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Dieses Thema hat 977 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Blap Offline




Beiträge: 1.128

11.07.2011 09:26
#121 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Ich lasse mich überraschen. Sicher habe ich bereits einige Folgen damals im Fernsehen geschaut, allerdings sind die Erinnerungen weitgehend gelöscht.

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Mr Keeney Offline




Beiträge: 1.365

11.07.2011 09:31
#122 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Folge 29: Der Mann aus Portofino (1976)

Endlich geht es wieder mal aufs Land, derlei Exkursionen (insbesondere in Landgasthöfe) liebe ich bei Krimis immer ganz besonders, und diese Folge ist (vor allem in der ersten halben Stunde) ein echtes Prachtstück dieser Gattung.

Die Kamera fängt das ländliche Anti-Idyll mit interessanten Perspektiven ein, die Story ist abwechslungsreich und tempovoll und der teilweise zynisch-derbe Humor verleiht dieser Folge einen ganz besonderen Reiz. Tatsächlich finde ich auch, dass in der ersten halben Stunde demonstriert wird, was die Reihe Derrick auch hätte sein können: eine leicht frivol-humoristisch-abenteuerliche und ganz dezent überdrehte Angelegenheit, die aber durch die gesetzte und letzten Endes doch recht strenge Ausstrahlung von Tappert niemals unglaubwürdig oder zu klamaukartig wird. Und so voller Spielfreude habe ich das Ermittler-Ensemble (einschließlich Günther Stoll) selten erlebt. Hier merkt man, dass die Beteiligten sichtlich Spaß an der Sache hatten.

Die zweite Hälfte ist dann mehr bestrebt, die Geschichte aufzulösen. Die Rückblenden mit Dr Pinaldi sind recht prägnant und gelungen und bleiben haften. Und die ganze Atmosphäre auf dem Gutshof schlägt irgendwie einen Bogen zu den späteren Derrickfolgen und deren (manchmal recht biederen) Schauplätzen. Mit der kleinen verrückten Extravaganza dass sich Derrick in bester Sitzblockade-Manier vor der Tür des Gutsherrn niederlässt. Also auch die zweite Hälfte glänzt und bringt die Folge zu einem stimmigen Ende. Auf eine Aufzählung all der kleinen liebenswerten Details dieser Folge verzichte ich, imposant ist nicht zuletzt auch die Präsenz von unzähligen bayrischen Volksschauspielerlegenden, die sich teilweise auch für kleinste Nebenrollen nicht zu schade waren ( Karl Tischlinger, Max Grießer, Hans Stadtmüller und natürlich Alexander Golling brillierend als herrlicher Finstermann!).

Ich will mich überhaupt diesmal kurz fassen, ich habe absolut nichts zu meckern, gehört sicher (und ganz locker-flockig) bislang zu meinen Top 5-Folgen (zu einer genaueren Abstufung müsste ein Direktvergleich her, bislang scheint mir aber lediglich Stiftungsfest noch nen Zacken besser zu sein), Daumen hoch, auf jeden Fall und mit allen Mitteln!

Mr Keeney Offline




Beiträge: 1.365

17.07.2011 10:02
#123 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Nach Durchsicht der zweiten Derrick-Box hier meine dazugehörige Rangliste:

1. Der Mann aus Portofino
2. Kalkutta
3. Das Superding
4. Pecko
5. Schock
6. Angst
7. Tote Vögel singen nicht
8. Das Bordfest
9. Kein schöner Sonntag
10. Ein unbegreiflicher Typ
11. Auf eigene Faust
12. Yellow He
13. Tod der Kolibris
14. Risiko
15. Tod des Trompeters

Trotz einiger starker Folgen überwiegt m.E. in der zweiten Box das Mittelmaß und im Gesamteindruck fällt diese gegenüber der bärenstarken ersten Box etwas ab, allerdings nie unter den Durchschnitt!

Blap Offline




Beiträge: 1.128

18.07.2011 00:10
#124 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 5 (Folgen 61-75)

Folge 62 - Das dritte Opfer (Deutschland 1979)

Im Urlaub kommt Derrick mit dem ebenfalls in München lebenden Albert Grosser (Lambert Hamel) ins Gespräch. Der Mittvierziger wirkt glücklich, seit wenigen Wochen ist er mit der hübschen Gabriele Voss (Jutta Speidel) befreundet. Wenig später wird Grosser in seinem Hotelzimmer erschossen, Derrick bietet den zuständigen Kollegen seine Hilfe an. Beim dienstlichen Gedankenaustausch mit Harry, fallen Derrick wieder die merkwürdigen Fragen ein, die ihm das Mordopfer voller Wissbegierde stellte. Offenbar war Grosser äusserst fasziniert von der beruflichen Tätigkeit des Kriminalbeamten. Die Nachforschungen führen in das Haus der Familie Dorp. Albert Grosser lebte im Haus seines wohlhabenden Schwagers Martin Dorp (Heinz Drache), in dessen Firma er einer einfachen Tätigkeit nachging. Erstaunlicherweise treffen die Ermittler vor Martin Dorps Büro auf Gabriele Voss...

Wenn Alfred Vohrer für die Regie einer Folge verantwortlich war, gab es für den Zuschauer meist ein Wiedersehen mit Stars aus der Wallace-Ära. Kein Wunder, immerhin inszenierte Vohrer mehr Wallace-Streifen als jeder andere Regisseur. Heinz Drache (nach Joachim Fuchsberger wohl der bekannteste "Wallace-Inspektor") spielt in "Das dritte Opfer" ein vordergründig hilfbereites Familienoberhaupt, Drache wirkt deutlich gereift und legt einen überzeugenden Auftritt hin. Lambert Hamel kann zu Beginn auftrumpfen, sein Albert Grosser ist ein tragisch-sympathischer Verlierer, allerdings mit einem leichten Hang zur Nervensäge. Jutta Speidel balanciert gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen unschuldiger Naivität und dem Verlangen nach Luxus. Die weiteren Mitwirkenden fügen sich gut ins Bild ein, bleiben aber eher beliebig, da der Fokus auf Drache und Speidel liegt.

Jetzt ist mir endlich und unmißverständlich klar, warum der Oberinspektor so selten in den Urlaub fährt. Während im Dienst ein flotter BMW als Gefährt dient, reicht es für den Privatmann Derrick nur zu einem klapprigen VW. Ob Vohrer damit die Unterbezahlung unserer Staatsdiener an den Pranger stellen wollte? Doch vielleicht war das traurige Vehikel nur ein Leihwagen, wir werden es wohl nie erfahren. Ansonsten bekommen wir es in "Das dritte Opfer" mit einem sehenswerten Familiendrama zu tun, im Haus der Dorps macht sich von Anfang an eine -gekonnt eingefangene- befremdliche Stimmung breit. Die Musik von Hans-Martin Majewski tönt angenehm, die frühe Phase der Folge sorgt für Abwechslung bezüglich der Schauplätze. Sicher keine der stärkeren Arbeiten von Alfred Vohrer, allerdings durchaus unterhaltsam, vor allem gut gespielt.

6,5/10 (oberste Mittelklasse)



Folge 63 - Die Versuchung (Deutschland 1979)

Die Firma von Walter Möbius (Klaus Wildbolz) und Rolf Sossner (Peter Fricke) steht kurz vor der Pleite, als Sossner von seinem Geschäftspartner mit einer unglaublichen Idee überrascht wird. Möbius will seine Entführung vortäuschen, sein reicher Schwiegervater Oswald Demmer (Heinz Moog) soll ein dickes Lösegeld ausklinken. Zunächst ist Sossner regelrecht entsetzt, schliesslich sträubt er sich nicht weiter gegen das gewagte Unterfangen. Demmer hält nicht viel von seinem Schwiegersohn, entschliesst sich aber doch zur Zahlung des Lösegeldes, er möchte seiner Tochter Ingrid (Dany Sigel) Leid ersparen. Der "Entführer" verlangt telefonisch, dass Rolf Sossner den Geldkoffer nach seinen Anweisungen abliefern soll. Selbstverständlich überwacht die Polizei den Vorgang, doch nach der Übergabe sind Täter und Geld verschwunden, der Entführer hatte seine Flucht augenscheinlich gut durchdacht. Derweil wachsen bei Derrick Sorgen und Skepsis, denn Möbius bleibt trotz der erfolgreichen Geldübergabe verschwunden...

"Der Kommissar" Erik Ode zeichnet für die Regie dieser Folge verantwortlich. Ode verzichtet auf Krawall und sonstige Wüstheiten, verlässt sich auf seine Schauspieler und solides Handwerk. Dem Drehbuch hätte ein wenig mehr Mut gut zu Gesicht gestanden, denn die Motive des Täters sind allzu offensichtlich, seine Überführung gelingt mit einem extrem simplen Trick. Peter Fricke gefiel bereits in "Klavierkonzert" (Folge 45), wo er einen unter Druck geratenen Musiker zum Besten gab, hier ist seine Rolle ähnlich angelegt. Das passt wunderbar, denn Fricke scheint die Hektik regelrecht aus dem Antlitz zu springen. Klaus Wildbolz und Dany Sigel bieten übliche (gute) Standardkost an, während Heinz Moog als polternder Geldspeicher ordentlich vom Leder ziehen darf. Horst Tappert kommt nach und nach auf Betriebstemperatur, zunächst wird in aller Ruhe ein Apfel verspeist, ein guter Ermittler braucht Vitamine.

"Die Versuchung" verliert durch fehlende Verdachtsmomente gegen Nebenfiguren ein wenig an Reiz, zumindest sind entsprechende Verdachtsmomente nicht überzeugend angelegt. Am guten Ensemble liegt es ganz sicher nicht, dass die Folge lediglich als "angenehmer Derrick-Standard" über die Zielgerade läuft. Zwar gibt es interessante Enthüllungen zu einem möglichen "Nebenmotiv", doch diese bringen den Zuschauer noch eindeutiger auf die Fährte des Täters, packende Wendungen glänzen leider durch Abwesenheit. Über den Abspann hat Frank Duval eine sehr schöne Komposition gelegt, die mich stark an die Musik von Tangerine Dream aus dieser Zeit erinnert (was ausdrücklich ein dickes Lob darstellt!).

6,5/10 (oberste Mittelklasse)

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Markus Offline



Beiträge: 683

18.07.2011 09:42
#125 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Mr Keeney im Beitrag #122
Folge 29: Der Mann aus Portofino (1976)

[...] Tatsächlich finde ich auch, dass in der ersten halben Stunde demonstriert wird, was die Reihe Derrick auch hätte sein können: eine leicht frivol-humoristisch-abenteuerliche und ganz dezent überdrehte Angelegenheit, die aber durch die gesetzte und letzten Endes doch recht strenge Ausstrahlung von Tappert niemals unglaubwürdig oder zu klamaukartig wird. Und so voller Spielfreude habe ich das Ermittler-Ensemble (einschließlich Günther Stoll) selten erlebt. Hier merkt man, dass die Beteiligten sichtlich Spaß an der Sache hatten. [...]

Diese Episode habe ich vor ein paar Jahren als Wiederholung gesehen. Mir schien Tappert hier stark auf seine (etwas skurrile) Version von Columbo zu machen, mit der aufgesetzten Freundlichkeit und dem bohrenden Nachdruck. Dazu passt, dass Tappert Ende der 90er in einem Interview erzählte, dass er die Columbo-Serie sehr mag.

Gruß
Markus

Blap Offline




Beiträge: 1.128

24.07.2011 00:36
#126 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 5 (Folgen 61-75)

Folge 64 - Ein Todesengel (Deutschland 1979)

Arthur Tobbe (Christian Quadflieg) spielt in seiner Stammkneipe Skat, als er auf eine junge Frau (Sabine von Maydell) aufmerksam wird, die ihn mit erstaunlicher Ausdauer in Augenschein nimmt. Er spricht die Unbekannte an, die sehr schnell einem weiteren "Gedankenaustausch" in Tobbes Wohnung zustimmt. Während der Bursche sich bereits auf eine eindringliche Unterhaltung freut, peitscht plötzlich ein Schuss durch die Nacht. Tobbe bricht verletzt zusammen, seine Begleiterin ergreift in Panik die Flucht. Noch im Krankenhaus lässt die Kriminalpolizei eine Phantomzeichnung der Frau anfertigen, denn Tobbe kennt weder ihren Namen noch Wohnort. Zehn Tage später taucht die rätselhafte Fremde bei Tobbe auf, der sich über das unerwartete Wiedersehen freut. Inzwischen ist sie zu einer Aussage bei der Polizei bereit, endlich erfährt Arthur Tobbe den Namen seiner Bekanntschaft. Anita Glonn kann den Ermittlern nicht weiterhelfen. Sie gibt wenig überzeugend vor, aus Angst und Entsetzen geflüchtet zu sein. Für Tobbe soll es nicht das letzte Treffen mit Anita gewesen sein, erst spät erkennt er die drohende Gefahr. Zu spät???

Christian Quadflieg sehen wir als mäßig erfolgreichen Typen, der noch immer in der Wohnung seiner Eltern lebt. Arthur Tobbe ist ein harmloser (?) Aufschneider, der sich recht unbekümmert durch Leben wurschtelt. Quadflieg gelingt eine glaubwürdige Darstellung dieses Charakters, dessen glatte Fassade letztlich ins Bröckeln gerät. Herrlich kauzig spielen Dirk Dautzenberg und Brigitte Mira als Eltern auf, die den Lebenswandel ihres Sohnes schon lange nicht mehr nachvollziehen können. Entsprechend angespannt ist der Umgangston zwischen Eltern und Sohn. Sabine von Maydell hatte bereits in der Derrick-Folge "Tod des Trompeters" (1976) einen soliden Auftritt. Als Anita Glonn wirkt sie sehr stoisch, gibt ihre wahren Absichten nicht preis, bringt ihr Opfer (?) damit fast zur Raserei. Thomas Fritsch ist in einer Nebenrolle am Start, er tauchte bereits mehrfach in der Reihe auf. Seine Leistung ist ordentlich, mehr kann ich wegen Spoilergefahr nicht dazu schreiben.

Obwohl der "wüste" Alfred Vohrer "Der Todesengel" inszenierte, wedelt diese Folge mehrfach penetrant mit dem erhobenen Zeigefinger vor der Nase des Zuschauers herum. Derrick und Klein wurden befremdliche Dialoge in den Mund gelegt, die in den vorherigen Jahrgängen nicht zu finden waren, zumindest nie derartig ausgeprägt. Keine Macht den Drogen, und überhaupt diese widerliche Lotterleben, pfui Deibel! Andererseits sind die Eltern Tobbe stark überzeichnet, werfen ein trauriges Licht auf die Spiessbürgerschaft. Dadurch wird der moralinsaure Tenor ein wenig abgemildert, vielleicht gar (fast) ausgehebelt. Hier wäre es sehr interessant zu wissen, ob Vohrer der Moralkeule auf seine Art Paroli bieten wollte, oder ob Autor Reinecker diese Doppelbödigkeit so beabsichtigte!? Frank Duval hat eine nettes Liedchen komponiert, das im Laufe der Handlung immer wieder zum Zuge kommt. Mir fällt die Bewertung dieser Folge sehr schwer. Die Figurenkonstellation ist ansprechend, die Auflösung sorgt für eine Besonderheit innerhalb der Reihe (erneut schweige ich wegen akuter Spoilergefahr). An der Leistung der Schauspieler gibt es nicht zu meckern, jedoch stossen mir einige Dialoge sauer auf. Ich möchte jedoch daran glauben, dass Alfred Vohrer clever gegengesteuert hat. Daher sind 7/10 angemessen, ohne meinen Glauben an Frau Vohrer gäbe es einen Punkt weniger.

7/10 (gut)

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Blap Offline




Beiträge: 1.128

25.07.2011 01:38
#127 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 5 (Folgen 61-75)

Folge 65 - Karo As (Deutschland 1979)

Jochen Karo (Günther Maria Halmer) ist durch seine Alkoholsucht schwer gezeichnet. Er lebt in einer heruntergekommenen Bruchbude, taumelt auf der Suche nach dem nächsten Suff durch die Stadt. Eines Tages greift ihm ein freundlicher Unbekannter (Klausjürgen Wussow) unter die Arme, zahlt in der Kneipe für ihn, bringt ihm Nachschub in die Wohnung. Doch Bernhard Demmler steht der Sinn keineswegs nach Nächstenliebe, er will den Trinker als Killer auf seine wohlhabende Gattin ansetzen. Karo wiegelt zunächst entschieden ab, schlägt sogar eine grössere Summe Geld aus. Schliesslich geht er dem eiskalten Demmler doch ins Netz, Karo schiesst aus dem Hinterhalt auf Agnes Demmler (Joana Maria Gorvin). Der Anschlag ist nicht von Erfolg gekrönt, Frau Demmler überlebt, erholt sich im Krankenhaus. Derweil nagt das Gewissen an Karo, der Agnes Demmler schliesslich "zufällig" im Krankenhaus besucht. Die gutherzige Dame ahnt nichts von den Hintergründen, sie kommt mit dem freundlichen jungen Mann ins Gespräch. Für den fiesen Gatten wird die Luft zunehmend dünner. Er will Karo wieder auf Kurs bringen, doch der lässt sich nicht mehr manipulieren, hat sogar dem Alkohol entsagt...

Erneut findet ein Mordanschlag statt, den das Opfer jedoch überlebt (Siehe Episode 64 - Ein Todesengel). Auch in dieser Folge steht der Kriminalfall im Hintergrund, Hauptattraktion sind die sehr gut gespielten Charaktere. Vor allem Günther Maria Halmer liefert eine brilliante Leistung ab. Seine Darstellung des ausgebrannten Trinkers ist großartig, realitätsnah und berührend. Sicher kommt die "Wandlung" recht plötzlich, dies ist der knappen Laufzeit geschuldet, mehr kann man kaum in eine Stunde packen. Wobei ich gar nicht von einer Wandlung des Jochen Karo sprechen mag, vielmehr bringen die Ereignisse den wahren Karo zum Vorschein, ziehen ihn aus dem Abwärtsstrudel der Sucht empor. Halmers Darbietung ist großartig, sie wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. Klausjürgen Wussow gibt den abgründigen Bösewicht, der seinen Besitzstand mit allen Mitteln wahren will. Auch Wussow überzeugt, die Kälte des Bernhard Demmler greift regelrecht nach dem Zuschauer. Joana Maria Gorvin mag als Agnes Demmler manchen Betrachtern ein wenig zu "gutmenschlich" angelegt sein, doch ich habe ihr die liebenswerte Dame in den besten Jahren jederzeit abgenommen. Henry Gregor sehen wir als Bruder des Anschlagopfers, Katerina Jacob als Agnes Demmlers Tochter Luisa, die keine hohe Meinung bezüglich ihres Stiefvaters hat. Sepp Wäsche ist als resoluter Wirt am Start.

Extreme Charaktere treffen aufeinander. Der Verlierer, die Gute, der von Gier getriebene Fiesling. Schon wegen der tollen Schauspieler hätte man diese Folge in Spielfilmlänge produzieren dürfen, Halmer hätte dadurch noch mehr Raum zur Entfaltung bekommen. Derrick und Klein arbeiten zuverlässig wie ein Uhrwerk, sorgen hier und da für eine kleine Prise Wortwitz, der die Folge aber nie in Albernheiten abrutschen lässt. Der flotte Schnitt ist mir diesmal sehr positiv aufgefallen, an der Regie von Dietrich Haugk gibt es ebenfalls nichts zu bemängeln. Frank Duvals Elektronik wurde mit knackigen Drums aufpoliert, ich bin begeistert! Wer auf ein spannendes Kriminalrätsel hofft, wird mit "Karo As" wohl nicht das Gesuchte finden. Da die Reihe aber immer wieder die üblichen Pfade verlässt, sollte der Fan (vermutlich) gut mit dem Stoff klarkommen.

7,5/10 (gut bis sehr gut, inkl. "Halmer-Bonus")

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Blap Offline




Beiträge: 1.128

31.07.2011 14:02
#128 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 5 (Folgen 61-75)

Folge 66 - Hanna, liebe Hanna (Deutschland 1980)

Magda Klein (Ute Christensen) reist aus Kassel an, sie will in München ihren Vater treffen. Dieser war ins Land der Bajuwaren gefahren, um seine Ex-Frau Hanna Windorf (Christine Wodetzky) um eine Finanzspritze zu bitten. Doch Madgas Vater ist verschwunden, hat nicht in seinem Pensionszimmer übernachtet. Derrick bekommt zufällig die Besorgnis der jungen Frau mit, als diese auf dem Revier eine Vermisstenmeldung aufgibt. Am nächsten Morgen schaut Harry vorbei, er soll Magda bei der Suche nach ihrem Vater unterstützen. So trifft Magda nach vielen Jahren auf ihre Mutter Hanna, die die Familie damals für ein "besseres" Leben verlassen hatte. Hanna wirkt beim Wiedersehen überfordert, regelrecht geschockt, was Harry freilich sofort zur Notiz nimmt. Ganz anders verhält sich Hannas Ehemann Ernst (Herbert Fleischmann). Der wohlhabende Geschäftsmann freut sich sehr darüber, endlich die Tochter seine Gattin kennenzulernen, lädt sie sofort in sein Haus ein. Wenig später wird die Leiche von Magdas Vater im Wald aufgefunden...

Derrick der gute Geist ist immer zur Stelle, zur Not kümmert er sich sogar um Vermisstenfällle. Warum auch nicht, wozu hat er einen Harry an seiner Seite? Vielleicht war es die gute Nase des Ermittlers, die den Mord bereits witterte. Die Zierde dieser Folge ist für mich Herbert Fleischmann. Ich sehe den Nürnberger stets gern, hier bricht er die üblichen "Stiefvater-Klischees" auf, hat damit die interessanteste Rolle erwischt. Ute Christensen spielt die verzweifelt suchende Tocher recht ordentlich, Christine Wodetzky gefällt mir als überspannte Mutter sehr gut. Jürgen Goslar sehen wir als Mitarbeiter Fleischmanns, Volker Eckstein taucht häufiger in der Reihe auf, einmal mehr als verdächtige Gestalt. Rudolf Wessely soll nicht unerwähnt blieben, er sorgt als schrullig-sympathischer Hotelfritze für ein wenig Auflockerung.

"Hanna, liebe Hanna" gehört nicht zu den stärksten Folgen, kann aber -wie immer- auf ein zuverlässiges Ensemble bauen. Das Drehbuch ist leider keine Glanzleistung, zu vorhersehbar und überraschungsarm plätschert die Erzählung vor sich hin. Passenderweise hält sich auch die Musik von Frank Duval sehr zurück, über dem Abspann tönt eine harmlos-belanglose Kompostion. Nicht wirklich schlecht, dennoch unscheinbar und schnell aus dem Gedächtnis verschwindend. Regisseur Theodor Grädler kämpft gegen den schlappen Plot, bewahrt die Episode vor dem Absturz in den Keller.

6/10 (obere Mittelklasse)

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Blap Offline




Beiträge: 1.128

01.08.2011 00:44
#129 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 5 (Folgen 61-75)

Folge 67 - Unstillbarer Hunger (Deutschland 1980)

Helga Wichmann (Diana Körner) wird nach dem Besuch einer Bar vor ein nahendes Auto geschubst, sie ist sofort tot. Der Fahrer und weitere Zeugen haben den Täter gesehen, doch er konnte unerkannt die Flucht ergreifen. Als Derrick der Familie des Opfers die traurige Nachricht überbringt, zeigt sich die Schwiegermutter Elisabeth (Maria Wimmer) zutiefst betroffen. Indessen fällt die Reaktion des Ehegatten Eberhard Wichmann (Peter Fricke) erstaunlich aus, seine Gefühlskälte lässt die Ermittler erschauern. Eberhard Wichmann wusste von den Seitensprüngen seiner Frau, dachte aber trotzdem nicht an eine Scheidung, da dies nicht in sein eingeschränktes Weltbild passt. Derrick und Klein finden ein Notizbuch der Toten, sie suchen daraufhin diverse Bekanntschaften der attaktiven Frau auf. Derrick interessiert sich für das Schicksal Helga Wichmanns, die nur auf den ersten, oberflächlichen Blick einen ruchlosen Lebenswandel führte. Offenbar war die sensible Person in erster Linie auf der Suche nach Wärme und Zuneigung, die ihr von ihrem verstockten Ehemann verweigert wurde. Dem eiskalten Eberhard Wichmann ist der Mord zuzutrauen, doch er kann für den Zeitpunkt der Tat ein Alibi vorweisen...

Peter Fricke ist auf (mehr oder weniger) seltsame Charaktere abonniert. Seine Darbietungen in den Folgen "Klavierkonzert" (45) und "Die Versuchung" (63) waren stark, in "Unstillbarer Hunger" stellt er eine (un)menschliche Tiefkühltruhe sehr überzeugend dar. Er verströmt jedoch nicht nur eisige Kälte, die Krönung ist sein fieser Zynismus, der seinem Umfeld (und nicht nur dem) schwer zusetzt. Maria Wimmer entspricht nicht im Ansatz dem Klischee der bösen Schwiegermutter. Im Gegenteil, sie fühlt sich ihrer Schwiegertochter sehr nahe, hatte Verständnis für deren zunehmende Verzweiflung, den daraus resultierenden Griffen nach einem Rettungsanker. Pierre "Pecko" Franckh sehen wir als jüngeren Sohn Maria Wimmers, der sich unterwürfig-schleimig um die Zuneigung seines älteren Bruders bemüht. Diana Körner kommt nach ihrem Episodentod durch Rückblenden zum Zuge, in denen der Zuschauer mehr über die Ehe der Wichmanns erfährt. Sascha Hehn taucht in einer Nebenrolle auf, Klaus Wildbolz als freundlicher Barmann. Harry entpuppt sich als Spiesser, während Derrick eine differenzierte Sicht auf die Dinge hat. Wie üblich spielen alle Beteiligten auf gutem bis hervorragendem Niveau.

"Unstillbarer Hunger" gibt dem Zuschauer mit dem von Peter Fricke verkörperten Eberhard Wichmann, sehr schnell und eindeutig ein glasklares "Hassobjekt" an die Hand. Hingegen werden die von Maria Wimmer und Diana Körner gespielten Charaktere mit jeder Minute sympathischer. Auf Graustufen wird weitgehend verzichtet, wodurch der Betrachter freilich einer Gängelung unterzogen wird (Der ich mich nicht entziehen wollte, denn Fricke ist grandios als Widerling, Eberhard Wichmann kann (und darf) ich/man mit Leidenschaft verabscheuen). Das Schicksal des Opfers mutet mit fortschreitender Spieldauer zunehmend tragischer an. Eine Frau auf der Suche nach Wärme, die auch abseits ihrer grauenvollen Ehe nur auf oberflächliche Gestalten trifft. Der finale Hohn des Witwers treibt selbst den erfahren Derrick wortlos aus dem Haus. Die Auflösung ist nachvollziehbar, wird dem aufmerksamen Zuschauer frühzeitig klar sein. Als Schwäche möchte ich diesen Punkt nicht werten, denn der Schwerpunkt wurde auf das bittere Familiendrama gelegt. Frank Duval beendet die Folge mit melancholischen Klänge über dem Abspann, die den Zuschauer bedrückt und nachdenklich zurücklassen. Eine der besten Folgen von Regisseur Helmuth Ashley, der mich in der Vergangenheit nicht immer vollends zufriedenstellen konnte.

7/10 (gut)

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Mr Keeney Offline




Beiträge: 1.365

01.08.2011 09:15
#130 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Folge 32: Eine Nacht im Oktober (1977)

Die Verstrickungen dieser Oktobernacht gestalten sich eigentlich idealtypisch entsprechend dem Derrick-Kosmos, es handelt sich um ein ermordetes Mädchen nachts auf der Straße. Die Auflösung, soviel sei verraten, entpuppt sich allerdings als für Derrick-Verhältnisse außergewöhnlich und doch ziemlich überraschend, wie ich finde.

Derrick selbst scheint mir hier in akuter Gefahr, sich direkt und ohne weitere Umwege in die Rolle des verständnisvollen ermittelnden Übervater, der er in seiner Spätphase zweifellos war, zu begeben, denn sein Auftritt wirkt merkwürdig zahm und gebändigt, während ihm Traugott Buhre und natürlich vor allem Bernhard Wicki Vorlagen um Vorlagen liefern, denen Derrick meines Erachtens noch ein, zwei Jahre früher sicherlich jenseits seiner Haut (oder seiner Haut lediger *gg*) begegnet wäre. Sicher: man kann derlei subjektive Wahrnehmungen auch überinterpretieren, aber ein gewisser Übergang ist zu spüren ...

Dies mag durchaus auch mit dem Jahrgang zu tun haben: Harrys Ziehvater „Der Kommissar“ hatte im Jahr zuvor seine Ermittlungen eingestellt, eine Serie in der die hier unerbittlich klassisch aufspielende Brigitte Horney ebenfalls brillieren durfte, eine der letzten verbliebenen schwarz-weißen Inseln im deutschen Fernsehen (so wie auch Horneys Wallace-Schaffen im Übergang zur Farbe stattfand: „Neues vom Hexer“ – „Das Geheimnis der weißen Nonne“). Auch in den Diskotheken veränderten sich allmählich Musik- und Kopflandschaften. So weit, dass sich mittelalte unglücklich vermählte und weitgehendst außer Haus weilende Marktschreier mittlerweile reintrauen? Honni soit, qui mal y pense ...

Die Folge lebt wie so viele andere von den hochkarätigen Schauspielleistungen, vor allem imposant, wie ehrlich beeindruckt der Vertreter Steinbrink von den Verhältnissen und Lebensumständen bei Dr. Lechner ist, und vor lauter ehrlichem und tiefempfundenen Respekt wie willenlos und gläubig auf dessen Fragen reagiert.

Ein Wiedersehen mit Thomas Astan ist in 60-Minütern (bzw. „Freitagskrimis“) eine schöne gute Tradition, die auch den Übergang vom Kommissar bis in die 90er Jahre erleichtert, und macht auch immer wieder Laune.

Atmosphärisch ist vor allem die Szene in der Turnhalle, mit den abendlich dunklen (oktobertristen) Scheiben im Oberlicht der Turnhalle, und dem wohl unbeabsichtigten Ball an den Kopf der von Derrick gerade befragten Zeugin. Es spricht für die Qualität und die Lässigkeit der agierenden Schauspieler und Männer hinter der Kamera, dass man dies so durchgehen lassen und in den fertigen Film durchwinken konnte, und dadurch nur noch ein Plus an Authentizität erzeugte. Falls beabsichtigt, spräche die Szene für den lässigen Humor des Drehbuches ;-)

Zwischendrin fehlt es etwas an Spannung, aber aufgrund der Schauspieler und der gelungenen Auflösung rangiert die Episode immer noch über dem Durchschnitt.

Blap Offline




Beiträge: 1.128

07.08.2011 00:08
#131 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 5 (Folgen 61-75)

Folge 68 - Ein Lied aus Theben (Deutschland 1980)

Als Inge Bruckmann (Mijou Kovacs) nach dem Tanztraining von ihrem Freund Hans (Eckhard Heise) abgeholt wird, hat dieser eine Auseinandersetzung mit dem aufdringlichen Ulrich Hemp (Werner Schulenberg), in deren Verlauf sich Hemp einen Schlag ins Gesicht einfängt. Wenig später ist Hans tot, seine Mutter (Edith Schneider) endeckt die Leiche ihres Sohnes. Sofort fällt der Verdacht auf Ulrich Hemp, der jedoch nach einer Nacht in Untersuchungshaft aus Mangel an Beweisen entlassen wird. Da Inges Eltern beruflich längerfristig im Ausland leben, haben sie ihre Tochter bei Dr. Munch (Siegfried Wischnewski) und dessen Familie untergebracht. Auch Munchs Sohn Robert (Michael Boettge) hat ein Auge auf die hübsche Inge geworfen, genau wie Ulrich hatte er in der Vergangenheit Ärger mit dem Mordopfer...

Mit Mijou Kovacs bietet diese Episode eine attraktive Darstellerin an, die glaubwürdig das Begehren der anwesenden Herrer weckt (Die seriösen Ermittler sind freilich davon ausgenommen). Werner "Adi Dong" Schulenberg spielte bereits in "Die Puppe" (57) reichlich irrsinnig auf, erneut sehen wir ihn in einer verschrobenen Rolle. Diesmal gibt er eine Art Stalker, der gewissen Leuten die nackte Angst ins Genick treibt. Siegfried Wischnewski hat mit (s)einer zunehmend bröckelnden Fassade zu kämpfen, während Inge Birkmann ihrem Gatten zur Seite steht. Michael Boettge und Eckhard Heise bleiben eher austauschbar, Maria Sebaldt leitet das Tanzensemble fachkundig an.

Allzu viel mag ich über "Ein Lied aus Theben" nicht schreiben, der Plot ist zu durchsichtig angelegt, zu leicht lässt sich der wahre Täter ausmachen. Dies tritt bei manch anderer Folge der Reihe ebenfalls auf, dort wird dem Zuschauer aber ein alternative Spielwiese angeboten, oft packende Famlien-/Beziehungsdramen. Leider schwimmt man hier lediglich an der Oberfläche, immerhin fangen die gewohnt guten Schauspieler das sehr mittelprächtige Drehbuch auf. Eine unscheinbare Episode, die sich nur ganz knapp oberhalb von "Ein Kongress in Berlin" (61) platzieren kann.

Sehr, sehr wohlwollend: 6/10 (obere Mittelklasse), die Tendenz weist in Richtung 5,5/10

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Vom Ursprung her verdorben

Blap Offline




Beiträge: 1.128

07.08.2011 23:20
#132 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 5 (Folgen 61-75)

Folge 69 - Tödliche Sekunde (Deutschland 1980)

Achim Rudolf (Uwe Ochsenknecht) ist mit dem Moped auf dem Weg nach Hause, kurz zuvor hat er sich von seiner Freudin Marianne Schieder (Irina Wanka) verabschiedet. Als er in einer Nebenstrasse kurz anhalten muss, entdeckt er dort den geparkten PKW seines Vaters Albert (Werner Kreindl). Plötzlich ertönen laute Hilferufe, ganz in der Nähe wurde der Besitzer einer Lottoannahmestelle getötet, zudem wurde eine grössere Summe Geld geraubt. Frau Kahl (Eva Brumby), die Gattin des Opfers, gibt bei ihrer Zeugenaussage an, sie habe drei Gestalten gesehen. Eine brauchbare Beschreibung kann die geschockte Frau nicht zu Protokoll geben, gleiches gilt für ihre Tochter Ina (Lisa Kreuzer) und deren Ehemann Gerhard (Werner Asam), die im Haus der Kahls leben und zur Tatzeit anwesend waren. Achim stellt wenig später fest, dass der Wagen seines Vaters inzwischen verschwunden ist. Den jungen Mann beschleicht ein schrecklicher Verdacht, mit dem er seinen Vater unverblümt konfrontiert. Vieles spricht für eine Täterschaft Albert Rudolfs, vor allem sein Vorstrafenregister, welches im Zusammenhang mit dem Raub höchst brisant erscheint...

Werner Kreindl und Uwe Ochsenknecht funktionern als Vater und Sohn vortrefflich. Nein, weil die Beziehung so gar nicht funktionieren mag, bietet sie den Schauspielern eine reizvolle Bühne, die Kreindl und Ochsenknecht dann auch erstklassig für sich zu nutzen wissen. Übrigens sieht Ochsenknecht hier "Buffalo Bill" sehr ähnlich, dem Serienkiller aus "Das Schweigen der Lämmer", der 1991 von Ted Levine dargestellt wurde (Das tut nichts zur Sache, aber ich wollte es unbedingt anmerken). Irina Wanka sehen wir als hübsche Freudin des Herrn Ochsenknecht, Ida Krottendorf als verängstige Mutter des Burschen. Lisa Kreuzer hatte bereits mehrfach eindrucksvolle Auftritte innerhalb der Reihe (z. B. Folge 38 - Inkasso, Folge 47 - Solo für Margarete), in "Tödliche Sekunde" bleibt sie zurückhaltend, nebensächlich. Überhaupt sind die Rollen der "Opferfamilie" eher unscheinbar angelegt, lediglich Eva Brumby hat ein paar starke Momente. In Nebenrollen tauchen Charakterkopf Dan van Husen und Klaus Münster auf, die als schrullige Brüder am Start sind.

Der gestörten Vater-Sohn-Beziehung räumt man viel Platz ein, jedoch wird der interessant konstruierte Kriminalfall nicht an den Rand gedrängt. Es ist nicht nur der Sohn, der seinem alten Herrn nicht über den Weg traut. Nein, auch der vorbestrafte Vater mißtraut seinem Sprößling, zweifelt mit Nachdruck an dessen Loyalität und Familiensinn. Das Drehbuch baut nicht auf Krawall, die Fäuste Kreindls und Ochsenknechts bleiben kalt, lediglich der Tonfall wird ansatzweise eine Spur harscher. Auf Zbynek Brynych ist Verlass, seine Inszenierung verrät ein gutes Gespür für feine Zwischentöne, die oft gar nicht so einfach in den vorgegebenen Rahmen von einer Stunde Spielzeit zu packen sind. "Tödliche Sekunde" ist eine gute und unterhaltsame Folge, deren Auflösung sich auf nachvollziehbare Art ein wenig komplexer als üblich gestaltet.

7/10 (gut)

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14.08.2011 00:38
#133 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 5 (Folgen 61-75)

Folge 70 - Ein tödlicher Preis (Deutschland 1980)

Der Taxifahrer Hugo Dornwall (Kurt Weinzierl) findet einen rätselhaften Koffer in seinem Auto, während er am Hauptbahnhof auf Fährgäste wartet. Am nächsten Tag gibt er das Gepäckstück bei der Bundesbahh ab. Wenig später ist Hugo Dornwall tot, er wurde in seinem Fahrzeug erstochen. Offenbar hatte der Taxifahrer den Koffer geöffnet und daraus Gegenstände entwendet, was den Unmut des Besitzers/Empfänger erregte. Harald Dornwall (Ekkehard Belle), der Sohn des Mordopfers, findet zehn pralle Beutel Rauschgift in der Wohnung seiner Eltern. Harald hintergeht die Polizei, er verschweigt vorsätzlich den brisanten Fund, gegen den Rat seiner Ehefrau Lisbeth (Monika Baumgartner). Gemeinsam mit Jakob Wilhelmi (Friedrich Georg Beckhaus), einem anderen Taxifahrer, will Harald das weisse Pulver zu Geld machen. Zu jeder Menge Geld...

Ekkehard Belle (der deutsche David Hasselhoff!?) steht im Zentrum der Handlung. Schmerz und Verzweiflung werden von der Gier nach Geld überschattet, doch den Wunsch nach Rache kann der junge Mann nicht ausblenden. Kurt Weinzierl spielt zu Beginn solide auf, Christiane Hammacher sehen wir als seine Gattin, die durch eine schwere Erkrankung ans Bett gefesselt ist. Monika Baumgartner hatte bereits in "Ute und Manuela" (51) einen starken Auftritt, nun gibt sie die ängstliche (recht naive) Ehefrau und fürsorgliche Schwiegertochter, der die Umtriebe ihres Gatten über den Kopf wachsen. Friedrich Georg Beckhaus wittert die Chance auf einen Haufen Zaster, überschätzt seine Möglichkeiten allerdings maßlos, Peter Eschberg taucht als knallharter Gauner auf.

"Ein tödlicher Preis" fährt (einmal mehr) ein interessantes Familiendrama auf, der Kriminalfall wird dabei aber nicht zu sehr an den Rand gedrängt. Wie weit geht ein ansonsten braver Durchschnittsbürger, wenn er von einem schmerzlichen Verlust und Rachegedanken gepeinigt wird, darüber hinaus die Hand nach viel Geld ausstrecken kann? Die Familie Dornwall wird als warmherzig und aufmerksam vorgestellt, daher lassen die tragischen Vorfälle den Zuschauer nicht kalt. Auch Friedrich Georg Beckhaus ist nicht als abgebrühter Abzocker gezeichnet, das Drehbuch verpasst ihm einen sehr menschlichen Anstrich. Der Koffer des Grauens kommt übrigens per Zug aus der Türkei. Gleich zu Beginn empfängt die Polizei die ankommenden Türken mit einem grossen Aufgebot, selbstverständlich samt scharfen Kötern. Klasse, so geht man also in Bayern mit Gästen um, ging es mir spontan durch den Kopf. Jedoch wird dies im weiteren Verlauf der Folge in ein anderes Licht gerückt, die massive Präsenz der Polizei hatte einen nachvollziehbaren Grund. Helmut Ashley gelang ein guter Beitrag zur Reihe, was man nicht von allen Folgen behaupten kann, die zuvor unter der Verantwortung des Regisseur entstanden.

7/10 (gut)

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14.08.2011 06:35
#134 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

+s (beim letzten Regisseur)

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Blap Offline




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14.08.2011 23:19
#135 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 5 (Folgen 61-75)

Folge 71 - Die Entscheidung (Deutschland 1980)

In einem Schlafwagen der Bahn wird eine Leiche aufgefunden. Das Mordopfer hatte seine Kabine zuvor mit Alf Hauff (Karl Heinz Vosgerau) getauscht, der in München die üppige Hinterlassenschaft seines verstorbenen Vaters übernehmen soll. Derrick vermutet sofort, dass Alf Hauff getötet werden sollte, seine These wird durch das befremdliche Verhalten der Familie Hauff untermauert. Besonders Ulrich (Hannes Messemer), Alfs Bruder, fällt dem Ermittler als labile, nahezu irrsinnige Persönlichkeit auf. Doch ist der stets hektische, unsichere und ängstliche Mann tatsächlich fähig einen Mord zu begehen? Sicher, Alf soll die Firma übernehmen, deren Führung der Erblasser seinem Sohn Ulrich nicht zutraute. Damit ist Ulrich faktisch entmachtet, jedoch wirken andere Mitglieder der Sippe weitaus berechnender...

Hannes Messemer dreht als psychisch labiler Charakter extrem auf, seine packende Darbietung dominiert diese Folge eindeutig. Eine großartige Leistung von Messemer, denn sein Spiel rührt den Zuschauer, seine Darstellung mutet nicht wie geschmacklose Überzeichnung psychisch kranker Menschen an. Gisela Uhlen sehen wir Ehefrau Messemers, sie spielt (wie so oft) eine kalte und herzlose Person. Brigitte Horney kommt als wandelnder Anachronismus daher, hat gemeinsam mit Tappert eine ganz starke Szene. Selbst in der auf den ersten Blick albernen Kostümierung, umgibt Horney eine damenhafte Aura, garniert mit einem melancholischen Blick in die glorreiche Vergangenheit. Sky Dumont und Christiane Krüger laufen als jüngere Generation der wohlhabenden Familie auf, Dumont eifert der kalten Arroganz Gisela Uhlens nach. Auf die Qualitäten von Horst Tappert muss ich nicht bei jeder Folge hinweisen. Auf ihn ist immer Verlass, hier imponiert er mit (s)einer ruhigen Vorstellung in besonderem Maße.

Zu Beginn tarnt sich "Die Entscheidung" als atmosphärisch dichter Kriminalfall. Ein Zug rauscht durch die Nacht, der Killer schleicht umher, der Schaffner wird ausser Gefecht gesetzt. Doch diese Schiene wird schnell wieder verlassen, die Folge entwickelt sich zu einem Familiendrama erster Güte. Vor allem bietet man großartigen Schauspielern eine Bühne, auf der sich allen voran Hannes Messemer austoben darf. Auch Brigitte Horney hat ihren großen Auftritt, während selbst die Nebenrollen durchweg hochklassig besetzt sind. Theodor Grädler lässt seinem Ensemble die lange Leine, die Schauspieler bedanken sich mit tollen Leistungen. Frank Duval untermalte das Geschehen mit passenden Klängen. Der Kriminalfall mag nur ein mittelprächtiges Konstukt sein, doch diese Tatsache ist (fast) unerheblich. Wäre die Auflösung dann doch ein wenig überraschender angelegt, hätten wir es mit einer der besten Folge der Reihe zu tun.

7,5/10 (gut bis sehr gut)

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