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Dieses Thema hat 977 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

28.04.2013 13:51
#586 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Die Tänzerin" (Folge 134)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Heinz Bennent, Dietlinde Turban, Ingrid Andree, Robert Wolfgang Jarczyk, Ruth Pistor, Dieter Eppler, Manfred Seipold, Nino Korda, Sepp Wäsche u.a. - Regie: Zbynek Brynych

Katrin May ist achtzehn und lebt in einem Internat, wo sie sich auf ihr Abitur vorbereitet. Ihre Eltern sind vor kurzem nach Minnesota/USA gezogen, Katrin soll nachkommen, sobald sie die Reifeprüfung abgelegt hat. Doch seit einigen Monaten hat sie eine Beziehung zu einem verheirateten Mann. Dr. Rohner ist Kaufmann und trägt sich mit der Absicht, sowohl seine Ehe, als auch die Freundschaft zu Katrin aufrechtzuerhalten. Eines Nachts wird ein Mordanschlag auf die junge Frau verübt, Katrin kommt mit dem Schrecken davon, aber der Hausmeister erleidet tödliche Verletzungen. Derrick sieht sich gleich mit zwei Verdächtigen konfrontiert: Ralf Becker, dem Exfreund von Katrin und Frau Rohner, die ihren Mann seit drei Monaten von einer Detektei beschatten ließ ...

Die Ambivalenz dieser Folge drückt sich in den Unterschieden zwischen dem historischen Ambiente des Schlossinternats, das als Mordschauplatz der ersten Güteklasse angehört, und den fließenden Räumen der Wohnungen zweier gegensätzlicher Männer aus. Die ehrwürdige Atmosphäre der Bildungsstätte, die jungen Damen den richtigen Schliff geben und ihnen das nötige Wissen für ihren weiteren Lebensweg vermitteln soll, wird durch einen schaurigen Zwischenfall aufgeschreckt, der das publik macht, was die Beteiligten bisher geheim gehalten haben: die Beziehung zwischen einer Schülerin und einem gesetzten Geschäftsmann. Die Paarung Turban/Bennent drückt das aus, was die Gemüter bewegt und den Blätterwald rascheln lässt. Auf der einen Seite eine junge Frau, die in voller physischer Blüte steht, deren Charakter aber noch geformt werden kann. Und hier setzt die Denkweise der älteren, oft vermögenden Liebhaber ein: Ein weibliches Wesen, das offen und unvoreingenommen ist, ohne die Erfahrungen, die die eigene Frau zwangsläufig im Laufe der Jahre gemacht hat und sie kritisch werden lassen hat. Ingrid Andree ist ein besonders extremes Beispiel; sie engagiert einen Detektiv (köstlich: Nino Korda), greift ihren Mann verbal an und beharrt trotz ihres offensichtlichen Hasses immer noch darauf, dass sie ihn liebt. Heinz Bennent ist mehr als einmal überfordert und die Schilderungen seiner früheren Eskapaden wirken wie Rechtfertigungen für seine aktuelle Teilnahmslosigkeit: der gute Mann hat sich eben bereits verausgabt. Was Dietlinde Turban in ihm sieht und sie mit fliegenden Fahnen in seine Arme rennen lässt, bleibt das Geheimnis des Drehbuchs. Robert Wolfgang Jarczyk müht sich, den enttäuschten und dennoch virilen Exfreund in zwiespältigem Licht erscheinen zu lassen, stolpert dabei aber über Ingrid Andrees Soloprogramm. "Klein, schäbig, hinterhältig und feige" - so sieht Oberinspektor Derrick den Mörder an sich. Seine Worte treffen den Kern durchaus und zeigen gerade im Gespräch mit dem Privatschnüffler, dessen leidenschaftliche Anteilnahme am Beschattungsauftrag Dr. Rohner ihm - dem sachlichen Polizisten - zuwider ist, die Unterschiede zwischen der Notwendigkeit, einen Mörder finden zu müssen und einer emotionalen Parteinahme.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

28.04.2013 14:45
#587 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Familie im Feuer" (Folge 135)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Beate Finckh, Henry van Lyck, Dirk Galuba, Hans Georg Panczak, Ida Krottendorf, Wolfried Lier, Alice Treff, Klaus Abramowsky, Andrea Rau u.a. - Regie: Zbynek Brynych

Anne Bohl macht sich Sorgen um ihren Vater. Seit Wochen hängt er mit einem vorbestraften Mann namens Weiler herum und baldowert mit ihm ein Verbrechen aus. Die Männer planen einen Einbruch, Bohl soll sich mit einem Revolver Respekt verschaffen. Als Weiler nach einem Kneipenbesuch nach Hause kommt, wird er im Hof erschossen. Da Vater Bohl die Waffe nicht mehr findet, verdächtigen er und Annes Bruder Ulrich das gelähmte Mädchen ...

Arbeitsverlust, Neuorientierung und Zwangspausen: Familie Bohl kennt alle Stadien der Beschäftigungslosigkeit, versinkt jedoch nicht in Apathie, sondern haut sich ihre Gefühle um die Ohren, dass dem Zuseher ganz schummrig wird. Krankhafte Anhänglichkeit, Zu- und Abneigung im ständigen Wechsel und Konfrontationen, die nichts lösen, sondern Gräben nur vertiefen, sorgen dafür, dass der Tod eines Außenstehenden als Befreiungsschlag empfunden wird. Hektisch wird das alte Familienbild wieder zusammengeleimt, die Speisekammer von den Spinneweben befreit und halbseidene Lückenbüßer an der Haustür abgewimmelt.
Beate Finckh steht als Tochter des Hauses im Zentrum der Geschichte. An ihr entzünden sich Diskussionen und moralische Beanstandungen. Ihr zuliebe nehmen sich die Männer in der Familie zusammen, zwingen sich zu einem freundlichen Umgangston und Hilfsbereitschaft. Hans Georg Panczak ist in seiner Vielseitigkeit ein gutes Beispiel dafür, ihm nimmt man sowohl den harten, kompromisslosen Rohling als auch den harmlosen Burschen von nebenan ab.
Die schäbigen Schauplätze passen zum Schlendrian, der nur durch kriminelle Geistesblitze unterbrochen wird. Wolfried Lier als tuntiger Barhocker, Andrea Rau (das Mordopfer aus Folge 3) und Klaus Abramowsky beleben die Kulissen und sorgen für das Brynych-Feeling. Derricks Kombinationen muten diesmal ein wenig seltsam an, wenn er am Ende bekennt, er habe den Täter schon zu Beginn verhaften wollen, es dann aber nicht getan. Seinem Image als "Helferlein" (O-Ton Blap) wird Berger gerecht, indem er Harry während eines Regengusses den Schirm hält.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

28.04.2013 15:06
#588 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die neunte "Derrick"-Box bot wieder einmal eine Spannbreite vom Überflieger bis zum Tiefpunkt, aber auch viel Durchschnittsware war darunter, die niemandem weh tut, aber auch nicht sonderlich im Gedächtnis bleibt.

Platz 01 (Folge 126): Toter Goldfisch - 5 Punkte
Platz 02 (Folge 121): Der Klassenbeste - 5 Punkte
Platz 03 (Folge 130): Schwester Hilde - 5 Punkte
Platz 04 (Folge 127): Wer erschoss Asmy? - 4,5 Punkte
Platz 05 (Folge 129): Ein unheimlicher Abgang - 4 Punkte
Platz 06 (Folge 131): Lange Nacht für Derrick - 4 Punkte
Platz 07 (Folge 134): Die Tänzerin - 4 Punkte
Platz 08 (Folge 123): Der Mann aus Antibes - 4 Punkte
Platz 09 (Folge 122): Stellen Sie sich vor, man hat Dr. Prestel erschossen - 3,5 Punkte
Platz 10 (Folge 125): Raskos Kinder - 3,5 Punkte
Platz 11 (Folge 133): Tod eines jungen Mädchens - 3,5 Punkte
Platz 12 (Folge 128): Das tödliche Schweigen - 3,5 Punkte
Platz 13 (Folge 132): Kranzniederlegung - 2,5 Punkte
Platz 14 (Folge 124): Gregs Trompete - 2,5 Punkte
Platz 15 (Folge 135): Familie im Feuer - 2,5 Punkte

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

29.04.2013 19:57
#589 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von TV-1967 im Beitrag #583
Weiß jemand was mit dem "DERRICK"-Forum passiert ist? Es ist nicht mehr existent!

Das Derrick-Forum funktioniert wieder plangemäß.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

02.05.2013 00:34
#590 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Derrick: Regisseur-Ranking nach Collector’s Box 9

Wer bei hunderten Derrick-Folgen den Überblick behalten will, kommt um diverse Listen und Vergleiche nicht herum. Für Percy Lister und mich ist es sehr wichtig, welche Regisseure die jeweiligen Episoden verantworten. Manche Namen garantieren schon beinah gute Unterhaltung, während andere einen tendenziell eher schalen Beigeschmack hinterlassen. Deshalb ist es naheliegend, die Einschätzung der einzelnen Regisseure auch durch Zahlen zu untermauern. Angedeutet haben wir das bereits während der Porträts während der Besprechungen zu Box 6, allerdings waren diese Zusammenfassungen lückenhaft und sind nun logischerweise auch nicht mehr aktuell. Von nun wollen wir also von Zeit zu Zeit ein Ranking der Regisseure einstellen. Beginnen wir nach 135 Folgen mit folgender Übersicht:



Die Zahlen geben an, wie viele Punkte die Episoden eines jeden Regisseurs im Durchschnitt von uns erhalten haben. In die Wertung gingen diejenigen Spielleiter ein, die mindestens drei Folgen auf ihrem Konto haben. In den Klammern, die auf die Namen folgen, stehen außerdem auf meiner Seite die Anzahl der Folgen, die die jeweiligen Regisseure inszeniert haben, auf Percy Listers Seite die Differenz zwischen seiner und meiner Platzierung.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

05.05.2013 14:35
#591 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "An einem Montagmorgen" (Folge 136)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Wilfried Baasner, Christine Ostermayer, Roswitha Schreiner, Jochen Horst, Robert Meyer, Wolf Goldan, Käthe Jaenicke, Heinz Moog, Herbert Tiede, Alf Marholm, Nikolas Lansky, Ilse Künkele u.a. - Regie: Jürgen Goslar

Der gefürchtete Bankräuber Koller fackelt nicht lange: Als sich ihm ein Kunde des Geldinstituts in den Weg stellt und ihm die Maske vom Gesicht reißt, tötet er diesen mit einem Kopfschuss. Die anschließende Flucht endet in einer Wohnsiedlung, wo Koller und seine zwei Komplizen kurzerhand in ein Haus einsteigen und die Bewohner als Geiseln nehmen. Für Derrick steht fest: Koller ist zu allem entschlossen und wird die Frau und ihre beiden Kinder töten, wenn das Überfallkommando das Haus stürmt. Die Einsatzleiter vor Ort von dieser Gefahr zu überzeugen, ist kein Leichtes und erfordert all sein diplomatisches Geschick. Währenddessen wird Koller nervös....

Immer, wenn man glaubt, es habe sich eine gewisse Routine in die Serie eingeschlichen, gibt es einen großen Paukenschlag. Der lang anhaltende Erfolg lässt sich auch dadurch erklären, dass sich "Derrick" immer wieder neu erfindet. So auch zu Beginn der zehnten Box. Schon die ersten Minuten zeigen, dass "An einem Montagmorgen" vom üblichen Schema abweicht. Erstmals berichtet ein Erzähler im Reportagenton über die Ereignisse in einer bayerischen Kleinstadt. Die handelnden Personen werden in ihrem banalen Alltag gezeigt, Schrullen und Geheimnisse gestreift und die Bedrohung heraufbeschworen, die alle diese Menschen bald miteinander in Verbindung bringen wird. Dann betritt Wilfried Baasner die Bühne. Nachdem er bereits in "Lange Nacht für Derrick" (Folge 131) die hässliche Fratze des Bösen zeigen konnte, entlädt er hier sein ganzes kriminelles Potential. Die Abgeschiedenheit der Siedlung, die an die "Kommissar"-Folge "Das Ungeheuer" erinnert, trägt dazu bei, dass die Polizei ungewöhnliche Methoden anwenden muss, um die Kriminellen festnehmen zu können. Dabei zeigt sich, wie erpressbar die Ordnungskräfte sind, wenn es um gefährdete Menschenleben geht. Ein großes Aufgebot an Beamten, Hunden und Waffen ersetzt nicht das ruhige und methodische Vorgehen eines erfahrenen Ermittlers, der die Grenzen des Machbaren im Einklang mit der Sicherheit der Geiseln absteckt. Besonders spannend sind die Szenen mit dem Polizeidirektor, der sich zögerlich gibt und keine falsche Entscheidung treffen möchte (lieber trifft er erst gar keine) und dem Ortspolizisten, der die Gangster ohne Rücksicht auf Verluste dingfest machen möchte.
Die Verletzlichkeit der Familie Heilmann zeigt sich vor allem im Verhalten der erwachsenen Kinder Biggy und Manuel, die Angriffsflächen bieten. Die Brutalität Kollers würde auch vor ihnen nicht halt machen; eine physische Bedrohung - im Falle des Mädchens auch sexueller Art - liegt in der Luft und wird unterschwellig vermittelt.
Roswitha Schreiner und Jochen Horst machen ihre Sache sehr gut und bringen alle Voraussetzungen für die Rollen mit. Herbert Tiede hat zu Beginn einen kurzen, aber treffenden Auftritt als Nörgler, dessen verbale Attacken ihm letztendlich den Tod bringen.
Jürgen Goslar inszeniert konzentriert und sauber, er setzt auf die abschreckende Wirkung seines Hauptdarstellers und die Präzision des Ermittlergespanns Derrick und Klein. Sein Regiestil ist von der Fahndungssendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" und der Erfolgsreihe "Stahlnetz" inspiriert und entfaltet dadurch realistischen Grusel.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

05.05.2013 15:11
#592 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister im Beitrag #591
BEWERTET: "An einem Montagmorgen" Erstmals berichtet ein Erzähler im Reportagenton über die Ereignisse in einer bayerischen Kleinstadt.

Das ist auch einer meiner Top-5-Derrick-Favoriten. Eine tolle Geschichte, spannend umgesetzt, wenn sie natürlich auch an einen anderen Film erinnert. Der Off-Sprecher ist übrigens Regisseur Jürgen Goslar selbst.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

22.05.2013 11:37
#593 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Georg im Beitrag #592
Der Off-Sprecher ist übrigens Regisseur Jürgen Goslar selbst.

Interessante Info. Im „Derrick“-Forum wird davon gesprochen, dass es sich um Bruno Dietrich handeln soll. Eigentlich müsste ich die beiden aus ihren früheren Rollen heraus ja im Ohr haben, aber ich bin kein Stimmenmensch, der ohne direktes Vergleichsmaterial eine konkrete Aussage tätigen kann. Wie auch immer, ich finde nicht, dass der Off-Sprecher viel zum Gelingen der Folge beiträgt. Neudeutsch eher ein Nice-to-Have als ein Must-Have, ein Gimmick sozusagen.

DERRICK Collector’s Box 10 (Folgen 136 bis 150, 1986-87)




Derrick: An einem Montagmorgen

Episode 136 der TV-Kriminalserie, BRD 1986. Regie: Jürgen Goslar. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Christine Ostermayer (Frau Heilmann), Wilfried Baasner (Koller), Robert Meyer (Hassel), Wolf Goldan (Weber), Roswitha Schreiner (Biggy), Jochen Horst (Manuel), Käte Jaenicke (Frau Herbach), Heinz Moog (Herr Herbach) u.a. Erstsendung: 3. Januar 1986, ZDF.

Zitat von Derrick: An einem Montagmorgen
Drei gerichtsbekannte Schurken rauben eine Bank aus. Da geschieht ein böser Fehler: Ein Kunde reißt dem Anführer die Maske vom Gesicht. Er bezahlt dafür mit seinem Leben, aber die Polizei weiß sofort, dass der rücksichtslose Herr Koller hinter dem Verbrechen steckt. Koller und seine Bande fliehen und verstecken sich in einer Siedlung außerhalb Münchens. Dort nehmen sie eine Familie als Geiseln, um die Polizei in Schach zu halten ...


Ich fürchte, dass ich bei dieser Episode ähnlich vorgehen muss wie seinerzeit bei „Tote Vögel singen nicht“, weil es sich bei beiden Folgen in meinen Augen um überschätzte sogenannte „Klassiker“ handelt. Ich stelle voraus, dass es viel Gutes über die Folge zu sagen gibt, das aber bereits hier und im Derrick-Forum ausführlich auf dem Silbertablett kredenzt wurde und man da nur mehr wenig hinzufügen kann, ohne ins große Schwärmen auszubrechen, was nicht meinen Gedanken bei der Sichtung entsprechen würde. Daher möchte ich vorrangig die Punkte beleuchten, die mir an „An einem Montagmorgen“ weniger gefallen haben:

Allgemeiner Konsens besteht darüber, dass die Folge sehr spannend ist. Das bleibt ihr unbenommen. MORE Media hat sich aber ein kleines Eigentor geleistet, indem der „Derrick“-Sammler auf derselben DVD ein Interview mit Herbert Reinecker abrufen kann, in dem der Serienvater folgende vielsagenden Worte über den Spannungsaufbau der Reihe von sich gibt:

Zitat von Im Gespräch: Herbert Reinecker – Anlässlich der 150. „Derrick“-Episode
„Der Erfolg – meiner Ansicht nach – liegt schon in der Art und Weise, wie ich Krimis schreibe. Sie unterscheiden sich nämlich von anderen ganz beträchtlich, besonders von denen, die wir aus Amerika beziehen. Viele Krimis leben von der äußeren Spannung, wir bevorzugen immer mehr und von Anfang an die innere Spannung. Wir glauben, dass, wenn wir einen Krimi psychologisch aufbauen, die Zuschauer interessieren für das Schicksal nicht nur von Opfern, sondern auch von Tätern, dass wir dann eine höhere Intensität der Anteilnahme bekommen.“


Treffer versenkt. „An einem Montagmorgen“ bildet genau den Gegenentwurf zum bewährten Reinecker-Konzept. Mag sein, dass man es mit gutem Willen als „frischen Wind“ durchgehen lassen kann, mag auch sein, dass ich mich in spätestens 100 Folgen nach alternativen Entwürfen zurücksehnen werde, aber es gibt einfach so viele Folgen, in denen der Mix aus hoher Spannung und der derrick-typischen Art, Geschichten zu erzählen, besser gelungen ist. Was man hier präsentiert bekommt, hätte nicht nur besser in die Reihe „Der Alte“ gepasst, sondern liegt außerdem intellektuell weit unter dem „Derrick“-Durchschnitt: ein typisches Geiseldrama, das für den Zuschauer nur mitreißend ist, weil mit roher Gewalt, mit Apokalypse, mit Sex und Schießeisen gedroht wird.

Als nächstes die Besetzung von Wilfried Baasner: Mich ärgert, dass man nach nur vier Folgen Unterbrechung Baasner schon wieder den bösartigen Buben abnehmen soll, den er auch in „Lange Nacht für Derrick“ gab. Nein, das möchte ich nicht, ich verlange beim Casting mehr Kreativität! Sein Killer Koller unterscheidet sich von dem namenstechnisch schon sehr ähnlich veranlagten Zocker Rotter kaum in überbordender Bösartigkeit und beeindruckender körperlicher Präsenz. Aber es gibt einen gewaltigen Unterschied, und wieder ist es der intellektuelle. Es wird geschrieben, Koller sei der abstoßendste und gefährlichste Kriminelle im „Derrick“-Universum. Warum ist das so? Einfach, weil er zugleich auch der dümmste Kriminelle im „Derrick“-Universum ist, ein Spatzenhirn mit Powermuskeln. Seine Dummheit äußert sich in allerlei unüberlegten Aktionen, in ständigen Wutausbrüchen, die seine eigene Lage nur verkomplizieren, in Kraftmeierei und üblem Protzen. Nein, hier wurde kein Bilderbuchschurke geschaffen, sondern ein Kotzbrocken.

Derricks Rolle als Retter mit Verstand soll Kollers Defizite ausgleichen. Das ist natürlich für Tappert und seine Verkörperung ausgesprochen schmeichelnd, allerdings wertet die Weise, in der die übrigen Polizisten dargestellt werden, den Polizeiapparat deutlich ab. Ihnen muss erst beigebracht werden, was jeder noch so kleine Beamte über den Umgang mit Geiselnahme-Situationen wissen sollte: Deeskalation an erster Stelle, keine Gefährdung von Menschenleben. Nein wirklich, ist das so ein besonderer Standpunkt, den Derrick vertritt?

Abschließend einige versöhnliche Worte: Die schauspielerische Glaubwürdigkeit sehe ich eher bei der betroffenen Familie Heilmann, besonders bei Christine Ostermayer und Jochen Horst, denn die junge Roswitha Schreiner hat noch nicht viel mehr zu tun, als ihre Augen weit und verängstigt aufzureißen. Heinz Moog und Käte Jaenicke liefern dafür ein kleines Kabinettstück mit ihrer Verkörperung der Nachbarn ab. Überhaupt kann man das Setting in der Reihenhaussiedlung als sehr gelungen bezeichnen.

Ich schwanke zwischen 3,5 und 4 Punkten, möchte aber kein Spielverderber sein und rücke trotz entschiedener Einsprüche 4 von 5 Punkten heraus. In meinem Urteil wird „An einem Montagmorgen“ aber weit davon entfernt sein, in die Riege der besten „Derrick“-Episoden aufzusteigen. Ich hoffe sogar inständig, dass die zehnte Collector’s Box noch gelungenere Folgen beinhaltet.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

22.05.2013 18:21
#594 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Diese Folge (An einem Montagmorgen) hat übrigens auffällige Ähnlichkeiten mit dem Theaterstück "An einem Tag wie jeder andere" von Joseph Hayes, das u.a. auch in der BRD fürs Fernsehen verfilmt wurde (Titel: Stunden der Angst (1964), mit Hans Caninenberg und Hanns Lothar (Link)) und das Reinecker wohl auch der zahlreichen Parallelen wegen im Hinterkopf gehabt haben muss.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

26.05.2013 14:56
#595 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Heute wäre Horst Tappert 90 Jahre alt geworden. Anlässlich des Jubiläums muss es ein „Derrick“ sein!



Derrick: Naujocks trauriges Ende

Episode 137 der TV-Kriminalserie, BRD 1986. Regie: Alfred Vohrer. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Sissy Höfferer (Martina), Karl Heinz Vosgerau (Bertram Tass), Sascha Hehn (Walter), Susi Nicoletti (Frau Anders), Louise Martini (Else Naujock), Friedrich Georg Beckhaus (Schuler), Bettina Redlich (Anita), Dirk Dautzenberg (Wenk) u.a. Erstsendung: 24. Januar 1986, ZDF.

Zitat von Derrick: Naujocks trauriges Ende
Herrn Naujock hat es erwischt: Drei Schüsse aus dem Dunkel und er liegt tot am Boden. Dabei strotzte er bis gerade eben noch vor Lebenskraft: Die Wohnung, die er gerade verließ, gehörte seinem Freund und wurde nur als Liebesnest für schöne außereheliche Stunden verwendet. Für Derrick heißt das: die Frau finden, die Naujock begleitete. Sie wird Auskunft über den Mörder geben können. Dummerweise war Naujock sehr diskret ...


Tja, so ist das: Wer sündenbeladen durchs Leben geht, für den kommt nur ein „trauriges Ende“ in Frage, auch wenn die nächtliche Schussattacke eigentlich jemand ganz anderem galt. Macht aber nichts, denn Persönlichkeit, Lebensart und Beuteschema der beiden Herren Naujock und Tass unterscheiden sich nur marginal – daher auch die Verwechslung. Kaum ein Mann in Sicht – außer Derrick! –, der kein Schwerenöter ist. Was entsprechend der vorangegangenen Zeilen moralisch bis zum Äußersten hätte aufgeladen werden können, verläuft im Endeffekt glücklicherweise wertungsfrei und lässt Raum für einen sehr gut funktionierenden Whodunit. Lange ist unklar, wer der Täter war, denn Verdächtige gibt es mehr als genug. Erst als sich Derrick wieder an die Reaktion eines Befragten erinnert, wird der Fall für ihn klar. Von da an nimmt „Naujocks trauriges Ende“ eine unerwartete Wendung und konzentriert sich eher auf die Frage, wie Derrick den Mörder dessen taktischen Spielchen zum Trotz überführen kann. Und hier wird alles aufgeboten – von falschen Geständnissen über die Ruhigstellung von Zeugen mit vielversprechenden Geschäftspositionen bis hin zu einer offenen „Du kriegst mich eh nicht“-Haltung gegenüber dem Oberinspektor. Raffiniert, raffiniert!

Lediglich der offensive Musikeinsatz verrät, dass es sich hierbei nicht um eine Grädler-Episode handelt, sondern um den vorletzten Vohrer der Reihe. Der verdiente Wallace- und „Derrick“-Regisseur meldet sich nach einer längeren Pause (im Sendejahr 1985 stammte keine einzige Folge aus seiner Schmiede) wieder zurück, bevor er schon Anfang 1986, nur zehn Tage nach der Erstsendung von „Naujocks trauriges Ende“, starb. Seine Regie bewegt sich trotzdem noch auf einem hohen Niveau, das kurzzeitige Spannungsmache zugunsten einer größeren Konzentration auf seine Darsteller zurücknimmt. Dadurch wirkt die Folge zwar manchmal etwas behäbig und philosophisch, die Charaktere und ihre Verkörperungen kommen aber ausgesprochen gut zur Geltung. So in etwa stelle ich mir die besseren Folgen der „Derrick“-Spätphase vor.

Karl Heinz Vosgerau, der zu meinen Lieblingsdarstellern zählt, darf versuchen, Derrick mit dessen eigenen Mitteln zu schlagen, indem er ihm konzentriert, beherrscht und vornehm gegenübertritt. Gemäß dem Gebot „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“ wird seine Fassade jedoch bald zum Einsturz gebracht – der erfolgreiche Geschäftsmann vergnügt sich gern mit seiner deutlich jüngeren Stieftochter. Von da an schleicht sich eine besondere Verschlagenheit in Vosgeraus Spiel ein, die in der Szene im Restaurant gipfelt, in der er galant von Derrick mit dem Mord in Verbindung gebracht wird.

Weniger stilvoll tritt Sascha Hehn auf, dessen Kopf mehr Pomade als Haare trägt und der entsprechend glitschig durch Derricks Finger gleitet. Die jungen Frauenrollen agieren nur als Mittel zum Zweck, während Louise Martini wie eine nachträgliche Korrektur der verkorksten Andree-Rolle aus „Die Tänzerin“ anmutet. Hier trifft man wieder auf eine verbitterte, betrogene Ehefrau, die aber das Publikum nicht mit endlosen Jammerorgien zupflastert, sondern geschickt Akzente setzt.

„Naujocks trauriges Ende“ ist sicher weit davon entfernt, das Rad neu zu erfinden, extrahiert aus dem routiniert eingelaufenen „Derrick“-Schema aber eine gute Portion Spannung und einen wendungsreichen Plot. Hochklassige Schauspieler, dafür etwas triste Sets. Gute Regie, dafür etwas nichtssagende Musik. 4 von 5 Punkten.

PS: Die Bildqualität hat in Box 10 – oder zumindest den beiden bisher gesehenen Folgen – leider wieder deutlich gegenüber den letzten Editionen abgenommen. Liebes MORE-Team, bitte keine Rückkehr mehr zum muffigen Bild der alten Boxen!

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

03.06.2013 20:06
#596 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Geheimnis im Hochhaus

Episode 138 der TV-Kriminalserie, BRD 1986. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Ekkehard Belle (Erich Fiska), Traugott Buhre (Vater Fiska), Diana Körner (Frau Hauweg), Gerd Baltus (Herr Hauweg), Hans Peter Hallwachs (Alwin Hauweg), Gracia-Maria Kaus (Susanne Sokal), Bernd Herzsprung (Krositz), Wolfgang Wahl (Jakob Viersen) u.a. Erstsendung: 7. Februar 1986, ZDF.

Zitat von Derrick: Geheimnis im Hochhaus
Für Erich Fiska stellt sich nur eine Frage: Wie kommt er an neuen Stoff? An Dealern mangelt es nicht, wohl aber an Geld, sie zu bezahlen. Also bricht Fiska in eine Wohnung ein, um Wertgegenstände mitgehen zu lassen. Das bringt ihn in noch größere Probleme, denn im Apartment macht er eine Entdeckung, die ihm einen gehörigen Schrecken versetzt und die Bekanntschaft mit Oberinspektor Derrick zur Folge haben wird ...


Drogensüchtiger findet bei Einbruch in fremde Wohnung die Leiche einer Prostituierten, die aber, bis er die Polizei verständigt hat, schon wieder verschwunden ist. Gäbe es eine Auszeichnung für die unglaubwürdigste „Derrick“-Handlung, könnte „Geheimnis im Hochhaus“ mit voller Rechtfertigung Ansprüche auf sie erheben.

Lange hatte ich mich auf dieses Comeback des Regisseurs Wolfgang Becker gefreut, dessen Krimiarbeiten in den Siebzigerjahren stets besonders inspiriert, dynamisch und inszenatorisch kreativ ausfielen. Von einer einzigen Sichtung nach dem Sprung ins Jahr 1986 kann man zwar sicher noch nicht allgemein ableiten, dass Becker diese seine Vorzüge verlernt hätte, doch ich möchte feststellen, dass sie ein wenig angestaubt wirken. Es gelingt ihm nicht so wie in früheren Arbeiten, ein sehr mäßiges Skript mit Tempo, Spannung und Musik aufzupeppen. Was „Geheimnis im Hochhaus“ behandelt, bleibt auch nach Becker-Therapie ein „Derrick“ auf Entzug: geplagt von immer gleichen fatalistischen Halluzinationserscheinungen einer verlorenen Jugend, von unüberwindbaren Problemen und dem Zerbrechen der künstlerischen Seele am bösartigen Sumpf einer verbrecherischen Gesellschaft.

Zitat von Andreas Quetsch: Der Mensch und die Moral, in „Augenblick 30: Gesetz & Moral – Öffentlich-rechtliche Kommissare“, Marburger Hefte zur Medienwissenschaft, 1999, S. 31
Reinecker möchte zeigen, dass junge Menschen durchaus dafür anfällig sein können, die moralischen Grundsätze, auf denen unsere Gesellschaft beruhen sollte, zu vergessen. [...] Der nette Junge ein Verbrecher? Das kann nicht sein, das darf nicht sein. Und es wird nicht sein: Wie beschrieben tritt Oberinspektor Derrick ins Geschehen ein. Stets bringt er die Strauchelnden zum Nachdenken, erinnert sie an die bisher für sie maßgeblichen Werte und hat Erfolg.


Auch in „Geheimnis im Hochhaus“ tendiert Derrick eher zum Sozialhelfer für Erich Fiska als zum wirklichen Polizeiermittler. Er nimmt die Rolle des väterlichen Freunds ein, die der Junge bei seinem eigenen Vater nicht mehr findet, nicht finden will. Derrick unterscheidet sich in maßgeblicher Weise von Fiska Senior, der selbst die Scherben eines erfolglosen Lebens vor sich sieht und deshalb seinem Sohn kein Vorbild sein kann. – Der Krimi suhlt sich in diesen schmutzigen Familiendetails mit Liebe zum überflüssigen Detail. Ekki Belle und Traugott Buhre überzeugen zwar im ihnen zugewiesenen Chargenfach, wären aber mit ihren hier zur Schau gestellten Mitleidsnummern in einer RTL-2-Doku „Brennpunkt Sozialabsturz“ mindestens genauso gut aufgehoben.

Der eigentliche Krimi entwickelt sich spät, aber dann einigermaßen interessant. Natürlich werden alle Klischees in einen Topf geworfen, dann noch einmal mit einer Prise Narben und einem Schuss Nacktheit gewürzt und alles kräftig umgerührt. Hans Peter Hallwachs als Unterwelttyp, Diana Körner als Bitch und Bernd Herzsprung als Spatzenhirnmacho interagieren als undurchsichtige Schlüssel zur Lösung sehr gekonnt, kaschieren für wenige Minuten die Scherenschnittanlagen ihrer Rollen. Einigermaßen verloren dagegen das ewige Opferlamm Gerd Baltus, dem die schwierige Aufgabe übertragen wurde, den Part des einzigen wirklich Geschädigten noch enorm unsympathisch aufzuwühlen.

In der Akte Drogen-„Derrick“ abgeheftet und ganz hinten im Regal verstaut. Jetzt heißt es Daumen drücken, dass ich den Ordner für einige Zeit nicht mehr hervorzukramen brauche. 2,5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

06.06.2013 12:06
#597 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Der Augenzeuge

Episode 139 der TV-Kriminalserie, BRD 1986. Regie: Theodor Grädler. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Klaus Herm (Erich Schuster), Eva-Maria Bayerwaltes (Erika Schuster), Ralf Schermuly (Juwelier Masoni), Otto Bolesch (Wachmann Wiesner), Dieter Schidor (Sohn Wiesner), Lilly Berger (Lene Wiesner), Karl Walter Diess (Johannes Halsner), Sky Dumont (Adrian Bossner) u.a. Erstsendung: 4. April 1986, ZDF.

Zitat von Derrick: Der Augenzeuge
Weil er in seiner alten Firma einmal rasch den Kopierer benutzen wollte, wird der entlassene Angestellte Erich Schuster Augenzeuge, wie zwei Juwelendiebe einen Wachmann erschießen. Zunächst erscheint Schuster kooperativ, doch nach und nach zeigt sich, dass er mehr weiß, als er zuzugeben bereit ist. Kassiert er etwa Schweigegeld vom Täter? Und stecken die Kinder des Wachmanns mit ihm unter einer Decke?


Helmut Ringelmann ist nicht unbedingt als Mann der gewagten Besetzungsentscheidungen bekannt. Als Produzent hatte er das Sagen darüber, wer in welcher Rolle auf den Bildschirmen der Bundesrepublik zu sehen sein sollte. Zwar formte er auf diese Weise einige „seiner“ Mimen zu Stars und bot anderen neuen Gesichtern ein wichtiges Karrieresprungbrett, häufig aber fühlt es sich so an, als würden einem wieder und wieder dieselben Gesichter über den Weg laufen. Ein Einspruch gegen diese Kritik ist insofern möglich, als man argumentieren kann, dass Ringelmann damit ein typisches „Derrick“-Feeling prägte, bei dem man sich gleich „wie in einer zweiten Familie“ fühlte. Andererseits lassen die strikten Rollenfestlegungen jedoch auch manchmal Verschleißerscheinungen am kreativen Potenzial des dauerhaft eingespannten Ringelmann sowie einen Mangel an anderweitigem Nachschub auf der Seite der Schauspieler vermuten.

Kurz und gut: Nicht weniger als fünf Hauptdarsteller dieser Folge kennt man nicht nur bereits aus mehreren vorigen „Derrick“- und „Der Alte“-Auftritten, auch bedienen sie in „Der Augenzeuge“ wieder dasselbe Fach, in dem sie sich schon ausgiebig erproben konnten: 1. Klaus Herm als kleines Würstchen, das seinen eigenen Ambitionen nicht gewachsen ist, 2. Dieter Schidor als ungefestigter Stürmer und Dränger mit weicher Schale, 3. Karl Walter Diess als fieser und feister Berufsverbrecher, der mit Derrick beinah per Du sein könnte, 4. Sky Dumont als schmieriger Verdachtsträger aus gutem Hause und 5. Ralf Schermuly in einer undurchsichtigen Rolle, die vor allem die verzweifelte Palette des schauspielerischen Könnens abfordert. Ringelmanns Besetzungsstrategie geht immerhin soweit auf, dass man keine der Leistungen ernsthaft kritisieren könnte und demzufolge feststellen muss, dass die verpflichteten Schauspieler in ihrem Spezialfach gut geschult sind. Aber gleichzeitig reißt einen das, was man da zu sehen bekommt, zu keinem Zeitpunkt wirklich vom Fernsehsessel.

An „Der Augenzeuge“ gefallen vor allem die ersten zehn Minuten, die von Theodor Grädler abwechslungsreich und spannend in Szene gesetzt wurden. Auch das Finale kann sich sehen lassen, wenngleich ich Blap zustimme, dass ihm die letzte Konsequenz fehlt – Schuster hätte zugunsten einer gesteigerten Dramatik gern abdanken dürfen. Immerhin passt das Halbgare zum Gesamtbild der Folge, die sich eher unscheinbar und teilweise auch arg kneipen- und kleinganovenlastig ausnimmt. Ein Pluspunkt ist, dass die Kamera einige schöne Winterbilder einfing, was manche abgehalfterte Kulisse wieder ausgleicht.

Der an sich ganz ordentliche Plot wird im Laufe der Spielzeit ein wenig zu stark verwässert, um wirklich dichtzuhalten. Klaus Herms Titelrolle ist routiniert gespielt, wir haben aber schon beeindruckendere Antihelden in der Serie gesehen. 3,5 von 5 Punkten, die zu großen Teilen der besonders bissigen Spielweise von Horst Tappert zu verdanken sind. Man merkt, dass Derrick seine Gegenüber diesmal auf den Tod nicht ausstehen kann.

Blap Offline




Beiträge: 1.128

06.06.2013 13:03
#598 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 10 (Folgen 136-150)

Folge 144 - Der Fall Weidau (Deutschland 1986)

Familienglück und Lebensgerüste

Klaus Weidau ist tot! Morgens findet man den jungen Mann leblos in seinem Bett, offenbar wurde er mit Blausäure vergiftet. Derrick und Klein erleben Familie Weidau als äussert harmonisches Konstrukt, mehrere Generationen leben glücklich unter einem Dach, angestelltes Personal steht den Weidaus sehr nahe. Auch in der Nacht wird das Haus nie abgesperrt, vermutlich konnte sich der Mörder ohne Schwierigkeiten unbemerkt Zutritt verschaffen. Sämtliche Familienmitglieder berichten vom letzten Abend mit Klaus, wie üblich ein Abend angeregter Gespräche im warmherzigen Rahmen. Ein Tatmotiv ist nicht erkennbar, allerdings scheint auch Selbstmord unwahrscheinlich. Weitere Ermittlungen verlaufen ohne greifbare Ergebnisse, plötzlich ist im Hause Weidau ein weiterer Todesfall zu beklagen ...

"Der Fall Weidau" prasentiert uns einige bekannte Gesichter. In Erinnernung bleiben vor allem Friedrich von Thun als amtierendes Familenoberhaupt, Inge Birkmann als kantige Großmutter, "Dauergast" Ekkehardt Belle diesmal nicht als tragisch trübe Tasse, er gibt den braven Sohn aus gutem Haus. Sympathisch Ernst-Fritz Fürbringer als klappriger Gatte der kernigen Inge Birkmann, während Manfred Seipold in der Rolle des Verwalters eher glitschig anmutet. Ich verzichte auf Aufzählung des gesamtes Ensembles, überwiegend gehen Darsteller und Charaktere in der Atmosphäre dieser Folge auf.

Was steckt hinter der nahezu unglaublichen Harmonie, was brodelt im herrschaftlichen Gemäuer der Weidaus vor sich hin? Autor Herbert Reinecker baut nicht auf sexuelle Perversionen und daraus resultierende Rachegelüste, die tatsächliche Auflösung mag ungewöhnlich geraten, scheint gleichwohl durchaus nachvollziehbar und trifft schmerzhaft ins Herz. Tatsächlich ins Herz? Ja, obschon die überdimensional angelegte Eintracht im familiären Elfenbeinturm teils künstlich erscheint, lässt mich Reineckers "geschickt überhöhte Realität" keineswegs unberührt zurück. Zerbricht das "gut-großbürgerliche" Glück an der eigenen Herrlichkeit? Freilich drängt das Drehbuch den Titelhelden ebenfalls ins philosophisch eingefärbte Horn zu tröten, Horst Tappert bewegt sich gewohnt souverän auf dem -teils gefährlich- rutschigen Parkett. Nebenbei sorgt Fritz Weppers "Pseudo-Schimanski-Jacke" für Schmunzler, Harry muß noch in das Kleidungsstück reinwachsen. Alfred Weidenmanns Regie bleibt nahe am Geschehen, gleiches gilt für die Kameraarbeit um das Team von Michael Georg. Hans Hammerschmid steuert melancholische Musik bei, sein Beitrag drängt sich nie in den Vordergrund, untermalt das Geschehen "stimmungsvoll-unaufdringlich".

7/10 (gut)

***

Vom Ursprung her verdorben

Georg Offline




Beiträge: 3.263

06.06.2013 13:05
#599 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #597
Helmut Ringelmann ist nicht unbedingt als Mann der gewagten Besetzungsentscheidungen bekannt. [...] Andererseits lassen die strikten Rollenfestlegungen jedoch auch manchmal Verschleißerscheinungen am kreativen Potenzial des dauerhaft eingespannten Ringelmann sowie einen Mangel an anderweitigem Nachschub auf der Seite der Schauspieler vermuten.

Na eigentlich ist grundsätzlich genau das Gegenteil der Fall. Ringelmann besetzte häufig gegen die Norm, weil er bei Schauspielern manchmal ganz andere Nuancen sah und oft selbst erst die Schauspieler davon überzeugen musste, mal eine völlig andere Rolle zu spielen. Das war bei vielen Theaterschauspielern der Fall, die durch seine Produktionen bekannter gemacht wurden, spontan fällt mir da z. B. Peter Kremer ein, der in Derrick, Der Alte und Der Mann ohne Schatten in vielfältigen Rollen zu sehen war, ehe er die Rolle des Hauptkommissars Siska übernahm, parallel dazu auch Werner Schnitzer, der alle möglichen Rollen vom Mordopfer bis hin zum Mörder in Derrick, Der Alte und Mann ohne Schatten durchlief. Das ist der eine Aspekt. Dass Ringelmann manche Leute manchmal in recht ähnlichen Rollen besetzte, stimmt. Auch was die Frequenz betrifft, nahm das später leider zu (wohl ein wenig Alterssturheit), als dann ab Mitte der 90er in fast jeder zweiten Folge die gleichen Schauspieler mit dabei waren (wir haben damals damit gescherzt, dass die bei Derrick und Der Alte nur mehr drei Abspänne hatten, die sich ständig wiederholten und wobei nur die Rollennamen verändert wurden). Alleine Hans-Georg Panczak war ab den 90ern gefühlte 25x im ALTEN zu sehen. Auch was Regie/ Buch betrifft, trat bei Ringelmann in seiner "Seniorenphase" eine Stagnation ein, in der immer die gleichen Leute verpflichtet wurden und es an Abwechslung fehlte. Was die Endphase von Derrick betrifft, so trifft das hier nicht zu, denn Ringelmann holte hier nochmals unverbrauchte Regisseure wie Wigbert Wicker, Peter Deutsch, Hans-Jürgen Tögel, Eberhard Itzenplitz.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

06.06.2013 13:09
#600 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Du schreibst, grundsätzlich sei das Gegenteil der Fall, um mir dann zuzustimmen?

@Blap: Ich freue mich über deine neue Besprechung. Bitte mach weiter - ich fürchte schon den Tag, an dem ich dich überhole und nichts Lustiges mehr zu lesen habe.

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