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Dieses Thema hat 656 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

17.03.2012 12:53
#181 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Der Liebespaarmörder" (Folge 81/ Erstausstrahlung am 29. November 1974)
mit: Claus Biederstaedt, Ruth-Maria Kubitschek, Christiane Krüger, Jan Hendriks, Rolf Henniger, Fritz Tillmann, Johannes Schauer, Thomas Piper
Regie: Michael Braun

Jeden Abend wird die Bedienung des Film-Cafés Meringer von einem unbekannten Mann abgeholt, der im Wagen auf sie wartet. Die männlichen Gäste des Lokals rätseln, wer der Verehrer von Anita König sein könnte und beneiden den Mann insgeheim. Selbst der Wirt, Kurt Meringer, beobachtet seine attraktive Angestellte mit Argusaugen. Als Anita und ihr Freund eines Abends wieder in den Wald fahren, folgt ihnen ein Auto. Im Schein einer Taschenlampe will Karl den Verfolger zur Rede stellen und wird daraufhin von diesem erschossen.

Hinter dem reißerischen Titel, der auch eine Schlagzeile der BILD-Zeitung sein könnte, verbirgt sich eine solide Folge mit Staraufgebot. Im Mittelpunkt des Interesses steht die blonde Christiane Krüger. Die 29-jährige Hamburgerin setzt durch ihre Mitwirkung in freizügigen Filmen (Männer)phantasien frei, obwohl sie sich trotz kurzen Rocks und schwarzer Strümpfe recht züchtig gibt. Die Überlegungen der anwesenden Herren kreisen um die Möglichkeiten, die sich aus der täglichen Anwesenheit der jungen Frau an einem öffentlich zugänglichen Ort ergeben. Kommissar Keller ermittelt deshalb primär unter den Gästen des Restaurants, das vom Ehepaar Meringer betrieben wird. Dieses begutachtet sich gegenseitig mit Misstrauen; der Machtkampf wird auf der Basis des Mordverdachts ausgetragen und versucht, der Polizei Gründe für eine Täterschaft des anderen zu liefern. Besonders Agnes Meringer, die von ihrem Mann schon des öfteren hintergangen worden ist, macht ihrem Frust und Ärger Luft, wobei sie durchblicken lässt, dass die Kommunikation zwischen ihnen zum Teil auch nonverbal, in Form von Gewaltausbrüchen seitens ihres Mannes, abgelaufen ist. Der Kitt, der die Ehe zusammenhält, ist unübersehbar das gutgehende Lokal. Claus Biederstaedt und Ruth-Maria Kubitschek werfen sich in brodelnder Spiellaune die Bälle zu und lassen die Anwesenheit von Erik Ode bei einem Verhör vergessen. Die Feindseligkeit führt gar zu manchem Schmunzeln, etwa, wenn Keller den Wirt fragt, ob er die verlegte Waffe bei einem Einbruch immer erst suchen müsse. Den Gegenpol zu Anitas Arbeitsplatz bildet der väterliche Handwerksbetrieb, der in seiner Exponiertheit nicht weniger für Außenstehende einsehbar wirkt wie die Gaststätte. Rolf Henniger obliegt die schwere Aufgabe, seinen Worten Ernst und Tiefe zu verleihen, gibt sich dabei jedoch so dramatisch, dass seine Aussagen ins Lächerliche abrutschen. Gut gemeint, schlecht getroffen. Mag sein, dass man ihn durch übertriebene Fürsorge verdächtig erscheinen lassen wollte, die Intentionen seines Handelns werden im Kontext jedoch als überspitzt und altbacken empfunden. So wird einer der hartnäckigsten Verehrer von Anita, Herr Korte, von Jan Hendriks mit einer Ruhe gespielt, die durch nichts zu erschüttern ist. Hartnäckig, aber mit gemessenem Abstand, wartet er auf seine Chance. Die überschaubare Gemütlichkeit, die das Tages-Café ausstrahlt, bildet zusammen mit dem einlullenden Nummer-Eins-Hit "Rock your Baby" von George McCrae die perfekte "Kommissar"-Folge mit hohem Wiederholungsfaktor. Unter Einbeziehung des gesamten Büroteams wird jeder Spur nachgegangen, was für deduktive Spannung sorgt, die bis zur letzten Minute anhält.

Mark Paxton Offline




Beiträge: 347

17.03.2012 16:36
#182 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

"Der Liebespaarmörder" zählt für mich zu den besten Folgen der letzteren Kommissar-Jahre. Reinhard Glemnitz hat da mal in einem Interview erzählt, dass man bei der finalen Szene, in der er den Liebhaber mimte, auf ihn und seine Partnerin vergessen hatte. Das Team war zum Essen gegangen und hatte auf die beiden im Auto vergessen.
Michael Braun führte hier sehr gut Regie, ich mag alle seine Arbeiten beim "Kommissar". Überhaupt war dieser Mann ein sehr begabter Regisseur. Toll auch der Soundtrack, den Du ja ansprichst.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

18.03.2012 13:10
#183 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Spur von kleinen Füßen" (Folge 71/ Erstausstrahlung am 22. März 1974)
mit: Sabine Sinjen, Udo Vioff, Peter Ehrlich, Alice Treff, Martin Lüttge, Günther Neutze, Elfriede Kuzmany, Christian Reiner, Harry Engel, Angela Hillebrecht, Maria Paudler, Hans Hermann Schaufuß u.a.
Regie: Theodor Grädler

Zwei Männer werfen spätnachts die Leiche einer jungen Frau von einer Eisenbahnbrücke. Sie ist in einen Plastiksack verpackt und schlägt auf der Ladefläche eines Güterwaggons auf. Die Tote wird von ihren Großeltern identifiziert, die berichten, dass ihre Enkelin Eva Thamm vor einem Jahr nach München gezogen sei, um dort als Verkäuferin zu arbeiten. Allerdings wechselte sie alle paar Monate ihren Aufenthaltsort, da sie in ihrem Lebenseifer und ihrer Neugier nicht zu bremsen war. Warum wurde sie erschossen? Eifersucht? Oder gibt es noch ein anderes Motiv für den kaltblütigen Mord?

Sabine Sinjen (1942-1995) spielt ein Mädchen, das es so nur in einer experimentellen "Kommissar"-Folge geben kann: Leichtfüßig, fröhlich, liebevoll - aber nicht liebestoll, aufgeschlossen und übersprudelnd vor Energie. Zunächst scheint es, als sei sie wieder einmal als "junge Naive" besetzt worden, eine Festlegung, die zum Vertragsbruch mit Artur Brauner führte, doch bald erkennt man, dass sich hinter der Fassade eine mitfühlende Persönlichkeit verbirgt, deren Engagement für andere sich als lebensbedrohlich erweisen wird. Die mehrfach ausgezeichnete Schauspielerin (u.a. Bambi, Goldene Kamera, Verdienstorden des Landes Berlin) zeichnet ihre Eva Thamm als Frau, die sich noch nicht festgelegt hat; als Person, deren Konturen noch nicht durch Beruf, Freunde und Familie geformt wurden. Die Frische ihrer Ausstrahlung verhindert, dass man sie in die Kategorie "leichtes Mädchen" einreiht. Zwei markante Gegenspieler begegnen ihr mit Udo Vioff (geb. 1932) und Günther Neutze (1921-1991). Vioff, dessen eiskalte Aura sich für Kriminalproduktionen geradezu anbot, verkörperte in seiner Theater- und Filmlaufbahn jedoch auch historische Persönlichkeiten wie den französischen Kaiser Napoleon. In dieser "Kommissar"-Folge porträtiert er einen Sohn aus gutem Haus, dessen damenhafte Mutter die einzige Autorität zu sein scheint, die von ihm -dem Freiberufler- anerkannt wird. Günther Neutze überrascht uns indes nicht. Seine sauertöpfische Miene wird mehrfach in Großaufnahme gezeigt und die gläsernen Augen erinnern an eine Schlange, die träge, aber hartnäckig ein Kaninchen fixiert. Hinter dem Tresen einer rauchigen Kneipe ist er bestens aufgehoben und man freut sich über seine trockenen Bemerkungen.
Martin Lüttge und Peter Ehrlich fungieren als erste Anlaufstationen für Informationen und zeichnen sich durch Gutmütigkeit und Offenheit aus. Je weiter die Folge voranschreitet, desto klarer kommen jedoch die Schattenseiten der Überschwänglichkeit einer Eva Thamm zu Tage. Rauschgift, Selbstmord und Körperverletzung lauern hinter den trommelnden Rhythmen der Partyatmosphäre von "Dance with the Devil", dessen Titel geradezu symptomatisch für die erste Begegnung zwischen Eva und Arno Hess ist.
Nicht unerwähnt bleiben sollte der fliegende Wechsel, der sich im Büro der Mordkommission vollzieht: Harry Klein verlässt Kommissar Keller und seine Kollegen, um ab sofort mit Oberinspektor Derrick zusammenzuarbeiten. Erwin Klein, auch Weppers Bruder im wirklichen Leben, tritt in seine Fußstapfen. Die Verabschiedung ist herzlich und durch zweideutige Aussagen auch an das Publikum gerichtet, das sich in zahlreichen Leserbriefen mit der Serie auseinandergesetzt hat.

ACHTUNG: SPOILER!

Nachdem ich diese Folge nun schon unzählige Male gesehen habe, wundere ich mich immer noch über das Mordmotiv von Frau Hess (Alice Treff). Im ersten Verhör bescheinigt sie ihrem Sohn, einen schlechten Charakter zu haben. Er sei aufbrausend, leicht erregbar und habe die herkömmlichen Wertevorstellungen ad acta gelegt. Sie habe ihm die Gefängnisstrafe gegönnt. Für Eva Thamm hegte sie Sympathie und ahnte, dass so ein Mädchen nicht lange bei ihrem Sohn bleiben würde.
Weshalb gibt sie dann schlussendlich den Auftrag zum Mord? Weil Eva ihren Sohn anzeigen wollte? Eben hatte Frau Hess noch betont, dass es schade sei, dass man ihm nicht mehr Straftaten nachweisen konnte und nun will sie verhindern, dass er wieder ins Gefängnis kommt? Widersprüchlich! Äußerst widersprüchlich.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

21.03.2012 22:00
#184 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Bewertet: "Traum eines Wahnsinnigen" (Folge 43/ Erstausstrahlung am 28. Januar 1972)
mit: Curd Jürgens, Horst Frank, Christine Kaufmann, Günther Stoll, Wera Frydtberg, Victor Beaumont, Alfons Höckmann
Regie: Wolfgang Becker

Kabisch, eine ehemaliger Verwandlungskünstler, ist seit dem Mordversuch an seiner Adoptivtochter Eva in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik. Etwa ein Jahr nach seiner Einlieferung wird eines Abends in Abteilung 3 der Alarm ausgelöst. Der Pfleger Huberty wird ermordet im Zimmer von Kabisch gefunden, von diesem fehlt jede Spur. Kurze Zeit später findet man den Leiter der Anstalt ebenfalls tot auf. Kabisch hat zwei Menschen getötet, um aus der Klinik zu fliehen. Sein Arzt, Dr. Hochstätter, glaubt den Grund dafür zu kennen: Kabisch will noch einen dritten Mord verüben - an seiner Adoptivtochter, die in der Zwischenzeit geheiratet hat....

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Bedrohung durch Kabisch, der an den großen Falconetti ("Die weiße Spinne") erinnert; einen Varieté-Künstler, der sein Publikum im Alleingang unterhielt. War 1963 Dieter Eppler der Mann mit den tausend Masken, so ist sein Adlatus von damals, Horst Frank, nun in dessen Fußstapfen getreten.
Kabisch lebt bis zum Finale vor allem in den Schilderungen von Dr. Hochstätter, der als sein Anwalt und Fürsprecher auftritt. Sein wahres Gesicht enthüllt er erst in dem Moment, in dem ihm seine Tochter schutzlos ausgeliefert ist. Zuvor tritt er in sechs verschiedenen Masken auf oder erscheint als dunkler Schatten auf der Balustrade im Zirkus. Die zwei zentralen Schauplätze, das Artistenhotel in der Dachauer Straße und der Zirkus Krone, eignen sich vorzüglich für Momente der lauernden Überwachung und des angespannten Wartens.
Trotz der stark abweichenden Geburtsjahrgänge (Kaufmann *1945, Frank *1929, Stoll *1924) gelingt es den Darstellern, ihre Rollen glaubhaft zu interpretieren. Kurioserweise stört man sich nicht an der Tatsache, dass Stoll einundzwanzig Jahre älter ist als seine Frau und obendies fünf Jahre älter als ihr Adoptivvater.
Im Gegenteil: Seine Anwesenheit wirkt sich beruhigend auf die junge Frau aus und passt auch hervorragend in das Zirkus-Umfeld, in dem er sich als Kunstschütze betätigt. Curd Jürgens tritt ihm fast eifersüchtig entgegen und nennt ihn "trocken, nüchtern, ohne Intuition und Phantasie". Ohnehin wirkt die Dominanz, mit der Jürgens dem Kommissar "beratend" zur Seite steht, präpotent und eigennützig. Mit weit aufgerissenen Augen, teilweise gedanklich abwesend, verbreitet nicht nur Kabisch Angst und Schrecken, sondern auch Dr. Hochstätter. Wie in "Das Testament des Dr. Mabuse" glaubt der Psychiater, den Geisteskranken zu behandeln, wird aber stattdessen von seinem Patienten beeinflusst. Keller lässt Dr. Hochstätter zunächst gewähren, da er glaubt, durch den Arzt an den Mörder heranzukommen.
Die Atmosphäre ist elektrisch aufgeladen und vibriert förmlich, als vom Zirkusbrand in Marseille die Rede ist oder Eva Raßner ihren Adoptivvater am Schritt erkennt. Wolfgang Becker legt immer wieder ein neues Scheit nach und sorgt dafür, dass die Flamme nicht ausgeht. Mit einfachen Mitteln (Schrillen des Telefons, Herunterdrücken einer Türklinke) schafft er es, gruselige Schauer zu verbreiten und das, trotz stellenweiser (dramaturgisch bedingter) Zügelung des Tempos.

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

23.03.2012 13:44
#185 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

"Traum eines Wahnsinnigen" ist eine ungemein spannende und faszinierende Folge mit Anklängen an klassische Horrorfilme.

Horst Frank als Kabisch und Curd Jürgens als in den Wahnsinn abdriftender Psychiater agieren so brillant, dass es nachhaltig im Gedächtnis bleibt.

Da man sich - die mit der Anfangssequenz identische Schlußeinstellung verdeutlicht es - nicht sicher sein kann, dass das soeben Geschehene sich nicht demnächst wieder ereignen kann, entläßt den Zuschauer aus dieser Folge mit einem Gefühl der Verunsicherung.

Peter Ross Offline



Beiträge: 2.000

29.03.2012 21:16
#186 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Kann mir jemand erklären, wer in der Folge "Auf dem Stundenplan Mord" der Mörder ist? Ich habe die Folge mehrfach zurück gespult, aber verstehe das Ende nicht.

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

29.03.2012 21:21
#187 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Sehr gern, Peter!

Dr. Dommel (Thomas Holtzmann) hat seine Schülerin, mit der er ein Verhältnis hatte, umgebracht und erhängt sich später selbst im Heizungskeller der Schule. Palacha (Vadim Glowna) und seine Mitschüler wollten verhindern, dass er sich herauswinden kann und haben die Leiche deshalb in seinem Büro deponiert.
Als Motiv gilt wohl, dass sie ihn verlassen wollte.

“Das ganze ist eine Sache der Vorstellungskraft. Phantasie ..."
(Heinz Drache in "Der Hexer")

Peter Ross Offline



Beiträge: 2.000

29.03.2012 21:29
#188 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Danke dir!
Finde das Ende auf jeden Fall imposant, wie der Schüler noch in die Kamera brüllt und dann der Abspann ruckartig startet.
Im TV-Archiv bei Telekom Entertain stehen die Folgen digital und sogar kostenfrei zum Abruf! Sehr praktisch!

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

29.03.2012 21:32
#189 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Gern geschehen! Ich habe alle vier DVD-Boxen und finde die Serie immer wieder wunderbar - ganz besonders die erste Staffel.

“Das ganze ist eine Sache der Vorstellungskraft. Phantasie ..."
(Heinz Drache in "Der Hexer")

Pink F. Offline



Beiträge: 10

29.03.2012 22:21
#190 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Durchaus kann ich mich an die Erstaustrahlung dieser Folge erinnern.Sie sorgte damals für viel Aufsehen in den Medien.Seiner Zeit eben noch ein Tabu wenn der Lehrer eine Schülerin bumst.Heute sicher kein Stein des anstosses mehr,solange es sich nur auf dem Bildschirm abspielt mit verlaub.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

03.06.2012 20:46
#191 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

BEWERTET: "Am Rande der Ereignisse" (Folge 84/ Erstsendung am 31. Januar 1975)
mit: Maria Schell, Gaby Fischer, Erik Schumann, Eva Ingeborg Scholz, Paul Edwin Roth, Romuald Pekny, Werner Pochath, Eva Meier, Heini Göbel u.a. - Regie: Theodor Grädler

Dr. Andreas Zorn, Kunstsachverständiger und Kleinverleger aus Frankfurt am Main, bestellt sich die Hotelsekretärin Erna Gutmann aufs Zimmer, um ihr in einer dringenden Angelegenheit einen Brief zu diktieren. Ein Anrufer unterbricht das Diktat und Dr. Zorn bittet die Stenotypistin, ihn für ein paar Minuten allein zu lassen, da der Anrufer auf sein Zimmer kommen wolle. Kurze Zeit später erfährt Frau Gutmann, dass man den Hotelgast durch die Zimmertür erschossen hat. Ein anonymer Anrufer fordert sie auf, den Brief zu vernichten und über alles zu schweigen. Doch Kommissar Keller stellt sehr schnell fest, dass Frau Gutmann von den Tätern eingeschüchtert worden ist.....

Der Auftakt der Folge zeichnet sich in klaren Linien ab und ist eine typische Momentaufnahme im lebhaften Treiben eines großen Hotels, in dem Menschen kommen und gehen; essen, trinken und schlafen und gelegentlich auch Geschäfte machen. Die latente Bedrohung, die Dr. Zorn bevorsteht, kündigt sich sehr dezent an. Fast möchte man zunächst annehmen, er bedränge die Hotelsekretärin, als er sie zurückhält und ihr Vertrauliches mitteilt. Die Schüsse durch die verschlossene Tür sprechen für die Kaltblütigkeit der Verbrecher, deren Pläne Dr. Zorn durchkreuzen wollte. Frau Gutmann wird ahnungslos in eine Sache hineingezogen, die ihr zuerst Angst macht, die sie aber rasch zu ihrem eigenen finanziellen Vorteil nutzen möchte. Das Schweigegeld von 10.000 DM genügt ihr nicht - forsch fordert sie das Zehnfache. Sie handelt dabei im Interesse ihrer Tochter, deren MS-Erkrankung die geschiedene Frau viele Opfer gekostet hat. Sie will die Chance nutzen, ihre Tochter vor dem unvermeidlichen Schicksal zu bewahren, indem sie ihr ermöglicht, die besten Ärzte der Schweiz zu konsultieren. Während Kommissar Keller die Überwachung der Zeugin anordnet, zeigt Erwin Klein Anteilnahme und Mitleid für Mutter und Tochter. Nicht zum ersten Mal innerhalb der Reihe werden sein sanftes Wesen und die Empathie, zu der er mehr als seine dienstälteren Kollegen fähig ist, in den Vordergrund gestellt (siehe auch: "Die Kusine", "Sturz aus großer Höhe").
Währenddessen gibt Robert Heines ein Gustostückchen in Sachen Humor, als er sich in der Pension von Gottfriede Schulz einmietet. Die nächtliche Durchsuchung der Zimmer mittels Taschenlampe erinnert optisch und akustisch an die guten, alten s/w-Filme mit Margaret Rutherford. Maria Schell wirkt in ihrem weiten Umhang, der altmodischen Handtasche und ihrer schrulligen Aufmachung mit Mütze und Schal ohnehin wie Miss Marple - ohne es zu wollen. Sie beweist nur wieder einmal ihre Unabhängigkeit, den Wunsch nach Unangepasstheit und Meinungsfreiheit. Sie kämpft wie eine Löwin für ihre Tochter und nimmt dabei weder auf die Befindlichkeiten des mitfühlenden Erwin Klein, noch auf die Aufklärung des Mordfalles Rücksicht. "Was kümmert mich Dr. Zorn? Meinen Sie, irgendjemand interessiert sich für mich oder meine Tochter?" Erik Schumann, Romuald Pekny und Werner Pochath bilden das Kunstfälscher-Trio der Galerie Kampmann und verleihen der Geschichte aufgrund ihrer überzeugenden Präsenz Glaubwürdigkeit. Mit Eva Ingeborg Scholz wurde zudem eine Darstellerin verpflichtet, der es mühelos gelingt, von charmant-unverbindlich zu bedrohlich-rabiat überzuwechseln.

Fazit: Theodor Grädler inszenierte den Fall sehr behutsam und räumte sowohl der privaten Seite von Erna Gutmann, als auch den Hintergründen des Mordes genügend Platz ein, ohne die Balance zu verlieren.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

24.06.2012 20:35
#192 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

BEWERTET: "Der Held des Tages" (Folge 96/ Erstsendung am 2. Januar 1976)
mit: Georg Wondrak, Sonja Sutter, Claus Biederstaedt, Johannes Schaaf, Gottfried John, Burkhardt Driest, Hans Helmut Dickow, Herbert Steinmetz u.a. - Regie: Dietrich Haugk

Der Bankfilialleiter Herr Weise und seine Frau werden nachts von zwei maskierten Tätern überfallen und gezwungen, sie in das Geldinstitut zu begleiten, um dort den Tresor aufzuschließen. Hans Weise, der zehnjährige Sohn des Ehepaares, stellt sich schlafend und ruft heimlich die Polizei an. Während in der Bank die Übergabe des Geldes im Gange ist, treffen zwei Beamte am Tatort ein. Ein dritter Mann, der in der Nähe Schmiere steht, warnt die Räuber durch nachgeahmtes Hundegebell. Beim Verlassen der Bank kommt es zwischen Gangstern und Polizei zu einem Schusswechsel, bei dem ein Polizist getötet wird. Hans Weise hat einen der Männer erkannt, schweigt sich vor Kommissar Keller jedoch darüber aus....

Die vorletzte Folge der "Kommissar"-Reihe versucht sich in Kontrasten und zeigt einerseits die reale Abwicklung eines Raubes, bei dem die Täter auch vor Mord nicht zurückschrecken, intoniert andererseits aber vor allem die Gefühlswelt eines Kindes und eines kindlich gebliebenen Mannes. Das ungleiche Gespann Wondrak - Schaaf sucht sich eine romantische Nische im langweiligen und ein wenig leeren Alltag, wobei ihre Freundschaft vom Drang nach Freiheit, Unbeschwertheit und Naturliebe beherrscht wird. Das Ehepaar Weise wird pflichtbewusst, arbeitsam und bodenständig gezeichnet und hat für die Phantasie des Jungen, der sich nach Abenteuern sehnt, wenig Verständnis. Ihre Abwesenheit soll jedoch nicht nur negativ gesehen werden; durch die Berufstätigkeit beider Eltern wurde der Knabe früh selbständig; lernte, eigene Entschlüsse zu fassen und sich auch in Ausnahmesituationen zurechtzufinden. Freilich begibt er sich durch sein Vertrauen zu Robert Stimmel in Gefahr; weniger, weil dieser selbst gewalttätig ist, sondern, weil seine beiden Brüder den Augenzeugen beseitigen möchten. Burkhardt Driest, der nicht nur auf der Leinwand brutal-animalisch daherkommt, übernimmt den Part des Anführers; Gottfried John vermittelt dieses Zögern, das den Rest eines Gewissens unter rauher Schale offenbart.
Erik Ode, der das Ende seines Vertrags in Aussicht hat, scheint sich von der Bürde seiner Rolle befreit zu sehen und spielt locker auf. Claus Biederstaedt, der kaum noch etwas mit dem charmanten Dr. Hagedorn aus "Drei Männer im Schnee" gemein hat, spielt wieder einmal einen leicht reizbaren Mann, während Sonja Sutter sich schützend vor den pfiffigen Jungen stellt. Die Aufnahmen von der Pferdekoppel hinter der Mühle, die im Schatten der strahlenden Sonne liegt, erinnern an "Chopin - Bilder einer Trennung". Der Film von Klaus Kirschner (Kamera: Paco Joan) fängt eine ähnliche, intensiv-poetische Stimmung ein, deren Musikuntermalung keine Dialoge erforderlich macht. Bevor sich jedoch Sentimentalität breitmachen kann, kehren Keller und sein Team zu den Befragungen der Verdächtigen zurück und können in einem spannenden Finale einen weiteren Mord verhindern.

Mr Keeney Offline




Beiträge: 1.375

01.08.2012 08:44
#193 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Wer einmal die beiden von Brynych inszenierten (genialen) Kommissar-Folgen auf der großen Leinwand erleben will, kann dies dank der Auswahl des grandiosen Regisseurs Dominik Graf im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main Ende August an zwei Terminen anläßlich eines Double-Features tun. Herr Graf hat übrigens zum Teil noch weitere recht interessante Perlen ausgewählt!

Hier der entsprechende Programmhinweis (auf der Seite ganz unten):

http://deutsches-filminstitut.de/blog/ca...dominik-graf/#9

Das werd ich mir nicht entgehen lassen, denke ich

Parkplatzhyänen im Kino, besser gehts wirklich nicht mehr!

"Ghostriders in the sky", hell yeah!

Georg Offline




Beiträge: 3.276

01.08.2012 18:56
#194 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Folge 92: Fährt der Zug nach Italien?
Regie: Theodor Grädler - Mit Karin Baal, Peter Kuiper, Lina Carstens u. v. a.

Herbert Reinecker präsentiert mit dieser Episode ein typisches Familiendrama, das nur das Gerüst des Krimis nutzt, um eine unglaublich tragische Geschichte zu erzählen: der alkoholkranke Vater (toll: Peter Kuiper) misshandelt seine Kinder und liegt eines Tages erschlagen in der Wohnung. Die Ehefrau (wunderbar gespielt von Karin Baal) geht auf den Strich und trauert dem Ermordeten keine Träne nach. Ebenso verhält es sich mit Verwandten und Nachbarn, die geradezu froh über die Tat und beinahe Stolz auf den Täter sind.
Als klassische Kriminalgeschichte völlig unbrauchbar ist dieses Drama dennoch ganz interessant, Reinecker zeichnet ein Bild einer Familie, das es so oder in ähnlicher Form wohl leider mehrfach gibt/ gab und lässt den Zuschauer durch verschiedene Personen aber auch durch das Handeln des Vaters Abscheu für das Opfer und Sympathie für den Täter empfinden. Die Reinecker-Strategie "Wir müssen diese miese Welt wieder in Ordnung bringen" dringt hier ganz klar durch, wobei man nie vergessen darf - und das bei allem Verständnis und aller Sympathie für den Mörder/ die Mörderin - nichts rechtfertigt einen Mord! Bevor Erik Ode als Kommissar aber irgendeinen Kommentar dazu abgeben kann, erscheint das berühmte Standbild und der Abspann...
Unter den zahlreichen, den letzten beiden Staffeln zugehörigen wirklich exzellent erzählten Folgen kriminalistischen Inhalts, sticht "Fährt der Zug nach Italien?" als Sonderling hervor, weshalb ich diese Folge bei den Wiederholungen meist auch ausgelassen hatte. Bei neuerlichem Sehen nach vielen Jahren war sie viel besser, als in meiner Erinnerung gespeichert. Wer einen Krimi erwartet, wird dennoch enttäuscht.

Georg Offline




Beiträge: 3.276

02.08.2012 11:55
#195 RE: "Der Kommissar" ( 1969 - 1976 ) Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Folge 47: Tod eines Schulmädchens
Regie: Theodor Grädler - Mit Heinz Bennent, Ella Büchi, Wolfgang Preiss, Helga Anders, Simone Rethel u. v. a.

Reinecker konstruiert hier wieder mal eine Geschichte im Schülermilieu, die er so oder so ähnlich sicherlich auch später nochmals gebracht hat, zumindest in einigen Anklängen. Heinz Bennent spielt einen Lehrer, der alles hinschmeißen will, weil eine Schülerin, gespielt von Helga Anders, ihn provoziert. Die Provokation, die von ihr ausgeht, ist aber so lächerlich, dass der labil scheinende Lehrer sicherlich den Beruf verfehlt hat, wenn er diese nicht aushält. Helga Anders spielt die Schülerin Kirsten nämlich höflich und nie wirklich provozierend. Solche Schüler, die auch Sachen in Frage stellen, ohne dabei jemals die Hemmschwelle zu überschreiten oder den Respekt zu verlieren, würde man sich heute wünschen. Von daher erscheinen die Reaktionen Dr. Gebhardts völlig lächerlich. Ein derartiger Lehrer würde wohl heute am ersten Tage in der Schule angesichts der Dinge, die man sich heute als Lehrperson gefallen lassen muss, Selbstmord begehen. Von daher ist die ganze Geschichte also völlig unglaubwürdig. Wenn es damals wirklich solche Personen im Lehrberuf gegeben haben sollte, dann tun mir die Schüler im Nachhinein leid. Die lächerlichen "Provokationen" hätte er schon aushalten müssen. Von daher ist auch die Überreaktion des Mörders/ der Mörderin völlig überzogen.
Die schauspielerischen Leistungen hingegen können sich durchaus sehen lassen, auch wenn Ringelmann hier schon damit beginnt, womit er später - vor allem in den 90ern und 2000ern völlig übertrieben hat - nämlich mit der Besetzung von Schülerrollen mit Darstellern, die weit über das Alter hinaus sind (ganz arg war's dann wie gesagt in den letzten Produktionsjahren, wenn die 40jährige Schauspielerin die 20jährige Tochter spielte etc.).
Reineckers Dialoge sind hier wieder so typisch, dass man seine Urheberschaft unter 1000 anderen Filmen herauskennen würde. Die "Reineckersche Syntax", mit ihren vielen verschachtelten Nebensätzen, Relativpronomen etc. kommt hier besonders zum tragen. Schließlich muss ich auch noch etwas bemerken, was mich auch immer störte - bei Reinecker sprach der einfache Arbeiter, der Obdachlose immer gleich wie der Universitätsprofessor (und damit immer wie der Autor selbst). Hier hätte man doch etwas soziolinguistische Aspekte berücksichtigen müssen, der Obdachlose der in verschachtelten Sätzen spricht, als ob sie direkt aus Caesars De bello gallico stammen, ist doch etwas unglaubwürdig.
Der Titel schließlicch spielt zwangsläufig auf die aus den selben Jahren stammenden Schmuddelfilmchen an. Das Wort "Schulmädchen" ist aber heute wohl schon archaisch und durch "Schülerin" ersetzt. Klingt auch viel besser.

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