer soll es sich um Reuters Onkel handeln, den vermeintlichen Täter kann der junge Mann ebenfalls nennen. Allerdings fand die Tat bereits 1946 statt, als die damalige Zonengrenze häufig illegal überschritten wurde. Laut Arne Reuter hat ein gewisser Alfred Answald (Herbert Fleischmann) den Mord verübt, um auf diese Weise in den Besitz wertvoller Edelsteine zu gelangen, die das Opfer über die Grenze schmuggeln wollte. Answald lebt mit seiner Frau Andrea (Elisabeth Wiedemann) und den beiden gemeinsamen Kindern Almuth (Verena Peter) und Erwin (Sascha Hehn) in München, die Familie führt ein glückliches Dasein und ist offenbar wohlhabend. Reuter hat ein altes Vernehmungsprotokoll an sich gebracht, tatsächlich wurde Alfred Answald damals zu dem besagten Mordfall vernommen. Jedoch wird Answald durch dieses Protokoll nicht belastet, zunächst ergeben sich keine ernsthaften Verdachtsmomente. Da Arne Reuter sehr fanatisch und gleichzeitig mit kalter Berechnung vorgeht, weist Derrick den selbsternannten Ermittler mehrfach in die Schranken. Nach und nach rückt Reuter mit weiteren Informationen raus, während der bedrängte Answald zunehmend in Panik gerät...

Mathieu Carrière ist wie geschaffen für die Rolle des "gnadenlosen Rächers", der ohne Rücksicht auf Verluste seiner Version von Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen will. Der völlige Verzicht auf übliche Gewaltandrohungen lässt den Charakter Arne Reuter keinesfalls schwächer wirken, sein scharfer (aber auch blindwütiger) Verstand erweist sich als weitaus gefährlichere Waffe. Sein Gegenspieler wird von Herbert Fleischmann nicht minder grandios gespielt, der Verfall des erfolgreichen Geschäftsmannes und glücklichen Familenvaters gelingt Fleischmann absolut fantastisch. Elisabeth Wiedemann darf erneut unterstreichen, dass sie mehr kann als "Else Tetzlaff" (obwohl ich sie in Folge 58 (Tandem) sogar noch beeindruckender fand). Ihrem Gatten den Vornamen Alfred zu verpassen, werte ich als gelungenes Witzchen des Autors. Verena Peter und Sascha Hehn runden das sterbende Familienidyll ab, bleiben aber stets in der zweiten Reihe, sie präsentieren sich als solide Nebendarsteller. Berger ist diesmal sogar zu eigenen Gedankengängen fähig, erweist sich als brauchbarer Handlager seiner Meister Derrick und Klein.

"Eine ganz alte Geschichte" punktet massiv durch das sehr starke Ensemble, ich verneige mich vor Mathieu Carrière und Herbert Fleischmann. Eine glückliche Familie wird innnerhalb weniger Tage zerstört, niemand kann Arne Reuter stoppen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt kann Derrick die Täterschaft des beschuldigten Answald nicht ausschliessen, muss aus unterschiedlichen Gründen am Ball bleiben. Tappert darf Carrière mehrfach harsche Ansagen machen, das Finale hält dem Zuschauer einen "riesigen Mahnzeigefinger" vor die Nase, stürzt aber dennoch (und erstaunlicherweise) nicht in moralinsaure Gefilde ab. Zbynek Brynych legt eine starke Folge vor, lässt den gepeinigten Herbert Fleischmann nahezu jede mögliche Stimmung durchleben, durchleiden. Ein Fall für die vorderen Ränge des "Derrick-Universums", zunächst belasse ich es bei dicken

7,5/10 (gut bis sehr gut)

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Gubanov ( gelöscht )
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17.10.2011 09:18
#148 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

DERRICK Collector’s Box 1 (Folgen 1 bis 15, 1974-75)





Derrick: Waldweg

Episode 1 der TV-Kriminalserie, BRD 1974. Regie: Dietrich Haugk. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert und Fritz Wepper sowie: Hilde Weissner (Frau Dr. Göbel), Wolfgang Kieling (Rudolf Manger), Ingrid Kannonier (Inge), Gabriele Lorenz (Ellen), Lina Carstens (Frau Manger), Elinor von Wallerstain (Frau Baumann), Herbert Bötticher (Herr Dackmann), Klaus Höhne (Herr Dirks) u.a. Erstsendung: 20. Oktober 1974, ZDF.

Zitat von Derrick: Waldweg
Schon der zweite Mord ist es, der im Wald in der Nähe einer Mädchenschule bei München geschieht. Inspektor Stephan Derrick hat sich schnell auf einige verdächtige Lehrer eingeschossen, doch dann kommt eine weitere Schülerin in tödliche Gefahr. Gelingt es Derrick, dem heimtückischen Täter zuvorzukommen, oder wird morgen von einer dritten Tat berichtet werden?


Welch ein Einstand! Die Programmverantwortlichen des ZDF hatten einen guten Riecher, als sie den ursprünglich als vierte Serienfolge gedrehten „Waldweg“ als Derrick-Premiere im Oktober 1974 über die Fernsehschirme flimmern ließen. Der Verdienst, dass aus der nicht sonderlich neuen Geschichte über einen Triebtäter in Verbindung mit einem abgelegenen Mädcheninternat ein über die Maßen spannender Krimithriller wurde, liegt indes noch nicht unbedingt bei Horst Tapperts Titelfigur, sondern vielmehr bei der Waghalsigkeit des Reinecker-Drehbuchs, auf die Whodunnit-Komponente zu verzichten, in „Columbo“-Manier neben dem Mord auch gleich den Mörder zu zeigen und damit die etablierten Grenzen deutscher Krimikost auszuloten und zu überschreiten. Wolfgang Kieling erhält im Rahmen dieses Experiments die Gelegenheit, seine widerwärtige Rolle von Anfang an voll auszuspielen. Und wie er sie beim Schopfe greift: In Verbindung mit der Slow-Motion-Technik sowie der thematisch passenden, aber stilistisch völlig konträr stehenden Musikuntermalung „Coo Ca Choo“ von Alvin Stardust (für die Musik verantwortlich: Peter Thomas) gestaltet er die Mordszene an Ellen Theiss, dem ersten Opfer von 281 Derrick-Folgen, mit einer Mimik, die ihresgleichen sucht und mir sofort Schauer über den Rücken jagte. Dabei enthält die DVD von more sogar nur die entschärfte Fassung jenes unheimlichen Lustmordes. Nur 1974 wurde das Original ausgestrahlt, das seither von den Bildschirmen der ÖRs verbannt wurde und heute nur noch in Frankreich und teilweise in der Schweiz gezeigt wird. Wer die Folge nur vom Silberling kennt, sollte deshalb unbedingt einen Blick in den Derrick-Fanblog werfen, um in den Genuss der vollständigen, leider von Herbert Reinecker nicht gutgeheißenen Langfassung zu kommen.

Den Ausgangspunkt des von ländlichen Bildern bestimmten Geschehens bildet die leider 2004 stillgelegte S-Bahnstation Mühlthal zwischen Gauting und Starnberg (Nord), wobei für penible Seelen angemerkt sei, dass jeder S6-Zug, der dort in Richtung Erding hielt, nicht aus dem Münchner Zentrum, sondern aus auswärtiger Richtung von Tutzing kam.

Neben Wolfgang Kieling beeindruckt vor allem auch Lina Carstens als geknickte Mutter, die um das furchtbare Geheimnis ihres Sohnes weiß. Das Zusammenspiel der beiden, vor allem in der Szene, in der Kieling sie bittet, ihm einzuschenken, knistert nur so vor unangenehmer Gespanntheit. Auffällig ist, dass trotz des von Anfang an offensichtlichen Täters einige falsche Spuren von Reinecker eingebaut worden sind, was zum Beispiel auf den Lehrer Dackmann (nachhaltig: Herbert Bötticher) oder den granteligen Kioskbesitzer Walter Sedlmayrs, der vielleicht am Tod Ellens (Mit-)Schuld trägt, zutrifft. Stephan Derrick und Harry Klein ermitteln forsch, drängen sich aber nicht in den Vordergrund. Man nimmt dem frischen Duo polizeiliche Kompetenz und Erfahrung ab und freut sich an den teilweise trocken-sarkastischen Sprüchen, die für Würze und Auflockerung im Rätsel um den „Waldweg“ sorgen.

Die Suche nach einer perfekten „Derrick“-Folge dauert nicht lang, wenn man chronologisch nach Ausstrahlungsreihenfolge in die Serie einsteigt. „Waldweg“ ist ein geniales Meisterwerk des deutschen TV-Krimis und serviert nicht nur Kieling in All-Time-Bestform, sondern neben einem gruseligen Fall und äußerst stimmigen Settings auch ein frisches, wenngleich noch ausbaufähiges Ermittlerteam. 5 von 5 Punkten plus, naja, Wohlfühlbonus wäre hier das falsche Wort ...

Gubanov ( gelöscht )
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17.10.2011 09:18
#149 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Johanna

Episode 2 der TV-Kriminalserie, BRD 1974. Regie: Leopold Lindtberg. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Lilli Palmer (Johanna Jensen / Martha Balke), Helmut Lohner (Alfred Balke), Helga Anders (Roswitha Meinecke), Josef Dahmen (Herr Meinecke), Isolde Zimmermann (Frau Meinecke), Helmut Alimonta, Günter W. Schünemann u.a. Erstsendung: 3. November 1974, ZDF.

Zitat von Derrick: Johanna
Martha Balke hat einen fünfzehn Jahre jüngeren Mann geheiratet. Aus Mitleid. Ihren Fehler erkennt sie zu spät, denn Alfred Balke hat den Entschluss gefasst, seine Frau zu töten. Er hat eine jüngere Geliebte und Marthas Geld kann er gut gebrauchen. Doch dann taucht Marthas Schwester Johanna aus Amerika auf: Sie ist der Toten wie aus dem Gesicht geschnitten.


Noch unheimlicher als bei den Taten des Rudolf Manger wäre es beim ZDF zugegangen, wenn man gleich noch eine zweite so extrem gelungene Folge wie „Waldweg“ zum „Derrick“-Auftakt herausgebracht hätte. So steht „Johanna“ ihrem Vorgänger vor allem inhaltlich um einiges nach, was aber der hohen Qualität der Umsetzung nur geringfügig Abbruch tut. Herbert Reinecker wird oft nachgesagt, er hätte gern Stories mit übertriebenem Psycho-Einschlag für die Reihe verwendet, dies vor allem in späteren Produktionsjahrgängen. Vielleicht bietet aber „Johanna“ schon eine Art Vorgeschmack auf diese kopflastige Schiene, die es dem Zuschauer erschwert, die Folge gleich beim ersten Sehen voll und ganz zu genießen. Im Grunde ist das Verbrechen, der Mord eines jungen Mannes an seiner älteren, reichen Ehefrau, durchaus eine interessante Ausgangssituation, was durch die Labilität Balkes und seine neue Flamme, von der er sich offenbar noch viel wilder herumkommandieren lässt als von seiner Gattin, unterstrichen wird. Auch das Duell, das sich im Laufe der Folge zwischen Helmut Lohner und Lilli Palmer, einer Dame der alten Schule, entwickelt, hat scheinbar das Zeug zu bester Fernsehunterhaltung.

Das Problem liegt einerseits darin, dass die Ausführung des Mordes doch recht einfach gezeichnet wirkt und selbst ein Leichtfuß wie Alfred Balke nicht auf den Fehlschluss verfallen kann, ein Inspektor würde nicht dahinter kommen, wie sein Alibi zu knacken ist. Andererseits gibt Balkes schwacher Charakter keinen genügenden Zündstoff und nicht einmal genug Gegenwehr her, um ein wirklich fesselndes Kräftemessen zwischen Lohner und Palmer garantieren zu können. Vielleicht hätte man sich aus dieser leidlichen Situation retten können, indem man einen finalen Mordanschlag Alfreds auf die Schwester Johanna einbauen würde, darauf verfiel Reinecker jedoch leider nicht. Persönlich muss ich noch anfügen, dass ich es – gerade bei einer so realistischen Serie wie „Derrick“ – nicht gern sehe, wenn zwei Geschwister von einem Darsteller verkörpert werden, was irgendwie immer sehr artifiziell und gewollt erscheint, auch wenn es jemand vom Format einer Palmer ist.

Was „Johanna“ dennoch sehr sehenswert macht, ist die impulsive Inszenierung von Leopold Lindtberg (ebenfalls mit der Professorenwürde ausgestattet). Schon die Anfangssequenz suhlt sich diesbezüglich in den Vorstellungen, die sich Alfred Balke und Roswitha Meinecke – die optisch und als Charakter beeindruckende Helga Anders – vom gemeinsamen Glück machen: ein Stammplatz in der Kneipe, genügend Kleingeld für die Musicbox, tanzen und Billard spielen. In welch einem Kontrast stehen dazu die Briefe, die Martha Balke an ihre Schwester Johanna nach Amerika schickt. Sie zeugen von der Ruhe und Bedachtheit, die Alfred vollkommen abgeht, was man vor allem feststellt, wenn man sich die kurzen Zeitspannen überlegt, von denen in dieser Folge die Rede ist (Alfred und Martha sind gerade ein halbes Jahr verheiratet und er kennt Roswitha seit nur drei Monaten). Nicht unerwähnt bleiben soll auch die Wohnung der Meineckes in der Nähe der Gleise am Ostbahnhof, wo man nicht nur mit wertvollem Platz, sondern auch mit den Telefonaten aus der Wohnung des Nachbarn haushalten muss.

„Johanna“ fesselt nicht in gleichem Maße wie „Waldweg“, kann aber durchaus als ein gelungener Charakterkrimi mit passender Milieustudie durchgehen. Weil ich mir sicher bin, dass noch so einiges an ausgemachten Highlights folgen wird, vergebe ich knauserige 3,5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
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18.10.2011 10:05
#150 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Stiftungsfest

Episode 3 der TV-Kriminalserie, BRD 1974. Regie: Helmut Käutner. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Siegfried Lowitz (August Bark), Bruno Dietrich (Helmut Bark), Claudia Butenuth (Inge Bark), Gusti Kreissl (Lore Bark), Herbert Fleischmann (Broll), Ullrich Haupt (Herr Eppler), Andrea Rau (Irene Eppler), Joachim Wichmann (Köhler) u.a. Erstsendung: 1. Dezember 1974, ZDF.

Zitat von Derrick: Stiftungsfest
In einem Dorfhotel hat sich ein Männergesangsverein eingemietet, der Stiftungsfest feiert. Es wird nicht nur aus voller Kehle geschmettert, sondern auch getanzt und getrunken. Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt, als die junge Irene auf ihr Zimmer geht, um sich umzuziehen. Wenn sie gewusst hätte, dass sie dabei ihrem Mörder begegnet, hätte sie die Tür bestimmt abgeschlossen ...


Im tiefsten Winter spielt sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem Landgasthof eine kleine Tragödie ab, die für viele Beteiligte eine große Tragödie ist. Das abgeschlossene, theaterartige Setting, der enge Kreis der Verdächtigen, das Fehlen von gesonderter Fimmusik und die Fokussierung auf den Protagonisten Bark sprechen für eine leise, aber gelungene Folge. Das Drehbuch von Herbert Reinecker weist von Anfang an schon einige psychologisch hochinteressante Momente auf. Dies beginnt, als sich August Bark gleich mehrfach durch seine Mitgliedschaft im Gesangsverein eine positive Lebenseinstellung zuspricht. Vielleicht mag diese Aussage in seiner Selbstanschauung sogar zutreffend sein, in Wahrheit besteht die besagte Einstellung aber nur aus der Überzeugung, sich alles nehmen zu können, was er begehrt und was ihn glücklich und zufrieden stimmt. Erst im Nachhinein erkennt er seine Vermessenheit und dass seine diesmaligen Handlungen ganz und gar nicht dazu beitragen, ihm Seelenfrieden zu verschaffen: Ein Kampf mit sich selbst beginnt, in dem er indes noch nicht alle seiner alten Charakteristika ablegt. So verteidigt er wie ein Löwe seinen Sohn, obwohl es ihn zusätzliche Kraft kostet, die er für die eigene Verteidigung so bitter nötig hat. Dann trifft Herr Eppler ein. Diese Figur symbolisiert für Bark, weil er lange mit den Epplers befreundet war, eine höhere moralische Instanz, der etwas vorzumachen er kaum in der Lage ist. Am Ende entscheidet sich Bark deshalb zu drastischen Maßnahmen, die für gewöhnlich schwer in 60 Minuten zu begründen sind, hier aber durch die atmosphärische und inhaltliche Verdichtung Reineckers völlig nachvollziehbar wirken.

Natürlich trägt auch Siegfried Lowitz’ Porträt des „alten, geilen Bocks“, so Stephan Derrick in einem unbeobachteten Moment zu Harry Klein, zu dem gelungenen Gesamtbild der Folge bei. Im Gegensatz zu Kieling, der, bestätigt durch die Aussage von Mutter Manger, in „Waldweg“ tatsächlich einen kranken Menschen mit offener Tötungsabsicht, Rückfälligkeit und ohne deutliche Reue spielt, gelingt Lowitz die differenzierte Darstellung eines eigentlich eher unauffälligen Ottonormalbürgers, der zum ersten Mal erfahren hat, welche fatalen Folgen der Verlust seines eigenen Verstandes durch ein Sauf- und Tanzgelage gegebenenfalls haben kann. Eigentlich wollte er Irene Eppler ja gar nicht töten. Nicht vernachlässigen sollte man aber auch andere Schauspieler, allen voran der verzweifelte Herr Eppler in Gestalt des überzeugenden Ullrich Haupt. Unrasiert und aufgewühlt kommt er in das Hotel, nachdem er vom Tod seiner Tochter erfahren hat, und hält, ohne es zu wissen, Gericht über den Mörder. Im Gegenteil: Er ist sich sicher, sich mit Bark an die einzige Person zu klammern, die mit Sicherheit unschuldig sein muss (nicht, dass er es Bark damit einfacher macht). Welch ein Erwachen Eppler bevorstehen wird, wenn er von dessen Überführung erfährt!

Der dritte reizvolle Charakter im Bunde, schnell mit ungerechtfertigten und subjektiven Verdächtigungen zur Hand, ist Herr Köhler, der darauf besteht, Barks Sohn bei der Tat beobachtet zu haben. Joachim Wichmann spielt diese Rolle mit einer widerlichen Beharrlichkeit, die erahnen lässt, dass Köhler im Allgemeinen eine viel verabscheuungswürdigere Persönlichkeit als Bark sein muss. Die anderen Rollen und ihre Darsteller, darunter Herbert Fleischmann und „Stecknadel“-Mimin Claudia Butenuth, aber auch der ursprünglich verdächtigte Bruno Dietrich, bleiben Nebenfiguren ohne allzu viel Substanz.

„Stiftungsfest“ konzentriert sich voll und ganz auf die Persönlichkeit des Täters und macht die Gedankengänge, die ihn im Rausch und später im Kampf mit sich selbst umtreiben, für den Zuschauer sicht- und greifbar. Dafür gebührt Reinecker, Lowitz und Regisseur Käutner eine volle Punktzahl von 5 von 5 Punkten.

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