BEWERTET: "Eine Reihe von schönen Tagen" (Folge 161) mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Hans Caninenberg, Käthe Gold, Jürgen Schmidt, Dieter Eppler, Tobias Hoesl, Wega Jahnke, Stefan Behrens, Uli Krohm, Ricci Hohlt, Katharina Abt-Meyer, Paul Neuhaus u.a. - Regie: Wolfgang Becker
Anna Beermann beobachtet am Küchenfenster einen Mord im Haus gegenüber. In den Büros der Firma Holwein wird ein Mann erwürgt. Es handelt sich um den Prokuristen der Firma, die in illegale Waffengeschäfte verwickelt ist. Durch einen Telefonanruf findet der Mörder heraus, dass die Beermanns die Tat gesehen haben und steckt ihnen für ihr Schweigen mehrere Tausend Mark in den Briefkasten. Derrick bleibt nicht verborgen, dass sich das alte Ehepaar plötzlich Annehmlichkeiten leistet, die über ihre Verhältnisse gehen....
Der erste Gedanke, der sich dem Zuseher aufdrängt, ist natürlich jener an die "Kommissar"-Folge "Ein Anteil am Leben" (1974), in der es wiederum Käthe Gold ist, die aus ihren Beobachtungen einen finanziellen Vorteil zieht und sich Dinge gönnt, die sie ansonsten nicht bezahlen könnte. Die Maßlosigkeit, mit der sie das Schweigegeld ausgibt, ist vierzehn Jahre später ein wenig gedämpft und führt deshalb am Ende dazu, dass sich Stephan und Harry herzlich von den beiden alten Leuten verabschieden. Ihre Ausgaben halten sich in Grenzen und ihre Wünsche bewegen sich in einem verträglichen Rahmen. So verbindet "Eine Reihe von schönen Tagen" die heitere Zweisamkeit des Ehepaars aus einfachen Verhältnissen mit den kühlen Überlegungen des Firmeninhabers vom Haus gegenüber. Während die Herren die unterschiedlichen Waffenmodelle begutachten, sieht man die Beermanns bei einem Tänzchen auf einer Seerundfahrt. Dort das lukrative Geschäft mit dem Tod, hier die Freude an den kleinen Dingen des Alltags, so das Fazit. Allerdings: Das Geld, das die einfachen Freuden der Beermanns finanziert, ist genau das selbe, das aus dem Handel mit Munition, Zielfernrohren und Kampfhubschraubern gewonnen wird. Deshalb muss Derrick einschreiten und der Gerechtigkeit nicht nur durch die Aufklärung des Mordes Genüge tun, sondern auch die Nutznießerschaft aus dem Verbrechen stoppen. Der erhobene Zeigefinger geht diesmal von einem Toten aus und ist deshalb weniger präsent, die hoffnungsvolle Jugend in Form von Hoesl und Abt-Meyer hat wenig Gewicht im Kreis der Geschäftsleute. Auch werden keine Klagen über karge Renten oder andere Versäumnisse von Seiten der Beermanns laut, was die "Derrick"-Folge von einer ähnlich gelagerten "Kommissar"-Folge unterscheidet.
Wieder einmal wird der Takt von Oberinspektor Derrick betont, der genau weiß, dass Anna Beermann den Tathergang gesehen hat, sich jedoch nicht allein auf die Zeugin verlässt und sie keineswegs unter Druck setzt. Seine Gegenspieler aus der geheimnisvollen Firma werden von Jürgen Schmidt angeführt, der ein interessantes neues Gesicht darstellt und sicher in weiteren Auftritten Zwielicht verbreiten wird.
Im Juni 2014 waren Gubanov und ich auf dem Neuen Friedhof in Gräfelfing bei München, um Horst Tappert zu besuchen. Dabei stießen wir auch auf das Grab des Mannes, den Herbert Reinecker in seinen Kriminalgeschichten gern als das moralische Gewissen eingesetzt hat: Hans Caninenberg. Der Schauspieler (1913-2008) liegt dort zusammen mit seiner Frau Lola Müthel (1919-2011), ebenfalls eine bekannte Mimin. Die Grabstätte zeichnet sich durch klare Linien und ein pflegeleichtes Arrangement aus, das "nur keine Umstände" verheißt. So, als spiegele es das Motto des Mannes wider, der dem Krimifreund durch seinen Ernst nicht nur in "Der Kommissar", sondern auch bei "Derrick" in Erinnerung bleibt. Häufig vertrat er in den Episoden die Ansicht, Selbstjustiz sei legitim, wenn es sich bei dem Täter um einen besonders abstoßenden Menschen handelte oder die Gerichtsbarkeit zu milde urteilte. Fast pathetisch waren seine Erläuterungen, wenn es darum ging, sein Weltbild zu erklären. Er konnte aber auch Schwächen und Ängste zeigen, was bei einem Mann seiner Statur stets Eindruck und den Zuseher betroffen machte. Wir hatten entgegen unserer sonstigen Gewohnheit nichts mitgebracht, da wir in Gräfelfing primär auf der Suche nach Horst Tapperts Grab waren. Hans Caninenbergs letzte Ruhestätte benötigt jedoch keine weitere Zier; der leuchtendrote, mittig angebrachte Blumentopf verleiht ihr eine edle Note.
Einen Bericht zur Grabstelle von Horst Tappert findet sich im endsprechenden Schauspieler-Thread: Horst Tappert (3)
BEWERTET: "Kein Risiko" (Folge 162) mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Klaus Schwarzkopf, Eleonore Weisgerber, Volker Kraeft, Hannes Jaenicke, Irene Clarin, Edwin Noel, Fee von Reichlin, Bernd Herberger, Tilly Lauenstein, Wolfrid Lier - Regie: Alfred Weidenmann
Roland Weimann erhält ein seltsames Angebot: Er soll einen Mann erschießen und dafür eine bestimmte Summe Geldes erhalten. Da er seit einem Autounfall am Stock gehen muss und wegen seines Hasses auf seine Mitmenschen den Arbeitsplatz verloren hat, spielt er kurz mit dem Gedanken, den Auftrag anzunehmen. Seine Schwester kann ihn jedoch dazu bewegen, zur Polizei zu gehen. Kurz darauf wird ein Mann namens Budde ermordet. Hat ein anderer das Angebot des Psychotherapeuten Ingo Wecker angenommen?
Alfred Weidenmann ist der Spezialist der leisen Töne, der seine Geschichten episch und bedeutungsschwer inszeniert. Die bedächtigen Klänge von Martin Böttcher unterstreichen seinen Stil und verleihen ihm die gewohnte Melancholie. Glaubt man zu Beginn noch, dem Niedergang eines jungen Mannes beizuwohnen, der nur Zentimeter von der Kriminalität entfernt ist, so wendet sich das Blatt mit der Übersiedelung an den Starnberger See – wie könnte es auch anders sein? In den vornehmen Villen leben zwar auch Menschen mit Tötungsabsichten, doch drückt sich dies in der gedämpfen Atmosphäre hinter cremefarbenen Vorhängen und marmornen Hauseingängen weitaus unaufgeregter aus als in einer Münchner Mietswohnung, die von einem Hausdrachen wie Tilly Lauenstein mit preußischer Strenge verwaltet wird. Klaus Schwarzkopf als Bürokrat des Todes erweist sich einmal mehr als Wanderer zwischen Genie und Wahnsinn und stellt das nötige Bindeglied dar, um die unterschiedlichen Lebenswelten zu einem Strang zu vereinen. Sobald nämlich die Leiche des Unternehmers Budde gefunden wird, beginnt ein völlig neuer Fall. Mit Frau Weisgerber und Herrn Kraeft scheint erneut ein Ehepaar in spe auf Wohlstand und Freiheit zu harren. Allerdings wartet das Drehbuch am Ende mit einem Detail auf, das überrascht. Ein Rätsel gibt die MVG jedem Freund des öffentlichen Nahverkehrs auf: Warum behauptet Roland Weimann, er sei mit der Tram bis zur Endhaltestelle Olympiapark Süd gefahren, wenn die Anzeige auf der Straßenbahn auf Moosach lautet?
Ich freue mich, dass ich dich doch wieder in Derrick'sche Gefilde hineinreden konnte. Nun, da du wieder auf den Geschmack gekommen bist, scheint es dir auch wieder ordentlich Vergnügen zu bereiten, Stephan und Harry zu begutachten.
Zitat von Percy Lister im Beitrag #693Ein Rätsel gibt die MVG jedem Freund des öffentlichen Nahverkehrs auf: Warum behauptet Roland Weimann, er sei mit der Tram bis zur Endhaltestelle Olympiapark Süd gefahren, wenn die Anzeige auf der Straßenbahn auf Moosach lautet?
Die Strecke nach Moosach verläuft über die Dachauer Straße. Die liegt nicht so weit von der Schleife Olympiapark Süd entfernt. Man kann dort über einen Gleiswechsel und ein kurzes Befahren der Schwere-Reiter-Straße hingelangen. Meine Vermutung ist, dass es sich um einen verkürzten Zug gehandelt haben könnte, der zwar Moosach anzeigte, aber schon vorher endete und deshalb am Olympiapark Süd gewendet wurde. Wenn das eine einmalige Verkürzung war (wofür die falsche Anzeige spricht), wäre es ein seltsamer Zufall. Aber vielleicht war die Moosacher Strecke damals wegen Bauarbeiten außer Betrieb und wurde für eine gewisse Zeit generell nur bis OPS befahren.
Eine dritte Möglichkeit: Alfred Weidenmann gaukelt uns nur wieder etwas Falsches vor.
BEWERTET: "Auf Motivsuche" (Folge 163) mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Will Danin, Beate Finckh, Pierre Franckh, Rudolf Wessely, Ute Christensen, Nicolas Lansky, Peter von Strombeck, Werner Schulenberg u.a. - Regie: Zbynek Brynych
Filmarchitekt Erich Karau sucht in der Nähe des Münchner Ostbahnhofs nach einem geeigneten Drehort für einen Kriminalfilm. Er findet ein verlassenes Fotoatelier und kommt dort mit Dingen in Berührung, die ihn völlig aus der Fassung bringen und zum Schweigen verpflichten. Als sein Kollege Willi Laufen den geheimnisvollen Ort ausfindig machen will, wird er ermordet. Seine Leiche wird am Ostbahnhof gefunden, auf den Schienen....
"Auf Motivsuche" ist die erste von drei aufeinanderfolgenden Episoden, die der böhmische Regisseur Zbynek Brynych für die Erfolgsserie inszenierte. Sein Stil hat sich seit den Tagen des "Kommissars" (1969-1976) sehr gewandelt und an Tiefe und Eleganz gewonnen. Statt auf spontane Gefühlsausbrüche zu setzen und Szenen nur ihres wirkungsvollen Effekts wegen einzubauen, spürt man nun den Ernst in seiner Herangehensweise, was bei ihm jedoch nicht in gähnender Routine resultiert, sondern seine Figuren an Aussagekraft gewinnen lässt. Der Sog, in den das Publikum hineingezogen wird, macht Folge 163 besonders intensiv, geheimnisvoll und ungewöhnlich. Wie in einem Traumbild laufen die Erlebnisse des Motivsuchers Karau ab, der in eine Parallelwelt einzutauchen scheint - ein Zustand, der in der Vorgängerserie nur mittels Drogen zu erreichen war. Die düstere Geschichte hätte sich bestens für eine Ausstrahlung in Schwarzweiß geeignet, da ohnehin gedeckte Farben dominieren und auch die handelnden Personen frei von Glamour oder Morgenfrische sind. Gerade die Nüchternheit ihrer Darstellung gefällt, was eine sich anbahnende Liebesgeschichte eigentlich überflüssig macht. Viel besser passen hier die Absonderlichkeiten der Nebenfiguren ins Konzept, die Brynych in grellen Farben malt und mit Schrullen und Lastern ausstattet. Pierre Franckh ist erstmals in einer 'normalen' Rolle zu sehen und muss deshalb bald von der Bühne abtreten. Gegen Ende drückt das Drehbuch noch einmal auf die Tube und beschert Derrick einige Actionszenen der alten Schule, die die spannende Folge in Etappen abrunden.
BEWERTET: "Da läuft eine Riesensache" (Folge 164) mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Amadeus August, Sissy Höfferer, Hans-Peter Hallwachs, Gert Burkard, Edda Seipel, Wilfried Klaus, Franz Mosthav u.a. - Regie: Zbynek Brynych
Es geht um 60 Millionen Mark, von denen die Hälfte an den Neffen des Verstorbenen gehen würde: Arnold Wegmüllers Ermordung ist eine beschlossene Sache, als ein deutscher Kleindarsteller in Rom kontaktiert wird, um die Rolle des Gregor Wegmüller zu spielen. Er soll unter falschem Namen das Erbe antreten, dafür einen Anteil von 1 Million erhalten und nach Aushändigung des Erbscheins wieder abtreten. Seine Cousine Ruth und er finden auf Anhieb Gefallen aneinander, was es dem Mann noch schwerer macht, sich an die Abmachung zu halten....
Amadeus August bringt alle Eigenschaften mit, die man für die Figur des innerlich zerrissenen, aber besserungsfähigen Kleinkriminellen benötigt, der sich ein sorgenfreies Leben wünscht. Die Voraussetzungen für den Antritt des Erbes sind zweifellos von keiner großen Anteilnahme begleitet, da es sich bei dem Mordopfer in spe um einen unsympathischen, harten Mann handelt, dessen Ableben bestenfalls Gleichmut hervorruft. Dennoch lässt Reinecker keinen Augenblick außer Acht, dass nichts so glatt laufen wird, wie von den Herren Hallwachs und Burkard suggeriert. Der Störfaktor in den Plänen der beiden Gangster ist wieder einmal die Unberechenbarkeit des Faktors Frau. Sissy Höfferers Figur bringt Eigenschaften ins Spiel, die auf die Psyche von August wirken und ihn unbewusst beeinflussen. Die Sehnsucht nach einem unbeschwerten Alltag – ganz wie zu Kinderzeiten – zeigt ihm eine Möglichkeit auf, die den vorgefassten Plan ins Wanken bringt. Das große Anwesen erscheint wie eine Festung gegen negative Einflüsse von außen, wie ein wattegepolstertes Refugium gegen die böse Welt der Realität. Immer wieder werden Reminiszenzen an die Kindheit inszeniert; Höfferer läuft kichernd durchs Haus, versteckt sich auf dem Dachboden, anschließend planschen sie und August im Schwimmbecken. In listiger Weise wird die Schlinge, die das Glück der beiden bedroht, immer enger zusammengezogen. Nach und nach lassen Mitwisser und Komplizen ihre Masken fallen, was in einer Todesdrohung gipfelt. In ungewöhnlich misstrauischer Weise sind Derrick und Klein von Beginn an auf der richtigen Spur, was die Handlung beschleunigt. Wie Gubanov bereits schrieb, hätte man hier gegen eine weitere halbe Stunde Laufzeit nichts einzuwenden. Dafür ist das Ende überaus versöhnlich und heiter für eine „Derrick“-Folge. Überflüssig zu erwähnen, dass man den beiden Hauptdarstellern dies von Herzen gönnt.
BEWERTET: "Das Piräus-Abenteuer" (Folge 165) mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Ute Christensen, Jürgen Heinrich, Beatrice Richter, Peter Neusser, Holger Petzold, Sabi Dorr, Henry van Lyck, Peter Bertram - Regie: Zbynek Brynych
Die Stewardess Hanna Reimers meldet sich nach ihrer Rückkehr aus Griechenland bei Harry Klein und bittet ihn um Hilfe. Sie fürchtet um ihr Leben, da sie in Athen einem Bekannten einen Gefallen erwiesen und einen Koffer mit nach München genommen hat. Der Inhalt: drei Kilogramm Heroin. Sie berichtet Harry, dass sie die Säckchen noch in Griechenland im Ausguss entsorgt hat. Nun will man sie kontaktieren, um den Koffer zu übernehmen. Wird man sie töten, wenn sie das Gewünschte nicht liefern kann? Wie kann die Kriminalpolizei sie schützen?
Allein der Titel suggeriert Unheil und Bedrohung, kombiniert mit einem Hauch Exotik und Leichtsinn. Die finsteren Gestalten, die am Hafen von Piräus tödliche Geschäfte betreiben, bekommen wir zwar nicht zu Gesicht, doch der geschulte Reinecker-Konsument weiß, was sich dort abspielt und welche Waren dort umgesetzt werden. Deutschland steht wieder einmal für den Empfänger dieser Sendungen, da die Nachfrage gegeben ist und man sich gern mit verbotenen Stoffen eindeckt - vor allem aus Ländern, auf die man sonst abschätzig blickt. So ist die Gefahr omnipräsent und erfasst jeden, der sich in die Handelskette einklinkt. Die rothaarige Ute Christensen nimmt nicht nur Harry sofort für sich ein, sie überzeugt auch das Publikum. Statt der "armen" Süchtigen bekommen wir Hanna Reimers' Ängste zu sehen und ihre Bemühungen, heil aus der Geschichte herauszukommen. Um die beklemmende Atmosphäre aufzulockern, setzt der Regisseur aus Karlsbad wieder einmal auf humorige Charaktere. So tragen das Spiel von Richter und van Lyck seine Handschrift. Auch die Undercover-Ermittlungen der Kollegen vom Rauschgift-Dezernat sorgen für Erheiterung zwischen Szenen knisternder Spannung. Der vielseitige Holger Petzold gehört zum Stammpersonal der "Derrick"-Serie und verblüfft erneut in einer anderen Maske. Der ewige Kellner Peter Bertram hat weitaus weniger Möglichkeiten. Oberinspektor Derrick ist das Barometer, an dem der Erfolg einer Episode gemessen wird und hier erkennt man bald, dass er die Zuversicht und die Euphorie seines Mitarbeiters Klein nicht teilt. Allein aus seiner Miene kann man den Fortgang der Handlung ablesen und früh erahnen, welche zunächst unglaubliche Wendung die Geschichte nehmen wird. Wiederum verhält sich Harry so, wie man es von ihm erwartet, obwohl man seine Gefühle nicht teilen kann. Wenn jemand Konsequenzen billigend in Kauf nimmt, hält sich mein Bedauern in Grenzen. So dachte vermutlich auch der Autor, da er eine Strafe verhängt, die drastisch bestätigt, dass er Fehlverhalten bei Frauen als weitaus schwerwiegender ansieht als bei Männern.
Platz 01 (Folge 158): Mordfall Goos - 5 Punkte Platz 02 (Folge 161): Eine Reihe von schönen Tagen - 5 Punkte Platz 03 (Folge 164): Da läuft eine Riesensache - 5 Punkte Platz 04 (Folge 157): Nur Ärger mit dem Mann aus Rom - 5 Punkte Platz 05 (Folge 163): Auf Motivsuche - 4,5 Punkte Platz 06 (Folge 165): Das Piräus-Abenteuer - 4,5 Punkte Platz 07 (Folge 160): Mordträume - 4 Punkte Platz 08 (Folge 159): Fliegender Vogel - 4 Punkte Platz 09 (Folge 154): Ein Weg in die Freiheit - 3,5 Punkte Platz 10 (Folge 152): Der Tote auf der Parkbank - 3,5 Punkte Platz 11 (Folge 162): Kein Risiko - 3,5 Punkte Platz 12 (Folge 151): Absoluter Wahnsinn - 3 Punkte Platz 13 (Folge 156): Koldaus letzte Reise - 3 Punkte Platz 14 (Folge 155): Nachtstreife - 3 Punkte Platz 15 (Folge 153): Die Nacht des Jaguars - 2 Punkte
BEWERTET: "Die Stimme" (Folge 166) mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Ernst Jacobi, Eva Brumby, Christoph Eichhorn, Roswitha Schreiner, Gerlinde Locker, Sky Dumont, Bernd Herberger, Lambert Hamel, Irina Wanka, Miroslav Nemec u.a. - Regie: Helmuth Ashley
Der Unternehmer Dr. Lippert lebt sehr zurückgezogen. Eines Tages erhält er telefonisch Warnungen vor bevorstehenden Mordanschlägen, denen er jedes Mal knapp entgeht. Statt sich zu beunruhigen oder wütend zu werden, scheint er die Gespräche mit der Anruferin zu genießen. Der einsame Mann wartet jeden Abend darauf, die angenehme Stimme der jungen Frau zu hören und zu wissen, dass sich jemand um ihn sorgt. Entgegen des Rats der Polizei deaktiviert er die Fangschaltung am Telefon und schlägt Derricks Warnungen in den Wind....
Zum zweiten Mal innerhalb der Reihe darf Ernst Jacobi den sensiblen, auf Emotionen reagierenden Mann spielen, dessen Geschäfts- und Privatleben verhängnisvolle Gefahren für ihn darstellen und dessen Bedürfnis nach einer loyalen Ansprache ihn verletzbar machen. Während "Die Dame aus Amsterdam" (Folge 149) mit den Reizen der erfahrenen Frau lockte, so ist es diesmal ein akustisches Traumbild, das ihn gefangen nimmt. Die Stimme am Telefon nähert sich dem Einzelgänger gerade so weit, wie er es zulässt. Sie erlaubt ihm, mit jemandem in Kontakt zu treten und regt gleichzeitig seine Phantasie an, da er nicht weiß, um wen es sich handelt und wie die Person aussieht. Helmuth Ashley ist für gefühlvolle Inszenierungen bekannt und betont den romantischen Beigeschmack, den die eigentlich sehr ernsten Gespräche haben. Das Umfeld von Dr. Lippert zeigt dynamische Charaktere, denen Gewinnmaximierung und Lebensgenuss alles bedeuten und lässt den introvertierten Mann zum Außenseiter und willkommenen Opfer finsterer Pläne werden. Im Grunde möchte das Drehbuch nur auf der bitter-süßen Verbindung zwischen dem Opfer und seinem Schutzengel verweilen und gestaltet das Umfeld der Täter wohl deshalb so grob und unfertig. Wieder einmal sind es die Süchte der Schwachen, die Grund für ein Verbrechen liefern. Lambert Hamel, der wie ein in Milch aufgeweichter Krapfen aussieht, darf sich mit dem spitznasigen Christoph Eichhorn einen Wettkampf liefern, wer denn nun schlimmer dran sei: der Säufer oder der Fixer. Harry Kleins Tanzkünste werden von Roswitha Schreiner lapidar als überholt abgetan, was erneut bestätigt, dass zu viel Privatleben für einen Ermittler gar nicht zuträglich ist. Sobald sich die Geschichte dem Ende zuneigt, ahnt der aufmerksame Zuseher, was nun kommen wird und bleibt deshalb nicht überrascht, aber wegen des abgehackten Endes doch ein wenig verblüfft zurück. Wollte man der Hilflosigkeit aus dem Weg gehen, die eintritt, wenn geheime Träume wahr werden? Wenn die schnöde Realität der Phantasiewelt ihren Zauber nimmt? "Sagen Sie nichts," meint Dr. Lippert und erntet einen dankbaren Blick. Der Rest ist Schweigen.
BEWERTET: "Das Ende einer Illusion" (Folge 167) mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Cornelia Froboess, Gerd Anthoff, Günther Ungeheuer, Hanno Pöschl, Klaus Abramowsky, Marion Kracht u.a. - Regie: Günter Gräwert
Erich Rieger ist ein Spieler. Seit Wochen sitzt er allabendlich am Pokertisch eines illegalen Clubs und verliert viel Geld. Der Besitzer des Lokals vermutet noch größere Summen hinter dem unauffälligen Angestellten und setzt eine Animierdame auf den Mann an. Sie soll herausfinden, wieviel bei ihm noch zu holen ist. Helga Weinert ist die Sache zunächst lästig, doch dann findet sie Gefallen daran, endlich einmal zeigen zu können, wie stark und verlässlich sie ist. Als Riegers Bruder ermordet wird, beschleicht sie der Verdacht, dass ihr Chef den vermögenden Kunsthändler ermordet hat. Sie versucht, Erich Rieger dazu zu bewegen, eine Aussage bei der Polizei zu machen und setzt sich damit in ein Wespennest.....
Der Titel der Episode weist auf die Verblendung und Ernüchterung mehrerer Personen hin. Unter dem Vorwand der (Selbst-)Täuschung agieren Männer und Frauen rund um das Nachtlokal, das die Anwesenden in rötliches Licht taucht, mit Evergreen-Klängen einlullt und mit Alkohol betäubt. Ausnahmslos alle Charaktere sind auf der Suche nach BeLUSTigung oder EntLASTung. So klagt z.B. Marion Kracht über Schulden, die sie bei ihrem Arbeitgeber hat; sucht Ungeheuer nach Wegen, seinen Stammkunden zu halten und Froboess nach einem Ventil für ihre Unzufriedenheit, die sie jedoch (noch) nicht resignieren ließ oder sie zur willenlosen Marionette degradiert hätte. Die Schauspielerin war schon immer eine Kämpfernatur und agierte bereits in den Schlagerfilmen ihrer Jugend selbstmotiviert und zielstrebig. Gert Anthoff fällt der passive Part zu, sein Handeln verrät Starrsinn und das Festhalten an alten Rollenbildern. Günther Ungeheuer und sein Adlatus Pöschl (der auf schmierige Zuhältertypen abonniert ist) fungieren als Triebfeder für die Handlung, in deren Mittelpunkt nicht das Geld und der Mord stehen, sondern Helga Weinert und ihre Bemühungen um den Fall Rieger. Uneitel, spontan und gerade heraus behauptet sie sich zwischen der stillen Larmoyanz ihres 'Betreuungsobjekts' und der fordernden Beharrlichkeit des Nachtclub-Duos. Die angeblich überraschende Wendung im Finale kam für mich gar nicht unerwartet, da ich früh die richtigen Kombinationen anstellte. Vielleicht hatte ich immer noch das Bild Anthoffs aus der Folge "Die Zwangsvorstellung" (aus: "Die seltsamen Methoden des Franz Josef Wanninger") vor Augen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Drehbuch und Regie bei aller Empathie für den Mann den Kriminalplot ein wenig aus den Augen verlieren.
Zitat von Percy Lister im Beitrag #700Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Drehbuch und Regie bei aller Empathie für den Mann den Kriminalplot ein wenig aus den Augen verlieren.
Darauf musst Du Dich einstellen; je mehr Derrick in die Jahre kommt und dem Ende zugeht, desto mehr ist der Kriminalplot nebensächlicher (auch wenn es davon Ausnahmen gibt).
BEWERTET: "Mord inklusive" (Folge 168) mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Philipp Moog, Anja Schüte, Alice Treff, Peter von Strombeck, Beate Finckh, Christoph Waltz, Tobias Hoesl, Holger Petzold u.a. - Regie: Helmuth Ashley
Ein Mord wird angekündigt: Der Werbegrafiker Konrad Breuer ruft Oberinspektor Derrick an und meldet, dass man ihn mit dem Tod bedroht. Sollte ihm etwas zustoßen, möge man sich an seinen Kompagnon halten. Am nächsten Morgen wird der Wagen von Breuer aus dem Kanal gefischt, die Autopsie ergibt Tod durch Ertrinken. Dennoch stellt Derrick Nachforschungen an und trifft auf eine Gruppe junger Leute, deren Auftreten ebenso einnehmend ist wie ihr Lebenswandel: Sport, Freundschaft und Pflichtgefühl scheinen bei ihnen ganz oben zu stehen. Allerdings gibt es da noch eine vermögende alte Dame, die nicht mehr lange zu leben hat und deren Gesellschaft die Männer angeblich ohne Hintergedanken täglich suchen....
Es ist beinahe schon bemerkenswert, wenn man in einer "Derrick"-Folge auf junge Menschen trifft, die nicht im Studenten- oder Drogenmilieu (vorzugsweise beides) verkehren, sondern einem redlichen Job nachgehen, sich sportlich betätigen, manierlich gekleidet sind und zudem nett zu alten Leuten. Was kann man von den Hoffnungsträgern einer Gesellschaft mehr verlangen? Selbstlosigkeit? Sind wir hier in der Bibelstunde oder einer Kriminalfolge? Und dann noch einer aus der Feder von Herbert Reinecker. Ich wusste doch, dass hier ein Pferdefuß lauert! Natürlich ist alles nur (schöner) Schein und die hässliche Wahrheit verbirgt sich hinter der smarten Fassade von Philipp Moog. Christoph Waltz ist in einer Marginalrolle zu sehen, zeigt allerdings bereits die finstere Aura, die ihm Jahre später eine klassische Naziverbrecherrolle auf internationaler Basis einbrachte. Anja Schüte sieht man zunächst unter der Dusche und später zwischen den Laken mit Wepper, dem in dieser Folge die erste richtige Affäre zugestanden wird. Er gilt allerdings nur als Katalysator, um die Lösung voranzutreiben und es scheint fast, als könne Derrick den geschniegelten Burschen diesmal nichts nachweisen. Um deutlich zu machen, dass das große Vermögen am Ende doch nicht den Heuchlern zufällt, ertönt das Martinshorn des Notarztwagens, das signalisiert, dass hier keine Tote, sondern eine Kranke abtransportiert wird – genug Zeit also, um das Testament zu ändern. Alice Treff zeigt eine Frau vor der letzten Hürde, die an das Gute glauben MUSS, um nicht zu verzweifeln angesichts einer immensen Hinterlassenschaft, die zur Bürde geworden ist. Eine Bürde, die zum verantwortungsvollen Umgang damit verpflichtet. In den Gesprächen mit ihr zeigt sich wieder einmal Derricks stille Würde, die er nicht primär verbal, sondern in Haltung und Gebaren ausdrückt.
Zitat von Georg im Beitrag #453"Eine Rose im Müll" halte ich für eine besonders gute Folge mit tollen Darstellern und vorzüglicher Gräwert-Regie. Die Szenen auf der Müllhalde erinnerten mich immer etwas an Perrak.
Hier muss ich zustimmen. So gefesselt hat mich bislang kaum eine Derrick-Folge, abgesehen von den Frühfolgen. Vielleicht hätte der Folge am Ende noch ein kleiner Twist oder eine sonstige Überraschung gut getan, aber ansonsten gibt es nichts zu meckern. Sehr atmosphärisch mit "zupackender" Kameraführung (alleine die Aufnahmen im LKW inklusive Armaturenbrett sprechen Bände) und hübsch viel Land und Straße. Genial auch das Häuschen mit psychologisch-verräterischem Jägerzaun direkt an der Deponie und die beengten Kameraperspektiven in und aus ebendiesem. Erinnerte mich fast ein wenig an frühe Kottan-Folgen.
Ganz besonders gelungen finde ich hier auch die Melange aus tatsächlich traurig und zutiefst realistischen Bildern von der Müllhalde, bzw. eben vom Rande der Müllhalde, mit der hier doch bereits deutlich anklingenden und sich in den Dialogen breitmachenden philosophisch-verschwurbelten Reinecker-Ader, die derartig verbrämt für mich tatsächlich genießbarer als sonst ist und tatsächlich eine hübsch unbestimmte unterschwellig-fröstelnde Gänsehautspannung erzeugt, die, jedenfalls für Momente, über den eigentlich Fall hinauszugehen scheint.
Episode 169 der TV-Kriminalserie, BRD 1988. Regie: Alfred Weidenmann. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Birgit Doll (Lore Hauk), Karin Anselm (Eva Hauk), Charles Breuer (Herr Hauk), Edgar Selge (Armin Rasche), Jochen Horst (Bernd Druse), Paul Neuhaus (Kabek), Robert Jarczyk (Blohme), Dirk Galuba (Dr. Wedekind) u.a. Erstsendung: 21. Oktober 1988, ZDF.
Zitat von Derrick: Die Mordsache DruseHeroin ist die schwache Seite von Lore Hauk. Die Droge macht die junge Frau kaputt, die ohnehin schon in einer schwierigen familiären Situation mit dem Vater als Trinker und einer geschiedenen Mutter zurechtkommen muss. Wenigstens ihr Freund Bernd Druse lehnt sich gegen das Unheil auf: Er stellt den Dealer zur Rede, doch der Boss der Bande schickt daraufhin zwei Killer, die Druse erledigen. Neben Derrick nimmt nun auch Lores Mutter die Ermittlungen auf – gegen den Wunsch ihrer Tochter.
Anderthalb Jahre dauerte mein „Derrick“-Hiatus, während der Oberinspektor sogar nachts um vier die Wohnung eines Mordopfers durchkämmt. Klar sind zwei Dinge. Erstens: Punkt für Derrick. Zweitens: Nichts hat sich während der Pause verändert. Tappert geht nach wie vor mit unvermindertem Pflicht- und Feingefühl ans Werk; besteht auf dem schwierigen Parkett, das zwangsläufig nach einem Todesfall immer gegeben ist, deutlich besser als seine polternderen oder autoritäreren Kollegen aus anderen Serien. Gemeinsam mit Fritz Wepper ist er ein perfektes Duo, das mich immer (noch / wieder) zu Freudensprüngen veranlasst. Das mag man von einigen anderen Angewohnheiten der Serie nicht zwangsläufig behaupten (es wundert mich irgendwie gar nicht, dass ich ausgerechnet mit einer Folge aus dem übelsten Drogensumpf wieder einsteige), doch selbst in diesem Punkt kann sich „Die Mordsache Druse“ auf eine ausgewogene Darstellung aller Seiten, auf Vielschichtigkeit und die Unterlassung bloßer Gemeinplätze berufen.
Birgit Doll und Karin Anselm als ungleiches Mutter-Tochter-Gespann übernehmen über weite Teile der Spielzeit die Direktive; Derrick und Klein bleiben etwas im Hintergrund, was in Anbetracht der charismatischen Gastdarstellerinnen aber kein Grund zum Mosern ist. Lore Hauk zeigt zwar die egoistische Gleichgültigkeit einer Süchtigen, für die außer der Belieferung mit der nächsten Portion Stoff nichts zählt (folglich erscheint die anfangs gezeigte Beziehung zwischen Naivling Druse und ihr auch ein wenig einseitig), merkt jedoch in lichten Momenten auf und hinterfragt zögerlich den Schlamassel, in den sie sich begeben hat. Ihre Mutter Eva ist die einzige laut Reinecker „starke“ Person der Familie und damit die einzige, deren Leben in normalen Bahnen verläuft. Sie zeigt ähnlich wie Derrick Einsatz für andere und einen unbändigen Willen, die Dinge durchzusetzen, die sie als gut für ihre Tochter erkennt.
Wie üblich ist Weidenmann eher langsam unterwegs; Spannung will folglich eher wenig aufkommen. Auch ist es von seiner Seite aus keine Neuigkeit, mit expliziten Bildern plakativ vom Drogenkonsum abzuschrecken. Ähnlich war er z.B. auch in der Episode „Hausmusik“ vorgegangen; die Szene in der Doll sich hier eine Spritze setzt, finde ich durchaus verzichtbar – sie tut der sonst recht sachlich, teilweise sogar cool inszenierten Folge einen gewissen Abbruch.
Cool kommt nämlich vor allem Derrick am Ende der Folge herüber, als er sein Selbstbewusstsein gegenüber dem Drahtzieher und seinen Schergen voll ausspielt. Dazu gehört ein Duell mit dem schwarzen Mann in dessen abgelegener Villa, das beinahe Westernqualität besitzt und in dem Derrick ungewohnten Einblick in sein Trinkverhalten gewährt. Wenn sich ein Fall der Aufklärung zuneige, bräuchte er immer einen Drink, sagt er. Und was für einen? Keinen Wein, keinen Schnaps, keinen Cognac. Ein Mineralwasser soll es sein. Welch eine wunderbar subtile Art, die Abneigung gegenüber dem Drogenbaron zum Ausdruck zu bringen!
Leider stellt die Episode mit ihrer Behäbigkeit ihr eigenes Licht ein wenig unter den Scheffel. Die zwar irgendwie altbekannte, aber aus engagierter Perspektive erzählte Drogengeschichte überzeugt durch das differenzierte Spiel von Doll und Anselm. Trotz diverser Täuschungsmanöver der beiden Ladys behält Derrick jederzeit die Fäden in der Hand, auch wenn er manchmal etwas in den Hintergrund gerät. 3,5 von 5 Punkten.