Der Segelbootmord steht zufälligerweise auch ganz oben auf der Liste meiner Wiedersehensrunde beim Kommissar. Bevor ich mich zu dieser gelungenen Episode äußere jedoch ein paar Worte zu einer anderen Folge, die ebenfalls von Krimihase Wolfgang Becker inszeniert wurde...
Folge 51: Fluchtwege Regie: Wolfgang Becker, mit Monica Bleibtreu, Joachim Ansorge, Karl Lange, Eva-Ingeborg Scholz, Martin Semmelrogge u. v. a.
Wenn Wolfgang Becker Regie führt, dann kann man sich getrost auf gelungene Krimikost freuen. Dieser Mann, der soviele Morde inszeniert hat, blieb immer innovativ, verfiel niemals in Routine, setzte immer neue Akzente. Das zeigt sich auch an den Titelsequenzen und an den unterschiedlichen Stellen der Kommissar-Signation, die eingesetzt werden. In Fluchtwege zeigt Becker Szenen aus dem Leben einer jungen Frau, die aus verschiedenen Gründen in eine Erziehungsanstalt eingeweisen wurde und daraus ausbricht. Der Titel bezieht sich jedoch nicht nur darauf, sondern auch auf die Tat selbst, die für den bemitleidenswerten Täter, den auch Reinecker sehr gerne als Thema hat, eine Art Ausweg ist. Der Autor zeichnet hier wieder mal, wenn auch nicht so stark wie etwa in Schwester Ignatia, ein kontrastives Bild, das hier aus reicher Sohn & Vater vs. "asoziale" Tochter & Bruder & Vater besteht. Reinecker findet geradezu gefallen daran, diese Welten miteinander zu verknüpfen. Becker gelingt diesbezüglich auch die Inszenierung recht gut, die Besetzung mit Monica Bleibtreu und Joachim Ansorge ist nicht ungeschickt gewählt, Martin Semmelrogge gelingt auch ein Glanzstück und darf hier mal eine tragische Rolle spielen, während er in vielen späteren Auftritten fast ausschlißlich auf asoziale Rockertypen abonniert war. Diese 51. Episode ist sicherlich nichts für klassische Krimifans, hinter dem Whodunit versteckt sich wie so oft bei Reinecker ein Sozialdrama. Dank Wolfgang Becker und der teilweise recht gut ausgewählten Besetzung macht diese Geschichte aber dennoch "Spaß."
Folge 80: Der Segelbootmord Regie: Wolfgang Becker, mit Peter Pasetti, Ruth Leuwerik, Gerlinde Döberl, Michael Ande, Joachim Wichmann, Rainer Penkert, Franz Winter u. v. a.
Die Folge mit dem am spätesten einsetzenden Vorspann stammt natürlich von Wolfgang Becker, der hier besonders kunstvoll arbeitet. Die Auswahl der Musik, der Schauplätze und der Darsteller sind hochkarätig und passen zur elitären Atmosphäre einer Privatschule vorzüglich, diesbezüglich hat Percy Lister vollkommen recht. Reinecker erzählt ein übliches Familiendrama, eine Thematik, die er sehr gerne gewählt hat. Der Autor konzentriert fast die gesamte Filmerzählung auf die familiäre Situation zwischen Vater, dessen neuer Frau, dessen alter Frau und deren Sohn. VORSICHT LEICHTE SPOILER. Dass dann am Ende keiner aus diesem Kreis der eigentliche Täter war, mag den einen oder anderen Seher verärgern, dem geübten Reinecker-Seher ist das allerdings nichts Neues. Erneut wird ein Mord dazu benutzt, um in die Abgründe einer zerrütteten Familie einzudringen. Michael Ande, hier in seiner zweiten Ringelmann-Verpflichtung, war damals schon beinahe 30, spielte aber aufgrund seines jugendlichen Aussehens immer noch einen Gymnasiasten. Als solcher liefert er aber eine Paradevorstellung ab, die gefällt. Ein Jahr später trat er erstmals als Gerd Heymann vor die Kamera, eine Rolle, die er nunmehr 37 Jahre spielt. Das Team um den Kommissar agiert gewohnt sympathisch, unglaublich, wie der Kommissar mit seiner Ruhe, mit seinem Nichtssagen und Zuhören, den Fall löst. Als klassischer Kriminalfall etwas enttäuschend, erfreut diese Episode, wenn man sich mit den Reineckerschen Familiendramen anfreunden kann. An der ästhetischen Inszenierung (ich denke da auch an die Unterwasseraufnahmen) Wolfgang Beckers ist ohnehin nichts auszusetzen.
Folge 58: Schwarzes Dreieck Regie: Theodor Grädler, mit Käthe Gold, Angela Salloker, Edith Schulze-Westrum, Karl Walter Diess, Peter Fricke, Sigfrit Steiner, Tilo von Berlepsch, Ethel Reschke u. a.
ENTHÄLT SPOILER: Autor Herbert Reinecker konstruiert hier eine sehr spannend gestrickte Geschichte rund um drei „schwarze Witwen (in spe)“, die sich gegenseitig ihre Männer vom Hals schaffen, während zwei von ihnen in die Kirche gehen. Was wie eine schwarzhumorige Komödie aus Frankreich klingt, avanciert dank der großartigen Darstellung von Erik Ode und Käthe Gold zu einem tollen Psychoduell, bei dem der Kommissar mehr schweigt als redet, sich freundlich dem Tauben füttern der alten Damen widmet und durch deren seltsames Verhalten recht rasch herausfindet, wie der Hase läuft. Zu Gute kommen dieser Folge, die im winterlichen München spielt, sicherlich ihre tollen Darsteller: Käthe Gold als Gattenmörderin, die ihren Mann beseitigen lässt, da er – wie alle Ehemänner – in den gealterten Ehefrauen keinen Nutzen mehr sieht, spielt wunderbar. An ihrer Seite als herrische Witwe, die der eigentliche Kopf des „Schwarzen Dreiecks“ ist, glänzt Angela Salloker und mit Edith Schulze-Westrum als liebenswürdiger, ja unschuldig auftretender Dritten im Bunde wurde eine absolut passende Besetzung gefunden. Dies betrifft im Übrigen auch auf die geldgierigen Söhne, die mit Peter Fricke (dem Mann mit der wunderbaren Stimme) und Karl Walter Diess herrlich besetzt sind, zu. Diese Folge hatte ich wesentlich schlechter in Erinnerung, wenn man sich auf sie einlässt, macht sie jedoch richtig Spaß. Zu Gute kommt der Inszenierung auch die Musik von Peter Thomas, die zwar sehr spärlich, aber am Ende sehr passend eingesetzt wird.
Folge 59: Der Tod von Karin W. Regie: Theodor Grädler, mit Ida Krottendorf, Simone Rethel, Harald Leipnitz, Maria Schell u. v. a.
Herbert Reinecker zeigt in dieser Geschichte eine seltsame Mutter-Tochter-Beziehung auf, die zum sozialen Drama avanciert. Frau Winter (Ida Krottendorf, eine sehr gute Wahl für diese Rolle), eine Frau in dubiosen sozialen Verhältnissen, verkehrt mit vielen Männern. Als sie dem Mann, der über ihr wohnt, hörig wird, überredet sie sogar auf dessen Wunsch ihre Tochter Karin, mit ihm zu schlafen. Aus Liebe tut es die Tochter, die sogar im Todeskampf noch nach ihrer „Mama“ schreit, damit der Liebhaber ihre Mutter nicht verlässt. Als Karin ermordet wird und die Mutter weiß, wer es getan hat, beginnt sie ihrerseits diesen Mann, er heißt Pajak und wird von Harald Leipnitz sehr glaubwürdig verkörpert, zu erpressen. Das funktioniert nach dem Motto: „Entweder ich sage, wer der Mörder ist, oder du ziehst wieder bei mir ein“. ACHTUNG SPOILER. Die Schwester Herrn Pajanks sieht verzweifelt zu, wie ihr Bruder sich quasi herablässt und sich mit einer Frau aus minderen Verhältnissen einlässt. Um die Ordnung wieder herzustellen, erschießt sie Karin. Helmut Ringelmann hat Maria Schell für diese Rolle geholt. Da sie von Anfang an in einer Nebenrolle zu sehen ist, war auch von Beginn an klar, dass sie die Täterin sein musste, denn mit einem bedeutungslosen kürzeren Auftritt hätte sich Weltstar Maria Schell sicherlich nicht zufrieden gegeben. Was die Figuren betrift, so interessiert sich Reinecker jedoch wesentlich mehr für Frau Winter, deren Misere er vor dem Hintergrund des Todes ihrer Tochter darstellen will. Diese Tochter wird glaubhaft und beinahe entzückend von Simone Rethel dargestellt. Insgesamt finden sich hier wunderbare Darsteller in einem etwas langatmigen Drama um den Standesunterschied von Menschen „Zu ebener Erde und im 1. Stock“ (um es mit Nestroy zu sagen), dem Regisseur Theodor Grädler doch ein bißchen mehr Pepp geben hätte können. Den Kommissar setzt er jedoch wenigstens sehr menschlich in Szene.
Tolle Folge aus dem Jahr 1973, ich kann mich noch erinnern, dass ich morgens in der Tageszeitung den Vorbericht las und die Folge abends sehen durfte, den Osterferien sei Dank.
Bemerkenswert: Das Kommissar Team beabsichtigt die Beerdigung des Mädchens zu besuchen, ich glaube das gab es in keiner anderen Folge. Karin W., die wie Georg zu Recht schrieb, von Simone Rethel grandios dargestellt wurde, war vielleicht auch das tragischte Opfer der Serie.
Ja, richtig, das vergaß ich zu erwähnen: ungewöhnlich, aber Kommissar Keller verspürt in dieser Folge das dringende Bedürfnis, auf die Beerdigung des Mädchens zu gehen. Das macht ihn umso menschlicher, das Opfer ist vielleicht wirklich eines der tragischsten innerhalb der Reihe.
---
Folge 72: Drei Brüder Regie: Theodor Grädler, mit Horst Frank, Ralf Schermuly, Manfred Seipold, Evelyn Opela, Antje Weisgerber, Wolfgang Völz u. a.
In dieser Folge limitiert Herbert Reinecker die Verdächtigenzahl von Anfang an auf drei. Einer von drei Brüdern muss den Ladenbesitzer erschlagen haben. Aber wer? Horst Frank gibt den starken Kopf des verdächtigen Trios, der stets die Nerven behält und auch das Sagen unter den Brüdern hat. Eine tolle Rolle für den großartigen Darsteller, der leider allzuoft nur auf fiese Typen festgelegt war. Manfred Seipold ist ebenfalls in der Rolle eines Mannes zu sehen, den nichts zu erschüttern scheint, lediglich Ralf Schermuly spielt das schwache Glied in der Kette und macht sich so von Anfang an verdächtig. Eine Schwäche des Reinecker-Buches ist hier, dass Horst Frank durch sein starkes, selbstsicheres Auftreten niemals wirklich verdächtig gemacht wird, was die Verdächtigenzahl eigentlich auf zwei Personen einschränkt. Die Nebenrollen sind recht gut bestetzt, Wolfgang Völz wieder mal als Mann hinter der Theke und Evelyn Opela als Zeugin, die schweigt und so in Gefahr gerät. Antje Weisgerber als Ehefrau des Opfers wird vom Kommissar unterstützt, als sie die drei Brüder einzeln fragt, ob sie es waren. Diese Episode hatte ich schwächer in Erinnerung und sie kursiert nach dem Wiedersehen auch nicht im oberen Bereich. Schauspielerisch ist gegen sie aber nichts zu sagen, selbst die Musik Erich Ferstls ist stimmig, wenn sie auch etwas zu kurz kommt. Regisseur Grädler setzt das passabel in Szene, ich frage mich jedoch, ob ein Regisseur wie Wolfgang Becker nicht mehr aus der Story geholt hätte. Wohlgemerkt: die Schwäche liegt hier eher in den stellenweisen Flauten im Buch und nicht bei der Inszenierung.
Folge 31: Ende eines Tanzvergnügens Regie: Wolfgang Staudte, mit Karl-Michael Vogler, Dirk Dautzenberg, Alexandra Marischka, Ellen Umlauf, Alice Treff u. a.
"Du siehst blass aus! - Sieht sie nicht blass aus? Sie sieht doch blass aus! - Du siehst blass aus!", solche Sternstunden der Reineckerischen Dialoge darf Herr Kusche (Dirk Dautzenberg) in dieser doch recht spannenden Folge von sich geben, als er sich üm den Zustand seiner Tochter Ilo Sorgen macht. Bis auf diese Redundanz liefert der Vielschreiber jedoch mit Ende eines Tanzvergnügnens eine temporeiche Geschichte ab, die ich ehrlich gesagt nicht so toll in Erinnerung und deshalb länger beim Wiedersehen gemieden hatte. Wunderbar ist vor allem die Auflösung, wie der Zuseher dreimal an der Nase herumgeführt wird, ehe man dem Publikum den Täter präsentiert. Und das geschieht, nachdem man schon völlig davon überzeugt war, dass es ein anderer war. So macht Krimi Spaß. Sehr schön auch die Besetzung, Karl-Michael Vogler gab hier sein Bestes. Ein herrlicher Darsteller, der einfach in jeder Rolle gefällt, egal ob als Kara Ben Nemsi oder eben hier als Leiter eines Modegeschäftes, der der jungen Ilo Kusche ebenso verfällt wie die meisten anderen Männer. Großartig ist auch Dirk Dautzenberg, bei dem lediglich der Oberlippenbart etwas stört, der aber ansonsten hier eine überragende Darbietung abliefert. Dieser Nebendarsteller bürgte immer für Qualität, allzuschade, dass er zu selten für Hauptrollen geholt wurde. Regisseur Wolfgang Staudte liefert zudem ein interessantes Zeitkolorit, streut jede Menge damals aktuelle Musik ins Geschehen ein und lichtet die Bars und Discos (damals hieß das ja noch Beatschuppen) eindrucksvoll ab. Talentfrei spielt Alexandra Marischka, die kaum drei Sätze redet und mit ihrem attraktiven Äußeren ihr mangelndes schauspielerisches Können kompensiert. Eine temporeiche Folge in einer sehr guten Inszenierung und mit einem herrlich sympathischen Kommissars-Team!
Zitat von Georg im Beitrag #230 Talentfrei spielt Alexandra Marischka, die kaum drei Sätze redet und mit ihrem attraktiven Äußeren ihr mangelndes schauspielerisches Können kompensiert.
Als Befürworter und Wertschätzer solcher Rollen, die ich ungerne nur auf eine attraktive Hülle reduziere, bin ich möglicherweise auch einer der wenigen, der diese Darstellungen nicht unterschätzt. Da kann ich ja gar nicht anders, als einen kleinen Einspruch vom Stapel zu lassen. Natürlich brauche ich erst gar nicht lange darüber zu diskutieren, wie es mit den schauspielerischen Kompetenzen bei einer Darstellerin bestellt war, die in gut zehn Jahren ihrer Schauspielkarriere nur zehn Teilnahmen an zwar unterschiedlichsten, meistens aber an weniger hochwertigen Produktionen vorzuweisen hat, die obendrein fast Niemand kennt. Dennoch stört mich personlich das Wort talentfrei doch sehr. Diese Beschreibung stellt nämlich indirekt die Auswahl der Schauspielerin in Frage und ließe eine herkömmliche Besetzung wie die bessere Variante aussehen. Auch bleibe ich dabei, dass die Episode "Ende Eines Tanzvergnügens" ohne Alexandra Marischka nicht im Entferntesten funktioniert hätte, nicht nur weil Ilo Kusche das Epizentrum der geschilderten Tat darstellt, sondern weil sie eben von Marischka den Status perfect match bekommt. Ich gehe sogar weiter und selbstverständlich von mir aus, dass die Folge ohne ihr Mitwirken weitgehend unspektakulär, beziehungsweise uninteressant ausgefallen wäre. Eben weil Marischka die unempfindliche Hülle so frappierend darstellt, wirkt die Geschichte überaus glaubwürdig. Ich jedenfalls kann mir keine andere Schauspielerin alternativ in dieser Rolle vorstellen, die diese Voraussetzungen mitgebracht hätte. Ihr wird stets gerne vorgehalten, dass sie ihre Rollen ausschließlich auf non-verbaler Ebene interpretierte, was ohne jeden Zweifel den Tatsachen entspricht. Aber gerade darin sehe ich bei ihr diesen doch merkwürdigen Reiz, der stets in uneingeschränkter Faszination gipfelt. Ob aus mangelnden Fähigkeiten, oder aus direkten Anforderungen der Verantwortlichen geboren; es spielt letztlich keine wirkliche Rolle warum sich ihre Darbietungen so auffällig gleichen; im Vordergrund steht die Überzeugungskraft, vor allem ihrer Körpersprache. Diese Frau war doch eines der anziehendsten und aufregendsten, wenn auch sehr scheu wirkenden Phänomene der Siebziger Jahre und ich empfehle jedem gerne (wenn auch ganz vorsichtig), sich Alexandra Marischka doch mal in einem glücklicherweise bald auf DVD erscheinenden Film anzusehen
Auf dieses Veto habe ich fast gewartet, danke Prisma :-). Davon, dass diese Darstellerin optisch optimal für die Rolle der Ilo Kusche war, bin auch ich felsenfest überzeugt und ich schätze, dass Herr Ringelmann sie ausschließlich aus diesem Grunde dafür geholt hat. Die Art, wie sie agiert, wirkte auf mich - bei anderen mag das anders sein, was ich natürlich auch akzeptiere - allerdings relativ laienhaft. Ich hatte nicht das Gefühl, da eine Darstellerin vor mir zu haben, die gut aussieht UND gut schauspielert. Andersherum: ihre "vorzüglichen" schauspielerischen Qualitäten waren wohl nicht der ausschlaggebende Grund für ihre Wahl. Das habe ich mit meinem Statement gemeint. P. S. Welcher Film mit ihr erscheint demnächst?
Habe ich auch unbedingt als Vorlage aufgefasst;) Gut, laienhaft würden es bestimmt einige nennen, doch ich sehe insbesondere bei ihren beiden Kommissar-Rollen gar keine so geringe Anforderung wie es vielleicht erscheinen mag. Zwei Rollen spielte sie, bei denen Gelingen und Scheitern sehr nahe beieinander liegen, was die Reaktion der Zuschauer betrifft. Anders herum: das was Alexandra Marischka hier geboten hat, kann in dieser Form nur schwer auf den Punkt gebracht werden, daher sehe ich eine sehr hohe Präzision. Dass sie nicht gerade reden musste wie ein Wasserfall, ist ja die Grundvoraussetzung beider Kommissar-Charaktere gewesen. Einmal träumerische, unempfindliche Kälte und später bedrängende Härte und naive Berechnung, jeweils vor dem Hintergrund der Oberflächlichkeit. Ich sehe jedenfalls sehr präzise und überzeugende Interpretationen. In ihrer ersten größeren Rolle in "Ein dreifach Hoch dem Sanitätsgefreiten Neumann", hatte sie einen verhältnismäßig dialoglastigen Part und konnte durch eine sehr sympathische, erfrischende und unverbrauchte Art überzeugen. Was ihre Auswahl generell betrifft, da kann ich mir kein Urteil zu bilden. In dem gerade genannten Film führte ihr damaliger Ehemann, Franz Marischka, Regie und man braucht wohl nur 1 und 1 zusammenzuzählen. Selbst wenn ihre Verpflichtung nur ein Zufallsgriff gewesen sein sollte, so hatte man meines Erachtens das optimale Gesicht für Ilo Kusche gefunden.
Nächsten Monat erscheint "Parapsycho - Spektrum der Angst" von Peter Patzak. Dort sieht man sie als Barbara in Episode III (Telepathie/Hypnose) in der weiblichen Hauptrolle, einem Auftritt, der Deinen Eindruck von ihr im negativen Sinne sicherlich bestätigen würde, aber ebenso meinen im positiven. Sie hatte kaum drei Sätze zu sprechen, musste außerdem physisch anstrengendes unter Matthieu Carrière leisten, und die Kamera interessiert sich weitgehend nur für die Hülle Alexandra (hier) Drewes-Marischka, was der Thematik geschuldet ist. Eine dennoch packende Leistung in Sachen Körpersprache und Aura! Doch ich trage ja auch die Parapsycho-Brille! Schauspielerische Kompetenz und einfache Faszination hinterlassen manchmal den gleichen Eindruck, da man sich als Zuschauer auf höchstem Niveau gleichermaßen angesprochen fühlt.
Danke für die interessanten Bemerkungen, Prisma. Wenn sie die Ehefrau des wesentlich älteren Franz Marischka war, dann erklären sich ihre Rollen in seinen Filmen wohl von selbst ;-). Den Mord nach der Uhr habe ich voriges Jahr erst wieder gesehen, kann mich jetzt aber gar nicht so gut an ihren Auftritt darin erinnern (kann also nicht so überragend gewesen sein :-)). Muss ich mir demnächst nochmal ansehen.
---
Folge 68: Domanns Mörder Regie: Wolfgang Becker, mit Erich Schellow, Gisela Uhlen, Gustl Halenke, Peter Chatel, Horst Sachtleben, Irina Wanka u. a.
Die Handlung dieser Episode spielt zu 95% (Ausnahmen: eine kurze Büroszene im Polizeipräsidium und eine Telefonszene mit dem Bruder von Frau Faber) im Hause Faber, das wieder Mal durch die berühmte Gereutvilla dargestellt wird. In der Titelrolle agiert der wunderbare Erich Schellow, der hier abseits des etwas steifen Sherlock Holmes (den er ja gerne etwas verruchter angelegt hätte, bei Regisseur Paul May das aber nicht durfte), als Familienoberhaupt zu sehen ist, das sofort kapiert, dass einer aus seiner „Sippe“ den Studenten Domann ermordet hat. In einigen Szenen bekommt er die Chance, mit der Familie Alibis abzusprechen, ohne jemals zu fragen, wer es war. Reinecker lenkt damit den Verdacht auf ihn, aber auch auf alle anderen. Frau Faber ist ebenso verdächtig und bemüht, dass ihr Sohn und ihr Mann ein Alibi haben, wie die Tochter, die mit Domann ebenso verkehrte wie die Frau Mama. Irina Wanka, später noch sehr häufiger Gaststar bei Ringelmann in Derrick und Der Alte, ist in einer entscheidenden Rolle zu sehen und meistert diese ganz gut. Herbert Reinecker erzählt mal wieder eine Geschichte rund um eine Familie, bei der nicht alles so ist, wie es sein sollte und um einen Mord, der die ursprüngliche „Ordnung“ wieder herstellt. Das hatten wir so schon öfter und wurde auch später noch häufiger vom Autor verwendet. Regisseur Wolfgang Becker unterlegt die Episode mit passender Musikuntermalung und sorgt auch für Spannung, wenngleich dieser Beitrag weder vom Inhalt noch von der Inszenierung her zum Besten gehört, was Reinecker und Becker abgeliefert haben. Dank Kommissar Erik Ode aber immerhin sehenswert. Die Episode selbst dürfte auch eine der kürzesten sein, schon bei Minute 52 ertönt die Abspannmusik, die Titel werden künstlich in die Länge gezogen, um immerhin auf 55 Minuten Laufzeit zu kommen.
Zu "Mord nach der Uhr" hatten Percy Lister und ich Anfang des Jahres bereits einiges geschrieben, auch insbesondere über die kurze Rolle der Anita Reese, die von Alexandra Marischka dargestellt wurde. Bei Interesse, hier die geballte Ladung: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen (12)
Ja, danke, habe ich mir durchgelesen, sehr schön von Euch formuliert. Komme dann nochmals darauf zurück, wenn ich den Mord nach der Uhr nochmals gesehen habe!
---
Folge 19: In letzter Minute Regie: Wolfgang Becker, mit Heinz Reincke, Gisela Uhlen, Peter Eschberg, Eric Pohlmann, Horst Sachtleben u. a.
Mit dieser 19. Episode beginnt Reinecker die Geschichte mal andersherum: der Kommissar wird darüber in Kenntnis gesetzt, dass Herr Kossitz aus dem Gefängnis entlassen wird. Gefahr droht, denn der Mann könnte sich bei denjenigen rächen, die ihn in den Knast gebracht haben. Dieses Opening hat der Vielschreiber später noch häufiger verwendet (ein Höhepunkt der "Mann wird aus dem Knast entlassen"-Geschichten ist sicherlich der 170. Derrick (Titel: Eine Art Mord, mit Siegfried Lowitz). Die Spannung wird dadurch aufgebaut, dass alle vor dem bis zu einem Viertel der Laufzeit unsichtbaren (Ex-)Sträfling, Angst haben bzw. solche bekommen. Wolfgang Becker gelingt es sehr gut, auch den Zuseher in diese Angst zu versetzen. Doch dann kommt der unerwartete Bruch: nicht irgendein auf Bösewichte abonnierter Darsteller spielt den Herrn Kossitz, sondern Heinz Reincke, dem von seinem ersten Auftritt weg die Sympathie des Zuschauers gilt. Gemeinsam mit dem Kommissar fragt man sich: hat dieser Mann wirklich die Tat begangen? Im Laufe der Episode wird dann immer offensichtlicher, dass ein anderer dahinter steckt. Regisseur Becker inszeniert eine temporeiche Episode, die wieder mal in einer Nachtbar spielt, baut dort sogar die von ihm so geliebten Tanz- und Gesangsnummern ein und setzt auf Power. Den Barbesitzer spielt der wunderbare und viel zu selten eingesetzte Eric Pohlmann (unvergleichlich seine Stimme!), Horst Sachtleben ist ebenso eine gute Wahl gewesen wie die glaubhafte Gisela Uhlen. Den Widerpart von Heinz Reincke spielt Peter Eschberg, dessen Besetzung damals im Vorfeld der Ausstrahlung einen großen Presseeklat zur Folge hatte: das ZDF wagte es doch tatsächlich den neuen Durbridge-Star wenige Tage vor der Ausstrahlung von Wie ein Blitz in einer Kommissar-Folge zu zeigen! Eschberg agiert wunderbar unsympathisch und war die perfekte Wahl. Anzumerken bleibt noch, der relativ hohe Alkoholkonsum in dieser Folge. Insgesamt hinterlässt diese Episode einen sehr positiven Eindruck.
Folge 71: Spur von kleinen Füssen Regie: Theodor Grädler, mit Sabine Sinjen, Peter Ehrlich, Udo Vioff, Martin Lüttge, Alice Treff, Günther Neutze u. v. a.
Abgesehen davon, dass das die Abschieds- bzw. Einstiegsepisode der beiden Klein-(Wepper-)Brüder ist, vermittelt diese Episode doch nichts Besonders. Die Geschichte rund um das philanthropisch angehauchte Mädchen, das mit jedem aus Mitleid oder Lebensfreude mitgeht, offenbart zwar eine unglaublich hohe Anzahl an Verdächtigen, kommt aber kriminalistisch und spannungstechnisch gesehen niemals so richtig in Fahrt. Vielleicht, weil Autor Reinecker hier gar nicht an dem Kriminalfall als vielmehr an einer sozialen Studie interessiert ist, möglicherweise aber auch auf Grund der etwas tempoarmen Inszenierung Theodor Grädlers. Schauspielerisch ist hingegen nichts an den Besetzungen auszusetzen, Sabine Sinjen als lebensfrohes Mädchen, das überall Spuren hinterlässt, ist zweifellos eine sehr gute Wahl gewesen, auch die unterschiedlichen Männer, mit denen sie zusammen war, bieten ein breites Spektrum und offenbaren, dass dieser Person niemals an Äußerlichkeiten gelegen war: Peter Ehrlich, Martin Lüttge, Udo Vioff ergänzen sich gut, auch Günther Neutze in einer eher kleineren Rolle als unsympathischer Wirt gefällt. Insgesamt wieder eher ein Drama als ein Kriminalfall, daher nichts für Fans des klassischen Krimis.
Folge 12: Die Waggonspringer Regie: Theodor Grädler, mit Erik Schumann, Ralf Schermuly, Werner Pochath, Thomas Astan u. a.
Mit Die Waggonspringer wird die Serie rund um Kommissar Keller um eine interessante Variante erweitert. „Nicht wer war’s?“ ist die Frage, sondern „Wie kommt Keller den Gangstern auf die Spur?“. Reinecker liefert ein passables Drehbuch ab, das stark an Ganovengeschichten aus US-amerikanischen Krimiserien der 50er und 60er erinnert, der sonst so behäbig arbeitende Regisseur Theodor Grädler inszeniert temporeich, viele Szenen wirken dank der exzellenten Musik von Peter Thomas immens spannend. Die Besetzung war ebenso vorzüglich, Erik Schumann als nervöser Boss einer jugendlichen Ganovenbande glänzt hier ebenso wie die meisten anderen Darsteller (darunter Ralf Schermuly und Ringelmann-Dauergast Thomas Astan, der später die Schauspielerei an den Nagel hängte und katholischer Priester wurde). Besonders erwähnenswert ist Werner Pochath, der hier sehr gefühlvoll das schwächste Glied in der Kette spielt. Man sieht, dass die Macher in diese Episode sehr viel Kraft gesteckt haben, nicht umsonst sind während der Dreharbeiten (übrigens auch tolle Schauplätze: etwa die Müllhalde (steht in der Nähe von Frankfurt)) allerlei Unfälle passiert. Kommissar Keller agiert vorzüglich, Grabert setzt einen Fall aus und Harry und Helga tauchen als junges Pärchen in einem „Beatschuppen“ unter die verdächtige Meute. Insgesamt ein recht temporeicher Film, den ich gar nicht so spannungsgeladen in Erinnerung hatte.
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer, Helma Seitz, Rosemarie Fendel Gäste: Alwy Becker, Dorothea Wieck, Charlotte Witthauer, Friedrich Karl Grund, Susanne Barth, Ralph Persson, Rainer Penkert, u.a. Der erfolgreiche Geschäftsmann Dr. Steiner wird ermordet auf einer Straße aufgefunden. Kommissar Keller findet bei seinen Ermittlungen schnell heraus, dass er ebenso viele Feinde hatte, die sich selbst im Familienkreis ausfindig machen lassen. Zum Kreise der Verdächtigen gehören schnell seine, auf die Nachricht unempfindlich reagierenden Stiefkinder, seine verunsicherte Verlobte, die trotz Gefahr mit ihm ausging, und die sich merkwürdig verhaltende Haushälterin. Doch zunächst lassen sich keine stichhaltigen Motive finden. Letztlich stellt sich heraus, dass Dr. Steiner bereits eine Morddrohung erhalten hatte...
Die Serie startet mit einer Folge, die ich wesentlich schwächer in Erinnerung hatte. "Toter Herr im Regen" behandelt unter der eingängigen Regie von Wolfgang Becker einen vielleicht herkömmlichen, und eigentlich wenig außergewöhnlichen Kriminalfall, der jedoch schlüssig aufgerollt wird und sein Hauptaugenmerk auf die charakterlichen Zeichnungen, Irrungen und Wirrungen aller Beteiligten legt. Zunächst werden Kommissar Keller und sein Team dem Zuschauer näher gebracht und es stellt sich schnell heraus, dass man es mit einem Erfolgskonzept zu tun haben wird. Folge 1 hebt schließlich lückenlos die Kompetenz der Titelfigur hervor, und Erik Ode war ohne jeden Zweifel der richtige Mann für diese Rolle. Nie verliert er sein Ziel aus den Augen und er scheint jeder Situation, jeder Person gewachsen, wenn im Endeffekt nicht überlegen zu sein. Jedoch ist er im Umgang mit Menschen um das Prinzip der Augenhöhe bemüht, seine Interaktionsleistungen sind flexibel und einfühlsam, der Situation stets angepasst, er wirkt keineswegs wie ein Überermittler. Er weiß mit Damen umzugehen, genau so wie mit hoffnungslosen Zynikern, mit unerfahrenen, schwachen oder ziellosen Charakteren, auch schlägt seine Sachlichkeit gerne mal in Vehemenz um, sein trockener Humor hält ihn manchmal selbst über Wasser, ja, es macht Spaß ihm bei seiner Arbeit zu folgen.
Die Gäste zeigen sich in dieser ersten Folge bemerkenswert engagiert. Die schöne Alwy Becker, die ehrlich gesagt gar nicht so meine persönliche Favoritin ist, spielt als Verlobte des Ermordeten erstaunlich gut auf. Es scheint, dass sich diese Dame gleich in mehreren Zwickmühlen gleichzeitig befindet, ihr die Etikette es aber verbietet, sich aus eigener Kraft zu befreien. Sie wirkt nervös und gehemmt, sie trägt offensichtlich ein Geheimnis mit sich herum. Ihre Mutter stellt Dorothea Wieck dar, die sich ebenfalls als eine hervorragende Wahl herausstellt. Ich kann mir nicht helfen, aber ich glaube bei beiden Darstellerinnen sogar eine optische Ähnlichkeit in den Gesichtszügen und der Körpersprache zu sehen, so dass das Mutter/Tochter-Verhältnis noch überzeugender wirkt. Dorothea Wieck bittet beispielsweise zum Kaffee, teilt als Offizierswitwe genüsslich ihre Wertevorstellungen und ihre Ansichten zu den Männern von heute mit, es kommt zu einem sehr interessanten Gespräch, das die ohnehin hohe Qualität der Dialoge widerspiegelt. Die Stiefkinder des Ermordeten bekommen von Karl Friedrich Grund und Susanne Barth recht unsympathische und verzogene Gesichter, Charlotte Witthauer (die ich als Agathe Taft aus "Betragen Ungenügend!" in sehr guter Erinnerung hatte) ist schwer zu durchschauen, die Besetzung findet mit einem unverbrauchten Ralph Persson und einem soliden Rainer Penkert eine interessante Abrundung. Kommissar Keller sammelt heimlich seine Indizien und lässt den Zuschauer relativ wenig daran Teil haben, seine Mitarbeiter übrigens auch nicht, doch die Angelegenheit wird mit ein wenig Wachsamkeit und Fantasie relativ schnell klar, so dass das Finale auch schon plötzlich vor der Tür steht. Glücklicherweise werden hier noch einige Akzente gesetzt. Letztlich schmückt sich der Täter groteskerweise mit seiner Tat, die wie es scheint, unausweichlich gewesen sein soll, der abschließende Satz verschlägt allen Beteiligten die Sprache und lässt einen ein wenig nachdenklich zurück, denn Mord aus "Moral" verleitet doch zum Kopfschütteln. "Toter Herr im Regen" ist eine insgesamt unterhaltsame Folge, der die schöne Bildgestaltung und die vielen unterschiedlichen Ortswechsel sehr zu Gute kommen (die Anfangssequenz im Regen ist beispielsweise sehr gelungen), wenn ich sie insgesamt auch für eine schwache Pilotfolge halte.
Toter Herr im Regen habe ich auch eher schwächer in Erinnerung, bin aber gespannt, wie er mir diesmal gefällt. Werde ich mir demnächst sicherlich wieder ansehen. Auch folgende Episode hatte ich nicht so gut in Erinnerung. Diesmal gefiel sie mir ausgezeichnet:
Folge 7: Keiner hörte den Schuss Regie: Wolfgang Becker, mit Michael Hinz, Peter Fricke, Walter Rilla, Erika Pluhar, Ernst Fritz Fürbringer, Horst Sachtleben und Marianne Hoppe u. a.
Mit dieser Folge liefert Herbert Reinecker einen ganz klassischen Kriminalfall ab, der zunächst etwas mysteriös erscheint, dann aber dank der Ermittlungen des Kommissars, der hier hauptsächlich mit Robert zusammen ermittelt, etwas durchleuchtet wird. Interessant ist hier, wie Herbert Keller seinem Assistenten immer um einen Schritt voraus ist und wie er ihn, etwa in jener Szene, in der er ihn auf der ominösen Kreuzung abholt, seine eigenen Schlüsse ziehen lässt. Wunderbar ist auch das Ende, an dem Keller sagt: "Ich weiß, wer es war" und dann alle Verdächtigen im Büro versammelt (das kam in dieser Weise beim Kommissar gar nicht so oft vor). Dann meint er: "Der Mörder ist hier im Raum" und überführt ihn. Wunderbar ist hier wieder die Regie von Wolfgang Becker, die die Spannung subtil aufbaut. Der begabte Regisseur zeigt hier auch, wie modern er war und zwar einerseits durch die Musik, andererseits an der lockeren Art der Inszenierung (etwa die Models, die hier noch "Mannequins" hießen). Helmut Ringelmann hat außerdem eine Wahnsinnsbesetzung zusammengetrommelt: Marianne Hoppe als Mutter von Michael Hinz, Peter Fricke in einer seiner frühen Paraderollen, E. F. Fürbringer als Mann im Rollstuhl, Walter Rilla als Diamantenhändler. Horst Sachtleben, der von Becker bevorzugt in Nebenrollen besetzt wurde, ist glaubwürdig als kleiner Ganove. Eine Episode, die den Fans des klassischen Kriminalfilms sicherlich gut gefallen wird.
Es ist schon interessant, wie man sich manchmal in der Erinnerung täuschen kann. Beide folgend besprochene Episoden hatte ich weniger gut in Erinnerung. Im Falle von Geld von toten Kassierern wurde ich nun beim Wiedersehen sehr positiv überrascht und Schrei vor dem Fenster war diesmal nicht so fad, wie die letzten Male.
Folge 9: Geld von toten Kassierern Regie: Georg Tressler, mit Siegfried Lowitz, Eva Brumby, Monika Zinnenmann, Kurt Jaggberg, Hartmut Reck, Dietrich Thoms u. v. a.
Siegfried Lowitz spielt hier vorzüglich einen Ganoven, der dem Zuschauer zwangsläufig sympathisch sein muss. Herbert Reinecker ist in seiner Geschichte auch nicht so sehr an der Frage „Wer war der Täter?“ interessiert, sondern an „Was hat Louis Kranz damit zu tun?“. Glaubhaft konstruiert er das familiäre Umfeld, die etwas heruntergekommene Gattin, nett gespielt von Eva Brumby und Monika Zinnenberg als Tochter, die Kranz als Flittchen betrachtet, weil sie spät heim kommt und Miniröcke trägt. Als sie um fünf Uhr morgens zu Hause erscheint, rutscht dem etwas cholerischen Familienvater sogar die Hand aus. Klar ist jedoch von Anfang an, dass der Mann zerrissen ist zwischen der nunmehrigen Freiheit und den Schatten, die sein Handwerk wirft. Die Auflösung ist recht originell und überrascht sogar den an vielerlei gewöhnten Keller, der in dieser Folge recht streng mit Helga umgeht, als diese im Dienst etwas trinkt („Wenn Du noch ein Getränk trinkst, bist Du Deinen Job los!“). Wie heißt es schön: „Wer im Glashaus sitzt …“. Gerade Keller war bei seinen Einsätzen und Ermittlungen doch immer recht durstig und hat es mit der Regel „kein Alkohol im Dienst“ überhaupt nicht ernst genommen. In dieser Folge wird außerdem erneut betont, dass Keller und Robert schon lange zusammenarbeiten, auch Rehbeinchen kann sich an Kranz erinnern, während Walter (Harry fehlt in dieser Episode erstmals) erst später ins Kommissariat gekommen ist. Die Musik von Peter Thomas untermalt die Handlung sehr spannend und die Regie von Georg Tressler ist fast durchgängig stringent und zügig, ich würde beinahe behaupten, dass Geld von toten Kassieren der beste seiner Beiträge ist. Dem Österreicher Tressler ist zweifellos auch die Verpflichtung von Dr. Kurt Jaggberg, dem zu dieser Zeit schon einige Jahre agierenden grantelnden Kriminaler Wirz aus Wien, zu verdanken. Jaggberg spricht fast kein Wort und ist sicherlich die mysteriöseste Figur in dieser Folge. Auch die Verpflichtung von Peter Dornseif als Hotelportier dürfte auf Tresslers Konto gehen, spielte dieser sympathische Schauspieler doch die männliche Hauptrolle in der ebenfalls von Tressler inszenierten Serie „Gertraud Stranitzki“ mit Inge Meysel. In einer Minirolle als Kneipengast, im Abspann unerwähnt, ist übrigens auch Mogens von Gadow zu sehen. Fazit: Folge 9 überzeugt mich diesmal vollauf und bietet kurzzeitige Krimiunterhaltung. Als Kritikpunkt bleibt für mich allerdings, dass Lowitz ständig zu „berlinern“ versucht, diesen Dialekt aber nicht besonders gut drauf hat.
Folge 10: Schrei vor dem Fenster Regie: Dietrich Haugk, mit Maria Schell, Eva Ingeborg Scholz, Veit Relin, Hans Hermann Schaufuß, Doris Kiesow, Gunther Beth u. a.
Dietrich Haugk als Regisseur liefert mit Schrei vor dem Fenster seinen ersten Beitrag zur beliebten Kommissar-Reihe ab. Die unter dem Arbeitstitel Auf dem Spielplan: Mord gedrehte [vielleicht auch wegen der nur zwei Folgen später gedrehten Folge Auf dem Stundenplan: Mord umbenannt] und auf die schauspielerische Tätigkeit der Protagonistin anspielende Folge lebt ganz von der Darstellung der großen Maria Schell. Diese gibt hier eine Theaterakteurin, die verzweifelt den Kommissar davon überzeugen will, dass ihr Sohn kein Mörder ist. Unglaublich, welches Mimenspiel, welche Gestik, welche Dramatik die Schell hier an den Tag bringt. Gerade diese überzeugende Darstellung war für diese Rolle nötig, denn man sollte ja nicht wissen, ob die Protagonistin spielt, oder es ernst meint. Ihr gegenüber steht Gerd Steinberg (gespielt von Schells Gatten Veit Relin), der alles erdenkliche tut, um den Sohn Berthold zu belasten („Setzen Sie Tränengas ein!“) und somit die gesamte Folge über den Verdacht auf sich zieht. Wie bei der Serie gar nicht unüblich, spielt die Folge in einer einzigen Nacht. Die einzelnen Teile sind (fast) korrekt und vorbildlich von Regisseur Haugk inszeniert, auch die Musik von Peter Thomas ist passend, jedoch stimmt das Gesamtbild nicht. Einerseits ergeben sich zwischendurch immer Längen, andererseits ist das agieren des Flüchtigen nicht immer ganz logisch: warum wartet er bis Harry in der Tiefgarage ist, ehe er weiterflüchtet; warum kehrt er immer wieder in die Nähe der Polizisten zurück? Weniger wäre mehr gewesen, bei 35-40 Minuten Laufzeit hätte die Folge ein richtiger Knaller werden können. So bleibt sie eine mittelmäßige Angelegenheit mit zweifellos guten Darstellern (darunter auch Eva Ingeborg Scholz). In kleinen Nebenrollen agieren Stella Mooney und sogar Josef Moosholzer als Freier. Insgesamt also nicht der beste Haugk-Beitrag und sicherlich auch eine Folge, die an manchen Stellen zu sehr durchhängt. „Il Professore“ konnte das wesentlich besser!