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 Film- und Fernsehklassiker national
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Georg Offline




Beiträge: 3.263

13.10.2012 22:18
#286 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Folge 25: Der Mord an Frau Klett
Regie: Dietrich Haugk, mit Hanns-Ernst Jäger, Vadim Glowna, Alfred Balthoff, Hilde Volk u. v. a.

Herbert Reinecker erzählt die tragische Geschichte einer im wahrsten Sinne des Wortes weggeworfenen Frau, die mit anderen Menschen in einer heruntergekommenen Wohnung lebt (unglaublich die Wohnungsnot und die hohen Mieten damals!) und von ihren "WG-Genossen" ausgenutzt wird. Er zeigt die Schattenseiten der Gesellschaft und sein Repertoire umfasst anders als später in den 1990ern bei Derrick noch mehr als die Nobelviertel und Reichen. Dietrich Haugk setzt einen ruhigen, zuhörenden Kommissar Keller in Szene, der schon mal am Schreibtisch zeichnet. Aber auch ansonsten ist seine Inszenierung tadellos, unterstützt von einem sehr guten Soundtrack von Peter Thomas. Neben der heruntergekommenen Wohnung darf natürlich auch eine Nachtbar nicht fehlen (derselbe wurde übrigens auch später u. a. noch mal in Grauroter Morgen verwendet und war auch bei einer Die seltsamen Methoden des Franz Josef Wanninger-Episode zu sehen)
Bleibt die Besetzung. Vadim Glowna als Sohn der Ermordeten ist eine Idealbesetzung (und war in der Ringelmann-Frühzeit leider viel zu selten dabei). Hanns-Ernst Jäger als heruntergekommener Tierstimmenimitator, der am Zooeingang Geld schnorrt, zeigt die Vielseitigkeit dieses Darstellers (der hier mit den Tierlauten allerdings schlecht synchronisiert ist), der den perfiden Zahnarzt in Es ist soweit oder den bösen Mr. Rucastle in Sherlock Holmes: Das Haus bei den Blutbuchen genauso gut spielte wie etwa den depressiven Humoristen in der 52. Folge des Kommissars. Alfred Balthoff, der Mann mit der seltsamen Frisur, spielt eine undurchsichtigen, liebenswürdig aber verschroben scheinenden Kellner. Auch er ist immer eine gute Wahl für solche Typen gewesen. Bleibt Ode-Gattin Hilde Volk, die ebenso passt.
Insgesamt eine ganz gut gelungene Folge mit einem rasanten Finale (und einer toll in Szene gesetzten Schlägerei!).



Folge 90: Noch 10 Minuten zu leben
Regie: Theodor Grädler, mit Christine Wodetzky, Jürgen Goslar, Ute Willing, Eric Pohlmann, Tilo von Berlepsch, Rolf Wanka u. v. a.

Eine Episode, bei der alles stimmt! Herbert Reinecker präsentiert uns hier einen wunderbaren klassischen Krimi ohne Sozial- oder Liebesdrama. Allein die Eröffnung macht schon Lust auf den folgenden Fall, die Party, bei der alle Gäste Zeugen des Mordes werden und die nachherige Suche im dunklen Garten. Alles untermalt mit toller Spannungsmusik von Hans-Martin Majewski, die man sich auch häufiger in musiklosen Folgen gewünscht hätte. Nachdem unter den Partygästen der großartige Eric Pohlmann (was für eine sonore Stimme!), Tilo von Berlepsch, Rolf Wanka und natürlich ein glaubhaft schmierig spielender Jürgen Goslar zu finden sind, ist man als Zuschauer sofort für die kommenden Ereignisse eingenommen und fiebert begeistert bei den Ermittlungen der Assistenten und später des Kommissar mit, der nach einiger Zeit - eigentlich schon recht früh - weiß, wer der Täter ist, aber noch nicht genau dahinter gekommen ist, wie er es angestellt hat. Dass Autor Herbert Reinecker den Mördertrick schon mal ca. zehn Jahre zuvor im Kinoklassiker Neues vom Hexer erfolgreich verwendet hat und sozusagen bei sich selbst geklaut hat, sei ihm verziehen. An der temporeichen Inszenierung von Theodor Grädler, der hier wie gesagt auf ein sehr starkes Buch zurück greifen konnte, ist nichts auszusetzen, so dass man bis zum Schluss, an dem der Kommissar alle Beteiligten in klassischster Krimimanier nochmals an den Tatort holt, gespannt und gebannt vor dem Bildschirm hockt. Es folgt die obligatorische Rückblende und die Entlarvung des so selbstsicheren, ja überheblichen Täters. 60 gelungene Krimiminuten!
P.S.: Es ist schon interessant, wie häufig und über Jahrzehnte hinweg die Drehorte der NMF-Produktionen wieder kehren: die Villa war 2006 in Der Alte: Tag der Rache (einer vorzüglichen Episode von Vadim Glowna!) nochmals zu sehen und auch der See mit dem Bootshaus kommt ja sehr häufig war, wurde u. a. auch Kommissar Köster zum Verhängnis und tauchte gerade erst vor wenigen Wochen in der neuen Der Alte-Episode Mord unter Brüdern nochmals auf.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

14.10.2012 11:00
#287 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Folge 94: Mord nach der Uhr
Regie: Alfred Weidenmann, mit Maria Becker, Bruno Dietrich, Detlev Eckstein, Renate Schroeter, Thomas Fritsch, Alexandra Marischka, Angelika Zielcke, Herbert Fleischmann u. v. a.

Auch wenn man von Anfang an weiß, wer's war bzw. was die Personen vorhaben, der als 95. Folge produzierte BeitragMord nach der Uhr ist eine der spannendsten Episoden. Herbert Reinecker lässt hier den Kommissar ein bisschen Columbo spielen. Offensichtlich ist, dass er zumindest ab der Hälfte kapiert hat, wie's war, er aber nicht genau weiß, wie er die Leute überführen kann. So überwältigende Tricks wie der amerikanische Kollege wendet er zwar nicht an, immerhin bleibt die Variante aber glaubwürdig (wenn auch nicht legal (?)). Alfred Weidenmann setzt einen temporeichen Kriminalfilm in Szene, der von der Bildgestaltung her, aber auch von den Darstellern überzeugt. Maria Becker ist in ihrer Paraderolle als herrisches Familienoberhaupt zu sehen und zeigt gerade hier auch ihre Wandelbarkeit, wenn man sie mal in einem klassischen Stück oder auch als fürsorgliche Schwester Ignatia in der gleichnamigen Der Kommissar-Episode gesehen hat. Dennoch, Helmut Ringelmann hat sie häufig als "Patriarchin" eines Clans eingesetzt, die eindeutig das Sagen hat. So war sie z. B. auch in diesem Part in der letzten Derrick-Episode Das Abschiedsgeschenk als Vera Kaschonnick oder in der spannenden Siska-Geschichte Das Böse an sich zu sehen (in beiden Rollen delegiert sie sogar vom Rollstuhl aus). Als skrupellose Sohn brilliert überdies Detlev Eckstein und Alexandra Marischka als Mordopfer ist wesentlich überzeugender als in ihrer Rolle als Ilo Kusche in Ende eines Tanzvergnügens. Bleibt noch den wirklich spannungssteigernden und zu den Bildern sehr gut passenden Soundtrack des Aktenzeichen XY-Komponisten Heinz Kiessling zu erwähnen, der leider viel zu selten Kriminalfilme untermalte (wenngleich seine Melodien über 20 Jahre lang bei XY für Grusel sorgten).
Fazit: ein gelungenes Krimivergnügen mit gut gewählten Szenenbildern und Darstellern bis in die kleinsten Rollen (selbst Herbert Fleischmann war sich nicht zu schade für einen Miniauftritt!)

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

15.10.2012 14:33
#288 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



DAS UNGEHEUER (Folge 14)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer
Gäste: Signe Seidel, Paul Edwin Roth, Hannelore Elsner, Klaus Höhne, Inge Langen, Manfred Spies, Volker Lechtenbrink, Camilla Spira, Rainer Basedow, u.a.



Ein Liebespaar macht eine grauenhafte Entdeckung. In einem Waldstück, das nicht weit entfernt von einer Siedlung liegt, finden sie eine ermordete junge Frau. Der Mord muss eben erst geschehen sein, denn sie sehen einen Mann in die nahe gelegene Wohnsiedlung flüchten. Für die Kriminalpolizei ist klar, dass der Täter dort zu suchen sein muss, und die Verhöre beginnen. Die Ermittlungen erweisen sich jedoch als schwierig, da man von den Leuten nur wenig Brauchbares erfahren kann, hauptsächlich gipfeln die Verhöre in Schuldzuweisungen, Spekulationen und Gerüchten. Einige Indizien verhärten allerdings den Verdacht, dass man in dieser Nachbarschaft auf der richtigen Spur ist...

Folge 14, die ohne jeden Zweifel eine meiner Lieblingsfolgen ist, bekam durch den Titel "Das Ungeheuer" einen, meines Erachtens ungünstigen Titel, da er die Episode nicht gut charakterisiert und weitgehend in die Irre leitet, ja sogar falsche Erwartungen wecken könnte. Da hätte es sicher eingängigere Alternativen gegeben. So erwartet man als Zuschauer, dass man es mit einem Sadisten, einem Wahnsinnigen oder etwa einem Serientäter zu tun bekommt, was sich nach der Auflösung jedoch korrigieren wird. Dietrich Haugk hebt die Arbeit von Kommissar Keller und seinem Team sehr eingängig in den Vordergrund und erschafft eine gelungene Atmosphäre in einer Siedlung, die nach kurzer Zeit einem Vakuum gleicht. Die recht isolierte Handlung steht der Folge sehr gut und die beteiligten Personen werden nach und nach transparent. So rückt der eigentliche Mordfall oftmals in die zweite Reihe und es kommt zu einem Rundumschlag durch die Privatsphären. Spießbürgertum, Heimlichkeiten, Gleichgültigkeit aber auch Zusammenhalt, jedoch sieht man im Zweifelsfall keine Solidarität mehr unter den Nachbarn, da beinahe jeder "Das Ungeheuer" sein könnte. Einige nutzen die Gunst der Stunde und mobilisieren sich für das Austragen von Privatkriegen, manche stehen teilnahmslos neben dem Geschehen und eigentlich jeder hofft, dass es der andere war, beziehungsweise dass es den anderen erwischt, egal ob schuldig oder unschuldig. Kommissar Keller muss sich durch einen Dschungel von Gerüchten, Lügen, Spekulationen und offensichtlichen Unwahrheiten kämpfen, man glaubt zu sehen, dass es ihn Nerven kostet. Die versammelte Besetzung läuft dabei auf Hochtouren.

Dietrich Haugks damalige Ehefrau Signe Seidel ("Parapsycho - Spektrum der Angst"), die er mehrmals besetzte, sehe ich in ihren seltenen Auftritten immer sehr gerne und hier zeigt sie eine der überzeugendsten Studien in diesem Vakuum. Frau Vollmer ist in langweiliger Ehe verheiratet und es scheint, dass ihr diese Ausnahmesituation wie gerufen kommt. Schamlos belastet sie ihren Mann und schürt gerne immer wieder den Verdacht, dass er der Mörder sein könnte. Da sie einen jungen Liebhaber aus der Nachbarschaft hat, dessen Besuche bei ihr die Spatzen bereits von den Dächern pfeifen, hat ihr Mann ausgedient. Seidel spielt die kalte und emotionslose Frau, die eigentlich lieber heute als morgen Witwe wäre, beeindruckend. Nicht weniger überzeugend agiert Paul Edwin Roth als eben dieser Mann, der von der Affäre seiner Frau weiß, jedoch die Situation hinnimmt. Paul Edwin Roths Gabe, sich dem Zuschauer als Verdächtiger anzubieten, ist schon bemerkenswert. Die sympathische Hannelore Elsner bringt etwas Ruhe und Aufrichtigkeit in die Szenerie, als man jedoch ihren minderbemittelten Bruder Ernie über die Klinge springen lassen möchte, wird sie vehement. Es ist nichts Neues dass ich diese Taktik, nämlich das Servieren von Oligophrenen auf einem Silbertablett generell nicht mag, da man ihnen aufgrund der Vereinheitlichung nicht gerecht werden kann. Hier muss ich allerdings gestehen, dass wenigstens die Darstellung des jungen Mannes, einen zumindest passablen Realitätstransfer andeutet. Inge Langen sieht man als zurückgezogene Frau, die mit ihrem Sohn, der an einer nicht näher erläuterten neurologischen Erkrankung leidet und daher kaum gehen kann, zusammen lebt. Mit den übrigen Bewohnern haben sie kaum Kontakt, Langen transportiert die Verachtung gegenüber anderen und innere Zweifel hervorragend. Mit den übrigen Darstellern hat man in Folge 14 ein wunderbares Ensemble zusammen bekommen, unter denen es ebenfalls vor Verdächtigen wimmelt. Der Mordfall ist herkömmlich, doch das ganze Drumherum macht den Reiz aus. Hoffen, dass es den anderen erwischt, gegenseitiges Hochschaukeln, Verdächtige die sich als Ermittler aufspielen, Neid, Verachtung und Emotionen... Eine trostlose Gegend! Als der Mörder in einer wenig spektakulären Auflösung schließlich überführt wird (und sich der Zuschauer noch über das zweifelhafte Motiv Gedanken macht), sieht man als hoffnungsvolles Finale schließlich doch etwas Solidarität unter Leuten, die eben noch Feinde waren. Die nachdenkliche Atmosphäre und die dichten Charakterzeichnungen machen "Das Ungeheuer" für mich zu einem richtigen Volltreffer.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

15.10.2012 16:52
#289 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Das Ungeheuer ist für mich die beste Folge der frühen Episoden! Werde ich mir demnächst auch wieder mal ansehen. Doch zunächst zu...


Folge 88: Die Kusine
Regie: Helmtuth Ashley, mit Udo Vioff, Agnes Dünneisen, Rainer Basedow, Liane Hielscher, Thomas Astan u. v. a.

Herbert Reineckers Buch hat hier ja bekanntlich starke Parallelen zum Stahlnetz-Fall Spur 211. Auch wenn im Abspann eingeblendet wird, dass alles frei erfunden sei, so ist doch ziemlich offensichtlich, dass Herr Reinecker hier einen reellen Fall als Vorlage verwendet und in frei gestaltet hat. Das ist nichts Ungewöhnliches, erstens hat er selbst mal in einem Interview gesagt, dass er aufgrund der "trostlosen Zeit, in der wir leben" genügend Stoffe findet (man braucht nur die Zeitung aufzuschlagen!) und andererseits haben das auch andere Autoren getan. So mancher Fall von Kommissar Freytag erinnert auch an die Realität, etwa Der Lodenmantel an den Berliner S-Bahn-Mörder oder 1:0 für Frankfurt an einen Trick, der in den 60ern auch in einer Vorsicht Falle-Folge bei Eduard Zimmermann gezeigt wurde.
Doch zurück zu Die Kusine: eine spannende Story, sehr gut von Helmuth Ashley in Szene gesetzt, Agens Dünneisen ist eine hervorragende Besetzung für das vaterlose Liebchen, das einem älteren Mann willenlos und devot ergeben ist. Udo Vioff spielt diesen "vielseitigen" perfiden Ganoven auch erstklassig. Die weiteren Rollen sind treffsicher besetzt, Michael Mendl, später Ringelmann-Dauergast, ist hier schon in einer Minirolle als Schießbudenbesitzer zu sehen.
Erwin Klein engagiert sich besonders für den Fall und ist sympathischer positiver Part, dem der Kommissar unterstützend zur Seite steht. Herr Keller zeigt sich am Ende sogar sportlich und rammt eine Türe mit seinem Körpergewicht auf! Ein spannendes Finale!
Bleibt noch die wirklich vorzügliche musikalische Untermalung zu erwähnen, die auch dazu beiträgt, dass man diese Episode immer wieder gerne sieht.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

16.10.2012 15:45
#290 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Folge 55: Rudek
Regie: Charles Regnier, mit Ernst Schröder, Siegfried Lowitz, Klaus SChwarzkopf, Edda Seippel, Ilona Grübel, Sky Du Mont u. v. a.

Rudek gehört zu meinen Lieblingsepisoden. Das hat mehrere Gründe. Der erste und stärkste Grund ist die Besetzung der Titelrolle mit Ernst Schröder, einem der besten Schauspieler, die wir im deutschsprachigen Raum hatten. Er gibt unglaublich glaubwürdig den Geschäftsmann Rudek, der eine seltsame Doppelmoral hat. Einerseits will er sich nach einer Konferenz mit Mädchen vergnügen (sein Kollege Doberg dazu euphorisch: "Jung, jünger, am jüngsten!), die so alt wie seine Tochter sind, andererseits kann er genau die Tatsache nicht dulden, dass sein minderjähriges Kind sich in der Wohnung des feinen Herrn Derrick (sehr klischeehaft aber passend besetzt: Sky Du Mont) gegen Geld anderen, älteren Männern hingibt. Dass diese Situation in der Eskalation enden muss, ist vorprogrammiert. Herr Rudek zieht nicht seine Tochter zur Verantwortung, sondern den Mann, der sie dazu getrieben hat und der ihm - richtigerweise - auch seine falsche Doppelmoral vorwirft. Später gibt Rudek nur das zu, was zu beweisen ist und verstrickt sich immer mehr in Widersprüche. Reineckers Geschichte ist ein wirklich abwechslungsreicher Einfall, dass das Ganze dann noch zum perfekten Whodunit avanciert, ist genial. Dazu tragen aber neben Ernst Schröder, der seine Wandlungsfähigkeit bei Ringelmann ja öfter unter Beweis stellen durfte (ganz toll als Kommissar in dem Reinecker-Dreiteiler Wer erschoß Boro? von 1986) auch die übrigen Darsteller bei, Siegfried Lowitz natürlich, aber noch viel mehr Edda Seippel und Klaus Schwarzkopf als seltsames Ehepaar, bei dem der jüngere Partner sich auch schon mal in der Wohnung Derrick vergnügte und seine als alte Jungfer anmuternde verbitterte Ehefrau bei seinen Spielen zuhören lässt. Edda Seippel war ebenso eine wunderbare Darstellerin, die meist von den Schattenseiten geplagte Menschen in Ringelmann-Produktionen darstellte (unvergesslich ist allerdings ihr Part als Mutter von Evelyn Hamann in Loriots Ödipussi!).
Die Folge stammt schließlich aus einer Zeit, zur der Erik Ode eine große Theatertournee machte, weswegen er ab Folge 53 immer nur für wenige Drehtage zur Verfügung stand und die Dramaturgie immer wieder neue Tricks erfinden musste, um ihn entsprechend einzubauen. Entweder gab es nur einen Ort, an dem er drehte (wie in Folge 54 Blinde Spiele), oder nur kurze Szenen, wie hier, wo er nur drei Mal auftaucht und natürlich bei der Schlussszene dabei ist, als der Täter/ die Täterin überführt wird. Seine Assistenten managen den Fall aber sehr gut, allen voran Robert, während Harry eher der zuhörende oder zuschauende Part ist.
Bleibt die perfekte Inszenierung von Charles Regnier zu erwähnen, die vollkommen überzeugt und temporeich ist. Bedauernswert, dass dieser Mann nur so wenig als Fernsehregisseur gearbeitet hat, er hätte das Talent dazu gehabt.
Summa summarum: ein Volltreffer, ein spannungsgeladenes Spektaktel dank eines großartigen Teams, allen voran Ernst SChröder.

Chinesische Nelke Offline



Beiträge: 136

16.10.2012 17:00
#291 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Anmerkungen zu Rudek:
Ich gebe Georg vollkommen Recht, eine großartige Folge mit tollen Schauschielern.

Ab Anfang 1988 wiederholte 3- Sat die Kommissar Serie, da ich damals noch kein Kabel hatte, nach ein Freund mir die Episoden auf.

Bei Rudek war damals nur der Ton aber nicht das Bild dabei, ich kannte nur einige Bilder aus Fernsehzeitungen und hab mir Rudek "angehört", was tatsächlich funktioniert hat, denn der Kommissar ist ja nicht besonders aktionlastig aber dialogstark.

Als ich mir Rudek 4 Jahre später ansah war wenig Überraschendes dabei, es war so als wenn ich die Folge schon mal "gesehen" hätte...

Georg Offline




Beiträge: 3.263

17.10.2012 13:25
#292 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Interessant, diese Geschichte, Chinesische Nelke! Unglaublich, mit was man sich früher ohne DVDs begnügen musste, ging mir bei einigen Filmen ähnlich (von Tim Frazer- Der Fall Salinger fehlte mir über 10 Jahre der Schluss und ich habe ihn trotzdem immer wieder angesehen)...


Folge 57: Das Komplott
Regie: Wolfgang Staudte, mit Leopold Rudolf, Udo Vioff, Charles Regnier u. v. a.

Das Komplett beginnt mit einem unheimlich spannend inszenierten Auftakt: der Angestellte, der seinen Chef ermordet auffindet, die Polizei ruft und dann sich immer mehr durch seine Aussagen als Hauptverdächtiger präsentiert. Die Wandlungsfähigkeit von Udo Vioff, der hier glaubhaft den Part des in die Falle gelockten spielt, zeigt sich hier sehr gut. Dass er auch bitterböse Charaktere sehr gut drauf hatte, wird etwa in Die Kusine sichtbar. Wolfgang Staudte setzt die Folge gewohnt temporeich in Szene, auch wenn diesmal wieder hauptsächlich die Assistenten, diesmal überwiegend Harry, die Ermittlungen führen. Grund dafür war, dass Ode auf Theatertournee gewesen ist und nur für sehr wenige Drehtage zur Verfügung stand. Diese wurden allesamt im Büro herunter gekurbelt, von dem aus Keller alles delegiert und wo er natürlich auch den Täter zum Geständnis bringt. Spät abends sitzt er noch dort, wartet, bis die Jungs zurück kommen und trinkt auf dem Sofa Wein. Sogar Rehbeinchen bietet er einen Schluck an, diese "darf" aus seinem Glas trinken.
In der Hauptrolle agiert Leopold Rudolf (hat dieser Mann ein Toupet? Wenn ja, dann ist es das schlechteste, das man jemals gesehen hat!) glaubhaft. Die Auflösung, die erst kurz vor Ende den Titel der Folge erklärt, ist dann aber mehr als wundersam, das Verhalten des Opfers mehr als fraglich. Lieber verbluten und den Nebenbuhler in Teufels Küche bringen? Na ja. Jedenfalls spielt Charles Regnier diese Rolle recht glaubwürdig.
Insgesamt sicherlich eine ganz gute Folge, auch wenn man mit der Auflösung wirklich nicht zufrieden sein kann. Zudem stellt sich die Frage, wieso der Täter ein Geständnis aus dem Nichts ablegt.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

18.10.2012 19:29
#293 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Folge 89: Sturz aus großer Höhe
Regie: Michael Braun, mit Walter Giller, Hans-Dieter Zeidler, Johannes Schaaf u. v. a.

Sturz aus großer Höhe beginnt enorm spannend und sicherlich mit dem höchsten Actionanteil einer Kommissar-Folge. Aus ungewöhnlichen Perspektiven begleitet Regisseur Michael Braun den Einbrecher, der dann bei seinem Coup in die Tiefe gestoßen wird. Dazu ist eine gekonnte Musik-Untermalung von The Can zu hören, die auch im Laufe der weiteren Folge nicht enttäuscht. Kommissar Kellers Ermittlungen sind hartnäckig, er bohrt nach und will die Wahrheit wissen, die Verdächtigen sind mit Hans-Dieter Zeidler und Walter Giller sehr gut besetzt. Braun setzt als Regisseur auf Tempo, Reineckers Idee, das Ganze in einer christlichen Kommune anzusiedeln, ist mal was anderes, Johannes Schaaf als Herr Schäfer ist sicherlich eine gute und glaubwürdige Wahl. Erwin Klein wird als sehr am Fall interessiert dargestellt, was besonders gut aus seinem nachfeierabendlichen Interesse an Herrn Schäfers "Institut" resultiert. Einziges Manko: der Täter wird schon bei Minute 44 demaskiert, hier wäre das noch nicht nötig gewesen, aber gerade der Trick, wie Keller den Mörder dann überführt, macht das wieder ein wenig gut.
Insgesamt eine recht spannende und gelungene Folge, die immer wieder Spaß macht.

P.S.: Eine fast identische Eröffnung gibt es in Polizeiinspektion 1: Ein Autogramm bitte. Hier schrieb Michael Braun das Buch, führte Regie und spielte in einem Cameoauftritt auch einen Regisseur, der gerade eine Kommissar-Folge inszeniert, den Kommissar spielte darin natürlich Erik Ode, den Elmar Wepper - diesmal nicht als Klein, sondern als Heindl - während der Dreharbeiten betreuen musste. Christian Quadflieg spielte den Stuntman, der über die Hausmauer klettert. Eine überaus humorvolle Episode mit einem starken Ode, aber auch einem unterhaltsamen Frau-Gmeinwieser-Auftritt von Rosl Mayr! Braun hat dabei sicherlich Anleihen bei seiner eigenen hier besprochenen Kommissar-Folge genommen.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

19.10.2012 16:24
#294 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Folge 91: Der Tod des Apothekers
Regie: Michael Braun, mit Wolf Roth, Christine Schuberth, Josef Meinrad, Gerd Vespermann, Wolf Richards u. v. a.

Wie die meisten Folgen der letzten beiden Kommissar-Staffeln ist auch Der Tod des Apothekers eine absolute Wohlfühlfolge. Sehr spannend von Michael Braun inszeniert und mit drei österreichischen Darstellern in den Hauptrollen besetzt überzeugt diese Geschichte von Anfang an. Allein die Idee, dass ein Mann glaubt, seine Frau sei entführt worden und dann bei der Lösegeldübergabe ermordet wird, die Gattin aber gar nichts von der Entführung weiß, ist schon genial gewesen! Christine Schuberth spielt das "Mäuschen" des alten Apothekers (wunderbar: Josef Meinrad mit seiner einprägsamen Stimme) recht glaubwürdig, ebenso Wolf Roth als Neffe. Gerd Vespermann und Wolf Richards (letztgenannter ein bevorzugter Michael-Braun-Darsteller) in den weiteren Rollen sind ebenso angenehm besetzt. Die Schauplätze sind sehr gut gewählt. Die Auflösung überrascht und macht Spaß. Ein vollkommenes Vergnügen!

Georg Offline




Beiträge: 3.263

19.10.2012 20:11
#295 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Folge 85: Warum es ein Fehler war, Beckmann zu erschießen
Regie: Michael Braun, mit Will Quadflieg, Alwy Becker, Gerd Böckmann, Hans Brenner, Dirk Dautzenberg u. v. a.

Erneut inszeniert Genremeister Michael Braun eine flotte Episode mit einem Soundtrack, der an und für sich eigentlich gar nicht passen mag, sich aber dennoch wunderbar zu den - widersprüchlichen - Bildern fügt. Versammelt wird ein Ensemble, dass sich schauspielerisch sehr gut ergänzt. Hans Brenner als Herr Koch, dem Innsbrucker Sympathieganoven mit Hang zum Witz, ist dermaßen liebenswürdig, dass man ihm alles verzeihen könnte. Ein Gentlemanganove erster Klasse sozusagen. Auf der anderen Seite gibt Will Quadflieg (der schon lange in der Serie mal mitspielen wollte, aber auf Grund verschiedener Theaterengagements nie konnte) das krasse Gegenteil, Gerd Böckmann - später auch eine Lieblingsbesetzung von Helmut Ringelmann, die in der Titelrolle im RTL-Serienkrimi Der Mann ohne Schatten endete) - spielt unerwartet einen Exhäftling. Dirk Dautzenberg, ist ideal für die Besetzung als Geldfahrer mit seiner trockenen Art. Weiters agieren "Mr. Millionenspiel" Jörg Pleva und Friedrich Karl Grund, den Ringelmann ja vielseitig vor und hinter der Kamera eingesetzt hat. Die eingebauten sarkastischen und unterhaltsamen Meldungen dürften wohl auf Michael Braun zurück gehen (genial: Herr Koch sagt nachdem er Herrn Metzler betäubt hat: "Du, ich glaub, der fährt gern Autobus!" und legt den Bewusstlosen in einen ebensolchen; Robert begutachtet das Haus des Bankdirektors mit den Worten "Sozialer Wohnungsbau!" usw.).
Insgesamt wieder eine tolle Folge, spannend und irrsinnig gut besetzt.

Georg Offline




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19.10.2012 21:25
#296 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Und noch eine Folge von einem meiner Lieblingsregisseure:

Folge 81: Der Liebespaarmörder
Regie: Michael Braun, mit Christiane Krüger, Claus Biederstaedt, Ruth-Maria Kubitschek, Rolf Henninger, Jan Hendriks, Thomas Piper, Fritz Tillmann, Ruth Hausmeister u. v. a.

Der Liebespaarmörder, der in Wirklichkeit gar kein solcher ist, da nicht das Liebespaar, sondern nur der Mann ermordet wird, präsentiert sich mit eher unpassendem Titel, aber mit einer vorzüglichen Besetzung: allen voran brilliert Christiane Krüger als "Engel" Anita, der jedermann (oder auch: jeder Mann) an die Wäsche will und die die Eifersucht der Buhler geradezu provoziert. So gesehen konstruiert Herbert Reinecker einen großen Kreis an Verdächtigen, jeder aus dem Filmcafé, der sich dort nur wegen ihr aufgehalten hat, könnte Anitas Freund ermordet haben. Sogar Kommissar Keller ist von den Beinen der Schönheit angetan und muss Rehbeinchen nur die zweit schönsten Beine Münchens attestieren (wobei er ihren Kaffee als den Besten der Bayerischen Hauptstadt lobt!). Schließlich gibt es noch ein weiteres Motiv: Anitas Vater (toll: Rolf Henninger, unvergesslich in seinem Part in Der Alte: Der Klassenkammerad) vergöttert seine Tochter wie eine Heilige und könnte etwas gegen denjenigen haben, der sie "entweiht". Michael Braun baut rundum Spannung auf, die Szenerie im dunklen, verregneten Wald ist gut gewählt und auch das restliche Ensemble ist mit Ruth-Maria Kubitschek als vernachlässigter Ehefrau, Claus Biederstaedt als ihrem untreuen Mann und Jan Hendriks oder Fritz Tillmann als Café-Gästen gut zusammen gestellt. Ein drittes Mal taucht hier sogar Heines' Mutter (Ruth Hausmeister) auf. Der Kriminalist wohnt auch in Folge 81 noch immer bei seiner Mutter und wieder im gleichen Haus wie in Folge 53 Mykonos, während in Folge 70 Die Nacht mit Lansky ein anderes Gebäude zum Drehen verwendet wurde.
Herbert Reinecker setzt erneut auf eine reine Kriminalgeschichte. Dass vor allem die letzten beiden Staffeln (Folge 72-97, 26 Folgen) so gelungen sind, liegt vielleicht auch daran, dass Reinecker zur gleichen Zeit Derrick schrieb und dort in der Anfangsphase vermehrt seine Dialog lastigen Bücher ablieferte, während er beim Kommissar, nachdem er hier auch viele Sozialdramen erprobt hatte, nunmehr fast ausschließlich auf reinen Spannungskrimi setzte. Das war sicherlich kein Nachteil.
Reinhard Glemnitz erzählte übrigens später in einem Interview anlässlich der von Thomas Gottschalk moderierten Derrick-Gala zum Abschied des beliebten Oberinspektors, dass er mit Christiane Krüger nachts im Auto saß, und auf den Drehstart wartete. Erst nach längerer Zeit hatten die beiden bemerkt, dass das Team gar nicht mehr da, sondern zum Essen gefahren war und auf die beiden vergessen hatte - mitten im Wald...

Georg Offline




Beiträge: 3.263

20.10.2012 10:45
#297 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Folge 95: Eine Grenzüberschreitung
Regie: Michael Braun, mit Bernd Herzsprung, Herbert Herrmann, Andrea l'Aronge, Dieter Borsche, Elisabeth Wiedemann, Claus Biederstaedt, Erland Erlandsen, Sepp Wäsche, Tobias Ringelmann u. v. a.

Herbert Reinecker erzählt hier (nicht zum ersten und letzten Mal) die Geschichte einer jugendlichen Clique, die an das schnelle Geld kommen will. Kellers Ermittlungen kreisen auch von Anfang an die Verdächtigen auf die Jugendbande ein, die mit Herbert Herrmann - wie bei Reinecker üblich - einen Wortführer hat. Dass die Runde Dreck am Stecken hat, ist also von Anfang an klar, es stellt sich nur die Frage, wer von den liebenswerten erscheinenden Herrschaften Toni Kerk erschossen hat. Die Figurenkonstellationen innerhalb der Gruppe gehen von ganz starken bis hin zu ganz schwachen Charakteren, die in von sympathischen (starke Charaktere) bis hin zu unsympathisch erscheinenden Darstellern (schwache Charaktere) gespielt werden. So gesehen kann man sich von vornherein denken, wer aus der Gruppe der Mörder ist. Keller sucht sich dennoch das - unerwartet - schwächste Glied in der Kette, um diese zu brechen und damit der Wahrheit näher zu kommen. Um die Jugendlichen herum versammeln sich jeweils die Eltern, die entweder seltsamer Weise gar nicht oder ganz stark zu ihren Sprösslingen halten ("Wer Sport treibt, tut so etwas nicht"). Hier finden wir in kleinen Rollen Dieter Borsche, Claus Biederstaedt oder auch Elisabeth Wiedemann (die seltsamer Weise den Cast im Abspann anführt). Die Besetzung der Gruppe ist ebenso sehr gut ausgewählt und Michael Braun gelingt es doch ganz gut, Spannung aufzubauen. Sicherlich nicht sein bester Beitrag für die Serie, aber dennoch ein ganz gelungener.

Georg Offline




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20.10.2012 16:23
#298 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

... und jetzt noch eine, die erste Regiearbeit von Michael Braun für Der Kommissar, dann hätten wir alle sechs hintereinander besprochen:

Folge 78: Schwierigkeiten eines Außenseiters
Regie: Michael Braun, mit Raimund Harmstorf, Curt Bois, Joachim Ansorge, Wolf Richards, Dirk Dautzenberg, Rosl Mayr u. v. a.

Diese unter dem Arbeitstitel Der Rocker gedrehte Episode war der Einstand von Michael Braun als Regisseur bei Helmut Ringelmann. In den kommenden fünfzehn Jahren sollte dieser Pionier der TV-Serien viel beschäftigt bei dem Münchner Produzenten sein. Überwiegend im heiteren Fach, so drehte er für ihn den Dreizehnteiler Eichholz und Söhne, die komplette 2. Staffel von Unsere schönsten Jahre oder Polizeiinspektion 1 (vielfach auch als Autor), war aber auch für sechs Kommissare, drei Derricks und eine Der Alte-Folge zuständig. In seinem ersten Beitrag besetzte er gleich zwei Darsteller, die er immer wieder vor die Kamera holte: Wolf Richards als Mordopfer und Rosl Mayr in einer Paraderolle als neugierige Nachbarin. Auch Dirk Dautzenberg war ein Stammgast bei Michael Braun und ist hier in der Rolle eines primitiven Nachbarn zu sehen, der den unschuldig verdächtigten Theo Klinger gerne hängen sehen will und irgendwie an einen billigen Nazi-Schergen erinnert. In den Hauptrollen agieren zwei vorzügliche Darsteller: Raimund Harmstorf spielt den nach außen rauen, aber seinen Vater innig liebenden Außenseiter sympathisch und mit Bravour, Curt Bois als dessen trinksüchtiger, aber liebenswürdiger, einfacher Vater, der nicht mehr ganz in der Wirklichkeit lebt, ist in einer großen Rolle zu sehen, das Zusammenspiel der beiden funktioniert herrlich. Der erste Braun-Beitrag schwächelt schließlich nicht an der Inszenierung sondern an den gar so gespreizten typischen Reinecker-Dialogen. Interessant ist jedoch, wie der Kommissar am Ende den Täter überführt. Tragisch und sicherlich auch sehr realitätsnah ist die Vorverurteilung der Nachbarn, als der vermeintliche Täter abgeführt wird.
Die Folge spielt fast ausschließlich in dem billigen Hinterhaus, wodurch eine etwas beklemmende Atmosphäre aufkommt. Insgesamt sicherlich inszenatorisch gesehen ein guter Einstand, aber Brauns Topfolgen kommen noch.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

20.10.2012 22:02
#299 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Folge 76: Sein letzter Coup
Regie: Helmuth Ashley, mit Eva Pflug, Peter Vogel, Peter Lühr, Walter Buschhoff, Günther Stoll, Willy Schäfer, Michael Hinz, Hans Zander u. v. a.

Wieder eine ganz klassische Kriminalgeschichte, bei der der Tote gänzlich in den Hintergrund rückt und alles auf den Professor und seinen letzten Coup ausgerichtet ist. Das geht soweit, dass Helmuth Ashley sogar darauf vergisst, explizit dem Zuschauer zu erklären, wer von den Ganoven den Toten umgebracht hat (und warum hat man ihn ausgerechnet vor einem Polizeirevier abgelegt?). Das Zusammenspiel Lühr/ Ode als Professor und Kommissar funktioniert sehr gut, es ist beinah so, als ob sich jedes Mal zwei alte Freunde gegenüber sitzen, die sich gegenseitig doch recht sympathisch sind, auch wenn sie jeweils auf der anderen Seite des Gesetzes sind. Der Nachtclub (samt toller Gesangsnummer(n) von Donna Hightower!) und die Spedition sowie die etwas an den "Dritten Mann" erinnernden Szenen in der Münchner Kanalisation fügen sich gut in das Bild des spannenden Ganoven-Krimis, der von Helmuth Ashley temporeich inszeniert und mit einem guten Soundtrack von Roland Kovać untermalt wird. Die Gastrollen sind mit Eva Pflug als alternder Bardame, Peter Vogel als schlagendem Nachtclubbesitzer und Peter Lühr als Professor sehr gut besetzt. Sogar die Derrick-Assistenten Günther Stoll und Willy Schäfer spielen in einer gemeinsamen Folge mit. Kommissar Kellers Methode, die Leute einfach reden zu lassen (so wie das der Professor nennt), führt ihn samt seiner Beobachtungsgabe (das Eis für das Kind) ans Ziel, auch wenn Rehbeinchen einen entscheidenden Tipp gibt. Dass der eitle, kranke Professor es sich nicht nehmen lässt, sich bei seinem alten "Freund" zu verabschieden, kostet ihm schließlich die Freiheit. Gut gemacht, Herr Reinecker, nur der Mord wurde leider vergessen ... ansonsten eine ganz gelungene Folge (bei der sich übrigens der Tontechniker in der Telefonzelle spiegelt, als der Professor den Kommissar vom Busbahnhof aus anruft).



Folge 74: Mit den Augen eines Mörders
Regie: Theodor Grädler, mit Michael Heltau, Susanne Uhlen, Gert Baltus, Ruth-Maria Kubitschek, Wolfgang Weiser, Simone Rethel, Fritz Schmiedel u. v. a.

Wieder einmal taucht Herbert Reinecker in das Schüler-Lehrer-Milieu ein und schildert einen Fall rund um eine laszive Schülerin (süß dargestellt von Susanne Uhlen), die sich in ihren Musiklehrer verliebt, der seinerseits auch aufrichtige Gefühle für seine ihm Anvertraute hegt. Der Mord an der hübschen Pennälerin erschüttert die Eltern und eine plötzlich gelöste allzu schwere Französischaufgabe (damals bestand der Unterricht wohl wirklich noch aus reinen Übersetzungen, furchtbar und vollkommen unbrauchbar für den Spracherwerb) lenkt den Verdacht immer mehr auf den Musiklehrer, der sein "Verhältnis" zu seiner Schülerin erst zugibt, als er nicht mehr anders kann. Michael Heltau spielt diesen Part sehr sympathisch und glaubwürdig. Kommissar Keller ermittelt verständnisvoll, vor allem Erwin Klein führt die Gespräche mit den jungen Leuten, was angesichts seines Alters auch ideal ist. Regisseur Theodor Grädler setzt die Folge spannend in Szene, die finale nächtliche Szene, bei der die vier Ermittler den Mörder überführen und als Quartett drohgebärdend vor dessen Türe stehen erinnert irgendwie an einen knallharten Western, Erich Ferstls Musik passt sich gut den Bildern ein und Rolf Kästels unheimliche Schwarz/Weiß-Fotografie ist bei dieser Sequenz unübertroffen.
Insgesamt ein gelungener Beitrag mit guter Besetzung.

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

23.10.2012 11:38
#300 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



DER PAPIERBLUMENMÖRDER (Folge 15)

mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz, Rosemarie Fendel
Gäste: Christiane Schröder, Herbert Tiede, Gisela Fischer, Hilde Weissner, Thomas Fritsch, Eva Mattes, u.a.



Auf einem Autofriedhof wird ein junges Mädchen gefunden. Sie wurde erschossen. Die Tote mit dem Lächeln im Gesicht gibt Kommissar Keller Rätsel auf. Unmittelbar nach der Tat verfolgten Arbeiter den Mörder über das ganze Gelände, der jedoch entkommen konnte. Leider wurden so fast alle wichtigen Spuren verwischt, auch die jungen Leute, die sich dort herumtreiben, behindern die Ermittlungen erheblich. Zunächst führt die Spur in ein Erziehungsheim in dem die Ermordete untergebracht war und schließlich in die einschlägige die Hippie-Szene...

"Der Papierblumenmörder" ist eine Folge, die den Ersteindruck bei erneuter Sichtung bestätigen konnte. Eine mittelmäßige Studie, mit inkonsequentem Krimi-Einschlag. Bei den Arbeiten von Zbyněk Brynych kann man sich ja in der Regel auf einiges gefasst machen, doch hier fühlte ich mich sogar vergleichsweise über weite Strecken gut unterhalten. Der Titel klingt zwar sehr vielversprechend, bekommt letzen Endes jedoch einen ziemlich naiven Charakter. Folge 15 beginnt wirklich sehr beeindruckend. Das junge Mädchen bittet ihren Mörder sie zu erschießen, eine Tatsache, die äußerst rätselhaft und verwirrend wirkt, und im kompletten Verlauf im Hinterkopf bleiben wird. Brynych kommt es neben dem Ausschlachten eines bestimmten Milieus vor allem auf die Charakterzeichnungen der Hauptpersonen an, bei denen (zumindest in den meisten Fällen) keine klare Linie zu erkennen ist, so dass sie durch Unberechenbarkeit, und erneut durch unmotiviertes Handeln auffallen. Ob die Studien denn nun gelungen sind, liegt ausschließlich im Auge des Betrachters, weil die üblichen Stilmittel der Überzeichnung und der Hysterie schwierig zu dosieren sind und unbeabsichtigt an Glaubwürdigkeit einbüßen. In diesem Fall nehme ich allerdings stark an, dass es die volle Absicht der Regie gewesen sein muss. Junge Leute sollen stellvertretend die Lethargie einer kompletten Generation darstellen, die Psychologie als Ganzes wird in dieser Episode von Regie und Drehbuch regelrecht vorgeführt und schießt in verzerrter Weise mehrmals über das Ziel hinaus. Gespielt wird also mit Klischees aus der Mottenkiste, die weder gut miteinander verknüpft, noch verständlich aufgeschlüsselt wurden. Eigentlich wurde insgesamt nur wieder mit aller Gewalt ein Hype veranstaltet, hier glücklicherweise weniger aufdringlich im Gegensatz zu dem, was da schon war und noch kommen wird.

Mit der Besetzung sieht man ein Sammelsurium an Darstellern, die sich in perfekter Weise an die Anforderungen der Regie anpassen konnten, leider aber auch einige Darsteller, die regelrecht untergehen da ihr Potenzial ungenutzt blieb. Das Epizentrum nicht nachzuvollziehender Hysterie und überdrehter Verhaltensweisen stellt Christiane Schröder dar, unlängst Expertin für derartige Interpretationen. Ich muss vorausschicken, dass ich sie immer gerne sehe und das ist auch hier nicht anders. Mit Bonny, einer Freundin der Toten und ebenfalls im Mädchenheim untergebracht, sollte man sich für eine Achterbahnfahrt anschnallen. Christiane Schröder versucht alles was in ihrer Kraft steht, eine Person zu formen, die einzigartig oder eher originell wirken soll. Rebellisch, oppositionell, überaus launisch in ihren Emotionen, getrieben von Illusionen, aber auch träumerisch und nachdenklich. Warum ist sie so, ist der Grund schlicht Angst, gar Gewissenlosigkeit oder sogar Erfahrung? Das wird leider nicht im Geringsten herausgearbeitet, folglich auch nicht erklärt, und daher ist es verständlich, dass die Leistung von Christiane Schröder wohl in der Regel eher kritisch eingestuft wird. Gisela Fischer, hier angeblich Diplom-Psychologin, wirkt schauspielerisch gesehen zunächst einwandfrei. Allerdings fährt ihre Marion in Windeseile alle verfügbaren Geschütze auf, die das unliebsame Klischee hergibt. Ein komplettes berufliches Handwerk wird brüskiert und vorgeführt. Freundin sein? Komplizin werden? Die goldene Regel des sich Abgrenzens wird hier in fataler weise ignoriert. Misslungen und sogar ärgerlich, denn es hat offensichtlich keinerlei professionelle Beratung gegeben. Hilde Weissners bemerkenswertes Talent bleibt hier leider ungeachtet, genau wie es bei Thomas Fritsch der Fall ist, der aussieht, als sei er einer Steinzeithöhle entsprungen. Diese hervorragenden Schauspieler waren vielerorts besser zu sehen. Schließlich begeistert Herbert Tiede noch als Herr mit Appetit auf jüngere Damen. Seine besten Momente ergeben sich im Zusammenspiel, ja im Duell mit Christiane Schröder, die ihn mehr und mehr die Contenance verlieren lässt. Insgesamt ist "Der Papierblumenmörder" mysteriös, obwohl er von allen beteiligten Personen konstruiert wirkt, Solidarität und Zusammenhalt wirken wie eine gut einstudierte Choreografie, im Endeffekt macht sich Verwirrung breit. Die Auflösung ist wirklich zufriedenstellend und die Regie zeigt ein gutes Gespür für Atmosphäre. Das Finale hallt im wahrsten Sinne des Wortes nach, die Theatralik wirkt durchaus angemessen. Auch die Musikstücke wirken trotz Endlos-Wiederholung dieses Mal sehr überzeugend. Für eine Kommissar-Folge schreibe ich ihr zwar lediglich hinteres Mittelmaß zu, als Brynych-Inszenierung finde ich sie jedoch überdurchschnittlich.

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