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Dieses Thema hat 977 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Gubanov ( gelöscht )
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20.11.2015 18:15
#736 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Marmstorfer im Beitrag #734
Derrick-Sammlung ... vervollständigen

... und schon getan. Mir fehlten noch die Boxen 15 bis 19, aber dem ist nun abgeholfen. Vielen Dank für diesen Tipp, den man nicht übergehen konnte. "Derrick" ist damit wieder weit nach oben gerutscht auf der Sichtungsliste.

Gubanov ( gelöscht )
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28.11.2015 20:35
#737 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zur Feier des Schnäppchens (und dass alle Boxen vollständig und funktionstüchtig bei mir eintrafen, was bei More ja manchmal reines Glücksspiel ist) hier der Blick auf die nächste Folge:



Derrick: Judith

Episode 185 der TV-Kriminalserie, BRD 1990. Regie: Zbynek Brynych. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Evelyn Opela (Judith Loska), Walter Renneisen (Biber), Klaus Herm (Professor Laux), Ilse Künkele (Frau Soest), Peter Kuiper (Wirt), Uli Krohm, Sabi Dorr, Svenja Pages u.a. Erstsendung: 9. März 1990, ZDF.

Zitat von Derrick: Judith
Die Pianistin Judith Loska tourt gerade, als sie einen verzweifelten Anruf bekommt: Ihre drogensüchtige Tochter fürchtet, ihr Dealer wolle sie umbringen, weil sie gedroht hat, ihn zu verraten. Judith schafft es nicht mehr rechtzeitig nach München, um den Tod ihrer Tochter zu verhindern. Über den Fall, den die Polizei zunächst als normalen Drogentod zu den Akten legen möchte, kann sie nur wenig enthüllen; also ermittelt sie auf eigene Faust am Tatort, einer zweifelhaften Kneipe. Ein Kellner scheint mehr zu wissen – doch was ist der Preis, um an diese Informationen zu gelangen?


Inhaltsangabe und Beschreibung der Folge in der einschlägigen Literatur erwecken den Eindruck, man habe es hier mit einer Volle-Kanne-Drogenmilieu-Geschichte zu tun. Glücklicherweise ist dies nicht der Fall, denn nach Svenja Pages’ baldigem Bildschirmtod kommt man mit dem Milieu nur noch in Form von mysteriösen Verdächtigen in Kontakt, sieht aber keine Konsumenten oder gar Schüsse mehr im Bild. Im Grunde könnte Judith Loska also auch wegen jeder anderen Todesursache ihrer Tochter auf Tätersuche gehen. Wichtiger ist ihre Amateurermittlung als solche: Im Gegensatz zur Polizei, bei der erneut Holger Petzold als abgehalfterter und überlasteter Drogenfahnder dem korrekten Gewinner-Typen Derrick gegenübergestellt wird (vgl. „Blaue Rose“), weiß Frau Loska nicht, wie weit sie gehen kann, ohne sich selbst Schaden zuzufügen. Der Wunsch, ihrer Tochter Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, führt sie nicht nur auf dünnes Eis, sondern gewissermaßen bis zum Hals ins Wasser hinein. Ich möchte nicht explizit verraten, was sie tut, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen; klar ist aber, dass sie (und mit ihr die Folge als solche) die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet.

Mir kam es folglich so vor, als habe Evelyn Opela schon stärkere Rollen gespielt. Ihre Besetzung ist aber immerhin ungewöhnlich; man mag sich einmal die Diskussion im Hause Opela-Ringelmann ausmalen, nachdem die Produzentengattin das Drehbuch gelesen hatte ...

Amüsant ist, wie Brynych die herkömmlichen Verhaltensmuster zwischen Stephan Derrick und Harry Klein in ihr Gegenteil verkehrt: Wahrt Derrick sonst häufig eine skeptische Distanz, während Harry sich emotional sofort auf alle Belange der weiblichen Zeugen einlässt, so ist er es diesmal, der seinen Vorgesetzten für zu voreilig hält. Derrick, der Loskas Klaviermusik sehr schätzt, darf diesmal gewissermaßen den Womanizer geben, der sich von einer reiferen Hilfesuchenden einwickeln lässt.

Die Nebenrollen sind trefflich ausgearbeitet, was der Handlung zugute kommt. Walter Renneisen und Peter Kuiper bilden als Kellner und Wirt ein überzeugend schmieriges Duo, während Herm in einer ungewöhnlichen Rolle zu sehen ist und Petzolds Auftritt für eine gewisse Kontinuität birgt. Die Spannungsszenen können eine gewisse Theatralik und Fernsehvereinfachung nicht verleugnen und haben mit der Realität im Drogenmilieu wahrscheinlich ähnlich viel zu tun wie Kuipers Wirtsstube mit dem Hotel Adlon. Das Sehvergnügen gesteigert hätte auch eine weniger triste Umgebung – der Einstieg mit den Nachtaufnahmen von New Yorker Wolkenkratzern verhieß dementsprechend mehr, als die Folge letztlich halten konnte.

„Judith“ setzt auf den Schockeffekt der bedingungslosen Wahrheitssuche einer engagierten Mutter. Mit Evelyn Opela wurde für die Titelrolle eine passende Besetzung gefunden, die man aus anderen Rollen jedoch engagierter kennt. So gerät die Motivation ein wenig ins Wanken, was zusammen mit der fehlenden Realitätsnähe der Produktion zu einem eher durchschnittlichen Ergebnis führt: 3 von 5 Punkten. Einige geschickte inszenatorische Kniffe stimmen versöhnlich und verraten kaum die Brynych-Handschrift.

Gubanov ( gelöscht )
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01.12.2015 00:10
#738 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Tossners Ende

Episode 186 der TV-Kriminalserie, BRD 1990. Regie: Günter Gräwert. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Walter Plathe (Ulrich Kraus), Gila von Weitershausen (Carola Tossner), Günter Gräwert (Tossner), Gaby Dohm (Dr. Anita Rolfs), Thomas Fritsch (Albert Rolfs), Will Danin (Dickmann), Silvia Janisch, Michael Boettge u.a. Erstsendung: 20. April 1990, ZDF.

Zitat von Derrick: Tossners Ende
Er steht jeden Abend vor der Villa des Bauhais Tossner und droht ihm mit dem Tod. Als Tossner wirklich erschossen wird, gerät der Lehrer Kraus unter dringenden Tatverdacht. Seine Psychologin jedoch befindet, dass er nur unschuldig sein kann: Er muss den Tod eines seiner Schüler verarbeiten, der bei der Räumung einer von Tossner aufgekauften Wohnung aus dem Fenster gesprungen war. Mord passt nicht zu Herrn Kraus. Das leuchtet auch Derrick ein. Er sucht den Täter deshalb woanders ...


Die Besprechung enthält leichte Spoiler.

Die Episode „Schock“ war nach ihrer Erstsendung lange Zeit nicht mehr wiederholt worden, weil sie den Tod eines Kindes thematisierte. Hier ist es zum zweiten Mal soweit, dass sich Reinecker dieses dramatischen Plotwerkzeugs bedient, doch gerade weil der Zuschauer es als notwendiges Instrument für die Fortführung der Handlung statt als Drama im eigenen Sinn versteht, ist „Tossners Ende“ nicht annähernd so umstritten wie der frühe „Derrick“-Fall. Dass der Viertklässler Hansi Selbstmord begeht, ist eher durchschnittlich motiviert und dient hauptsächlich dazu, den folgenden Mord und damit das eigentliche Anliegen der Episode zu begründen. Eine zynische Gewichtung? Vielleicht, aber sie sorgt für eine hochinteressante und abwechslungsreiche Episodenstruktur.

Die Thematik der Vertreibung angestammter Mieter aus ihren Wohnungen mittels Luxussanierungen könnte nicht aktueller sein. Steigende Mietpreise und die Verdrängung der Zahlungsschwachen aus den Innenstädten waren in den letzten Jahren immer wieder Thema in der Presse. Einige Städte bzw. Bezirke mussten Luxussanierungen sogar rechtlich einen Riegel vorschieben. „Tossners Ende“ ist also gut gealtert und 25 Jahre nach dem Dreh noch immer absolut nachfühlbar. Reinecker bedient die Gefühlsklaviatur dabei natürlich etwas überspitzt und macht den Kontrast zwischen der geschassten Familie mit ihrem Fürsprecher, dem sozial engagierten Lehrer, und dem ignoranten Immobilienhai so deutlich, dass ihn auch der letzte Zuschauer mit der beabsichtigten Verärgerung nachempfinden kann.

Wieder einmal tauchen Stephan und Harry erst in der zweiten Hälfte der Folge auf, doch die Vorgeschichte zählt zu den großen Stärken von „Tossners Ende“. Gerade sobald Gaby Dohm als Psychotherapeutin und Thomas Fritsch als ihr opportunistischer Bruder auftauchen, nimmt die Geschichte eine interessante Wendung, die verdeutlicht, wie Zufälle und die von den Auslösern einer Handlung nicht absehbaren Eigendynamiken den Weiterverlauf der von ihnen angestoßenen Aktionen beeinflussen können. Fritsch überzeugt als leicht zu verführender Hobbyerpresser dann auch in den Szenen mit Gila von Weitershausen, in denen es gehörig knistert und die – gerade in Hinblick auf die präsentierte Auflösung – letztlich stark an Films Noirs wie „Double Indemnity“ erinnern.

Trotz beschränkten Verdächtigenkreises funktioniert das Täterrätsel bestens, was auch den Ermittlungen Schwung und einen offenen Ausgang verleiht. Derrick bewegt sich mühelos auf sehr unterschiedlichem Parkett – er kann die Einwände des Lehrers Kraus nachvollziehen und sich gleichsam auf dem glitschigen Parkett der Nobelvilla Tossner bewegen, ohne in Fettnäpfchen zu treten.

In der Tat mausert sich der anfangs eher dröge Regisseur Gräwert mittlerweile zum „Derrick“-Musterkind: Mit „Eine Art Mord“, „Schrei in der Nacht“ und „Tossners Ende“ inszenierte er drei der vier bis dato jüngsten Highlights der Serie. Er tritt hier außerdem in der Titelrolle als Mordopfer auf und zeigt dabei gewisse Ähnlichkeit mit Hans Korte. „Tossners Ende“ ist eine komplexe Variation des üblichen „Jemand stirbt, die Polizei ermittelt“-Schemas mit einer gewichtigen Vorgeschichte, elegantem Flair und sehr guten Gastdarstellern. 4,5 von 5 Punkten, für 5 Punkte vielleicht eine Spur zu konstruiert.

Gubanov ( gelöscht )
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04.12.2015 14:45
#739 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Höllensturz

Episode 187 der TV-Kriminalserie, BRD 1990. Regie: Theodor Grädler. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Wolf Roth (Arnold Kiesing), Philipp Moog (Benno Sebald), Jeannine Burch (Kiwi Liebner), Hanno Pöschl (Liebner), Liane Hielscher (Frau Rosen), Carin C. Tietze, Peter Neusser, Wilfried Klaus u.a. Erstsendung: 25. Mai 1990, ZDF.

Zitat von Derrick: Höllensturz
Im Zug von Frankfurt nach München lernt der Krankenpfleger Benno Sebald eine interessante Persönlichkeit kennen: Arnold Kiesing bittet Benno, für ihn einen Koffer durch die Kontrollen am Bahnhof zu bringen. Benno macht sich keine großen Gedanken über die Aufgabe und die großzügige Belohnung von 2’000 Mark. Nicht einmal als sein Vater die Polizei einschaltet und diese herausfindet, dass Kiesings merkwürdiges Verhalten mit einem Mord in Verbindung steht, lässt Benno von seinem neuen Bekannten. Was ist Kiesings Plan?


„Höllensturz“ – das ist schonmal ein klingender Titel. Vielleicht ein bisschen philosophielastig, vermutet man im Vornherein. Diese Bedenken verfliegen bald, denn für alles, was in der Folge gesagt und getan wird, gibt es gute und reale Gründe. Sicher schleicht sich ein bisschen reinecker’sche Dialog-Grandeur ein, als Kiesing Derrick in der Alten Pinakothek einen Vortrag über Rubens’ Gemälde „Der Höllensturz der Verdammten“ hält, doch das Bild (also das, das Reinecker mit dieser Verquickung erzielt) ist stimmig. Wir sehen einen Verbrecher mit Gespür für das Schöne und das Feinsinnige, einen Mann, der mehr ist als ein bloßer Gesetzesübertreter. Stephan und Harry nennen ihn einen Gentleman-Verbrecher. Und dennoch hat Arnold Kiesing resigniert – er sieht die Interaktion von Gut und Böse nicht als Sport, sondern blickt fatalistisch auf die zwingende Vernichtung des Guten durch das Böse, erachtet Derricks Aufgabe für sinnlos und eine geordnete Rechtsordnung für eine Utopie.

Und da sage ich, dass sich das Philosophieren in Grenzen hält? Ja, weil sich alles wunderbar in den Plot integriert und Wolf Roth eine famose Darstellung des teuflischen „Verführers“ hinlegt. Er ist der Satan persönlich, der Benno aus seinem stabilen Leben herauslösen und zu einem „Höllensturz“ verleiten will. Und dafür hat er eine nachvollziehbare Motivation – die ich freilich hier nicht nennen möchte. Seht selbst! – Man erhält durch Roths differenzierte, ja sensible Interpretation sogar den Eindruck, als habe er neben dem verbrecherischen auch ein privates, ein begehrliches Interesse an Benno, mit dem er seinen Lebensmut aufzufüllen gedenkt. Die Anwesenheit der eher nervenden als attraktiven Kiwi Liebner scheint bei den Treffen Bennos und Kiesings (zumindest auf Kiesings Seite) die Funktion einer Anstandsdame zu erfüllen.

Interessant ist der Irrtum des ZDFs, was den Regisseur dieser Episode angeht. Im Abspann wird Theodor Grädler genannt, in allen anderen offiziellen Unterlagen der Name Gräwerts geführt. Hier hatten die Produktionsverantwortlichen wohl falsche Presseinformationen herausgegeben. Grädlers Stil stimmt mit der Feingliedrigkeit der Episode überein, weil er die Schauspieler in den Mittelpunkt stellt, ohne sie aufdringlich wirken zu lassen. Dazu passt auch, dass Derrick und sein Assistent von der ersten Sekunde an dabei sind, sich dann aber erst einmal für eine Weile zurücknehmen, bevor sie dann auf unkonventionelle Weise in den Fall Kiesing einsteigen.

Wolf Roth macht diese Folge zu einem Erlebnis. Reineckers interessante Ideen bieten ihm ein Terrain, auf dem er sich zu einer der schillernsten Bösewichter der Serie entwickeln kann. Da übersieht man gern, dass das Tempo auch ein bisschen hätte angezogen werden können. 5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
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04.12.2015 19:30
#740 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Der Einzelgänger

Episode 188 der TV-Kriminalserie, BRD 1990. Regie: Zbynek Brynych. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Heiner Lauterbach (Ingo), Walter Plathe (Roth), Ute Willing (Malikowa), Dirk Galuba (Sundermann), Claude Oliver Rudolph (Bollmann), Peter Bertram (Solinger), Katja Flint (Marion), Eva Röder u.a. Erstsendung: 8. Juni 1990, ZDF.

Zitat von Derrick: Der Einzelgänger
Zusammen mit seinem Freund und Kollegen Peter Roth ermittelt Ingo Wolf undercover in gefährlichen Kreisen. An einem Fall verbrennt sich Peter die Finger: Bei einem Alleingang erwischt es ihn – und Ingo setzt nun alles daran, den Mörder seines Freunds zu finden. Alles! Er sticht in ein Wespennest und gerät selbst in Lebensgefahr, doch vielleicht macht er nicht nur sich selbst unglücklich ...


Ein ganz klarer Brynych, ohne Frage. Die Folge beginnt auf dem Bahnhof und sobald eine Gruppe Radaubrüder ins Bild rückt, wird erstmal schallend losgelacht. Tatsächlich meint man, zunächst auch in Drogenmilieu-Story Nummer 99 einsteigen zu müssen, denn das Flair erscheint unverkennbar. Dazu ein bisschen Minderjährigen-Prostitution und fertig ist die Laube. Wie sagt ein Beamter in dieser Folge abgeklärt? „Na, so neu ist das auch nicht.“

Eben. Deshalb bietet „Der Einzelgänger“ dann doch etwas mehr, was nach dem vorhersehbaren Tod Roths und den darauffolgenden langweiligen Szenen in der Bar als positive Überraschung verbucht werden kann. Kontinuierlich steigert sich die Folge sozusagen aus der Kellerbar heraus bis auf ein angenehmes Niveau, das vor allem im zweiteiligen Finale erreicht wird. Zwar ist der Grund für den Mord letztlich eher nebensächlich, aber eine Abwechslung zu Heroin und bezahltem Sex wird lobend zur Kenntnis genommen (man müsste von selbst darauf kommen, wenn man Bollmann über einen 16-Tonnen-Laster sprechen hört: So viel Stoff kommt zwar über alle „Derrick“-Drogenfolgen locker zusammen, für eine Fuhre wäre es aber doch ein bisschen übertrieben ... ).

Unklar ist, ob der Titel sich auf Heiner Lauterbachs oder Walter Plathes Figur bezieht. Ist die Ein-Mann-Aktion gemeint, die Peter Roth das Leben gekostet hat, oder der Alleingang, den Ingo Wolf veranstaltet, um die Tat zu sühnen? Lauterbach erspart dem Zuschauer dankenswerterweise große Gefühlsausbrüche oder langes Trübsal, skizziert seinen Ingo als Mann der Tat. Dazu gehört auch, dass er – ähnlich wie „Judith“ – zu unkonventionellen und unmoralischen „Ermittlungsmethoden“ greift. Hier macht die Folge keinen großen Deal daraus, wahrscheinlich weil er ein Mann ist. Bezeichnend: Die einzigen, die darunter leiden, sind die zwei Frauen, mit denen Ingo im Laufe der Ermittlungen „jongliert“.

Zwei große Mankos (beide nicht zum ersten Mal bei Brynych): die stereotype Besetzung der Schurkenrollen (Galuba und Rudolph, gähn!) sowie die Musik. Die Duval-Soße, von der ich eigentlich dachte, wir hätten sie ein für alle Mal in den Achtzigern zurückgelassen, wirkt ebenso unpassend wie „Mack the Knife“ als Lieblingssong auf Peter Roths I-Pod, äh Walkman.

Brynych gelingt mit seinem routinierten Milieukrimi zwar kein Meisterwerk, aber immerhin ein Beitrag, der mehr einlöst, als er anfangs verspricht. Gute Rollen für Lauterbach und Plathe machen Stephan und Harry dennoch nicht überflüssig (O-Ton Derrick: „Harry und ich sind schon ein bisschen weltfremd“); leider tritt die andere Seite des Gesetzes deutlich uninspirierter auf. 3,5 von 5 Punkten.

TV-1967 Offline



Beiträge: 652

05.12.2015 15:55
#741 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Hast Du die Folgen früher nie gesehen? Auweia. Da wird dich DUVAL noch bis 1997 verfolgen! In der letzten Derrick-Folge, die er vertonte, "Mama Kaputtke", ist noch einmal im Abspann "Angel of mine" zu hören. Dies empfand ich damals schon äußerst unpassend, obwohl ich auch Duval-Fan bin!

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

05.12.2015 16:14
#742 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Für mich ist von Folge 1 bis 281 alles eine große Premiere. Als "Derrick" sein Abschiedsgeschenk erhielt, war ich sieben Jahre alt und gerade dabei, die Wallace-Filme für mich zu entdecken. Am ZDF-Freitagabendkrimi war ich da noch nicht interessiert.

Duval hatte unbestritten auch seine "Momente", aber generell bin ich eher froh, wenn ich ihn nicht hören muss. Man kann ja immerhin schonmal feststellen, dass die Duval-Konzentration mittlerweile deutlich abgenommen hat. Daher auch meine nicht ganz ernstzunehmende Lästerei mit dem Zurücklassen ...

Gubanov ( gelöscht )
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06.12.2015 17:30
#743 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Des Menschen Feind

Episode 189 der TV-Kriminalserie, BRD 1990. Regie: Günter Gräwert. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Ruth Maria Kubitschek (Lotte Wegener), Günter Mack (Herr Wegener), Cornelia Froboess (Lissy Stein), Peter Sattmann (Harold Kubeck), Otto Bolesch (Wessel), Lisa Kreuzer (Schiska), Karl Renar, Jürgen Andre u.a. Erstsendung: 20. Juli 1990, ZDF.

Zitat von Derrick: Des Menschen Feind
Leichenfund am Hauptbahnhof: Eine alkoholabhängige Stadtstreicherin wurde in einem Wartesaal erwürgt, ihre Leiche um Mitternacht gefunden. Lissy, so sagt einer ihrer Kumpanen aus, zog in letzter Zeit mit einer Schauspielerin umher. Lotte Wegener hat sich offenbar für ein neues Filmprojekt auf die Rolle einer Obdachlosen vorbereiten wollen. Doch dieses Projekt ist ganz und gar nicht koscher: Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität beginnen zu verschwimmen ... Wer ist betroffen und wer spielt nur eine Rolle?


Ich bin hingerissen! „Des Menschen Feind“ ruft authentisches „Derrick“-Flair der alten Tage wach, fühlt sich nach einem Fall aus den ersten fünfzig oder achtzig Episoden der Reihe an. 1990 wurde diese Folge gedreht, aber sie könnte genauso gut in den Siebzigern spielen; sie stellt unter Beweis, dass Herbert Reinecker einfach ein klasse Autor ist und dass nach wie vor von der Regie solide Spannung und hohes Tempo geliefert werden können. Wirft Ringelmann dann auch noch Altstars vom Schlage einer Kubitschek, einer Froboess und eines Günter Mack ins Rennen, dann ist der Nostalgieflash perfekt.

Obdachlosenmilieu trifft auf Schauspielerchic. Die Kollision zweier Welten setzt Kräfte frei, die von Anfang an eine besondere Düsternis und Anspannung erkennen lassen. Helmut Trunz (bislang meiner Meinung nach zu Unrecht gescholten und eine sehr viel verdaulichere Alternative zu Duval) untermalt Minenspiel und Schuldbewusstsein im edlen Hause Wegener mit disharmonischen Tönen; Töne, die sich im Reich der Säufer rund um Münchens trostlosen Nachkriegshauptbahnhof anderweitig ausdrücken. Beiden Momenten, der Dekadenz wie auch dem Elend, verleiht Gräwert eine stimmige Note. Dass beide Ebenen für den Zuschauer gut zusammenpassen und kein unnötiger Sozialneid aufkommt – dafür sorgen Horst Tappert und Fritz Wepper, die sich auf beiden Terrains mit schlafwandlerischer Sicherheit und ungeschlagenem Esprit bewegen. Harry darf diesmal sogar ein bisschen über die Stränge schlagen, über Diva Lotte Wegener lästern und columboesk von ihrem Filmfritzen ein Autogramm für seinen Neffen schnorren, während sein Vorgesetzter mangelndes Interesse an der Regenbogenpresse bekundet.

Für Ruth Maria Kubitschek war es der einzige „Derrick“-Auftritt, in dem sie dafür einen umso stärkeren Eindruck hinterlässt. Ihrer Lotte Wegener wird von Anfang an vorgehalten, es sei nur eine Rolle, die sie da mit ihrer gesellschaftlichen Oberflächlichkeit spiele. Gräwert kehrt in der Schlussszene subtil zu diesem Vorwurf zurück, als das große Betroffenheitsschauspiel plötzlich versiegt, sobald die Polizei des Haus verlassen hat. Reinecker gefiel diese Interpretation nicht, hätte er Lotte Wegener doch lieber eine komplette Läuterung unterlaufen sehen. Ich schließe mich mit diebischer Freude Gräwerts fieserer Vision an.

Zitat von „Anlage 1: Interview mit Herbert Reinecker“ in: Tom Zwaenepoel: Dem guten Wahrheitsfinder auf der Spur, Königshausen & Neumann Würzburg, 2004, S. 369
[Frage:] Als Drehbuchautor haben Sie keinen Einfluss auf die Regie und auf die schauspielerischen Leistungen bei den Dreharbeiten. Sind Sie immer mit der szenischen Darstellung Ihrer Geschichte zufrieden? – [Antwort:] Ich akzeptiere, dass die Darstellung anders ist. Manchmal ist sie sehr gut geworden. Nur einmal habe ich mich beschweren müssen, als der Regisseur in der Folge Des Menschen Feind die Endszene geändert hatte. Mir ging es um die Gefühle einer Schauspielerin, die sich allmählich veränderten, nachdem sie sich mit einer Obdachlosen angefreundet hatte. Durch diese Begegnung entstand eine völlig veränderte Dimension. Im Fernsehen habe ich dann gemerkt, dass der Regisseur von der Geschichte überhaupt nichts verstanden hatte, denn er hatte die Endszene falsch interpretiert.


Dafür dass Gräwert angeblich komplett planlos vorging, ist das Ergebnis erstaunlich gut!

Serienvater Reinecker ist im Obdachlosenmilieu fast schon zu Hause – rein bildlich nach der Erfahrung vieler Drehbücher gesprochen. Er nutzt diese Expertise, um dem Zuschauer hier weit mehr als eine Standardgeschichte vom Leid vor der eigenen Haustür zu erzählen. Die Verselbstständigung eines kruden Filmprojekts und die herausragende Darstellung von Teilnahme und Schuld lassen mich volle 5 von 5 Punkten ziehen. Schauspieler und Inszenierung leiern mir obendrein diverse Wohlfühlpunkte aus dem Kreuz.

Gubanov ( gelöscht )
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09.12.2015 23:00
#744 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Tod am Waldrand

Episode 190 der TV-Kriminalserie, BRD 1990. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Traugott Buhre (Anton Fischer), Stefan Reck (Robert Fischer), Rufus Beck (Manni Georg), Gisela Zülch (Margarete Fischer), Volker Brandt (Erich Fries), Gracia-Maria Kaus (Olga Fries), Mia Martin (Hetti Roon), Horst Sachtleben (Herr Roon) u.a. Erstsendung: 17. August 1990, ZDF.

Zitat von Derrick: Tod am Waldrand
Hetti Roon soll nach der Tanzschule auf ihren Exfreund Robert Fischer warten – das sagt er ihr am Telefon. Natürlich macht sich Hetti vorher selbst auf den Nachhauseweg, der allerdings durch einen finsteren Wald führt. Hetti wird diesen Abend nicht überleben, Robert hingegen mit den Worten „Ich habe sie umgebracht“ nach Hause kommen. Sein Vater ist alarmiert. Wer hat Robert gesehen? Gibt es Zeugen für den Anruf in der Tanzschule? Hat er seinen Namen genannt? Die Situation ist schwierig, aber Anton Fischer versucht, seinen Sprössling mit allen Mitteln von jedem Verdacht zu befreien!


„Ein Fall für Harry“ trifft „Anschlag auf Bruno“ trifft „Der Tag nach dem Mord“. Dass Stephans Ausfall den Zuschauer wesentlich mehr mitnimmt als der Tod von Hetti Roon (der Oberinspektor musste wegen Schüttelfrost und Fieber den Notarzt rufen und fällt für diesen Waldausflug als Koordinator flach), zeigt, dass es um die Story nicht zum allerbesten bestellt ist, allerdings fühlt man sich mit zunehmender Laufzeit – oder besser: mit dem Auftreten von Traugott Buhre – dann doch gut ins Geschehen ein. Reineckers Recycling ist immerhin gut zusammengestellt: Der Aktionismus des Übervaters, der seinen schwächlichen Stammhalter beschützt, kommt einem mehr als bekannt vor; die Art und Weise, in der Buhre diesen engagierten, über Leichen gehenden Vater spielt, ist unweigerlich faszinierend. Er ist die starke Person in dieser Folge; Harry braucht bis zur letzten Minute, um ihm die Meinung zu geigen – Stephan wäre da weniger zimperlich gewesen.

Von Wolfgang Beckers Regie merkt man wenig. Sein typischer Stil blitzt erwartungsgemäß vor allem in den Szenen in der Tanzschule durch, in denen die trendige Lambada getanzt wird. Schon in Teddy Grädlers „Höllensturz“ wurde zu Kaomas größtem Hit die Hüfte geschwungen – welcome to the nineties, folks! Auch im Wald gelingen Becker einige hervorragende Lichtstimmungen. Insgesamt setzte er diesmal jedoch erstaunlich wenig auf seine typische Dynamik und Unkonventionalität, sodass man sich über weite Strecken in einem sehr formelhaften Korsett gefangen fühlt. Positiv fällt diesbezüglich allerdings die Auflösung aus, die in eine andere Richtung geht, als man zu denken aufgefordert wurde ...

Die Schwächen vor allem der ersten Folgenhälfte lasten auf den Schultern von Stefan Reck (sonst als Abwechslung zu philosophischen Jungquälgeistern gern gesehen, hier als verschreckter Leiderling etwas überfordert) und Rufus Beck. Letzterer spielt eine typisch Reinecker’sche Rad-ab-Rolle in so ennervierender Begriffsstutzigkeit, dass man sich nach Akteuren wie Dieter Schidor oder Pierre Franckh zurücksehnt.

Und am Ende wuppt Harry die Angelegenheit doch! Man kann sich förmlich vorstellen, wie seine große Sternstunde, die abschließende Kombination am Tatort im Wald (dessen Rand aus dem Titel man übrigens vergebens sucht), eigentlich für Tappert geschrieben worden war. Die Sätze, die Wepper dann zu ihm gesagt hätte, werden nun von Berger übernommen – eine interessante Art der Beförderung, die von Zeit zu Zeit nett anzusehen ist. Ich freue mich dennoch schon wieder auf Genesung und Rückkehr des Chef(-inspektor-)s und kann die exaltierten Lobeshymnen im „Derrick“-Forum nicht ganz nachvollziehen.

Ein bisschen zu lang müssen wir an „Tod nach Schema X“ glauben, bevor Reinecker das Kaninchen aus dem Hut zieht. Wolfgang Beckers Lambada-(Alp-)traum gehört nicht zu seinen stärksten Folgen. Vor allem Traugott Buhre bleibt in guter Erinnerung, während die Jungdarsteller das Gesamtbild schwächen. 3,5 von 5 Punkten. Schön allerdings, dass wir aus München an die frische Luft herauskommen!

TV-1967 Offline



Beiträge: 652

10.12.2015 18:44
#745 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Dann bist Du also ein "Derrick-Greenhorn". Da werde ich Dir mal ein paar Infos zu "Des Menschen Feind" und "Tod am Waldrand" liefern. Vielleicht wunderst Du dich, daß Horst Tappert in der Folge "Tod am Waldrand" gar nicht oft zu sehen war. Das lag nämlich daran, daß er eine dreiwöchige Zwangspause einlegen mußte. Er erkrankte während der Dreharbeiten zu "Des Menschen Feind" an einer doppelseitigen Lungenentzündung! Zu der Folge "Abgrund der Gefühle" (diese Folge sollte ursprünglich auch ganz anders heißen) war er wieder fit.

Ich hatte damals sehr gute Kontakte zur Produktionsfirma von Helmut Ringelmann durch eine Sekretärin von Claus Gotzler und zum damaligen ZDF-Redakteur Claus Legal. Im Laufe der Jahre konnte ich viele interessante Informationen zu den beiden Serien ("Derrick" und "Der Alte") sammeln. Leider hat ja alles seine Zeit ...

(P.S. Im Derrick-Forum habe ich auch einiges dazu vor ein paar Jahren geschrieben ...)

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

10.12.2015 20:09
#746 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Danke für die Infos. Ich hatte angenommen, dass 'mal wieder eine zwischenzeitliche Theaterverpflichtung der Grund für die Auszeit war. Also lag das, was in der Episode gesagt wurde, doch näher an der Wahrheit als gedacht.

Der Titel der nächsten Folge klingt schonmal vielversprechend reineckeresk. Überhaupt sind wir mittlerweile in einer Phase angelangt, in der man regelmäßig über wunderbare Titelschöpfungen stolpert, die so in keiner anderen Serie hätten vorkommen können.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

16.12.2015 12:20
#747 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Abgrund der Gefühle

Episode 191 der TV-Kriminalserie, BRD 1990. Regie: Horst Tappert. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Christian Kohlund (Dr. Schöne), Christoph Eichhorn (Erich Heller), Christian Berkel (Lussmann), Edgar Walther (Herr Joksch), Peter von Strombeck (Arthur Lickmann), Edith Behleit (Frau Joksch), Carolin Fink (Ina Straub), Bruno W. Pantel u.a. Erstsendung: 14. September 1990, ZDF.

Zitat von Derrick: Abgrund der Gefühle
Für Arthur Lickmann kam der Tod noch überraschend. Seine zwei Kumpanen Heller und Lussmann hingegen wissen, dass sie in der Falle sitzen. Obwohl es ihr Leben retten könnte, wollen sie nicht mit der Wahrheit herausrücken. Derrick muss den Mann, der seinen Opfern den Kehlkopf eindrückt, selbst finden – oder sich zumindest auf die Hilfe von Dr. Schöne verlassen, der am ersten Tatort zufällig anwesend war und nun ein besonderes Interesse an dem Fall entwickelt. Ein zu auffälliges Interesse ...


Die Besprechung enthält leichte Spoiler.

Will sich der alte Mann im Trenchcoat auf dem Bild etwa an die kleine Blondine heranmachen? Auf so üble Pfade verschlägt es Derrick glücklicherweise nicht, aber diese Szene provoziert wie einige andere in „Abgrund der Gefühle“ ein schelmisches Lächeln des Zuschauers. Es scheint stellenweise, als sei der Derrick der Anfangsfolgen zurückgekehrt, der Verbrecher beim Kragen packt, den die Kamera bis nach Hause begleitet und der auch ’mal einen Mord eiskalt per Telefon belauscht, um dann Harry den Auftrag fürs nächste Gespräch zu geben. Diese Fingerzeige sind natürlich auf dem Mist des Regisseurs gewachsen, denn Horst Tappert wollte Horst Tappert offenbar wieder etwas Leben abseits der reinen Pflichterfüllung einhauchen. Erstaunlich für eine Tappert-Folge ist allerdings, wie schlecht Berger wegkommt, dessen Schusseligkeit bei der Überwachung eines Mordopfers in spe für dessen Ableben geradezu garantiert.

Die Geschichte an sich kommt einem altbekannt vor – Reinecker greift ebenfalls in die Kiste der Klassiker und zieht Rache als eines der regelmäßigen Motive der Reihe heraus. Dabei erscheint sowohl die Motivierung als auch das Auftreten des Dr. Schöne eher unglaubwürdig. Dass man zu schnell ahnt, wie der Hase läuft, wird auch durch ein notdürftiges Ausbügeln der Vorhersehbarkeit in den letzten Minuten nicht wettgemacht. Darüber hinaus wäre es von Vorteil gewesen, die Rolle des Dr. Schöne nicht mit Leichtfuß Christian Kohlund zu besetzen, sondern eine finsterere und gesetztere Wahl zu treffen. Ich möchte da Hans Korte oder Hans Caninenberg vorschlagen. Kohlund hätte in diesem Fall dann gern eines der Mordopfer ersetzen können – vorzugsweise den Erich Heller, was dem Zuschauer einen besonders exaltierten Auftritt von Dauerstudent Christoph Eichhorn erspart hätte.

Als besonders effektiv stellt sich die Art und Weise heraus, wie die Folge die Angst der in die Ecke getriebenen „Kaninchen“ verbildlicht. Schon in der ersten Mordszene bedient sich Tappert imposanter Kranschwenks, während hinter Peter von Strombeck die Schritte eines Unsichtbaren durch die Nacht hallen. Später wird sein Komplize in dessen Wohnung getötet, wo er sich sicher glaubt. Er hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass der Täter in bester Giallo-Manier die Wohnungstür in Einzelteile zerlegt ... Auch die Szene in der Heilanstalt passt zu diesem unheilvollen Flair, das sich wie ein roter Faden durch die Folge zieht und viel wiedergutmacht, was anderswo verloren geht.

Tappert bemüht sich redlich, über das wenig innovative Script mit der üblichen Präsenz, besonderem Aktionismus und gekonnten Akzenten in der Regieführung hinwegzutäuschen. Trotz allem bekommt man nur eine durchschnittliche Episode zu sehen, deren Höhepunkte die spannenden Mordszenen – immerhin drei an der Zahl – sind. 3,5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
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16.12.2015 18:20
#748 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Der Augenblick der Wahrheit

Episode 192 der TV-Kriminalserie, BRD 1990. Regie: Alfred Weidenmann. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Jochen Horst (Kurt Schenk), Walter Renneisen (Arno Hauk), Heike Faber (Kati Busse), Charles Brauer (Herr Busse), Matthias Fuchs (Albert Kremer), Elisabeth Endriss (Lisbeth Hunold), Martin Falk (junger Mann), Josef Fröhlich (Herr Hunold) u.a. Erstsendung: 12. Oktober 1990, ZDF.

Zitat von Derrick: Der Augenblick der Wahrheit
Kati Busse liebt ihren Vermieter Kurt Schenk. Ihr Vater ist um das labile Mädchen besorgt, denn er hat herausgefunden, dass Schenk vorbestraft ist. Tatsächlich hat der Mann sie mit zu einem gescheiterten Bankraub mitgenommen, bei dem ein Unbeteiligter erschossen wurde. Als Vater Busses Kollege Derrick sich nun – rein privat – um Kati kümmern soll, denken Schenk und sein Komplize, er habe vielmehr ein berufliches Interesse an dem Mädchen. Vielleicht haben sie damit nicht ganz unrecht, denn bei ihrer Panik dauert es nicht lange, bis Derrick Verdacht schöpft ...


Vier Schlüssel waren es noch zu Jürgen Rolands Zeiten. Die Bank, bei der die Herren Kremer und Hunold angestellt sind, begnügt sich mit zwei Schlüsselträgern, was die Ganoven Schenk und Hauk aber auch schon vor unüberwindliche Hindernisse stellt. Trotz halber Schwierigkeitsstufe schaffen sie es nicht ’mal bis zum Tresor, weil sie Muffensausen bekommen und sich selten dämlich anstellen. Trotzdem ist die Szene, in der die Vermummten in Begleitung Katis auf versuchten Beutezug gehen, mit Abstand die spannendste der Folge. Sie hätte gern umfang- und erfolgreicher ausfallen bzw. nach dem Scheitern einen zweiten Versuch nach sich ziehen dürfen. Auf all diese Optionen verzichteten Reinecker und Weidenmann, um stattdessen Unmengen an Philosophiererei über Liebe, Abhängigkeit und Hörigkeit von Menschen unterzubringen. Als wäre dies ein neues, weltbewegendes Thema für Derrick-Kenner ...

Jochen Horst, bisher als Nebendarsteller nicht weiter erwähnenswert, entfaltet nun – vom Drehbuch dazu angehalten – volles Nervpotenzial als selbstverliebter Nichtstuer, der seine Macht über Kati Busse genießt und den Zuschauer ebenso wie Derrick darüber in langen Monologen unterrichtet. Die Darstellerin der Kati erscheint zwar etwas weniger schwülstig, aber die „romantischen“ Szenen der beiden, die sich nach und nach in klare, teilweise geschmacklose Machtspielchen verkehren, nehmen fraglos zu viel Platz im Handlungsverlauf ein.

Positiv aufgefallen – das möchte ich in Anbetracht mitlesender Duval-Fans nicht verschweigen – ist mir diesmal die Musikuntermalung des „Derrick“-Veterans, die aber am Ende auch nicht viel reißen kann. „Der Augenblick der Wahrheit“ bleibt eine eher schwache Folge mit lapidarer Thematik und Besetzung, die man in vergleichbaren Variationen schon viel stärker gesehen hat (vgl. z.B. Wolfgang Beckers „Fliegender Vogel“). Es wird immer unwahrscheinlicher, dass Alfred Weidenmann jemals in die Riege meiner Lieblingsserienregisseure aufsteigt. Er drückt auch dieser Folge zu deutlich seinen bevorzugten Melodram-Stempel auf.

Bleibt nur noch die kurze Randnotiz: Augen auf beim Fernsehprogramm! Als Bankdirektor Kremer überfallen wird, läuft bei ihm – oh, Zufall! – gerade ein „Derrick“, und zwar die Motorradeinstellung aus „Ein merkwürdiger Tag auf dem Lande“. Laut Aussagen seines Kollegen in der folgenden Szene kann das nicht eher als nachts um drei gewesen sein – dass das ZDF mit seinem Zugpferd anno 1990 das Nachtprogramm bestritt, kann aber wohl auch höchstens auf die Wiederholung eines besseren Programmplatzes hindeuten.

Eher schwatzhaft als bedrohlich gebärdet sich Kurt Schenk als wirklichkeitsfremder Reinecker-Schurke ohne nachhaltiges Profil. Die Episode ist nicht schlecht im Sinne von „ärgerlich“, wie man manche anderen misslungenen „Derrick“-Abenteuer bezeichnen muss, dennoch handelt es sich aufgrund ihrer Langatmigkeit bisher um einen klaren Kandidaten für das untere Tabellenende in Box 13. Selbst die Chance, die Folge mit einem Schlag in die Magengrube zu beenden und ihr damit etwas mehr Wums zu verleihen, vertat man, was bestens zur ausnehmenden Harmlosigkeit von Derrick als väterlichem Freund passt. 2,5 von 5 Punkten.

Jan Offline




Beiträge: 1.753

17.12.2015 14:55
#749 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #744
Von Wolfgang Beckers Regie merkt man wenig.

Das gilt für einige seiner Spätwerke. Der Mann war bei den Dreharbeiten an die 80 Jahre alt und da hatte sich vielleicht das eine oder andere bereits etwas abgestumpft. Allerdings: Als echter Becker ist die Episode dennoch schon direkt nach dem Titel zu erkennen. Als Rufus Beck mit seinem Fahrrad des Weges kommt, dudelt im Hintergrund "Birdman (Part 2)" von McDonald & Giles. Das Stück hat Becker häufig eingesetzt. Besonders prägnant in der Tatort-Episode "Zweikampf" von 1974.

Gruß
Jan

TV-1967 Offline



Beiträge: 652

21.12.2015 13:21
#750 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Boxen werden wieder bei Amazon für 15,97 Euro angeboten. Vielleicht fällt ja der Preis nochmal auf 9,97 Euro. Wie vor zwei Jahren beim "ALTEN"!

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