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Dieses Thema hat 977 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

14.07.2013 13:53
#616 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Der Charme der Bahamas

Episode 141 der TV-Kriminalserie, BRD 1986. Regie: Jürgen Goslar. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Evelyn Opela (Carina Müller-Brode), Karl-Michael Vogler (Hans Müller-Brode), Irene Clarin (Bettina Brosch), Till Topf (Franz Brosch), Klaus Behrendt (Gerhard Brosch), Thomas Fritsch (Dr. Schwede), Richard Münch (Richard Haber), Ullrich Haupt (Dr. Krosinger) u.a. Erstsendung: 16. Mai 1986, ZDF.

Zitat von Derrick: Der Charme der Bahamas
Weil er sich als beschämtes Komplottopfer sieht, hängt sich der Familienvater Gerhard Brosch im Keller seines Hauses auf. Sohn und Tochter, zutiefst verstört, machen den Finanzberater Hans Müller-Brode für das selbstgewählte Ende ihres Vaters verantwortlich – dieser hatte windige Geldanlagen empfohlen. Nun hämmert der Sohn nicht nur wutentbrannt an Müller-Brodes Tür, auch findet ihn die Polizei am Tatort, als der Finanzjongleur ermordet wird ...


Mit den Selbstjustizfolgen ist es bei „Derrick“ ein anscheinend ewiges Kreuz. Das, was Horst Tappert die „sizilianischen Fantasien“ des Drehbuchautors nannte, übermannte Reinecker auch bei der Konzeption dieser Folge, die nach dem einfachen Muster „Schuld hat, wer Geld hat“ Richtig und Falsch attribuiert, als befände man sich in einer Rundum-Sicher-Welt, in der eigene Entscheidungen ausschließlich durch die Bösartigkeiten der anderen begründet werden.

Zitat von Horst Tappert: Derrick und Ich – Meine zwei Leben, Heyne München, 1998, S. 185f
Schon bald fiel mir auch die pastorale Note in „Derrick“ auf. Nicht durchgehend, aber oft genug, dass es mich irritierte. Da wusste ich noch nicht, dass sich im Schriftsteller Herbert Reinecker auch ein Prediger verbirgt. [...] [U]nser Dialog über „Derrick“ fing vielversprechend an. „Das ist eine gute Idee von dir“, antwortete er auf meine Kritik, „du hast absolut recht, daran habe ich gar nicht gedacht.“ Dann kam das nächste Drehbuch, und alles war wie gehabt. Ich musste erkennen, dass mit Herbert Reinecker über seine Arbeit zu diskutieren heißt, offene Türen einzurennen und letzten Endes wieder draußen zu stehen. [...] Wenn eine „Derrick“-Folge von der Kritik verrissen worden war, in erster Linie durch Beschuss des Darstellers Tappert, übernahm Herbert allerdings immer die Verantwortung: „Ich hab’s verbraten und du kriegst es in die Fresse.“ Das war eine faire Haltung.


Herbert musste wohl auch in diesem Fall dem angeschlagenen Derrick zur Seite springen, lag es doch schließlich am erweiterten Schuldbegriff des Autors, dass er den beliebten Ermittler hier von einer sonst kaum bekannten Seite zeigt: Derrick mutiert stellenweise zu einer Art unsympathischen Robin Hood, der schon pro forma an der Verantwortlichkeit der Racheengel zweifelt, während er anderweitige Geständnisse willkürlich und ohne Wimpernzucken akzeptiert. Auch wenn dieser Helferinstinkt beabsichtigt war, verleiht der dem Krimi eine bittere Note, die darauf hinweist, dass im echten Leben der rasende Wüterich (Till Topf, durch Geburtsjahr und naiv-jungenhafte Anmutung mit Reinecker’schen Fundamentalistenrollen gestraft) und niemand sonst der Täter gewesen wäre.

Evelyn Opela wurde durch ihre Beziehung zu Helmut Ringelmann gern für „Derrick“ verpflichtet. „Nach fast 20 Jahren glücklicher Partnerschaft“, so weiß Katrin Hampel im „großen Derrick-Buch“ zu berichten, heiratete Ringelmann seine große Liebe „am 30. Dezember 1986“, rund ein halbes Jahr nach der Erstausstrahlung des „Bahama-Charmes“. Fünf weitere Auftritte sollte Opela daraufhin noch in der Serie haben.

Diese schwache Vorstellung mit ihren stereotypen Rollen und ihrem unglaubwürdigen Handlungsverlauf dient höchstens der Selbstbeweihräucherung der Reinecker’schen Umsichtigkeit und moralischen Korrektheit. Wer sich einen spannenden Krimi erwartet, wird nach kurzer Zeit entnervt wegschauen und den Rest der Folge nur mehr als Hintergrundbeschallung ertragen. 2 von 5 Punkten. Schade ist es vor allem um die namhafte Besetzung, in der Größen wie Vogler, Fritsch, Münch und Haupt nutzlos verheizt werden.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

14.07.2013 14:20
#617 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

„Derrick“ ist eine Serie der Schauspieler. Soviel konnten Percy Lister und ich in unserer ersten Hälfte der „Derrick“-Komplettsause zweifelsfrei feststellen. Bei einer Reihe, zu der nur ein Drehbuchautor alle Skripts liefert, kann nicht jede Episode gelungen sein – manch eine wird aber gerade durch das darstellerische Aufgebot wieder aufgepäppelt oder sogar als besonders überragend ausgezeichnet. Im ersten Teil unserer Halbzeitauswertung wollen wir deshalb jeder 15 Schauspieler küren, die bei uns pures Entzücken über Spielfreude, Glaubwürdigkeit und Rollenverständnis erwecken. Klar, dass Horst Tappert auf einer solchen Liste ganz oben stehen müsste, doch wir haben uns lieber einmal auf Gaststars beschränkt.



Folgende Damen und Herren brachten mich in 141 Folgen zum :

Platz 01: Ruth Leuwerik Sie ist die grande dame des deutschen Films. Mit einer Serie wie „Derrick“ nimmt sie es noch allemal auf, bringt aber zugleich den großen Vorteil mit, nur noch gute Rollen annehmen zu brauchen. Ist daher selten zu sehen und immer wieder eine pure Freude.

Platz 02: Christiane Krüger Anfängliche Zweifel wichen der Erkenntnis, dass auch Schauspielertöchter manchmal echte Begabung für das von Haus aus naheliegende Metier mitbringen können. Christiane Krüger überzeugt in all ihren „Derrick“-Rollen mit Charme und Eleganz.

Platz 03: Wolfgang Kieling In „Derrick“ hatte Wolfgang Kieling genau einen Auftritt. Und der saß wie angegossen. Sein Herr Manger, der auf dem nächtlichen „Waldweg“ lauert, ist auch nach 141 Folgen noch die unheimlichste und krasseste Figur der gesamten Reihe. Kieling hatte Mut, diese Un-Ikone zu verkörpern.

Platz 04: Peter Pasetti Die Stimme und das Auftreten eines Mannes von Welt, der für absolute Präzision in der Umsetzung seiner Rollen garantiert, machen jede Pasetti-Folge zu einem wohligen Highlight.

Platz 05: Inge Birkmann Inge Birkmann ist die nordisch Unterkühlte im Villenviertel von Grünwald. Auch wenn sie alle Voraussetzungen für die abgehobene Stiefmutter erfüllt, zerschlägt sie alle Befürchtungen durch eine selten gesehene Lebendigkeit und Uneitelkeit.

Platz 06: Hans-Georg Panczak Jede Krimireihe braucht ein enfant terrible: Hans-Georg Panczak geht als eine Art gemäßigter Jung-Kinski durch, der jedoch ein viel breiteres Spektrum bedienen kann als sein Vorgänger.

Platz 07: Klaus Schwarzkopf Was wäre eine Liste der Top-Darsteller ohne unser Kläuschen wert? Der liebenswerte kleine Berliner wirkt auf Münchner Parkett zwar manchmal etwas tapsig, doch genau diese Imperfektion macht seinen Charme aus. Wortgewandt und humorvoll ist er ja trotzdem.

Platz 08: Ursula Lingen Die zerbrechliche „Lena“ zeichnete ihr Image für die Reihe: Ursula Lingen porträtiert Gefangene im goldenen Käfig wie keine andere. Bei der Tochter der Schauspielerlegende Theo Lingen handelte es sich um eine der wenigen echten Damen in „Derrick“, die sich nicht über einen Sportwagen oder einen teuren Friseur definieren.

Platz 09: Wolfgang Müller Als Junge von nebenan gestartet, als geschätzter wiederkehrender Darsteller eine Position erarbeitet, die nur wenige verteidigen können: völlig glaubhaft sowohl als Polizeiassistent als auch als Psycho-Killer besetzt zu werden.

Platz 10: Cornelia Froboess Ist es parteiisch, Conny in die Liste aufzunehmen, auch wenn die Folgen, in denen sie mitspielte, bisher nicht zu den großen Würfen der Reihe zählen? Wahrscheinlich – aber ich mache das trotzdem, ohne rot zu werden. Da haben wir die Gemeinsamkeit: Mut zur ungeschminkten Ehrlichkeit.

Platz 11: Anaid Iplicjian Die Kämpferin unter den „Derrick“-Frauen zeigt, dass nicht allein Männer die Welt des traditionellen Abendkrimis beherrschen. Wer es mit Peter Pasetti aufnehmen kann, dem kann die Welt zu Füßen liegen. Es müssten nur wieder einmal eins, zwei markante Rollen her.

Platz 12: Curd Jürgens Der blonde Hüne wurde doch nur für „Derrick“ verpflichtet, um der frischen Serie einen Namen zu verleihen. Manchmal funktioniert aber auch eine Zweckehe, wenn die Chemie so perfekt stimmt wie in „Madeira“, wo neben einer Rolle eine ganze Folge auf den großen Star maßgeschneidert wurde.

Platz 13: Elisabeth Wiedemann Wer einmal in der Münchner Schickeria angekommen ist, verlernt das Lachen. In Grünwald, so pfeifen die Spatzen von den Dächern, wird nur mehr gekichert. Eines Besseren belehrt sie Elisabeth Wiedemann, eine grundsympathische Seele ohne Prätention, mit der man sich ehrlich freuen kann.

Platz 14: Ullrich Haupt Ein überzeugender Mann, der seine Stärke daraus gewinnt, auch aus der zweiten Reihe heraus eine spürbare Tragkraft entwickeln zu können. Haupt wird in seinen Rollen meist dazu gezwungen, einen Ausweg aus schwierigen Situationen zu finden.

Platz 15: Reinhild Solf Theaterbühnen sind wie „Derrick“ eine Welt der großen Kontraste. Deshalb zeigen sich auch bei professionellen Theatermimen frappierende Unterschiede in ihren Ausflügen ins seichte Metier. Reinhild Solf war sich für profanen Krimi nicht zu schade und verlieh ihm damit eine eigene Noblesse.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

14.07.2013 14:49
#618 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Meine Favoriten-Liste folgt hiermit:

Platz 01: Peter Pasetti
Eiskalter Gentleman mit Intellekt und Gerissenheit
Platz 02: Horst Buchholz
Charismatischer Mathematiker mit genialem Wahnsinn und sanfter Gutsherr mit unglücklicher Gefühlswelt
Platz 03: Anaid Iplicjian
Grande Dame mit Verstand, Mut und Risikobereitschaft
Platz 04: Ruth Leuwerik
Verletzlichkeit hinter tadelloser Fassade, große Empathie und Selbstbehauptung
Platz 05: Herbert Fleischmann
Wandlungsfähig, sowohl für Gauner-, als auch für knuffige Väterrollen geeignet
Platz 06: Inge Birkmann
Herbe Aura der Intelligenz – dominant und zuweilen unheimlich
Platz 07: Christiane Krüger
Die schönste Blondine der ersten 140 Folgen – gewinnt sogar noch mit den Jahren
Platz 08: Elisabeth Wiedemann
Leicht zu unterschätzende Charakterdarstellerin mit Überzeugungskraft
Platz 09: Evelyn Opela
Edelstein in wertvoller Fassung, in Grünwalder Villen eine Augenweide, strahlt sehr viel Ruhe und Würde aus
Platz 10: Heinz Bennent
Verschrobener Charakter mit Eignung für Verlierertypen und exzentrische Außenseiter, immer glaubwürdig
Platz 11: Ernst Schröder
Pompöser Großvatertyp, hinten dessen Fassade ein Vulkan ruht, der jederzeit ausbrechen kann
Platz 12: Helga Anders
Setzt Akzente als bezaubernder Kobold, beharrliche Selfmade-Frau und unbequeme Realistin
Platz 13: Thomas Schücke
Melancholie, Wut und Trauer dominieren seine Umgebung – interessante Ausstrahlung und Sympathiepunkte meinerseits
Platz 14: Ursula Lingen
Unabhängig und berechnend – eine femme fatale in mörderischer Umgebung
Platz 15: Andreas Seyferth
Ehrlich, besorgt und mitfühlend - der ewige Junge mit Qualitäten, die oft übersehen werden

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

14.07.2013 15:16
#619 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Folgende Darsteller provozieren in ihren Rollen hingegen großes Augenrollen:

Platz 01: Gert Haucke
Schmieriger Proleten-Fiesling ohne die unheimliche Aura eines Peter Kuiper
Platz 02: Klaus Behrendt
Dauergast mit Abonnement auf Selbstmitleid inklusive Schnaps und Unrasiertheit
Platz 03: Christian Quadflieg
Überheblicher Fatzke mit Dauergrinsen und Föhnfrisur
Platz 04: Hans Brenner
Austro-Schmäh mit süffisant-brutalem Gehabe
Platz 05: Wolfrid Lier
Permanent schlechtgelaunter Aufrührer
Platz 06: Pierre Franckh
Der Wahnsinn blickt aus seinen Augen – ewiger Verlierer, mal eingesunken, mal penetrant nervend
Platz 07: Karl Walter Diess
Verbrechertyp ohne Glaubwürdigkeit für positive Seiten
Platz 08: Anja Jaenicke
Lethargische Aufsässigkeit
Platz 09: Dirk Dautzenberg
Kläffender Kleinbürger
Platz 10: Hubert Suschka
Unsympath par excellence
Platz 11: Verena Peter
Lieschen Müller – wahlweise auf süchtigen Abwegen oder in naiver Gutgläubigkeit
Platz 12: Lisa Kreuzer
Zweifelhafter Einsatz als Allround-Talent auch in verruchter Maskerade
Platz 13: Uwe Dallmeier
Oller Suffkopf mit Einschlafgarantie
Platz 14: Werner Asam
Wald- und Wiesen-Rambo im Westentaschen-Format
Platz 15: Doris Kunstmann
Ermüdende Aura der Trostlosigkeit

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

14.07.2013 15:26
#620 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Böses verursachen mir schon beim ersten Auftreten die folgenden Kandidaten, deren Nervpotenzial sich als erheblich erwiesen hat. Funkspruch in Richtung Vergangenheit: „Herr Ringelmann, bitte seltener / gar nicht mehr verpflichten!“

Platz 01: Nikolaus Büchel Als Gegenpart zu Reinhild Solf gibt Nikolaus Büchel die ultimative Derrick-Vorstellung ab – wie man sie tunlichst vermeiden sollte! Gekünstelte Sprache und affektiertes Verhalten belegen, dass nicht jeder Schauspieler in der Lage ist, sich einem gewissen Medium anzupassen.

Platz 02: Christiane Schröder Ist es Zufall, dass zwei blonde Christianen in meinen Listen weit oben stehen? Das Antimodell zur edlen Krüger bietet Christiane Schröder – in jeder Hinsicht. An ihr sah man, wohin Verzogenheit durch Herkunft mit Promibonus führen kann. Ein aufmüpfiges, durch und durch unangenehmes Wesen, bei dem meine Abneigung deutlich über die Rollen hinausgeht.

Platz 03: Eduard Erne Ausgerechnet die jugendliche Entschlossenheit muss von einem Milchgesicht mit stechenden Augen repräsentiert werden? Wohl ein typischer Reinecker-Student, der seine seelischen Abgründe offenherzig zur Schau stellt.

Platz 04: Herbert Stass Die ideale Ergänzung zu Erne – das Niveau (oder vielmehr: die Abwesenheit desselben) passt. Selten haben mich zwei Schauspieler im Doppelpack so aufgeregt. Für die Steigerung des Blutdrucks ist ein hoher Listenplatz mehr als angemessen.

Platz 05: Dirk Dautzenberg Würde ich traurig dreinblickende Menschen ohne jede Ader fürs Außergewöhnliche sehen wollen, würde ich mich in der Innenstadt auf eine Parkbank setzen. Für einen Film- und Serienfreund darf es daher gelegentlich schon etwas mehr sein als das, was die Dautzenberg’sche Diätkost hergibt.

Platz 06: Anja Jaenicke In ewigem Trotz verharrend – die ideale junge Reinecker-Frau. Ob als „Mädchen in Jeans“ oder als „Raskos Kind“: Anja Jaenicke versteht es, die Nerven des Zuschauers bis zum Äußersten zu strapazieren.

Platz 07: Karl Renar Der Rotschopf, der immer dreinschaut, als hätte er irgendetwas Wichtiges nicht verstanden, gehört zum „Derrick“-Inventar wie Harrys Irrtümer und Stephans süffisante Sprüche. Nur leider ist er nicht so unterhaltsam.

Platz 08: Wolfrid Lier Grau, grauer, Wolfrid Lier. Wann immer die Rolle eines Penners oder Kneipenbruders zu besetzen ist, haben wir hier eine feste Bank. Wenn es nur in Derrick weniger Penner und Kneipenbrüder gäbe!

Platz 09: Irene Clarin Madame „ein Gesichtsausdruck genügt, um Schauspielerin zu werden“ wird in der philosophischen Phase der Reihe sicher noch eine große Karriere durchstarten. Percy Lister und ich haben schonmal die passenden Rollen für sie herausgesucht: als Trinkerin, als Mörderin, als Vergewaltigungsopfer, als Musikstudentin, als Drogenabhängige, als alternativer Späthippie, als Anhalterin. Das Übliche eben.

Platz 10: Günther Neutze Keiner kann so grimmig blicken wie Günther Neutze. Selbst beim Lachen. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Neutze verbreitet mit Gespür und Geschick eine Tristesse, die selbst den grünsten Sommerwald muffig wirken lässt.

Platz 11: Peter Bertram Lasse niemalse eine Schauspieler eine Akzent nachmache, den er nicht beherrscht, porco dio! Peter Bertram als Italiener erinnert ans historische Theater, als Männer Frauenrollen verkörperten. Das trifft in etwa die Glaubwürdigkeit, die Ringelmann mit seinem wiederholten Besetzungsclou erreichte.

Platz 12: Sky Dumont Wo pomadige Mähne und spitze Designerschuhe auf den einen wie die Offenbarung selbst wirken, sieht der andere das Schmierlappenpotenzial, dem Dumont bisher noch nicht entweichen durfte oder konnte.

Platz 13: Verena Peter Wenn ein toughes junges Mädchen dazu gezwungen wird, mit Hundewelpenblick die naive Unschuld zu geben, die von der Schrecklichkeit der Welt überrascht wird, dann wirkt diese Kombination unfreiwillig peinlich. Wie Reinecker Peters Krimikarriere auf dem Gewissen hat, wäre eine eigene „Derrick“-Folge wert.

Platz 14: Bernd Herzsprung Nein, ein offenes Hemd kann auch dann keinen Charme ersetzen, wenn man eine solide Schauspielausbildung genossen hat, Herr Herzsprung.

Platz 15: Volker Eckstein Das leidende Bürschlein beschließt den Reigen durch das Gruselkabinett der „Derrick“-Stars. Gerade in seiner späteren Schauspielphase hatte er einige Rollen dem Fürsprechen seiner Ehefrau Karin Baal zu verdanken, was wiederum beweist, dass Liebe blind machen kann.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

21.07.2013 14:47
#621 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Die Nacht, in der Ronda starb" (Folge 142)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Klaus Schwarzkopf, Ursula Lingen, Christoph Eichhorn, Anne Bennent, Marie Theres Relin, Tobias Lelle, Jens Noelte, Alwy Becker, Paul Neuhaus u.a. - Regie: Theodor Grädler

Oberinspektor Derrick ist ein gefragter Mann. Selbst sein Nachbar greift auf die Erfahrung und das Taktgefühl des Kriminalbeamten zurück, wenn es darum geht, eine unangenehme Situation zu entschärfen. Schnell wird aus dem privaten Fall jedoch ein offizieller für Derrick: Gregor Ronda, der Liebhaber der Ehefrau von Dr. Schenk, wird erschlagen aufgefunden - wenige Stunden nachdem die Schüler des Gymnasiallehrers von ihrem Pauker forderten, er solle nun endlich handeln und mit Ronda abrechnen....

Der undurchsichtige Klaus Schwarzkopf vermittelt stets den Eindruck, dass hinter seiner Stirn Überlegungen ablaufen, die von größter Gefahr für seine Umgebung sein könnten, aber von denen niemals auch nur ein Mensch erfahren wird. Man legte ihn bevorzugt auf unterwürfige, sich seinen Vorgesetzten anbiedernde Rollen fest, in denen er tadellos korrekt auftritt, aber nur auf den Moment zu warten scheint, in dem er den Lohn für Jahre des Verzichts und der Zurückhaltung erhält. Seine Clochard-Figuren lebten von der Spitzfindigkeit und Besonnenheit seiner beamtischen Unauffälligkeit. Das weibliche Element passt eigentlich nicht zu ihm, obwohl er oft den lange verheirateten Ehemann gibt. Ursula Lingen geht als Hannelore Schenk eigene Wege, was die Schüler ihres Mannes in geradezu manischer Weise zur Umsetzung einer Philosophie anregt, die sie und Dr. Walter Schenk zu einer verschworenen Gemeinschaft macht. Wie schon in "Dem Mörder eine Kerze" fallen die Schüler durch ihr moralisches Denken aus dem Rahmen. Selbst Harry und Derrick echauffieren sich darüber, dass optisch rein gar nichts an den jungen Leuten zu bemängeln ist. In einer Welt, in der Jugendliche mit Übermut, Grenzüberschreitungen und Unreife gleichgesetzt werden, verliert selbst Inspektor Klein die Nerven, wenn ihm eine klischeebehaftete Steilvorlage entzogen wird. Derrick weiß jedoch, dass der Druck auf die homogene Gruppe zu groß ist und er hier den Hebel ansetzen kann. Die Frage nach der Schuld bzw. Mitschuld wird am Ende beiläufig gestellt, aber so halbherzig, dass sie über die Stimmungsmache, die dem Zuseher zuvor eine knappe Stunde lang eingeheizt hat, nicht hinweggehen kann. Eine Entfremdung unterschiedlich empfindender Partner muss bestraft werden - notfalls auch mit dem Tod. Hat der beliebte Klassenlehrer versagt? Inwieweit ist die Schule für die Erziehung der Kinder und Jugendlichen über das reine Vermitteln des Lehrstoffes hinaus verantwortlich? Eine Episode, über die sich kontrovers diskutieren lässt und Oberinspektor Derrick einmal mehr als Gefangenen seines Berufs (bei ihm ist es schon eine Berufung) zeigt.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

21.07.2013 15:19
#622 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Die Nacht, in der Ronda starb

Episode 142 der TV-Kriminalserie, BRD 1986. Regie: Theodor Grädler. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Klaus Schwarzkopf (Dr. Walter Schenk), Ursula Lingen (Hannelore Schenk), Anne Bennent (Britta Stolze), Marie-Theres Relin (Ursula Westhof), Christoph Eichhorn (Manni Schliemann), Tobias Lelle (Adrian Lutter), Jens Noelte (Georg Rechtaler), Paul Neuhaus (Gregor Ronda) u.a. Erstsendung: 4. Juli 1986, ZDF.

Zitat von Derrick: Die Nacht, in der Ronda starb
Hannelore Schenk steht offen dazu, dass sie eine Affäre hat. Ihr Mann, ein gutmütiger Lehrer, kann dem ohnehin nichts entgegensetzen. Zumindest nicht von allein … Nach einem durchzechten Abend mit seinen Schülern passiert jedoch das Unglaubliche: Ronda, der Liebhaber, wird ermordet. Gab die gesellige Runde in Dr. Schenks Wohnung den Auslöser für das Verbrechen?


Derrick ist wieder einmal umgezogen, aber die neue Wohnung bringt ihm keine Ruhe vor den allgegenwärtigen Stolperfallen seines Berufs. Wieder einmal ist es der befreundete Klaus Schwarzkopf, der sich Tappert zurückhaltend nähert und in ein Problem einweiht, das ihm über den Kopf gewachsen ist. Derrick wird auf diese Weise – ungern – zum häuslichen Vermittler. Erst als die Geschichte sich auf einen Mord ausweitet, zeigt der Oberinspektor Vergnügen an dem Vorfall – süffisant hebt er Harry gegenüber hervor, wie praktisch es sei, direkt nebenan ermitteln zu können.

Überhaupt erwischte die Produktion Horst Tappert in einer besonders heiteren Verfassung, die mich wieder mit den Einsichten aus „Der Charme der Bahamas“ versöhnt. „Die Nacht, in der Ronda starb“ zeigt, dass Derrick keine platte Moralfigur ist, sondern alle Künste der Unterhaltung blindlings beherrscht – vom leisen Humor bis zum bissigen Realismus. Der Titel bezieht sich übrigens nicht, wie ich im Vorfeld vermutete, auf ein junges Mädchen im Stile von „Ronja Räubertochter“, sondern einen der typischen Reinecker’schen Nachnamen, bei denen es direkt einmal lohnenswert wäre, im Telefonbuch ihre Existenz zu überprüfen.

Auch wenn Klaus Schwarzkopf und Ursula Lingen als ausgelaugtes Ehepaar die wohl überzeugendsten Leistungen abrufen, so gibt es auch aus der zweiten Reihe lohnenswerte Darbietungen zu vermerken. Das betrifft nicht nur Alwy Becker, die als exzentrisches Muttertier ihren Sohn begluckt, sondern auch und im Besonderen die Leistungen der – teilweise unbekannten – Jungdarsteller. Die Schüler gehören zwar in die übliche Schublade der „ich bin mein eigenes Recht“-Fraktion, aber sie verkörpern diese Einstellung wenigstens mit sympathischer Offenheit. ‘Mal fühlt sich Derrick von Eichhorn, Bennent, Noelte und Co. provoziert, ein andermal ist es Harry, der sich über offene Kritik echauffiert und Stephan anstachelt, den Fall bloß nicht ad acta zu legen.

Neben den Schülern ist die Star-Dichte in dieser Grädler-Produktion geradezu enorm, was dabei hilft, die Qualitätsstandards der Reihe zu sichern, die in den Händen unbedarfter Kleindarsteller manchmal ein wenig ins Wanken kommen. Durch Grädlers souveräne Führung gelang jedoch ein prima Zusammenspiel, das gerade in den ersten zwei Dritteln der Folge für ein enges Beieinander von Lachern und unangenehmen Momenten sorgt. Die Folge hätte es aufs Fünf-Punkte-Treppchen schaffen können, wenn in den letzten Gesprächen nicht der dicke moralphilosophische Zeigefinger ausgepackt worden wäre. Letztlich entgleitet die Geschichte aber doch wieder in Richtung Drama und erinnert – wenn auch nur in Ansätzen – an ein gelungeneres Remake von „Die kleine Ahrens“.

„Die Nacht, in der Ronda starb“ konnte sich bei mir von Anfang an auf mehrere Boni verlassen: Klaus Schwarzkopf, Ursula Lingen, die Schulthematik und die löbliche Ausnahme, dass es sich bei der Leiche weder um eine Kunststudentin noch um einen bösen Familienpatriarchen handelt, sprechen eindeutige Worte für die Folge. Auch die streckenweise amüsante Inszenierung deckt Fehler ab, die am Ende begangen wurden und nur allzu deutlich die Handschrift Reineckers verraten. 4,5 von 5 Punkten.

Peter Offline




Beiträge: 2.886

21.07.2013 17:09
#623 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Derrick-Experten Percy und Gubanov haben nun auch mal gepflegt den Finger in die Wunde gelegt und figurenkundlich abgeledert. Das schien ihnen mächtig Spaß zu machen, daher mache ich mit älteren Freitag-Abend-Erinnerungen spontan mit.

Ohne Rangfolge sind für mich also dies die Top-14 der Derrick-Nervtröten:

Der ewige "Seht-her-Ich-bin-Schauspieler": Gerd Anthoff
Der lästige Einmal-Streber-Immer-Streber aus "Tod eines Schülers": Till Topf
Die Mecker-Zicke: Anja Jaenicke
Der Mittvierziger mit dem Charisma eines Jura-Sudenten ("Na und?"): Philipp Moog
Die Möchtegern-Grande-Dame aus dem böhmischen Dorf: Evelyn Opela
Der Mann, der für den zweiten Gesichtsausdruck eine Maske braucht: Herbert Stass
Der Langweiler unter den Grundschul-Lehrern: Ekkehardt Belle
Die "Ich-schau-euch-so-an-weil-ihr-als-Zuschauer-alles-falsch-macht": Irene Clarin
Der indifferente Dauergast: Wolf Roth
Die Frau, die immer weiß, wie alles geht, vor allem der stets patzige Unterton: Marion Kracht
Die Sammlerin spießiger 80er-Jahre-Skills: Ilona Grübel
Der Förster, der sich schon immer in Krimis verlaufen hat: Christian Wolff
Die Frau, die keiner sehen und hören will: Christiane Schröder
Der im Vergleich zu seinem Bruder Han(n)s Lothar unfassbar untalentierte Meißel-Schädel vom Mount Rushmore: Günther Neutze

Gert Haucke mag ich ausdrücklich schon, auch wenn Percys Beschreibung voll zutrifft. Derrick gab eben rein historisch nicht die perfekt angegossene Rolle her, welche bei Hauckes Ausstrahlung wohl natürgemäß vorzugsweise zwischen 33 und 45 anzusiedeln ist (bestenfalls noch Weimarer Republik). Sein Gestapo-Mann in "Die Bertinis" belegt dies eindrucksvoll. Klasse ist er aber auch als A...loch-Gepäckträger in "Ein Mann will nach oben"...

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

21.07.2013 20:41
#624 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Wunderbar, @Peter - manchmal müssen unangenehme Wahrheiten auch einfach ausgesprochen werden. Ich freue mich, dass wir einige Übereinstimmungen haben, und habe mich über Clarin und Neutze köstlich amüsiert. Da sind dir Analysen gelungen, die das Potenzial für zukünftige geflügelte Worte haben. Die zahlreichen Übereinstimmungen sprechen übrigens dafür, dass die Lage bei allem Lästern doch gar nicht so prekär ist und die Welle der Empörung nur eine kleine Gruppe an Darstellern erfasst.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

21.07.2013 20:44
#625 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

@Peter: Ich würde mich freuen, wenn wir nun auch noch Deine Liste des Entzückens lesen könnten. Die Erstellung derselben macht vielleicht nicht so viel Spaß, ist aber in jedem Fall aufschlussreich.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

21.07.2013 20:54
#626 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Ein eiskalter Hund" (Folge 143)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Klaus Löwitsch, Christine Buchegger, Horst Michael Neutze, Gundi Ellert, Ida Krottendorf, Axel Millberg, Katharina de Bruyn, Joachim Wichmann, Willy Schultes u.a. - Regie: Theodor Grädler

Luise Lohbach fürchtet sich. Seit geraumer Zeit hat ihr Mann Jakob eine Geliebte, eine Kellnerin des gemeinsamen Ausfluglokals. Das ist nichts Neues, doch diesmal glaubt Luise, dass Jakob mit ihr Schluss machen will, und zwar auf eine Weise, die ihn zum alleinigen Besitzer der Gaststätte machen würde. Im Falle einer Scheidung würde der Mann alles verlieren, doch ein plötzlicher Todesfall brächte nicht nur Wohlstand, sondern auch Freiheit. Ein ruhiger Samstag in ihrem Wochenendhaus würde Luise Klarheit bringen - davon ist sie überzeugt. Doch während Jakob beim Kartenspiel sitzt, ereignet sich im Waldhaus ein Mord ...

Die Parallelen zu "Die Tote im Dornbusch" (Der Kommissar, 1969) sind unübersehbar, nur das Mordmotiv ist ein anderes. Während Irmgard Panofski ihren Ehemann betrog und er die Anspannung nicht länger ertragen konnte, ist es Jakob Lohbach selbst, der einen Weg aus der Ehe sucht, da er untreu ist. In seinen Plänen spielen auch finanzielle Überlegungen eine Rolle, da das Geld bei seiner Frau liegt. Während die "Miss Ostsee" Irmi nur kurz auf einer Fotografie in Erscheinung tritt, ansonsten aber ausschließlich in den Erzählungen ihrer nächsten Umgebung lebt, bekommen wir hier mit Christine Buchegger eine starke Persönlichkeit präsentiert, der man es schwer abnimmt, dass sie sich emotionell von einem Mann wie Löwitsch abhängig macht. Während das Gespann Paul Albert Krumm und Siegurd Fitzek im "Kommissar" die Klaviatur der Gefühle beherrscht und echte Komplizenschaft überzeugend vermittelt, kann es das Mördergespann in "Ein eiskalter Hund" nur bedingt. Das Ensemble ist ein wenig schwach auf der Brust, was sich im stoischen Horst Michael Neutze, der in jeder Situation den selben Gesichtsausdruck zur Schau trägt und damit seinem Bruder Günther, der wenigstens überzeugend grimmig dreinschauen konnte, den Rang abläuft, ausdrückt.

Axel Millberg ist ebenso ein Kind von Traurigkeit, während die Damen Krottendorf, Ellert und de Bruyn ihren Klischees entsprechend auf die Pauke hauen dürfen. Bei Löwitsch selbst bin ich mir um Unklaren, ob sein Spiel gewollt variierend ist oder er gewissen Szenen nicht gewachsen ist. Prinzipiell stellt er den richtigen Mann für die Rolle dar, verbindet man ihn doch mit Härte und Gefühlskälte. Er ist die Weiterentwicklung des Werner-Asam-Typs, der das Volkstümliche abgeschüttelt hat und sich nicht in die Karten blicken lässt. Dennoch gibt es Kritikpunkte: Das Verhör am Stammtisch, bei dem er langsam und seine Worte unnatürlich betonend spricht, lassen mich ebenso stutzen, wie beim unglaubwürdigen Einrenken in den letzten Minuten der Folge. Ein Ausdruck seiner Abneigung gegen Dialoge und Drehbuchvorgaben?
Die ländliche Umgebung des Gasthauses und die herbstlich-romantische Kulisse des Waldes (inklusive des gemütlichen Willy Schultes) werten die Episode auf und lassen die Schwächen, die diesmal in der Auswahl der Darsteller begründet ist, ein wenig in den Hintergrund treten.

Peter Offline




Beiträge: 2.886

22.07.2013 10:36
#627 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister im Beitrag #625
Ich würde mich freuen, wenn wir nun auch noch Deine Liste des Entzückens lesen könnten. Die Erstellung derselben macht vielleicht nicht so viel Spaß, ist aber in jedem Fall aufschlussreich.

Oh, danke für das Interesse. Ich werde mir also gelegentlich Gedanken machen. Allerdings habt Ihr das Entzückungsfeld schon ziemlich abgegrast, und ich will ja nicht nur Star-Lob wiederholen. Es war schon leichter, einige lustige neue Graupen zu finden. Mir würden auch noch mehr einfallen; aber alles in Freundschaft, weil ich ja für Schauspieler per se ein Riesen-Herz habe, sogar auch für die Minderbegabten....
Bemerkung vorab: Bei mir besteht wegen des zeitlichen Abstands ein wenig die Gefahr, dass ich Gast- und Nebenfiguren aus "Derrick" mit denen aus "Der Alte" vermische. Ist aber wohl nicht so schlimm, solange sie - als Genies oder Stereotypen - in beiden Serien auftauchten...

Chinesische Nelke Offline



Beiträge: 136

22.07.2013 12:15
#628 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Der Schauspieler, der mich am meisten genervt hat, ist Norbert Kappen in "Ende einer Sehnsucht". Das liegt aber vielleicht auch daran, dass diese Folge sicherlich zu den schlechtesten 5 gehört. Sehr tragisch: Norbert Kappen nahm sich in 1984 zwei Tage vor der Ausstrahlung dieser Folge das Leben.

Blap Offline




Beiträge: 1.128

22.07.2013 12:39
#629 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Interessante und unterhaltsame Listen, danke dafür! Aber mein Dautzenknuffelchen hätte ein wenig mehr Freundlichkeit verdient.

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 10 (Folgen 136-150)

Folge 146 - Die Rolle seines Lebens (Deutschland 1986)

Stephan auf dem Spielplatz der Schablonen und Kulissen

Martin Theimer (Franz Boehm) war einst ein erfolgreicher Schauspieler, doch Alkoholsucht sorgte für das vorzeitige Ende seiner Karriere. Inzwischen ist Theimer trocken, will erneut im Filmgeschäft Fuß fassen. Mehr noch, eine neue Produktion steht kurz vor Drehbeginn, vermutlich die große Chance auf ein Comeback, scheint der Hauptcharakter doch wie für Theimer auf den Leib geschneidert. Leider hat man die Hauptrolle bereits vergeben, obschon Regisseur Robby Bracht (Peter Bongartz) mit seinem Star Mischa Kranz (Karl-Heinz Vosgerau) nicht allzu glücklich ist. Theimer bittet den Kon­kur­rent um Überlassung der Rolle, dieser nimmt die Anfrage des Kollegen jedoch nicht ernst. Wenig später wird Mischa Kranz tot aufgefunden ...

Stolz verkündet die Straßenbahn ihre Fahrtrichtung, einmal mehr führt uns die Krimireihe nach Grünwald. Diesmal nicht hinter die dicken Wände herrschaftlicher Villen, es zieht uns in den Ortsteil Geiselgasteig, in die Kulissen der Bavaria Filmstadt. Dort treffen wir auf schablonenhafte Charaktere, überraschendes wird nicht geboten, gleichwohl überwiegend solides Schauspiel. Franz Boehm trägt stets eine Spur zu dick auf, so soll wohl keinem Zuschauer die Tragik des großen Künstlers entgehen. Letztlich mehr Schein als sein, daher durchaus nicht ohne unterschwellige Schlitzohrigkeit angelegt, gar nicht so dumm, lieber Herr Reinecker. Sonja Sutter sehen wir als loyale und überfürsorgliche Gattin, Roswitha Schreiner taucht als verstörtes Töchterlein auf. Ja, eine vom Leben gebeutelte Familie, präsentiert per Holzhammer. Peter Bongartz gibt sich als Regisseur sensibler als Erich Hallhuber, der in die Form des glatten Produzenten gepresst wurde. Karl-Heinz Vosgerau darf vor seinem Serientod den Filmstar geben, freilich mit dem Hang zur großen Geste ohne Inhalt, garniert mit Arroganz. Heini Göbel taucht als freundlicher Fahrer auf, Pierre Franckh sehen wir an Roswitha Schreiners Seite, erwartungsgemäß neurotisch anmutend. Bemerkenswert Edwin Noël, er bricht als Journalist Helmut Bossner die Klischees auf, zeigt Herz und Hirn.

Horst Tappert überstrahlt alle Mitwirkenden um Längen. Humorvoll begegnet Stephan Derrick dem schönen Schein der Filmwelt, löst den Kriminalfall nebenbei, sanfter Druck und etwas Geduld reichen völlig aus. Einige herrliche Dialoge sorgen für Schmunzler, ich möchte nichts verraten, überzeugt euch selbst. Harry taucht lediglich als Randnotiz auf, der Stephan macht das schon, auch ohne Wadenbeißer in der Hinterhand. Mittelprächtiger Kriminalfall, Charaktere in abgegriffene Raster gestopft, dazu typischer Duvall Sound in die Suppe gerührt, unaufgeregt von Alfred Weidenmann inszeniert. So bleibt lediglich gepflegte Langeweile? Nein, denn diese Schablonen besitzen Unterhaltungswert, vor allem hält ein souveräner Horst Tappert alles zusammen, meine Verehrung ist ihm auf ewig sicher.

6,5/10 (oberste Mittelklasse)

***

Vom Ursprung her verdorben

Peter Offline




Beiträge: 2.886

23.07.2013 18:35
#630 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Hier also zur Wiedergutmachung der Lästerstunde meine "vingt-deux-d´amour" - mit weniger - aber umso mehr .

Platz 01: Ernst Schröder In der Hierarchie der legendären Berliner Theater-Genies noch eher hinter Held und Minetti angesiedelt, schwingt sich Ernst Schröder durch sein Geschenk starker ZDF-Krimi-Präsenz nun auf zur Nummer 1 des alten freitäglichen Derrick-Abends. Ob als totaler Patriarch, Business-Bonze oder verschrobener Professor: Seine schwer greifbare Intellektualität, überlegene Lebenserfahrung und wohlbehüteten Abgründe, die gern eruptiv zum Vorschein kamen, machten Schröder zum Erlebnis. Sein tragisches Ende verstärkte den Mythos.

Platz 02: Klaus Löwitsch Krimidarsteller par excellence, aber eben nicht nur dies. Keiner vermochte wie er durch gekonnte Spielereien mit der Stimmfärbung so viel Aussdrucksstärke in die Alltagssprache zu bringen. Öffentlich überzogenes Macho-Image, aber eben tatsächlich viel Selbstbewußtsein durch viel Alkohol. Daneben jedoch ein höchst literarischer Mensch. Diese Mischung machte es. Viel zu früh vom Krebs besiegt.

Platz 03: Wolfgang Kieling Der 'Derrick'-Grundstein auf dem 'Waldweg': Auch wenn dramaturgisches Konzept und Figurenzeichnung des Täters sich leider nicht durchsetzten, begründete Kieling den ruhmreichen Derrick-Krimi als solchen fast ebenso fundamental wie Tappert selbst. In seiner Ausstrahlung des Besserwissers mit gefährlichen Zügen in vielen Rollen einzigartig. Auch zu früh vom Krebs besiegt.

Platz 04: Curd Jürgens Für seine unnachahmliche Persönlichkeit wurden gern mal die Serien-Standards von 'Derrick' oder 'Tatort' neu zugeschnitten. Warum? Weil es sich lohnte. Er verstand es zu leben und zu spielen - und beides fulminant zu vereinen. Zu früh gegangen......

Platz 05: Christiane Krüger Gefällt auf den ersten - und überrscht auf den zweiten und dritten Blick, weil sie über Erwartungen und Klischees hinaus Menschen mit Integrität und Qualität lebendig macht.

Platz 06: Edda Seippel In der Rolle der geschichtsgeplagten deutschen Frau schaffte sie es allein durch ihre Mimik, uns hinter die Fassade kompletter Familienschicksale zu führen.

Platz 07: Ruth Leuwerik Rarer Gaststar und nicht zufällig langjährige Gütegarantin, im deutschen Film zeitweise eine der wenigen wirklich sehenswerten Interpretatorinnen auch anspruchsvollerer weiblicher Hauptrollen.

Platz 08: Martin Held Zählt zu den größten klassischen Schauspielern und hätte gern öfter den "Derrick" bereichern dürfen. Ihn zu umschreiben würde den Rahmen sprengen.

Platz 09: Peter Pasetti Bei der Verbreitung von List und Tücke der Allergrößte. Zog den Zuschauer mit unvergesslicher Stimme gern tief in Handlung und Gedankenwelt. Ein Krimi-Gaststar, auf den man sich bewusst und unbewusst stets freuen konnte.

Platz 10: Siegfried Wischnewski Ihm stank es fürchterlich, ausgerechnet und ausschließlich mit der verhasst-langweiligen - aber überaus populären - Rolle als gütiger Tierdoktor in Verbindung gebracht zu werden. Extrem krimikompatible, raumfüllende Präsenz, typischer Wirtschaftswunder-Repräsentant.

Platz 11: Christine Wodetzky Niemand trug so würdevoll wie sie die Verwicklung in übelste Kriminalfälle. Eine wirkliche Dame - und doch eine sympathische bodenständige Frau mitten aus dem Leben, aus welchem auch sie zu früh gerissen wurde.

Platz 12: Hans-Georg Panczak Ihn bringt man praktisch NUR mit freitäglichen Krimi-Auftritten in Verbindung, weil er oft präsent war und nie enttäuschte. Bilde mir ein, ihn mal zufällig in Berlin auf der Straße gesehen zu haben (leider nur bei Glatzeder weiß ich es sicher an jenem seltsamen Tag...)

Platz 13: Ullrich Haupt Bedeutender Theatermensch, nur selten im Fernsehen sichtbar. Einer für mehrschichtige Gefühlswelten. Fast zu viel für kleine Krimi-Rollen - aber eben immer sehenswert.

Platz 14: Klaus Schwarzkopf Der Meister der präzisen leisen Töne war nicht nur selbst die gute Ermittler-Alternative zu diversen Alpha-Tieren, er bereicherte auch als undurchsichtiger Gast die Handlungen abseits polternder Selbstdarstellung.

Platz 15: Peter Kuiper Schmieriger Proleten-Fiesling MIT unheimlicher Aura. So etwas braucht der 'Derrick' in passenden Momenten, weil es ohne solche Klischees viel weniger Freude macht. Mit demselben optischen Chic absteigend auf der Ersatzbank: Wolfgang Müller (differenziert), Wilfried Baasner (psychotisch), Gert Haucke (humorlos).

Platz 16: Horst Buchholz Nicht gerade der typische und passgenaue Darsteller in einer für ihn zu engen 'Derrick'-Welt, aber dank seines Könnens - und als Belohnung für den Mut, es außerhalb der Grenzen immer wieder zu versuchen, ein Schauspieler mit internationalem Renommée. War als Gast für einzelne Glanzstücke immer zu haben.

Platz 17: Horst Frank Ein unwiederbringliches Unikum, machte die Charge hoffähig. Kein Alles-Spieler, aber er konnte es auf die unheimliche, aufsässige, gemeine oder schleimige Art - ohne Glaubwürdigkeit einzubüßen. Unvergesslich als Zuhälter mit allen Zutaten im gemeinsamen Bild mit dem vergeblich suchenden Buchholz im Jubiläums-Derrick "Die Tote in der Isar".

Platz 18: Edith Schultze-Westrum Noch von zwei Weltkriegen und Trümmerbeseitigung geprägt, verbaute sie persönliche Erlebnisse für ihre Rollen als sorgenvoll-tapfere, geradlinige Familienschützerin und übertrug ihre Falckenbergsche Bühnenpräsenz mühelos in Filme und 'Derrick'-Krimis.

Platz 19: Gerd Böckmann Unterschätzte Krimi-Allzweckwaffe, höchst typischer Abendgast im Krimi vorm Wochenende, durfte dort zwar nicht sein gewohnt großes Theater spielen, aber eine hintersinnige Angespanntheit als Generalverdächtiger gekonnt in Derricks Fälle einbringen.

Platz 20: Thomas Holtzmann Noch ein (kürzlich) verlorenes Unikum. Charakterkopf und Vollblutschauspieler, vergeistigtes Charisma, spielend und chargierend immer gern gesehen. Werde ihn vermissen.

Platz 21: Karin Baal Bonusplatz, darf als Naturtalent, Berliner Original in München und würdige 'Miss Krimi' der Prä-Derrick-Generation nicht fehlen.

Platz 22: Hans Korte Zweiter Bonusplatz. Verdammt, erst fällt einem kaum jemand ein, zum Schluß dann gefühlt Hunderte. Kortes eigenwillige Intensität soll einfach nicht unerwähnt bleiben. Schlußpunkt.



Als Epilog DER erinnerte Dialogfetzen zur Nummer 1 (aus "Penthaus"):
Tappert (ernst, laut): "Was Sie getan haben, ist Beihilfe zum Mord!"
Schröder (interessiert): "Sehen Sie das so? (jovial lächelnd) - Also, ich sehe das anders."

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