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Dieses Thema hat 977 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

14.01.2013 21:21
#511 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Tödliches Rendezvous" (Folge 104)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Peter Ehrlich, Verena Peter, Thomas Schücke, Eva Kotthaus, Christian Berkel, Robinson Reichel, Erik Schumann u.a. - Regie: Jürgen Goslar

Der Taxifahrer Hagemann wird von einem Bankräuber gezwungen, ihn aus der Stadt hinauszufahren. Als der Maskierte ihm Anweisungen gibt, erkennt er ihn an der Stimme und sagt ihm dies auch auf den Kopf zu. Als Gegenleistung für sein Schweigen verlangt er die Hälfte von der Beute. Tatsächlich lässt sich der Räuber auf den Handel ein und überreicht Hagemann 45.000 DM. Die Familie Hagemanns ist dagegen, dass der Vater das Geld genommen hat, fürchtet aber, nicht mehr zurück zu können. Erst als ein junger Mann, der den Räuber aufhalten wollte, an seinen Verletzungen stirbt, kehrt Ernüchterung ein und zwingt den Vater, ein Treffen zu vereinbaren, von dem es keine Rückkehr gibt....

Die Einfälle Reineckers, Derrick privat in Fälle hineinzuziehen, die nicht in sein Ressort fallen, sind unerschöpflich und so ist es diesmal ein Bankbesuch kurz vor Schalterschluss, der den Oberinspektor Zeuge eines bewaffneten Raubes werden lässt. Warum er nach London wollte, lässt sich nicht mehr feststellen, aber es handelte sich wohl eher um ein Treffen mit Berufskollegen an der Themse, als um einen Urlaubsaufenthalt. Peter Ehrlich, dem man den langjährigen Taxifahrer mit Routine ebenso abnimmt wie den um die Existenz seiner Familie besorgten Ehemann und Vater, zeigt, wie schnell die Phantasie mit einem Menschen durchgehen kann, wenn es darum geht, Geld in Besitz zu nehmen, das anscheinend niemandem gehört. Der Irrglaube, dass Bank- und Versicherungshäuser Verluste leichter entbehren können als ein Einzelner, lässt Menschen immer wieder mit Räubern sympathisieren, wie auch der Überfall auf den Postzug Ihrer Majestät im England der Sechziger Jahre zeigt. Wenn es sich dann auch noch um eine ehrliche, aber finanziell geschwächte Familie handelt, scheinen alle moralischen Bedenken wie weggeblasen. Reinecker wäre nicht Reinecker, wenn er solche Abweichungen vom Pfad der Tugend durchgehen ließe. Er lässt einen Unschuldigen sterben, um Vater Hagemann unter Druck zu setzen, und tötet ihn, um seine Kinder endgültig zum Sprechen zu bringen. Besonders Thomas Schücke kann in diesem Zusammenhang überzeugen. Seine Auftritte innerhalb der Serie gewinnen mit jeder seiner Verpflichtungen mehr an Profil. Die Jungspunde Berkel und Reichel können ein zufriedenstellendes "Derrick"-Debüt feiern, während Erik Schumanns Auftritt das Blut gefrieren lässt: Im unerbittlichen Tageslicht blickt einem die starre Maske einer Mumie mit entsetzten Augen entgegen und man fragt sich, was mit dem strahlenden "Don Page" aus "Melissa" geschehen ist. Eindruck hinterlässt er in jedem Fall. Jürgen Goslar inszeniert gewohnt spritzig und sorgt dafür, dass Tempo und Spannung im Einklang mit glaubwürdiger Schauspielleistung bleiben.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

14.01.2013 21:57
#512 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Lohmanns innerer Frieden" (Folge 105)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Martin Benrath, Sieghardt Rupp, Christiane Krüger, Udo Thomer, Christine Ostermayer, Karina Thayenthal, Stephan Hoffmann, Hans Quest, Hannes Messemer u.a. - Regie: Jürgen Goslar

Alexander Lohmann wurde vor fünfzehn Jahren wegen Mordes an einem Juwelier zu lebenslanger Haft verurteilt. Nun wird er vorzeitig entlassen und der Kriminalermittler von damals wendet sich an Derrick, um sich einen Rat zu holen. Er glaubt nämlich, dass Lohmann unschuldig im Gefängnis gesessen hat und ein gewisser Schorff den Mord begangen hat. Lohmanns Schwester nimmt Alex bei sich auf, kann aber nicht verhindern, dass ihr Mann und ihre Kinder ihn anstacheln, es Schorff heimzuzahlen. Zunächst zeigt Alex keine Reaktion, doch seine Verwandten lassen ihm mit ihren Sticheleien keine Ruhe.....

Die Folge beginnt nüchtern mit dem Einblick in eine Welt, die den meisten von uns zeitlebens unbekannt bleibt: dem Leben in einer Strafvollzugsanstalt. Martin Benrath bringt deutlich zum Ausdruck, wie sehr er die Isolation und Abgrenzung von der "Welt da draußen" verinnerlicht hat und wie wenig es für ihn ändert, ob er sich nun frei bewegen darf oder die ihm zugewiesenen Quadratmeter seiner Zelle abschreitet. Er spürt den Unterschied zwischen seiner Vergangenheit und seiner Zukunft nicht mehr. Wo ein Peter Kuiper ("Der Untermieter", Folge 87) selbstsicher sein altes Leben einfordert, fügt sich Martin Benrath leise dem geringsten Gegenwind, der ihm entgegenschlägt. Udo Thomer zeigt sich in seiner volkstümlichen Art hier besonders aufdringlich; der joviale Otto Normalbayer und sein reservierter Kollege Benrath sind wie Feuer und Wasser. Mit allen Wassern gewaschen scheint auch Sieghardt Rupp zu sein, der hier im Vergleich zu seiner berühmtesten Rolle, dem "Tatort"-Ermittler Kressin, gesetzter und seriöser wirkt (was sicher auch an den angegrauten Haaren liegt), aber nichts von seiner Schlagfertigkeit und der offensiven Art zu leben eingebüßt hat. Wie schädlich sich gewaltverherrlichende Computerspiele auch auf reifere Semester auswirken können, wird von Reinecker anschaulich verdeutlicht: Der Mann nutzt wirklich jede Gelegenheit, um auf zerstörerische Süchte und Verlockungen aufmerksam zu machen. Die Schlüsselfigur im Fall Lohmann ist für Derrick die meineidige Frau von Schorff, die von Christiane Krüger mit der ihr eigenen Intensität gespielt wird. Leider verabsäumt es das Drehbuch, alle Fäden glaubwürdig weiterzuspinnen und kulminiert in einem Finale, das bedauerlich, demütigend und unbefriedigend ist. Selbst Derrick fehlen die Worte und er überlässt es Harry, der von Anfang an seltsam unbeteiligt bleibt, die Schlussworte zu sprechen. Bleibt die Frage, wie Reinecker zur Institution JVA stand: Ist sie Verwahranstalt für gefährliche, gemeinschaftszersetzende Menschen, Besserungszentrum für Gestrauchelte oder Keimzelle von Rache und Verbrechensfortpflanzung jeder Art?

Gubanov ( gelöscht )
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15.01.2013 07:50
#513 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Das Mädchen in Jeans

Episode 109 der TV-Kriminalserie, BRD 1984. Regie: Theodor Grädler. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Herbert Fleischmann (Professor Joachim von Haidersfeld), Elisabeth Müller (Dr. Ursula von Haidersfeld), Alice Treff (Eliane von Haidersfeld), Anja Jaenicke (Rita Hauff), Anaid Iplicjian (Frau Waffler), Otto Bolesch (Herr Martin), Peter Capell, Lothar Mann u.a. Erstsendung: 20. Januar 1984, ZDF.

Zitat von Derrick: Das Mädchen in Jeans
Giftmord im Bahnhofsviertel. Ein junger Mann starb an E605 – in einer Wohnung, deren Tür immer offen steht. Jeder konnte sie betreten und die Pralinen auf den Tisch legen. Eventuell waren sie sogar für seine Schwester bestimmt. Diese führt eine merkwürdige Beziehung mit einem Biologie-Professor, aus dessen ausgesucht vornehmem Umfeld sie mit ihrer unkonventionellen Art und ihren Jeans deutlich heraussticht.


Und schon wieder ein ruinierter Feierabend. Selbst dem dauermotivierten Derrick wird es irgendwann zuviel. Kaum betritt er eine Kneipe, in die man ihn nicht in den brynychistischsten Alpträumen hineingeworfen hätte, schon macht der erbarmungslose Pieper auf den nächsten Fall aufmerksam. „Kann das nicht der Schröder machen?“ murmelt Derrick, vergisst dabei allerdings geflissentlich, dass dieser freundliche Mitarbeiter bereits seit 1977 höchstens noch im Jenseits ermittelt.

Ähnlich weit hinterher hinkt der Episodentitel dieser Auftaktfolge fürs „Derrick“-Jahr 1984. Eigentlich sollte man meinen, dass die Zeiten, in denen Jeans an Mädchenbeinen noch ein Aufreger waren, selbst zum Drehzeitpunkt schon runde 30 Jahre zurücklagen – man hat die Rechnung freilich ohne Reinecker gemacht. Denn obwohl der Einstieg in Bierhölle und Wohnung mit Geh-rein-aber-auch-schnell-wieder-raus-Charme anderes suggeriert, so sieht man sich noch früh genug mit sittenstrengen Verfechtern alter Riten und Werte konfrontiert. Beiden Extremen hängt ein beinah karikatives Element an, das Reineckers übliche, aber diesmal weder auf das eine noch das andere festgelegte Moralapostelei auf ungeschickte Weise noch verstärkt, anstatt sie zu kaschieren.

Elisabeth Müller, Alice Treff und Anaid Iplicjian haben wenigstens keine Probleme, auch dem begriffsstutzigsten Zuschauer innerhalb weniger Augenblicke ihre ganze Persönlichkeit zu offenbaren – Frauen wie frisch aus der (Familien!-)Gruft; Nannies vielleicht, die Herbert Reinecker gern gehabt hätte. Herbert Fleischmann hat es da schon wesentlich schwerer, sein Anliegen an den Mann zu bringen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ein solches Anliegen überhaupt existiert, denn der gute (?) Professor benutzt die Argumente sich verändernder sozialer Strukturen doch nur, um sich guten Gewissens den zwei Argumenten seiner neuen Freundin widmen zu können. Diese wird von Anja Jaenicke gegeben – prädestiniert für merkwürdige junge Frauen mit ärgerlichem Dickschädel, wie man auch im Bülow-„Tatort“ „Die kleine Kanaille“ mit Heinz Drache und Herbert Herrmann eindrucksvoll bewiesen bekam.

Nichtsdestoweniger erinnert „Das Mädchen in Jeans“ eher an „Ein Lied aus Theben“. Nicht nur spielen in beiden Geschichten Universitätsprofessoren eine wichtige Rolle, auch gerieten beide „Derricks“ ähnlich dröge. Theodor Grädler vermochte nicht, der Geschichte eine schmackhafte Würze zu verleihen oder überhaupt die karge Wohnung der Hauffs mit dem staatstragenden Gehabe im Hause Haidersfeld auf Augenhöhe zu bringen. Der Sprung aus beiden Kapseln heraus erscheint sinnvoll, das Überwechseln von der einen zur anderen aber nur als der Wandel von Pest zu Cholera. Selbst Stephan und Harry werden genötigt, sich zu verstellen, und tauchen stellenweise als – sichtlich gelangweilte – Pinguine im Smoking auf. Besonders Harry hört man förmlich Ritas Worte denken: „Ich hab’ mich hier so fremd gefühlt, so fremd wie noch nie in meinem Leben.“

Wer hätte gedacht, dass eine Folge, die wie „Die Schrecken der Nacht“ beginnt, mit Schubert ausklingen könnte? Man könnte attestieren: gerade noch den Bogen gekriegt. Aber eben nur knapp: Die guten Darsteller sind in platten Rollen gefangen und lassen ernsthaftes Konfliktmaterial vermissen. 3 von 5 Punkten.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

17.01.2013 13:27
#514 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Rangliste der "Derrick"-Box Nummer 7:

Platz 01 (Folge 102): Der Täter schickte Blumen - 5 Punkte
Platz 02 (Folge 099): Via Genua - 5 Punkte
Platz 03 (Folge 097): Der Mann aus Kiel - 5 Punkte
Platz 04 (Folge 092): Nachts in einem fremden Haus - 4,5 Punkte
Platz 05 (Folge 104): Tödliches Rendezvous - 4 Punkte
Platz 06 (Folge 101): Geheimnisse einer Nacht - 4 Punkte
Platz 07 (Folge 094): Ein Fall für Harry - 4 Punkte
Platz 08 (Folge 091): Eine Falle für Derrick - 4 Punkte
Platz 09 (Folge 100): Die Tote in der Isar - 4 Punkte
Platz 10 (Folge 105): Lohmanns innerer Frieden - 4 Punkte
Platz 11 (Folge 095): Das Alibi - 4 Punkte
Platz 12 (Folge 093): Die Fahrt nach Lindau - 3,5 Punkte
Platz 13 (Folge 098): Ein unheimliches Erlebnis - 3,5 Punkte
Platz 14 (Folge 096): Hausmusik - 2,5 Punkte
Platz 15 (Folge 103): Die kleine Ahrens - 1,5 Punkte

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

17.01.2013 13:43
#515 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Attentat auf Derrick" (Folge 106)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Christine Wodetzky, Gerd Böckmann, Till Topf, Karl Renar, Ida Krottendorf, Wolfried Lier, Dieter Eppler, Heini Göbel, Gabi Herbst u.a. - Regie: Zbynek Brynych

Auf dem Weg nach Hause wird Derrick von einem Wagen verfolgt, was sein Misstrauen erregt. Er ruft in seinem Büro an und gibt Harry seine Route durch. Plötzlich fährt der fremde Wagen ganz nah an den seinen heran und der Fahrer feuert mehrmals aus einer Schusswaffe auf den Oberinspektor. Schwer verwundet bricht Derrick zusammen. Harry Klein verspricht, alles zu tun, um den Täter zu ermitteln und bedient sich deshalb der Hilfe eines ehemaligen Polizeibeamten, der sich in der Unterwelt, in der der mutmaßliche Täter verkehrt, bestens auskennt. Klein vermutet, dass die Familie Korda hinter dem Racheakt steckt. Herr Korda wurde nämlich vor kurzem von Derrick überführt und sitzt nun im Gefängnis.....

Wie schon Box 7 beginnt auch Collection 8 mit einem perfiden Anschlag auf Derrick. Versuchte ein Geschäftsmann aus dem Rotlichtmilieu in "Eine Falle für Derrick" diesem fahrlässige Tötung mit Fahrerflucht anzulasten und ihn somit zu diskreditieren, geht es in "Attentat auf Derrick" gleich richtig zur Sache: hinterlistig wird aus einem fahrenden Auto auf den Oberinspektor geschossen - in voller Absicht, ihn zu töten und nicht nur, um ihm einen Denkzettel zu verpassen. Der Zuseher leidet mit Harry mit, als dieser zwischen Besorgnis um seinen Freund, beruflicher Verantwortung und schnellem Handeln aufgerieben wird und dennoch ruhig und überlegt vorgeht.
Die erstaunlich gehobene Bürgerlichkeit, die sich hinter dem Halbweltmann Korda auftut und das behütete Leben, in dem Sohn Michael aufgewachsen ist, liefern Harry genügend Angriffspunkte. Er erschleicht sich das Vertrauen des ahnungslosen jungen Mannes und setzt den Hebel dort an, wo Korda und seine nicht minder durchtriebene Frau ihren Schwachpunkt haben. Die eigenen Kinder von der wenig ruhmreichen Quelle ihres Einkommens abzuschirmen, ist damals wie heute aktuell und spricht für die Verlogenheit, mit der zwischen Geschäft und Privatem unterschieden wird. Die Selbstverständlichkeit der zweifelhaften Tätigkeiten soll selbstverständlich nicht von der eigenen Brut ausgeübt werden, weshalb der Panzer hier Risse bekommt. Till Topf überzeugt in seiner Uninformiertheit und automatischen Loyalität zum Vater, die er erst hinterfragt, als er von einer neutralen Partei mit Tatsachen konfrontiert wird. Harry Klein erweist sich hier aufgrund seiner Jugendlichkeit als goldrichtig. Den Zugang zum Jungen hätte Derrick nicht geschafft, weshalb der Fall wohl von einer anderen Seite aufgerollt worden wäre. Der aalglatte Gerd Böckmann, der immer dann zum Zug kommt, wenn Sky Dumont anderweitig verpflichtet ist, zeigt Gefühlskälte und Berechnung, bleibt aber insgesamt ein Mann ohne Format. Als Hure mit Herz sehen wir Ida Krottendorf, deren Rolle eigentlich überflüssig ist, jedoch in jeder Milieustudie von Reinecker Verwendung findet. Ohnehin dem "wilden Wust" (O-Ton Blap) zugeneigt, suhlt sich Brynych im schwindelerregenden Sog aus kreisenden Brüsten, roher Gewalt und leuchtenden Reklameschildern. Wer diesen Verheißungen auf den Leim geht und sich ausnehmen lässt, ist selber Schuld - so die Botschaft des Regisseurs. Frank Duvalls pulsierende Rhythmen dringen diesmal besonders in den Vordergrund, was die Achtziger-Jahre-Stimmung, die in dieser Folge mehr als sonst zu spüren ist, markant betont.

Percy Lister Offline



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17.01.2013 14:15
#516 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Die Schrecken der Nacht" (Folge 107)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Dirk Dautzenberg, Monika Baumgartner, Volker Eckstein, Werner Asam, Michael Toost, Ilona Grübel, Simone Rethel, Max Mairich u.a. - Regie: Zbynek Brynych

Derrick begibt sich nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus vier Wochen zur Genesung in eine Reha-Klinik. In der Zwischenzeit muss sich sein Kollege Klein um die Aufklärung dreier Frauenmorde kümmern; der kurz vor der Pensionierung stehende Ludewig kommt in dem Fall nicht recht weiter. Hilfe gibt es von der Polizeibeamtin Carla Meissner, die als Köder fungieren und den Täter aus der Reserve locken soll. Im Zentrum des Verdachts steht das Viertel um die Kneipe "Blaueck", die allabendlich von seltsamen Typen frequentiert wird. Doch auch der Sohn des Wirts und ein Hausbewohner fallen Inspektor Klein auf, der zusammen mit Berger die Observierung des Lokals übernimmt. Und jede Nacht nach 1 Uhr begibt sich Carla auf die Straße, in der Hoffnung, dem Mörder zu begegnen.....

Zbynek Brynych durfte nicht nur Derricks Todeskampf, sondern auch seine Rekonvaleszenz inszenieren und es scheint ihm höllisch Spaß zu machen, in Abwesenheit des Oberinspektors die zweite Garnitur aufmarschieren zu lassen. Wo Karl Renar noch durch Kniffe und Einfälle zu glänzen wusste, pflegt Dirk Dautzenberg lieber seinen Schmerz über die kaltblütige Grausamkeit des Täters und schont seine durch jahrzehntelange Polizeiarbeit lädierten Füße. Ein warmes Plätzchen und ein Bier zum Debattieren über die Hintergründe der Morde genügen Ludewig. Es ist Harry Kleins Verdienst, dass endlich Bewegung in die Ermittlungen kommt. Technische Hilfsmittel und vor allem der mutige Einsatz von Kollegin Meissner (die zupackend und überzeugend von Monika Baumgartner gespielt wird) scheuchen das Viertel auf, in dem der Regisseur aus Karlsbad nach Herzenslust seine Schrullen pflegen kann. Nach Mitternacht, so Brynych, verkehren auf Münchens Straßen nur noch Perverse, Neurotiker, Lesben, Freier und Betrunkene. Man sieht ihn förmlich hinter einem Lattenzaun stehen und kichern, wenn Baumgartner sich mit den "Schrecken der Nacht" auseinandersetzen muss. Zu allem Übel mischt auch noch eine Katze mit, die der Schlüssel zum (Ermittlungs-)Erfolg ist. Wie Gubanov in seinem Bericht bereits ausführte, bedauerte ein Gutteil der Zuschauer nicht die getöteten Frauen, sondern die Mieze - die übrigens genauso nur eine Rolle spielt wie Rethel und Co. Aber so ist das Leben: An Frauenleichen hat man sich in unserer zivilisierten Welt schon gewöhnt, aber ein totes Haustier? Ein Schmusekätzchen, das doch nur spielen möchte?
Neben Dauergast Volker Eckstein (gewohnt unheimlich und düster) mischen noch der notorische Werner Asam und ein zu Nebenrollen verdammter Karl Tischlinger mit. Derrick spannt Harry und die Zuseher auf die Folter, indem er zwischendurch sein Büro besucht und eine baldige Rückkehr verspricht. Obwohl sich Klein gut behauptet und in Berger einen fleißigen Helfer findet, wünscht man sich den Oberinspektor so bald als möglich zurück. Die Plätze rund um die U-Bahn-Station und die verschneiten Straßen in Giesing sorgen für das beklemmende Gefühl, das man automatisch empfindet, wenn man Zonen betritt, die man zu bestimmten Zeiten lieber meidet.
Am Ende strahlt man mit Derrick um die Wette, wenn er hinter seinem Schreibtisch Platz nimmt und neuen Kriminalfällen entgegensieht.

Percy Lister Offline



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17.01.2013 14:28
#517 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Dr. Römer und der Mann des Jahres" (Folge 108)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Hans-Dieter Zeidler, Ernst Schröder, Kristina Nel, Erich Hallhuber, Gisela Stein, Maria Singer, Angela Hillebrecht u.a. - Regie: Theodor Grädler

Vor drei Monaten starb der Wissenschaftler Dr. Römer in einer Nervenheilanstalt. Er war dort wegen schwerer Depressionen in Behandlung. Seine Arbeit mit Hochleistungscomputern hatte ihn krank gemacht. Er konnte es nicht verwinden, dass die kalte Intelligenz der Maschinen den Menschen bald überholen sollte und dabei war, eine Welt ohne Moral zu schaffen. Eines Abends wird er gesehen, wie er an seinen ehemaligen Arbeitsplatz zurückkehrt. Am nächsten Morgen wird die Leiche seines Nachfolgers und das Fehlen eines Computer-Chips bemerkt. Rückfragen bei Professor Rotheim, seinem behandelnden Arzt, ergeben eindeutig, dass Römer im letzten Dezember an Herzversagen gestorben ist. Doch kurze Zeit später wird ein neuer Mordanschlag verübt: auf Prof. Rauh. Der Täter: nach Aussagen Rauhs erneut Dr. Römer. Eine Exhumierung der Leiche soll Klarheit schaffen.....

"Das Verhängnisvolle sei daran: je näher ein Gehirn dem Genialen sei, um so leichter habe es der böse Geist, das Pünktchen zu treffen, von dem aus auf einmal die ordnende und sammelnde Kraft in Verwirrung gestürzt werden könne. [...] Wenn das wahr ist, was ich gesehen habe, dann bin ich nicht mehr ich ... sondern geisteskrank, persönlichkeits-gespalten, im Dämmerzustand lebend ... nein, ich bin nur, weil ich diese Zustände an meinen Kranken so gut kenne, übersensitiv geworden ..."
(aus: Norbert Jacques: Dr. Mabuses letztes Spiel, Rowohlt Taschenbuch-Vlg.)

Das Reizvolle an Reineckers Drehbuch ist neben dem Einblick in die geheimnisvolle, hochentwickelte Computerwelt, deren Zirpen dem Labor von Professor Erasmus entsprungen zu sein scheint, die Verwendung des von Krimifans so geliebten Mabuse-Themas. Die Rückkehr eines Toten, dessen Sterben unter Aufsicht eines Nervenarztes erfolgte; die Besessenheit von einer revolutionären Idee, für die sich der Arzt begeistern lässt und die nüchterne Polizeiarbeit, die sich an Tatsachen halten muss und weder an Geister, noch an Halluzinationen glauben darf. Derrick ist in die Fußstapfen von Kommissar Lohmann (Gert Fröbe) getreten und gibt sich weit weniger kantig und persönlich involviert als sein sanguinischer Kollege aus den Sechziger Jahren. Ernst Schröder und Hans-Dieter Zeidler bilden die beiden Antipoden der Geschichte und besonders Zeidler kann hier in einer gradlinigen Rolle als Forscher überzeugen, der den Zenit seiner Schaffenskraft noch nicht überschritten hat. Ein gutes Glas Wein kann ihn noch erfreuen, während Schröder in nervöser Hektik Pillen zusammenrafft, um die Contenance zu bewahren. Kristina Nel ist erstmals nicht als Studentin, sondern als junge Ärztin Dr. Schenk zu sehen und sorgt zusammen mit Maria Singer als Schwester Berta für den nötigen Schuss Unvoreingenommenheit und kritische Distanz. Die lichtdurchfluteten, offenen Schauplätze der Klinik konkurrieren mit dem Kunstlicht der schwarzen Kuben im Forschungsinstitut, während der Abstecher auf den Friedhof für die Freisetzung der Phantasie sorgt. Wir bekommen die Leiche nicht zu sehen, weswegen das innere Auge Bilder von Moder und Verwesung heraufbeschwört. Die auf höchstem Niveau vorgetragenen Dialogsätze aus der Welt der medizinischen Elite sorgen für gepflegte Unterhaltung und den Anstrich des Besonderen. Ein kriminalistisches Vergnügen, das beweist, dass Reinecker noch lange nicht die Puste ausgegangen ist.

Percy Lister Offline



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17.01.2013 19:41
#518 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Das Mädchen in Jeans" (Folge 109)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Herbert Fleischmann, Anja Jaenicke, Elisabeth Müller, Alice Treff, Anaid Iplicjian, Otto Bolesch u.a. - Regie: Theodor Grädler

Professor Joachim von Haidersfeld ist seit einiger Zeit mit Rita Hauff, einem Mädchen aus einfachen Verhältnissen befreundet. Als er sie eines Abends nach Hause bringt, findet Rita die Polizei in ihrer Wohnung vor: Alwin Hauff, ihr Bruder, wurde mit vergifteten Pralinen getötet. Die ungewöhnliche Beziehung zwischen der Arbeitslosen und dem Universitätsprofessor weckt Derricks Interesse für die vornehme Familie von Haidersfeld, deren akademische Bildung und kulturfördernder Lebensstil im großen Gegensatz zum sorglosen Schlendrian der Geschwister Hauff steht. Was bewog den Privatgelehrten seine Sphäre zu verlassen? Wie reagierten seine Frau und seine Mutter auf die ungleiche Freundschaft? Woher stammt das verwendete Gift? Und wer griff in letzter Konsequenz zu diesem unwiderrufbaren Schritt?

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen mit Herbert Fleischmann und Anja Jaenicke die Vertreter zweier unterschiedlicher Welten. Die pummelige, stets mürrisch und unzufrieden dreinblickende Vertreterin des Proletariats und Herbert Fleischmann, den Horst Tappert in seinem Buch als "zufriedenen, ruhigen Mann mit positiver Ausstrahlung" beschreibt. Kein Adonis fürwahr, aber ein Darsteller, der im Laufe seiner Auftritte meine Achtung gewann und sich sowohl als gerissener Betrüger, als auch in sanftmütigen Rollen gut macht. Die Provokation, die Reinecker durch die ungleiche Verbindung in den Raum stellt, wird seiner Vorstellung vom Unterschied der Stände gerecht und untermauert seine Ansicht, dass jeder an dem Platz sein Bestes geben soll, an den er gestellt worden ist. Wäre Rita Hauff von einer attraktiveren, freundlicheren jungen Frau gespielt worden, würden wir vermutlich nicht so die Nase rümpfen, wie wir es hier tun. Wir gönnen es der Ex-Hausiererin von Putzmitteln einfach nicht, in einem teuren Hotelzimmer nächtigen zu dürfen und die Faszination eines Mannes geweckt zu haben, der sich in einer ungeputzten Wohnung wohler fühlt als in seiner barocken Villa. Reinecker stellt es doppelt geschickt an, wenn Derrick, der unser Stellvertreter auf dem Bildschirm ist, bei der gestrengen Eliane von Haidersfeld ebenso durchfällt wie das Mädchen Rita. Und dabei tritt der Oberinspektor mit einer natürlichen Würde und in feiner Abendrobe auf. Der Fall beginnt ähnlich wie in "Kaffee mit Beate" (Verwechslung des Opfers, vergiftetes Konfekt, kein Wohnungsschlüssel), zeigt aber keine so große Anteilnahme. Der getötete Mann bleibt vollkommen uninteressant. Während die Akademikerin Dr. Ursula von Haidersfeld ihren Beruf aufgibt, "um das Haus zu führen" (obwohl die aparte Anaid Iplicjian diese Aufgabe doch zur Zufriedenheit erfüllt), hat die kleine Hauff ohnehin kein Interesse an Arbeit. Unterm Strich werden sich beide Entscheidungen als Farce herausstellen: die Fixierung auf den Mann als Lebensmittelpunkt, der erlesene Kammerabende und interessante Diskussionsrunden förderte, die nach seinem Abschied ausbleiben werden und die Hoffnung auf Versorgung durch den väterlichen Freund, die keineswegs abgesichert erfolgt. Die Erwartungshaltung, die ein Mann wie Joachim von Haidersfeld hervorruft, ist hoch, sehr hoch und lässt ganze Gefüge einstürzen, wenn sie enttäuscht wird.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

17.01.2013 21:03
#519 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Die Verführung" (Folge 110)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Hans-Jürgen Schatz, Werner Stocker, Gerd Günther Hoffmann, Karl Obermayr, Horst Kummeth, Helmut Dauner u.a. - Regie: Helmuth Ashley

Erich Wobeck, Sohn eines Kommissars, lernt zwei junge Männer kennen, die ihn in ihre Gruppe aufnehmen, mit ihm Motorrad fahren und ihm zuhören. Der einsame Schüler begleitet seinen neuen Freund Willi bei einem Einbruch, an dem er sich nicht beteiligt, aber plötzlich mitten in einer brenzligen Situation steckt: im Wohnzimmer liegt die Leiche des Hausbesitzers. Der Mann ist erstochen worden. Die bereits alarmierte Polizei nimmt Erich noch am Tatort fest. Zu seinem Entsetzen muss der Leiter des Einbruchsdezernats erkennen, dass er seinen eigenen Sohn vor sich hat....

Das große Plus dieser Episode ist die Besetzung der Hauptrolle mit Hans-Jürgen Schatz. Der junge Mann ist in jeder Minute glaubwürdig und zeigt großes Engagement in seiner Rolle. Er muss gegen eine bayerische Verschwörung ankämpfen, die von Karl Obermayr angeführt wird. Der Mann mit der querulanten Stimme eignet sich vorzüglich für Kleinstrollen als Landpolizist oder Wermutbruder, hält aber in der bedeutenderen Rolle des Ex-Einbrechers nicht durch und verschenkt seinen Auftritt im Finale. Ihm zur Seite stellte man den "Bruder" von Werner Asam, den nicht minder waldschratigen Möchtegern-Sunnyboy vom Lande: Horst Kummeth. Wenigstens Werner Stocker erfüllt die ihm gestellten Aufgaben überzeugend. Sein Willi sorgt beim inhaftierten Erich Wobeck für Entsetzen und ungläubige Verwunderung. Die Thematik der Rache wird im Ansatz originell in Angriff genommen, krankt aber am wenig prominenten Cast. So bringt man für Gerd Günther Hoffmann kaum Sympathien auf, nachdem sein zweiter Sohn den jüngeren Bruder so schroff abblitzen ließ. Der mangelnde Zusammenhalt in der Familie sorgt dafür, dass man Erich weder seinem Vater, noch den neuen "Freunden" zuordnet. Er lebt irgendwo dazwischen und man wünscht sich, dass er bald wenigstens eine interessante berufliche oder studentische Herausforderung erhält. Derrick erweist sich wieder einmal als unersetzbar. Sofort bricht er den Feierabend ab, als ihn der Anruf seines Kollegen erreicht, legt sein Buch zur Seite und nimmt den Fall in die Hand. Zu ihm scheint Erich mehr Vertrauen zu haben als zum eigenen Vater, vermutlich, weil Derrick neutral und dennoch mitfühlend auftritt und sich ein Urteil erst nach Kenntnis der Fakten bildet. Die Vorgehensweise der Bande erscheint unterm Strich betrachtet mehr als naiv und der Mord, der einem als Zufallsprodukt aufgetischt wird, vermeidbar und überflüssig.

Gubanov ( gelöscht )
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18.01.2013 16:32
#520 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

@Percy Lister regiert wieder die „Derrick“-Welt!



Derrick: Die Verführung

Episode 110 der TV-Kriminalserie, BRD 1984. Regie: Helmuth Ashley. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Hans-Jürgen Schatz (Erich Wobeck), Gert Günther Hoffmann (Kommissar Wobeck), Werner Stocker (Willi Stein), Karl Obermayr (Karl Zander), Horst Kummeth (Heinz Zander), Helmut Dauner (Knut Herzog), Henry Stolow, Ulf-Jürgen Wagner u.a. Erstsendung: 10. Februar 1984, ZDF.

Zitat von Derrick: Die Verführung
Zu seiner großen Freude schließt der von seinen Schulkameraden geschnittene Erich Wobeck Bekanntschaft mit einigen Kneipengängern und Motorradfahrern. Er erklärt sich nach wenigen Tagen dazu bereit, einen von ihnen auf eine Einbruchstour – angeblich bei einem Betrüger – zu begleiten. Am Ende des Abends wird er allein von der Polizei aufgegriffen; ausgerechnet neben einer Leiche und ausgerechnet von seinem Vater!


Wir sind erst wenige Minuten in der Filmhandlung drin und schon haben wir einen ganzen Katalog von Fehlverhalten angeboten bekommen, der Moralapostel und erfahrene „Derrick“-Zuschauer gleichermaßen schaudern lässt: Glücksspiel, unverantwortlicher Umgang mit Geld, Alkohol – noch dazu mit linkem Namen! –, keine feste Beschäftigung, lose Wohnverhältnisse, die Entfremdung von der Familie und eine allzu freiheitlich denkende Motorradclique – so geballt geht es selten zur Sache. Die Erwartungen, die man infolge dessen gegenüber dieser Helmuth-Ashley-Episode hegt, hängen nicht gerade hoch; schön aber, zu sehen, dass sie dennoch erfüllt werden können und im Gesamten ein recht stimmiges, wenngleich sicher nicht herausragendes Bild ergeben.

Am wenigsten attribuiere ich das Gelingen der „Verführung“ dem Mitwirken von Hans-Jürgen Schatz. In der „Derrick“-Kartei findet man ihn in der glücklichen Lage, weder als Vertreter der bitterbösen noch der moralisch haushoch überlegenen Jugendgruppe angehören zu müssen, sondern einfach nur als simpler „Saubermann“ aufzutreten. Diese Eigenschaft führte er zwar auch als junger Wobeck fort, baute sie durch Drehbuchzwänge aber dermaßen penetrant aus, dass man ihn gern aus seinem rosaroten Märchenland in die Realität des Lebens zurückzerren möchte. Ob ein derart verstrahlter und infantiler Charakter, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, in echt wirklich existiert (existieren könnte), sei überhaupt einmal in Frage gestellt. Ein bisschen weniger Rehaugennaivität wäre hier sicher zuträglich gewesen.

Aber er macht es seinen Gegenspielern immerhin leicht, die „Verführung“ zu perfektionieren. Sie locken ihn nach allen Regeln der Kunst in eine windige Sache mit hinein, die in Einbruch mündet und auch auf einen Toten nicht verzichtet. Die nächtlichen Szenen im fremden Haus sind von Ashley und „seinem“ Kameramann Dietmar Graf ähnlich spannend eingefangen worden wie in der nach ihren Pendants benannten Folge #92. Und auch wenn wir es im weiteren Verlauf der Geschichte mit einigen allzu „urigen“ Kollegen zu tun bekommen, so hütet sich die Episode doch davor, zu einer reinen Kneipenvorstellung zu verkommen. Zu sehr brennt das Motiv des Polizisten und seines Umgangs mit Verbrechern unter den Nägeln – verdeutlicht es doch letzten Endes, aus welch besonderem Holz der ewig unvoreingenommene, sachliche und höflich-vernünftige Stephan Derrick geschnitzt ist, während seine Kollegen den einen oder anderen Querulanten aus Bequemlichkeit gern einmal „hart anpacken“.

Selbst in einer weiteren Beziehung bleibt Derrick die Vorbildrolle aufgebürdet: Sein unerschütterlicher Glaube an das Gute spiegelt sich in einem schlichten, aber tief unter die Haut gehenden Schlusssatz wider. Indem, wie er über andere spricht und welches Bild er sich von ihnen macht, lernen wir ihn als Optimisten kennen, der weder auf den Zweifel und Aktionismus Harrys noch auf die völlige Ignoranz der Wirklichkeit wie Wobeck-Junior angewiesen ist.

Zittern kann ich nicht um den auserkorenen Sündenbock, eine unterhaltsame und von der Norm durch langes Vorspiel und persönliche Involvierung Derricks abweichende Erzählung wird aber dennoch dargeboten. 3,5 von 5 Punkten und ein Lob an die Musik von Hans Hammerschmid. Ob ich mir prominentere Gesichter gewünscht hätte, weiß ich nicht. Wahrscheinlich wäre es in dieser Beziehung nur auf übliche Verdächtige à la Eckstein, Renar oder Brenner hinausgelaufen. Dann doch lieber so!

Percy Lister Offline



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18.01.2013 20:36
#521 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Manuels Pflegerin" (Folge 111)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Herbert Fleischmann, Sascha Hehn, Susanne Uhlen, Karl Lange, Franziska Stömmer, Gefion Helmke, Alf Pankarter, Joachim Höppner u.a. - Regie: Helmuth Ashley

Dr. Wolfgang Rohm, Unternehmer im Bereich Hoch- und Tiefbau, holt seinen Freund Dr. Masilke vom Bahnhof ab. Der Hochfrequenztechniker hat sich vor drei Jahren vorzeitig pensionieren lassen und möchte nun ein paar Wochen in München bei seinem Freund verbringen. Kurz nach seiner Ankunft wird er im Hotel von einem falschen Briefträger erschossen. Derrick vermutet die Hintergründe für die Tat in Dr. Masilkes ehemaliger Tätigkeit und erfährt, dass vor drei Jahren vertrauliche Dokumente in dessen Büro entwendet wurden. Der Industriespionage verdächtig war damals eine Sekretärin, deren Beschreibung genau auf die Pflegerin des querschnittgelähmten Bruders von Dr. Rohm passt. Der junge Mann ist bis über beide Ohren in Ingrid Moorhoff verliebt. Liegt hier der wunde Punkt, Dr. Rohm Informationen zu entlocken?

Das gute Drehbuch und der überzeugende Cast sorgen dafür, dass "Manuels Pflegerin" wie eine moderne, weniger ideologisch gefärbte Variante einer Folge aus "Die fünfte Kolonne" daherkommt. Der Auftakt im Zugabteil, die Ankunft im Grünwalder Hotel und die List, die Verwendung findet, um in das Zimmer Masilkes zu kommen, versprechen nicht zuviel. Das hohe Niveau kann gehalten werden, was nicht zuletzt dem zuverlässigen Herbert Fleischmann, der geheimnisvollen Susanne Uhlen und dem trotz seiner (gespielten) Einschränkung vor Gesundheit und Lebensmut strotzenden Sascha Hehn zu verdanken ist. Die Frage, die für Suspense sorgt, ist, wie Manuel darauf reagieren wird, dass seine Pflegerin eine Agentin ist und gezielt in das Haus von Dr. Rohm eingeschleust wurde. Doch wieder einmal werden die Gedankengänge des Publikums manipuliert, indem die beiden jungen Leute den Enthüllungen der Polizei ein Stück voraus sind und aktiv handeln, statt die Ereignisse auf sich zukommen zu lassen. Der Rollstuhlfahrer wird nicht als bedauernswertes Opfer gezeigt, sondern als normaler Mann mit Gefühlen, Tatendrang und Überlegungen. Sein Optimismus steht im Gegensatz zur Introvertiertheit seiner Pflegerin, die weitaus bedächtiger agiert als ihr Schützling, der - offen gesagt - gar nicht den Eindruck macht, als brauche er besondere Zuwendung. Karl Lange als harter Mann mit eiskaltem Verstand durfte seine Eignung für diese Art von Rollen schon mehrmals zeigen, u.a. eben auch in der Spionage-Serie "Die fünfte Kolonne". Berger, der endlich wieder an erster Front mitmischen darf, verfolgt ihn zusammen mit Kollege Klein, wobei der Zuseher einen Blick auf den Militärflughafen werfen kann. Die Stimmung der Episode bleibt trotz des ernsten Hintergrunds positiv, was sich auch im Finale äußert. Menschliche Tugenden wie Fürsorge, Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt überlagern die unbestimmte Bedrohung, die mit Geheimdiensten und ihrer Arbeit einhergeht. Auch hier unterscheidet sich die "Derrick"-Episode von der Sechziger-Jahre-Serie, die für die Identifikationsfiguren des Publikums am Ende der Folgen oftmals Gefängnis, Mord oder Selbstmord bereithielt.

Percy Lister Offline



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18.01.2013 21:40
#522 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Drei atemlose Tage" (Folge 112)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Ekkehardt Belle, Stefan Fleming, Ute Willing, Willy Schultes, Sky Dumont, Eckhard Heise, Alexis von Hagemeister u.a. - Regie: Alfred Vohrer

Die Freunde Harald Wiemann und Karl Schuster sind seit geraumer Zeit arbeitslos, als moderne Computertechnik in ihrer Firma für kostensparenden Personalabbau sorgte. Nun wissen sie nicht, wie sie die Zeit totschlagen sollen und streunen durch Münchens Straßen, immer auf der Suche nach einem Abenteuer. Eines Nachmittags werden sie Zeugen, wie ein Jaguar vor einem Nobelhotel geparkt wird. Der Fahrer hat in der Eile den Schlüssel stecken lassen und so "leihen" sich Harald und Karl den Luxuswagen aus, um eine Spritztour zu unternehmen. Im Kofferraum entdecken sie eine Reisetasche, in der sich mehrere Plastiksäckchen mit Heroin befinden. Nach der ersten Panik beschließt Karl, den Wagen zurückzubringen und von den Besitzern dafür einen "Finderlohn" zu verlangen. Harald ist die Sache nicht geheuer. Als sein Freund nicht mehr zurückkehrt, bekommt er es mit der Angst zu tun. Mit Recht: Bald wird an der Isar der leblose Körper Karls gefunden, getötet durch zwei Messerstiche......

Das Verbrechen in seinen vielen Formen ist Thema dieser "Derrick"-Folge und zeigt zwei junge Männer, die sich mit Dummheiten die Zeit vertreiben und anfällig für leicht verdientes (= auf illegale Weise verdientes) Geld sind. Aus Übermut lassen sich die Amateure auf ein Geschäft ein, dessen Konsequenzen sie nicht abschätzen können. Professionalität zeigt sich in Gestalt des vornehmen Jablonski, der sich das Beste und Teuerste leistet, das der Luxus-Sektor hervorbringt. Beim Anblick seiner edlen Karosse und dem ledernen Attaché-Koffer wünschte man sich ebenfalls so etwas zum Gebrauch. Als Verhandlungspartner für Karl Schuster ist Jablonski (wieder einmal eine Augenweide: der einem Hochglanz-Magazin von Condé Nast entsprungene Sky Dumont) drei Nummern zu groß. Derrick passt sich diesmal auch optisch dem einzigen Zeugen an. Er begleitet ihn in sein Stammlokal, hört seinen Schilderungen zu und lässt am Ende Milde walten. Er wiegt die Verhaftung der Drogenhändler gegen die Intentionen Karl Schusters ab und entscheidet sich für die Lehre, die Harald Wiemann wohl aus dem Tod seines besten Freundes gezogen hat. In einer Mischung aus Leichtsinn, Entdeckerlust und Starrsinn begibt sich Ekkehardt Belle, der seine Rolle locker aus dem Ärmel schüttelt und sichtlich Spaß daran hat, auf die Spur der Mörder und hat dabei mehr als einmal mehr Glück als Verstand. Für Action sorgen die Explosion der Haustür - ein gelungener Griff in die Trickkiste - und die Frage, wie Derrick gleichzeitig am Telefon und in der Nähe eines gefährdeten Zeugen sein kann. Das Happyend mit Ute Willing scheint freilich so, als habe es Derrick in seiner Sympathie für den jungen Mann selbst arrangiert: Der verlorene Sohn ist nach Hause gekehrt.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

20.01.2013 21:51
#523 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Tödlicher Ausweg" (Folge 113)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Reinhild Solf, Udo Vioff, Sigfrit Steiner, Pierre Franckh, Olivia Pascal, Gila von Weitershausen u.a. - Regie: Alfred Vohrer

Hanna Schieda wird nach dem Sport normalerweise von ihrem Freund Günter Hauser abgeholt. An diesem Abend hat er eine geschäftliche Besprechung und bittet die junge Frau, ein Taxi zu nehmen. Kurze Zeit später wird ihre Leiche aufgefunden. Die Frau ist erwürgt worden, der Verdacht fällt auf die Familie Hauser. Günter Hausers Noch-Ehefrau und sein Sohn wehrten sich vehement gegen die neue Beziehung des Geschäftsmanns, auch Hausers Vater grollte seinem Sohn wegen des unpassenden Verhältnisses. Derrick überprüft alle Alibis und stellt fest, dass der junge Hauser nicht nur hyperaktiv, sondern auch rachsüchtig ist und in seinem Weltbild keine Abweichungen von der Norm duldet.....

Pierre Franckh dominiert die gedämpfte Atmosphäre in dem wunderschönen Ansitz, den wir gerade erst in "Geheimnisse einer Nacht" gesehen haben. Er fährt mit dem Bulldozer eine Schneise in die Gefühlslandschaft seiner Eltern, stößt sie vor den Kopf und liefert dem Oberinspektor genügend Gründe für seine Verhaftung. Er huldigt dabei einer Lebenseinstellung, die eher dem Drehbuchautor als dem Pädagogen entspricht. Indem man Franckh in einer weiblichen Berufsdomäne einsetzt, glaubt man, ihn dem Vollbesitz seiner geistigen Kräfte berauben zu müssen. Seine genau definierten Regeln zum menschlichen Zusammenleben sollen einem irre geleiteten Hirn entspringen; er wird als überdreht, exaltiert und äußerst selbstsicher dargestellt. Trotz der gestreuten Vorurteile wird nicht verhindert, dass wir uns einmal mehr über eine Pierre-Franckh-Performance wundern, die gar nicht im Bereich des "Normalen" stattfinden kann. Umso angenehmer erscheint uns das unaufgeregte Spiel von Vioff (gesetzter und nachdenklicher als noch beim "Kommissar") und der aparten Reinhild Solf. Die 1941 geborene Schauspielerin und Autorin macht einen sehr kultivierten Eindruck und will ihren Mann auf sanfte und fürsorgliche Weise zurückgewinnen. Wieder einmal erscheint der Mord als Korrektur eines Fehlverhaltens und wird von der Umgebung geflissentlich als bedauerlich, aber unabwendbar akzeptiert. Der Suspense, den ein solches Verbrechen mit sich führt, wird leider verschenkt und selbst das Déjà-vu-Erlebnis am Ende verharrt in einer distanzierten Haltung, für die nur der redliche Derrick die richtigen Worte findet.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

21.01.2013 11:05
#524 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Manuels Pflegerin

Episode 111 der TV-Kriminalserie, BRD 1984. Regie: Helmuth Ashley. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Herbert Fleischmann (Dr. Wolfgang Rohm), Sascha Hehn (Manuel Rohm), Susanne Uhlen (Ingrid Moorhoff), Carl Lange (Herr Färber), Gefion Helmke (Anna Degenhardt), Franziska Stömmer (Frau Schosser), Alf Pankarter, Joachim Höppner u.a. Erstsendung: 2. März 1984, ZDF.

Zitat von Derrick: Manuels Pflegerin
Seltsame Vorgänge im sonst so gediegenen München: Ein pensionierter Wissenschaftler aus Jülich wird in einem Hotel erschossen. Wo ist der Grund für dieses Verbrechen zu suchen? Dr. Masilke wollte doch nur einen Urlaub bei einem alten Bekannten, dem Bauunternehmer Dr. Rohm, verbringen. Dessen Haushalt scheint irgendwie in die Tat involviert: Vor allem die Pflegerin von Dr. Rohms Bruder Manuel hat etwas zu verbergen ...


Die Besprechung enthält leichte Spoiler.

Dass Herbert Fleischmann große Meriten um die deutsche Film- und Fernsehunterhaltung erworben hat, steht ebenso außer Frage wie seine Bedeutsamkeit für die Serie „Derrick“ im Speziellen: Sieben Auftritte absolvierte er zwischen „Stiftungsfest“ und „Manuels Pflegerin“, bevor er am 5. April 1984 im Tessiner Cavigliano an einem Herzversagen starb. Als hätten die „Derrick“-Macher diesen bedauernswerten Verlust vorausgeahnt, drehten sie Ende 1983 / Anfang 1984 noch zwei kurz aufeinanderfolgende Episoden mit Fleischmann, sodass er nach „Das Mädchen in Jeans“ (#109) jetzt in Folge #111 noch einmal eine überzeugende Vorstellung abliefern darf.

Obschon sein Name direkt auf das Ermittlerteam folgt, spielt Fleischmann jedoch nicht die Rolle des Hauptverdächtigen, sondern nimmt eine Bindegliedfunktion ein zwischen Derrick und den eigentlich im Zentrum des Geschehens stehenden Manuel Rohm und Ingrid Moorhoff ein. Trotzdem schlägt man sich auf die Seite Fleischmanns, der mit einer Mischung aus leichter Freundlichkeit und offenem Entsetzen eine vielschichtigere Darstellung bietet als der doch eher schmierig und schönlingshaft daherkommende Sascha Hehn. Hehn stellt dem Publikum von 1984 zwar unter Beweis, dass auch Männer im Rollstuhl nicht frei von Charme und Tatendrang sein müssen, ist aber sowohl als Bruder Fleischmanns deutlich zu jung (hätte man aus Manuel den Sohn gemacht, wäre auch die Handlung glaubhafter ausgefallen) als auch insgesamt eine in ihrem Eifer eher überzeichnete Figur. Mit diesem Auftreten nimmt Hehn Susanne Uhlen einigen Wind aus den Segeln – unterm Strich bleibt sie trotz Agentenrolle blass und unauffällig.

Stoffe, in denen Derrick auf Pfaden des Geheimdienstes wandelt und sich mit Spionen aus aller Welt herumschlägt, haben es für gewöhnlich sowieso schwer in meiner Gunst. Als nicht sonderlich gelungene Beispiele dürfen „Ein unbegreiflicher Typ“ und „Mord im TEE 91“ gelten. Auch wenn „Manuels Pflegerin“ diese Folgen deutlich aussticht, bleiben unbefriedigende Aspekte – das Fehlen eines echten Motivs, die Unüberschaubarkeit der Ereignisse, Derricks eigentliche Nichtzuständigkeit und nicht zuletzt eine recht verworrene Erzählstruktur – dennoch vorhanden. Gerade das Letztgenannte erschwert es dem sowieso häufig eher behäbig erzählenden Regisseur Helmuth Ashley, über gewisse Längen hinwegzutäuschen.

Durchaus mysteriös, aber auch ein wenig kraftlos manifestiert „Manuels Pflegerin“ die Ansicht, dass „Derrick“ und Spionage nicht leicht zusammenzubringen sind. Entschädigung für einige ereignisarme Minuten bieten Herbert Fleischmanns Schwanengesang sowie ein Tiefgaragenfinale mit Schießerei. Da hat sich jemand an die Vorgaben des Lehrbuchs gehalten. 3,5 von 5 Punkten.

Blap Offline




Beiträge: 1.128

21.01.2013 20:54
#525 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 10 (Folgen 136-150)

Folge 142 - Die Nacht, in der Ronda starb (Deutschland 1986)

Qualen des Gehörnten

Dr. Walter Schenk (Klaus Schwarzkopf) leidet sehr unter den Eskapaden seiner Ehefrau Hannelore (Ursula Lingen). Derrick wohnt nebenan, eines Tages steht Dr. Schenk verunsichert vor der Tür des Oberinspektors. Etwas zerknirscht kommt der Kriminalbeamte dem ungewöhlichen Anliegen seines Nachbarn nach, bittet dessen Gattin um die Herausgabe von Büchern, Unterrichtsmaterial für den bevorstehenden Arbeitstag des Lehrers. In der Wohnung der Eheleute Schenk, sitzt Hannelore mit ihrem Liebhaber Gregor Ronda (Paul Neuhaus) gemütlich beim Frühstück, kann die Aufregung ihres Gatten nicht nachvollziehen. Deprimiert taucht Dr. Schenk vor seinen Schülern auf, die jungen Leute haben Kenntnis vom privaten Unglück ihres Lehrers, bieten ihm Hilfe an. Abends besuchen fünf Schüler Schenk, wollen den beliebten Pauker auf Kurs bringen. Am nächsten Morgen muss sich Derrick erneut mit den Eheleuten Schenk befassen. Diesmal ist der Grund offizieller Natur, Gregor Ronda wurde erschlagen in seinem Fitness-Center aufgefunden ...

Klaus Schwarzkopf überzeugt als gutmütiger Lehrer und Ehemann, dem es offenbar am nötigen Durchsetzungsvermögen mangelt. Im Berufsleben problematisch, im Privatleben schmerzhaft. Wenig bedrohlich echauffiert er sich gegenüber seiner Gattin und deren Liebhaber, wird von seiner Frau milde belächelt. Schwarzkopf ist die Rolle des Dr. Schenk auf den untersetzten Leib geschneidert, ein unscheinbarer Mann mit viel Gefühl und Verstand, gefangen im Netz der eigenen Schwäche. Ursula Lingen zeigt uns Hannelore Schenk als abgebrühte Frau, ohne Scheu trampelt sie auf den Gefühlen ihres Ehewurms herum. Bewusste Grausamkeit oder oberflächliche Gedankenlosigkeit? In Reihen der Schüler erwarten uns bekannte Gesichter, vor allem Anne Bennent und Christoph Eichhorn fallen positiv auf. Beide waren während der Dreharbeiten bereits ein paar Jahre zu alt um Schüler darzustellen, erstaunlicherweise kann Anne Bennent (Jahrgang 1963) ihr Alter weniger gut verbergen als ihr Kollege Christoph Eichhorn (Jahrgang 1957). Ich sehe gern darüber hinweg, mir gefällt Eichhorns "unterschwellig-psychotische" Art sehr gut. Für Alwy Becker bleibt nur eine kleine Nebenrolle, gern hätte ich sie als Hannelore Schenk gesehen, ohne die Leistung von Ursula Lingen bemängeln zu wollen. Horst Tappert und Fritz Wepper agieren gewohnt zuverlässig, Derrick bewegt sich gekonnt zwischen lässiger Routine und Verarbeitung befremdlicher Zustände. Freilich zeichnet ihn sein Gespür für Details aus, die geradezu langweilige Normalität der Schüler wirft Fragen auf, beschert herrliche Momente zwischen Derrick und Klein.

"Die Nacht, in der Ronda starb" gewinnt keinen Preise für Mut, Innovation und/oder überraschende Wendungen. Regisseur Theodor Grädler kann auf auf erstklassige Schauspieler und ein solides Drehbuch bauen. Zwar legte man keinen Wert auf wüste Ausritte, dennoch punktet diese Folge mit starken Dialogen, sorgt für zufriedene Schmunzler. Derrick bewohnt die Etagenwohnung mit geringer Begeisterung, wen wundert es ...

6,5/10 (oberste Mittelklasse)

***

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