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Dieses Thema hat 191 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
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Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

18.05.2010 12:59
#121 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Staffel 04, Episode 02:

Death in the Clouds (Die Wespe)


Mit: David Suchet, Philip Jackson. Als Gaststars: Sarah Woodward, Shaun Scott, Richard Ireson, David Firth, Cathryn Harrison, Amanda Royle, Eve Pearce, Jenny Downham u.v.a. Regie: Stephen Whittaker. Drehbuch: William Humble. Erstsendung: 12.01.1992.

Obschon „Die Wespe“ sowohl für den Drehbuchautor William Humble als auch für den Regisseur Stephen Whittaker ein einmaliger Ausflug in die Gefilde von „Poirot“ war, stellt sich dieses Team als überaus effektiv und erfolgreich heraus. Die Episode besticht offensichtlich zuallererst natürlich durch nostalgische Flugzeugaufnahmen, aber auch durch eine Reihe mustergültiger Verdächtiger, die geschickt das Misstrauen des Zuschauers vom tatsächlichen Täter ablenken. Die beinahe unwillentlich zu einer Landedelfrau aufgestiegene Schauspielerin Lady Horbury, die sich über alles und jeden beschwert und von sich selbst sagt: „Ich rauche gern, ich trinke gern und verliere gern Geld beim Roulettspiel“; der Kriminalschriftsteller Daniel Clancy, der eine humoristische Anspielung auf Agatha Christie selbst darstellt, aber irgendwie verrückt ist und bei Bedarf auch höchst suspekt dreinblicken darf; und der junge, schleimige Möchtegernarchäologe Monsieur Dupont, der die titelgebende Wespe kaltblütig auf seiner Untertasse in kleinste Teile zerdrückt und der andere Leute ungeniert um Geld angeht (warum Poirot ihm plötzlich 500 Pfund leihen will, wird, soweit ich es gestern mitbekommen habe, leider nicht aufgeklärt, was der einzige lose Faden im Script sein dürfte) – sie alle machen unserem belgischen Freund die Arbeit sehr schwer und dem Zuschauer das Vergnügen nur umso größer.
Die Geschehnisse folgen Schlag auf Schlag hintereinander und lassen somit zu keiner Zeit eine Länge aufkommen. Wie Poirot selbst im Laufe der Ermittlungen in der wundervollen deutschen Synchronisation mit Akzentrelikten wie „ein Wesp“, „ein Archäolog“, „ein Flöt“ und „ein Pust“ hantiert, macht das Ganze nur noch kurzweiliger.

Starke Langfolge mit tollen Schauwerten und einer beinahe makellos umgesetzten Story: „Die Wespe“ ragt durchaus unter den übrigen 100-Minuten-Episoden der frühen Ära hinaus. 5 von 5 Punkten.



Staffel 01, Episode 08:

The Incredible Theft (Der unglaubliche Diebstahl der Bomberpläne)


Mit: David Suchet, Hugh Fraser, Philip Jackson, Pauline Moran. Als Gaststars: John Carson, Carmen du Sautoy, Phyllida Law, Ciaran Madden, Phillip Manikum, Guy Scantlebury, John Stride, Albert Welling u.v.a. Regie: Edward Bennett. Drehbuch: David Reid, Clive Exton. Erstsendung: 26.02.1989.

„Der unglaubliche Diebstahl der Bomberpläne“ verfügt zwar über den längsten deutschen Episodentitel der Serie überhaupt, hält sich in jeder anderen Beziehung mit dem Erreichen von Superlativen allerdings zurück. Man wählte eine klassische Diebstahlgeschichte – pfiffig, aber nicht die größte Begeisterung erweckend – und brachte sie mit einer handfesten Politikaffäre zusammen. Daraus resultiert eine solide, wenngleich mäßig spannende „Poirot“-Episode, die dennoch gerade deshalb einen angenehmen Zeitvertreib darstellt, weil man ihr die detailgetreue Aufarbeitung aller, nicht nur der besten und berühmtesten Agatha-Christie-Stoffe sowie des die im Jahr 1936 angesiedelte Serie umgebenden zeitgeschichtlichen Kontexts anmerkt. Man trifft Vorbereitungen für einen sich nähernden Krieg, wirft argwöhnische Blicke auf Ausländer – im Speziellen natürlich auf Deutsche und Deutschsympathisanten –, hält mit den Entscheidungen hoher politischer Instanzen besonders vorsichtig hinterm Berg...
An dieser Stelle lobend erwähnt werden muss auf jeden Fall aber einmal der berühmte, bislang in diesem Diskussionsthema als selbstverständlich angesehene Poirot-Vorspann, der alle Episoden bis einschließlich „Dumb Witness“ (Staffel 7, Episode 2, 1997) und in vereinfachter Form auch noch bis „Murder in Mesopotamia“ (Staffel 9, Episode 2, 2001) zierte und dem Zuschauer eine konstante Einstimmung auf die zauberhafte Atmosphäre der Serie bescherte. Optisch sicher eher ein Kind seiner Entstehungszeit 1989 als ein authentisches Stück 1930er Jahre, begeistert er doch von Mal zu Mal, was nicht zuletzt an der die Jahre überdauernden „Poirot“-Titelmelodie von Christopher Gunning liegt. Dieses selten geniale Stück TV-Musikgeschichte sichert sofortige Wiedererkennung in einem noch größeren Maße als ähnliche große Fernsehtitelmusiken der 1980er Jahre und findet natürlich auch in „The Incredible Theft“ mehrfach außerhalb des Intros Verwendung – so etwa in der spannend inszenierten Verfolgungsjagd gen Ende der Folge.

Während die Poirot-Figur im Laufe der Serie weitgehend unverändert bleibt (Suchet: „By the time I started filming twenty years ago, I had spent so many months researching him that I was as near to him as I could possibly get.“), präsentiert uns die vorliegende Episode einen besonders spaßig aufgelegten Poirot, der zu Beginn Miss Lemon und in der Schlussszene Chief Inspector Japp schelmisch aufzieht und somit einen gänzlich anderen Blick auf den Detektiv eröffnet, als er ihn in anderen Episoden festigte.

Poirot wahrt seine Haltung im Londoner Zoo ebenso wie inmitten politisch äußerst wichtiger Entscheidungsträger. Trotz der Herkunft aus Staffel 1 handelt es sich hier bereits um eine recht routinierte Episode, in guter wie in schlechter Hinsicht. 3,5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

20.05.2010 20:39
#122 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Staffel 02, Episode 04:

The Lost Mine (Die verschollene Silbermine)


Mit: David Suchet, Hugh Fraser, Philip Jackson, Pauline Moran. Als Gaststars: Anthony Bate, Colin Stinton, Barbara Barnes, James Saxon, Vincent Wong, Richard Albrecht, John Cording, Gloria Connell u.v.a. Regie: Edward Bennett. Drehbuch: Michael Baker, David Renwick. Erstsendung: 21.01.1990.

Berühmtheit erlangte die Episode „Die verschollene Silbermine“ vor allem durch ihre aufwändige Verbildlichung der Scotland-Yard-Ermittlungs- und -Verfolgungstaktiken von der eigens für eine beeindruckende Szene errichteten Funkzentrale aus. Chief Inspector Japp steuert dort die Umzinglung eines halbseidenen Geschäftsmannes im Londoner Chinatown, welches ebenfalls von den Ausstattern der Serie mühevoll hergerichtet worden war:

Zitat von „Agatha Christie’s Poirot – A Celebration of the Great Detective“
[...] the production team [...] went into Bethnal Green, transforming two streets, Columbia Road and Ezra Street, into a striking replica of London’s Chinatown in 1936. Because the original Chinatown in Limehouse has long since disappeared, the cobbled streets and period terraced houses of this part of East London proved ideal for the sequence.


Zwar bringen die China-Bezüge eine abwechslungsreiche Atmospähre in die Folge (die Aufnahmen im „Roten Drachen“ gefallen besonders, entpuppt sich der von außen unauffällige und heruntergekommen erscheinende Klub doch in seinem Inneren als riesenhaftes Paradies des Lasters), werden jedoch insgesamt nicht konsequent bis zu Ende verfolgt: Dem Plan der Silbermine etwa oder dem Krummdolch wird massiv zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, um diese Instrumente möglicher Spannungsmache für den Zuschauer interessant zu gestalten. Was den fernen Osten angeht, so müssen Edgar Wallace’ Anwandlungen auf diesem Gebiet (siehe etwa „Das Geheimnis der Stecknadel“ oder „Die gelbe Schlange“) als gelungener und abgerundeter als die Christies gelten, die eher im mittleren Osten, in Arabien und Nordafrika ihr exotisches zu Hause fand.
„The Lost Mine“ versorgt die Handlung darüber hinaus kaum mit Verdächtigen: Sie konzentriert sich so stark auf die Diskreditierung eines einzigen Mannes, dass man nicht Poirot sein muss, um seine Unschuld festzustellen. An sich wäre dies nicht schlimm, stellt eine solche Konstellation doch einen typischen Christie-Aufbau und ebenfalls das Schema der folgenden Episode dar, aber neben dem sicher Unschuldigen bleibt leider nur mehr eine weitere Person für den Part des Täters übrig – eine Person, deren Handlanger und Komplizen wir nicht einmal in Natura zu sehen bekommen.

Als erfreuliche Beigabe wird dieses Mal auf das Spiel Monopoly eingegangen, das Poirot mit Captain Hastings spielt und ihm damit wieder einmal beweist, was er mit seinen kleinen grauen Zellen auch abseits der verbrecherischen Pfade bewirken kann. Die Nebenhandlung um Finanz- und Aktienspekulationen erscheint indes eher gestelzt und nur um der Länge der Episode willen eingebaut, wird sie doch vom gegenwärtigen weltpolitischen Hintergrund sowieso in ein zweifelhaftes Licht gerückt.

Die Folge stützt sich einzig auf ihre Atmosphäre, welche allerdings eher bruchstückhaft und unvollendet daherkommt. Dies summiert sich unterm Strich zu einer schwachen „Poirot“-Folge, die ich mit 2,5 von 5 Punkten bewerte.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

22.05.2010 20:20
#123 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Staffel 02, Episode 05:

The Cornish Mystery (Das Rätsel von Cornwall)


Mit: David Suchet, Hugh Fraser, Philip Jackson, Pauline Moran. Als Gaststars: Chloe Salaman, John Bowler, Jerome Willis, Amanda Walker, Tilly Vosburgh, Derek Benfield, Laura Girling, John Rowe u.v.a. Regie: Edward Bennett. Drehbuch: Clive Exton. Erstsendung: 28.01.1990.

Ähnlich wie „Das Wespennest“ verfolgt auch „Das Rätsel von Cornwall“ eine in Anbetracht des Produktionszeitpunktes recht düstere Story. Poirot wird von Mrs. Pengelly gebeten, ihre scheinbare langsame Vergiftung zu untersuchen, doch als er in ihrem Heimatort im titelgebenden Cornwall eintrifft, ist sie bereits verstorben. Eine ganz ähnliche Prämisse verwendete Agatha Christie auch in zwei anderen Stories aus den Jahren 1937 bzw. 1939, doch in der hier zugrunde liegenden Kurzgeschichte „Die mysteriöse Angelegenheit in Cornwall“ von 1926 zum ersten Mal.
Stimmungsvoll gestaltet sich die sehr verregnete und kühle Atmosphäre des Werks, die nur von wenigen Sonnenstrahlen aufgelockert wird, welche sich zumeist in den Zugszenen einschleichen. Hastings’ Rolle bringt indes sogar eine ganze Portion Humor in die Episode, indem zum Beispiel auf seine Vorliebe für hübsche, junge Damen (normalerweise für Rotschöpfe, hier darf es aber auch einmal eine Blondine sein) angespielt wird. Auch erhält er während der Überführung des Täters größeren Spielraum zugestanden, der ihn klüger erscheinen lässt, als es seine sonst üblichen Kommentare „Good Lord“ oder „I say, Poirot“ Glauben machen wollen. Die fehlende Beweislast gegen den Täter stellt trotz dieses Versuches, sie kunstvoll zu umspielen, einen Schwachpunkt der Episode dar, der auch unter Berücksichtigung der Kategorie „Abwechslung“ eher in den negativen Bereich tendiert. Hinzu kommt, dass der Darsteller des Mörders ein eher schmieriger, unsympathischer Bursche ist – ein Umstand, der ihn nach den oft verblüffend einfachen Christie’schen Moralregeln zwingend schon vor der Auflösung als Verbrecher enttarnt.

Man kann Agatha Christie kaum anlasten, sie habe den Reiseaspekt der Geschichte in den Vordergrund gestellt. Im Gegenteil: Obwohl die Geschichte den Namen einer der berühmtesten Ausflugsregionen Englands trägt, verliert die Autorin über Aussehen und Lage des kleinen Städtchens Polgarwith bei der Ankunft von Poirot und Hastings kein einziges Wort. Die Anreise war nicht sonderlich interessant und die Pension der beiden heißt „Duchy-Hotel“ – mehr Informationen bekommt der Leser nicht geboten. Die Verfilmung gestaltet diese dürftige Grundlage elegant in alle Richtungen aus und präsentiert einen der markantesten Dorfdrehorte der Serie – einschließlich des von Christie an späterer Stelle beschriebenen Markttags:

Zitat von „Agatha Christie’s Poirot – A Celebration of the Great Detective“
A little Somerset town, Dunster, was [...] used to double as the Cornish village of Polgar in „The Cornish Mystery“. Once again the production crew had to work a transformation on the picturesque little community, with its famous castle and ancient yarn market. The high street was closed off for a weekend, the numerous gift shops camouflaged and all modern signs removed. Lace curtains were even specially hung in the windows of several shops to create the illusion of private houses.
Turning the clock back sixty years was further achieved by taking down TV aerials, removing the yellow lines on the roadway, and covering the street lights on the side of the buildings with heavy-duty masking tape and painting them to blend in with each house. Off-duty policemen were hired to direct traffic through the castle grounds or around Dunster, while shopkeepers in the high street were compensated for the loss of a day’s takings. In addition, forty local people found themselves work as extras for the crowd scenes.
The shoot proved a memorable one for the people of Dunster as well as David Suchet.
„It was such a friendly place, and generally unspoiled,“ he recalls. „But it looked marvellous without the road marings and all those other trappings of modern life. What a pity that places like that can’t be kept that way all the time. There’s a lot to be said for the way this country looked in the Thirties.“


Auch bei „The Cornish Mystery“ gilt zuweilen das Motto „Athmosphäre vor Story“. Dennoch präsentiert sich hier eine wesentlich ausgewogenere Mischung dieser beiden Grundpfeiler der Serie als in der Vorgängerfolge „The Lost Mine“. Das hübsche Setting und das Zusammenspiel der wiederkehrenden Hauptdarsteller entschädigt in gewisser Weise für einige Längen und eine wenig wasserdichte Überführung. 3,5 von 5 Punkten.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

23.05.2010 21:01
#124 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

"Mord nach Fahrplan" (The ABC Murders) Erstsendung am 07. Januar 1992, DVD-Collection 3 von polyband

In einer wunderschönen Eröffnungssequenz sehen wir die Abläufe am Bahnhof vor Ankunft eines Zuges. Ein eleganter Herr mit einem silbernen Spazierstock mit Schwanenknauf ordnet die Fahrpläne an einem Kiosk und wir wissen sofort, dass es sich um Hercule Poirot handelt, der seinen langjährigen Freund Captain Hastings abholt. Mit Erleichterung nimmt man zur Kenntnis, dass Hastings immer noch der gleiche gutmütige Mann ist, den man schon in den Kurzfolgen zu schätzen wusste. Für weitere Vertrautheit und Kontinuität sorgt die Anwesenheit von James Japp, der in seiner Rolle als Chiefinspector den Kombinationen von Poirot große Beachtung schenkt.
Die ABC-Morde entwickeln sich für den belgischen Detektiv zu einer Denksportaufgabe - oder, um "Nissens neuen Almanach" zu zitieren: "Ihre Geschichten demonstrieren intellektuellen Spieltrieb, einen cartoonist's sense of line und die Überlebenskraft des puritanischen Reinheitsgebots."
Die Tatsache, dass der Briefeschreiber schnell handelt und der Polizei wenig Möglichkeiten bietet, seine angekündigten Verbrechen zu verhindern, treibt die Handlung zu Beginn rasch voran. Leider stockt die Aufklärung der Mordserie im Laufe des Films immer wieder, was durch das Hinzuziehen der "Truppe der Betroffenen" zu erklären ist. Obwohl von Beginn an klar ist, dass es sich um einen Fall mit Methode handelt, der von langer Hand geplant wurde, verbringen Poirot und Japp viel Zeit damit, nach persönlichen Motiven unter den Angehörigen der Opfer zu suchen. Immer wieder greifen sie auf die Gespräche mit der Nichte des ersten Opfers, dem Verlobten des zweiten Opfers und der Sekretärin des dritten Opfers zurück. Der offensichtlich Verdächtige - Alexander Bonaparte Cust - tritt erst spät in Erscheinung, kann aber durch sein nervöses Verhalten, seine Ängste und seine tiefe Verzweiflung überzeugen. Man ist so froh, dass er in Captain Hastings am Ende einen verständnisvollen Gesprächspartner findet. Der Mörder jedoch bleibt blass und nebensächlich. Beim zweiten Sehen gewinnt die Verfilmung zwar, aber ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass irgendetwas fehlt. Da ich die Romanvorlage nicht kenne, steht es mir nicht zu, hier Vergleiche zu ziehen.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

25.05.2010 13:31
#125 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten



Erste Eindrücke zur zwölften Staffel (UK-Collection 7)

Zitat von kaeuflin
Bin dann auf deine Beurteilung der Filme der 12. Staffel gespannt - für mich hat sie ein starkes Gefälle. Beginnend mit einem Highlight das natlos an die 11 Staffel (die wiklich sehr gut ist) anschließt und dann immer schwächer wird...


Unterdessen habe ich jede der vier Produktionen der zwölften „Poirot“-Staffel aus den Jahren 2008/9 mindestens einmal, die meisten aber bereits mehrfach gesehen und möchte zunächst einmal in knappen Umrissen meine ersten Eindrücke zu dieser Season posten. Nach der unglaublich starken elften Staffel war es äußerst unwahrscheinlich, dass man das Niveau auf der gleichen, hohen Stufe halten können würde, da man sich langsam auch verstärkt schwächeren Romanen widmen musste, von denen diese Staffel nach meiner Einschätzung zwei enthält. Es ist indes bemerkenswert, dass die Stärke der Romanvorlagen nicht proportional zur Stärke der Verfilmungen steht. Die beiden schwachen Stoffe bearbeitete man so solide, dass es keinen Grund zur Kritik an den Episoden aus diesem Blickwinkel gibt. Einem der beiden gelungenen Romane wurde man darüber hinaus mehr als gerecht; einen weiteren zerstückelte man leider zu sehr, um die Adaption noch als gelungen bezeichnen zu können. Vor allem in dieser Hinsicht bestärkten mich die vorab gelesenen Kritiken darin, meine Erwartungen nicht allzu hoch anzusetzen. Enttäuscht wurde ich dennoch nicht, denn entgegen einiger anderslautender Äußerungen sehe ich die zwölfte Staffel mit einer einzigen Ausnahme wiederum als sehr gelungen an, wenngleich sie in ihrem entgültigen Punktedurchschnitt sicher ihren direkten Vorgängerfilmen unterlegen sein wird.

Episode 59: Mrs McGinty’s Dead (nach dem Roman „Vier Frauen und ein Mord“, 1952)
Eine mittelmäßige Vorlage mit einem eher stereotypen Uhrzeiten-Verwirrungsmord und einer Vorgeschichte, die weit in die Vergangenheit hineinreicht (ein typisches Kennzeichen späterer Christies, dem man noch oft begegnen wird), dramatisierte man auf effektive Weise. Die Episode strahlt eine ganz eigenwillige Atmosphäre aus und lässt sich mit keiner anderen Produktion der Reihe vergleichen. Recht düster wirkt das ganze Geschehen, aber das sind wir ja bereits gewohnt. Positiv zu vermerken ist der zweite Auftritt des schon aus „Taken at the Flood“ bekannten Ermittlers Superintendent Harold Spence (Richard Hope) sowie abermalige Performances von Zoë Wanamaker und David Yelland als Ariadne Oliver und Diener George.

Episode 60: Cat Among the Pigeons (nach dem Roman „Die Katze im Taubenschlag“, 1959)
Toller Roman – tolle Verfilmung. Einer der ganz großen Höhepunkte der neuen Suchet-„Ära“, der mit den großen Glanzlichtern anderer jüngerer Seasons auf Augenhöhe spielt (Five Little Pigs, Cards on the Table etc.). Das Schulsetting ist sehr atmosphärisch und bietet sich für Verfilmungen sowieso an. Schön, dass man zeigt, dass Mädcheninternate auch ohne Sex und Erotik auskommen.

Episode 61: Third Girl (nach dem Roman „Die vergessliche Mörderin“, 1966)
Christies Buch gehört zu ihren schwächsten, ausschweifendsten und ziellosesten – die Aufarbeitung erforderte also diverse Veränderungen und Anpassungen. Unterm Strich ist das wieder einmal sehr gut und mit viel Fingerspitzengefühl erfolgt. Dass Poirots neue Wohnung in den Whitehaven Mansions dieses Mal eine größere Rolle spielt, trägt zu einem angenehmen Sehgefühl bei. Jemima Rooper als Norma Restarick gibt eine exzellente Leistung in der Hauptrolle ab – ebenso wie Zoë Wanamaker und David Yelland in ihren üblichen Parts.

Episode 62: Appointment with Death (nach dem Roman „Der Tod wartet / Rendezvous mit einer Leiche“, 1938)
Der große Klassiker dieser Staffel wurde aus unerfindlichen Gründen übel zugerichtet. Es ist nicht so, dass das, was am Ende dabei herauskommt, mir nicht gefallen würde. Im Gegenteil: Die Produktion ist solide, das Script in Ordnung (gut, es gibt einige Logikpatzer, aber spannend ist es), die Todesszenen sind von selten gesehener Eindringlichkeit, die Drehorte trotz Verlegung hervorragend. Dennoch handelt es sich um eine enttäuschende Adaption, weil sie den Sinn der Serie leugnet und das Vertrauen verrät, das sie sich über 61 Episoden hinweg aufgebaut hat: nämlich das, eine originalgetreue Serie zu sein. Schade für diese unmoralische Eskapade (es war hoffentlich nur eine Eskapade!) – besonders bei diesem tollen Ausgangsstoff.

Detaillierte Besprechungen folgen nach weiteren Sichtungen und der damit verbundenen Festigung der Seheindrücke.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

30.05.2010 13:29
#126 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

"After the Funeral" (dt. Titel des Romans: "Der Wachsblumenstrauß") Britische Collection 6
Regie: Maurice Phillips, Drehbuch: Philomena McDonagh

Zum ersten Mal bot sich mir mit dieser Verfilmung ein direkter Vergleich mit einer klassischen Verfilmung an, die bisher meine Vorstellung von "Der Wachsblumenstrauß" prägte: "Murder at the Gallop" aus dem Jahr 1963 mit Margaret Rutherford in der Rolle der Amateurdetektivin Miss Marple.
Natürlich liegt mir seit einigen Jahren der Roman vor und ich gestehe, dass ich ob der Unterschiede zuerst ein wenig enttäuscht war. Seit ich jedoch David Suchet als perfekte Verkörperung einer Romanfigur von Agatha Christie schätze, zählt für mich vor allem die Originaltreue.
Ich werde versuchen, in meiner Besprechung der POIROT-Verfilmung auch einige Parallelen zur Miss-Marple-Umsetzung (die durchaus vorhanden sind) zu ziehen.
Löblicherweise findet sich im Buch eine Aufstellung der Verwandtschaftsverhältnisse, sodass der Leser/Zuseher sich nicht völlig in die Irre begibt, angesichts der vielen handelnden Personen. Wie schon im Jahr 1963 wurden auch diesmal einige Charaktere abgewandelt. Es gibt keine Susan Banks nebst Gatten Gregory, sondern eine Susannah Henderson; George ist nicht der Sohn von Laura und Rex Crossfield (wie auch in der MM-Umsetzung), sondern der Sohn von Helen Abernethie. Cora ist nicht die Witwe des französischen Malers Pierre Lansquenet, sondern die geschiedene Frau eines italienischen Malers namens Gallaccio. Hat man diese Änderungen erst einmal verinnerlicht, folgt man dem Geschehen voller Interesse. Einzig die Tatsache, dass die berüchtigte Cora diesmal weit weniger geheimnisvoll auftritt und ihr die unheimliche Ausstrahlung einer Flora Robson fehlt, trüben zu Beginn das Sehvergnügen. Hier punktet die Verfilmung aus dem Jahr 1963, die jeden von Coras Auftritten mit der Aura des Bösen und des Rätselhaften umgibt und die Auffindung ihrer Leiche mit Suspense inszeniert. "Eine Hutnadel - die Waffe einer Frau!"
Agatha Christie war hier weniger vornehm; Cora stirbt durch sechs oder sieben Beilhiebe. Ihre Gesellschafterin Anne Gilchrist ("eine magere, welke alte Jungfer mit kurzem, eisgrauem Haar") tritt in dieser Verfilmung als weitaus jünger in Erscheinung. Die Szenen im idyllisch gelegenen Cottage prägen den ländlichen Charakter des Films, der den Familiensitz Enderby Hall in den Mittelpunkt stellt. Dennoch gibt es einige Nebenschauplätze, die weniger dem Kriminalfall, als der psychologischen Deutung der Charaktere der jungen Familienmitglieder dienlich sind. Man denke an die Beziehung zwischen Susannah und George und die Probleme des Ehepaars Shane.
Poirot stellt diskrete Nachforschungen an und beobachet die Anwesenden. Er wirkt dabei weniger wie ein Detektiv, sondern gibt sich als Gast des Hauses, der sich für die jüngsten Todesfälle interessiert. Auf diese Weise gelingt es ihm stets, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen und er erreicht dabei mehr als die Polizei.
"Für zehntausend Pfund," sagte Monsieur Poirot, "kann man eine wunderschöne Teestube kaufen und einrichten...." - "Wenigstens Sie verstehen mich."
Die Bedeutung des deutschen Romantitels erschließt sich dem Kenner der 1963er-Verfilmung nicht. Miss Marple erklärt dem Inspektor zu Beginn lediglich, dass das Verderben in Gestalt einer Katze zu Mister Enderby gekommen sei, ganz wie Agatha Christie es in ihrem Roman "Der Wachsblumenstrauß" schildere.
Poirot räumt mit diesen Zweifeln auf und erklärt, warum die künstlichen Blumen auf dem Malachittisch in Enderby Hall so bedeutsam sind.
Die Auflösung des Falles gestaltet sich sehr eindrucksvoll und überzeugt durch die kraftvolle Enttarnung "einer biederen Mörderin" ebenso, wie durch die Schlussszene vor Enderby Hall, die zwei junge Menschen voneinander Abschied nehmen läßt. Gebrochene, verletzte Menschen bleiben zurück. Wunden, die einerseits in einer Gefängnisheilanstalt behandelt werden oder andererseits durch Arbeit in der Ferne gelindert werden sollen. So bleibt in den späteren POIROT-Filmen immer ein Tropfen Bitterkeit zurück - ganz wie im wirklichen Leben. Hier begründet sich der wohl größte Unterschied zwischen Margaret Rutherford und David Suchet: Miss Marple verfügt über eine unbändige Energie und Willensstärke, während Poirot sensibel in die menschliche Seele hineinhorcht. Handelt es sich bei den MM-Filmen um Kriminalkomödien, gibt es bei Poirot oft genug Tragödien, die durch die Klärung des Falles nicht ausgelöscht werden.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

10.06.2010 21:29
#127 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

"Eine Familie steht unter Verdacht" ("Das fehlende Glied in der Kette" Original: "The Mysterious Affair at Styles")
Erstsendung: 16. September 1990

In diesem Film wird der erste Fall von Poirot und Hastings gezeigt, ein Kriminalfall, den Mrs. Christie zu Beginn ihrer Ehe geschrieben hat. Sie arbeitete damals in einer Krankenhausapotheke und war von Giftflaschen umgeben, was sie auf den Gedanken brachte, einen Giftmord auf dem Papier zu inszenieren. Als ermittelnden Detektiv wählte sie einen distinguierten belgischen Kriminalbeamten, der vor den Deutschen aus seiner Heimat geflohen war. Die Geschichte beginnt aus der Perspektive von Leutnant Hastings, der sich wegen einer kleinen Verwundung in einem Militärsanatorium erholt. Dort trifft er seinen alten Freund John Cavendish, der ihn einlädt, einige Wochen auf seinem Landsitz in der Ortschaft Mary St. Styles zu verbringen, wo zufällig auch Poirot ein Quartier gefunden hat. Das Landhaus liegt harmonisch eingebettet zwischen Wiesen und Wäldern und strahlt eine wunderbare Atmosphäre aus. Obwohl dieser Film im Jahr 1917 spielt, ist vom Weltkrieg wenig zu sehen, abgesehen von einer Filmvorführung im Sanatorium und einem Alptraum, der Hastings aus dem Schlaf schreckt. Die Familie besteht aus Mrs. Inglethorpe, die sich gerade mit einem jüngeren finsteren Gelehrten verheiratet hat, ihren beiden Söhnen, einer Schwiegertochter, einer Nichte und einer Gesellschafterin. Zudem sind natürlich Angestellte anwesend. "Eine möglichst große Zahl von Verdächtigen war unerläßlich." (A.C.)
Die Charaktere aus der Romanvorlage werden in präzise gezeichneter Form übernommen, mit Ausnahme von Dr. Bauerstein. Dies ist kein Verlust, weshalb man dem Drehbuchschreiber Clive Exton ein ausgezeichnetes Gespür für Atmosphäre und Stil bescheinigen muss. Selbst liebevolle Details aus dem Buch wurden geradezu wortwörtlich übernommen: "Wenn Sie sich beruhigt haben, werden wir die Tatsachen ordentlich sortieren und in die richtige Reihenfolge bringen. Wir werden sie prüfen und eliminieren. Die wichtigen Dinge suchen wir heraus, die unwichtigen - paff!", er verzog sein Gesicht und stieß auf eine drollige Art die Luft raus - "pusten wir einfach weg!" Wobei Poirot in der deutschen Synchronisation "püsten" sagt - eine weitere liebenswerte Sprachkreation wie "ein Wesp", "hinter Riegel und Schloss" und "auf die Holzstrecke". Durch eine Reihe klassischer Zutaten (die Voruntersuchung, das Gerichtsverfahren, Analysen im Labor), sowie dem Schildern der Ereignisse der Mordnacht in Form von mehreren Rückblenden, gelingt es dem Film, dem Kern der Vorlage gerecht zu werden. Die Darsteller meistern ihre Rollen perfekt, wobei besonders die weiblichen Parts sogfältig besetzt wurden ("Cynthia Murdoch war ein frisches junges Mädchen, das vor Lebenslust und Energie förmlich strotzte." - gespielt von Allie Byrne / "Sie vermittelte den Eindruck großer Beherrschtheit, doch unter dem höchst kultivierten Äußeren war ein ungebärdiger, ungezähmter Geist spürbar." - Mary Cavendish, gespielt von Beatie Edney). Interessanterweise spielten die Brüder John und Lawrence Cavendish beide in einer Verfilmung von Jane Austens Roman "Stolz und Vorurteil" mit: David Rintoul als Mr Darcy in der Version von 1979, Anthony Calf als Colonel Fitzwilliam in der BBC-Variante von 1995.
Gerade gegen Ende des Films kommt gehörig Spannung auf, als Poirot plötzlich ein Detail einfällt, das ihn unbewusst schon beschäftigt hat, das er aber erst nach einer Weile in seiner vollen Bedeutung erfasst. Anstatt einfach nur zu zeigen, wie Poirot von London nach Styles fährt, wird die kurze Sequenz genutzt, um dem Charakter des Detektivs weitere humorvolle Nuancen zu verleihen. Auch Captain Hastings erhält hier endlich einmal einen größeren Spielraum. Da Poirot erst später auftaucht, kann Hastings zu Beginn bereits einige Punkte sammeln, als er die Situation der Familie behutsam unter die Lupe nimmt. Er bereitet den Weg für die Ankunft des belgischen Detektivs, der noch nicht in den prachtvollen "Whitehaven Mansions" residiert, sondern eine Unterkunft als Flüchtling zugeteilt bekommen hat. Er wirkt dadurch ein wenig bescheidener, jedoch nicht weniger korrekt und liebenswürdig. Seine guten Manieren, seine Einfühlsamkeit und seine Disziplin in allen Lebensfragen helfen ihm, in der neuen Heimat schnell Fuß zu fassen, ohne seine Herkunft zu verleugnen.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

16.06.2010 21:05
#128 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

"Erpressung und andere Kleinigkeiten" (Originaltitel: "The Veiled Lady", dt. "Poirot geht stehlen" aus der Sammlung "Hercule Poirots größte Trümpfe")
Erstsendung am 14. Januar 1990
Deutsche Collection 2, Episode 3

Ich wundere mich immer wieder, weshalb die englischen Originaltitel der Vorlagen von Agatha Christie für die deutsche Synchronfassung so seltsam übersetzt wurden und man sich nicht an die eingebürgerten Titel der Bücher hielt. "Poirot geht stehlen" trifft den Kern der Sache doch viel genauer als das beliebige "Erpressung und andere Kleinigkeiten". Zur großen Freude der Zuschauer schildert die Episode Poirots Besuch im Haus des Erpressers Lavington sehr viel ausführlicher als in der Vorlage. Dort erwähnt Poirot lediglich, dass er sich mithilfe eines Dienstausweises von Chiefinspector Japp Zutritt zum Haus verschafft hatte, unter dem Vorwand, einbruchsichere Befestigungen anzubringen. Die filmische Umsetzung kostet diesen Aspekt weidlich aus und läßt David Suchet erstmals mit struppigem Schnurrbart und in einer dunkelblauen Arbeitshose auftreten. Sein Auftritt als Schlosser aus der Schweiz ist ebenso gelungen wie die Szene in der Gefängniszelle, als Japp einem Beamten erklärt, es handele sich bei Poirot um "Pomme de terre" (franz.: Kartoffel), einen gefährlichen Verbrecher. Während Lady Millicent sich im Film mit Poirot in einem Museum trifft, was im Finale zu einer Verfolgungsjagd führt, kommt sie in der Geschichte einfach in Poirots Wohnung, um den Brief in Empfang zu nehmen. Ein weiterer Punkt sollte nicht unerwähnt bleiben: Captain Hastings ist bereits dafür bekannt, dass er schönen Frauen keine Bitte abschlagen kann, Poirot ist hier weitaus misstrauischer, was folgendes Zitat beweist: "Die Schuhe passten nicht. (....) Diese Lady Millicent hatte ein elegantes, teures Kleid an, aber billige Schuhe. (....) und ihr Schleier - ein bisschen melodramatisch, eh?"

"Das Haus auf der Klippe" (Originaltitel: "Peril at End House", dt. "Das Haus an der Düne")
Erstsendung am 07. Januar 1990
Deutsche Collection 2, Teil 1+2

"Ihr dunkles, zerzaustes Haar unterstrich das Koboldhafte ihrer gesamten Erscheinung. Dazu passte das kleine, lebhafte, herzförmige Gesicht ebenso wie die riesigen dunkelblauen Augen und noch etwas - etwas Magisches und Magnetisches. Oder vielleicht eine Spur von Rücksichtslosigkeit?"
Die Charakterisierung von Magdala "Nick" Buckley trifft auf die Ausstrahlung der Hauptdarstellerin Polly Walker zu. Sie wird auch gerne in Literaturverfilmungen (u.a. in "Emma" von Jane Austen) eingesetzt und bekommt hier Gelegenheit, verschiedene Facetten auszuspielen. Sie ist charmant und freundlich, gleichzeitig jedoch auch vernichtend in ihrem Urteil über andere: "Maggie hat so gut wie keinen Grips."
Wieder einmal begeben sich Poirot und Hastings an einen scheinbar friedlichen Ferienort, um zu entspannen. Doch das "Böse unter der Sonne" ist allgegenwärtig.
Der Küstenort Salcombe in Devon mit den hübschen Motiven bietet eine wunderbare Kulisse für die Geschichte, die mit leichter Hand inszeniert scheint, deren tieferer Sinn immer wieder aufblitzt. Hinter der eleganten Fassade lauern Abgründe und keine der Figuren verspricht, was sie nach außen hin vorgibt, zu sein. Frederica Rice - klug, selbstsicher und entschlossen - betäubt sich mit Kokain. Jim Lazarus - der reiche Freund von Mrs Rice - sieht dem Bankrott seiner Galerie entgegen. Commander George Challenger - Segelyacht und tadellose Manieren - betätigt sich zusammen mit seinem Onkel als Drogenhändler für die besseren Kreise. Und die bezaubernde Mademoiselle Nick? Nun, auch hier trügt der Schein. Einzig Maggie Buckley, die Pfarrerstochter aus Yorkshire mit ihrer "vernünftigen Gelassenheit", scheint nicht in diese Runde zu passen, weshalb ihr Tod dem Publikum weniger Schmerz bereitet, als es ein Ableben ihrer Cousine Nick getan hätte. Wie treffend erscheint hier ein Zitat aus dem "Agatha Christie Lesebuch"(Scherz-Verlag): "Warum weckt die Ungerechtigkeit ihres Todes bei uns kein Mitleid? (....) Vielleicht gibt es dafür eine sehr einfache Erklärung: Wir werden nicht gern daran erinnert, dass wir keine besseren Garantien für Sicherheit und Gesundheit haben als die Opfer. In unserer Verwundbarkeit sind wir alle gleich. (....) Es macht keinen Spaß, sich mit Verlierern zu identifizieren."
So ergeht es jedem Zuschauer, wenn er Poirot bei der Aufklärung eines Falles zusieht. Deshalb darf Miss Lemons Entsetzen über Poirots Kommentar zum geplanten Selbstmord der Täterin am Ende ("Besser als das Seil des Henkers.") nicht den Schlusspunkt bilden. Nein, der Film endet nicht im nächtlichen End House, sondern am taghellen Strand, wo Poirot, Japp, Hastings und Miss Lemon eine Tüte Eis verzehren und sich über Poirot lustig machen.
Die spannenden Elemente, die den Reiz der Geschichte ausmachen, kommen ausreichend zur Geltung und Dank der Länge der Verfilmung braucht Poirot nicht auf tröstende Worte ("Sie können sich glücklich schätzen, Mademoiselle. Ein tapferer Mann - ein Held - hat Sie geliebt.") oder kleine Sticheleien verzichten ("Mein armer Hastings, Sie sind eindeutig ein Überbleibsel des viktorianischen Zeitalters.").
Eine rundum gelungene Umsetzung, die mit jedem Sehen mehr an Bedeutung gewinnt.

Gubanov ( gelöscht )
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16.06.2010 21:21
#129 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister
Ich wundere mich immer wieder, weshalb die englischen Originaltitel der Vorlagen von Agatha Christie für die deutsche Synchronfassung so seltsam übersetzt wurden und man sich nicht an die eingebürgerten Titel der Bücher hielt. "Poirot geht stehlen" trifft den Kern der Sache doch viel genauer als das beliebige "Erpressung und andere Kleinigkeiten".


Hier muss man mehrere Unterscheidungen treffen: Anzumerken ist, dass sich die Verantwortlichen für den ersten, dritten und vierten Synchronisationsschub (Staffel 1, 1989; Staffel 10, 2003/4; Staffel 5, 1993) durchweg an die gängigen Titel der deutschen Übersetzungen der Originalvorlagen hielten, während die Lingua Film (Staffeln 2-4, 1990-2) für ihre Episoden größtenteils neue Titel kreierte. Die einzige Ausnahme bildet hierbei "Das Wespennest": Diesen Titel tragen sowohl Kurzgeschichte als auch TV-Synchronisation.
Bei den Titelneuschöpfungen stört mich vor allem die Abwandlung der besonders vertrauten Romantitel, gerade bei "Das Haus an der Düne" (daraus wurde "Das Haus auf der Klippe") und "Das fehlende Glied in der Kette" (daraus wurde "Eine Familie steht unter Verdacht"). Bei den Kurzgeschichten hingegen sind hin und wieder sogar echte Glanzlichter dabei, die die Originaltitel, bei denen es sich zumeist um wortwörtliche und damit nicht immer glänzend funktionierende oder einfach langweilige Übertragungen aus dem Englischen handelt, übertreffen:
- "Das Rätsel von Cornwall" statt "Die mysteriöse Angelegenheit in Cornwall"
- "Mord ohne Leiche" statt "Das Verschwinden Mister Davenheims"
- "Mord im Mietpreis inbegriffen" statt "Die mysteriöse Wohnung"
- "Im Namen der Nation" statt "Der entführte Premierminister"

Dein Beispiel freilich ist völlig korrekt: Hier wurde aus einem konkreten Titel ein zu allgemeines Unterfangen gemacht. Anders herum gibt es das aber auch: So trifft der Episodentitel "Der Diebstahl des königlichen Rubins" den Kern des dortigen Kriminalfalls beispielsweise um ein Vielfaches genauer als der Name der Erzählung "Ein diplomatischer Zwischenfall".

kaeuflin Offline




Beiträge: 1.259

17.07.2010 22:54
#130 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Gestern ist Box angekommen, heute habe ich Zeit gefunden die erste Episode der 12 Staffel (eigentlich ja die 3. Episode...) zu betrachten.

Hallowe`en Party oder Schneewittchen Party wie der Roman bei uns heißt, gehört zu den eher unbekannten Poirot Krimis, hatte mich beim Lesen jedoch angenehm unterhalten.

Cast: David Suchet, Zoë Wanamaker als Ariadne Oliver, Deborah Findlay, Julian Rhind-Tutt, Amelia Bullmore, Fenella Woolgar

Regie: Charles Palmer
Drehbuch: Mark Gatiss


"Old Sin Throw Long Shadows" - Diesen Satz, ein Zitat Poirot, könnte man als Leitmotiv der Story bezeichnen...

Inhalt:

Während einer Kinder Halloween -Party erzählt die Junge Joice, einem einen Mord echten beobachtet zu haben. Niemand der Anwesenden scheint ihr zu glauben, nicht einmal Ariane Oliver, die sie scheinbar mit dieser Aussage beeindrucken wollte. Schließlich gilt Joice als unschlagbar im erfinden von Geschichten.
Am Ende der Feier ist Joice tot. Ertränkt in der Wasserschüssel, mit welch man zuvor "Apfelschnappen" gespielt hatte.
Hatte Joice wirklich einen Mörder beobachtet, oder läuft ein Wahnsinniger durch das Dorf, wie die Polizei vermutet.
Mrs. Oliver beschlisst, ihren Freund Poirot um Hilfe zu bitten.
Doch auch er kann nicht verhindern, dass kurz darauf ein weiteres Kind, Joices Bruder, stirbt.

Mord an Kindern… Ein ungewöhnliches Thema für einen Christie Roman…


Fazit:

Ja, Poirot ist zurück! Mit Hallowe´en Party ist den Machern der Serie ein Film gelungen, der nahtlos an „A Cat Among The Pigeons“ anknüft – und das in mehrerlei Hinsicht…

Die Story stammt aus den End 60ern doch im Gegensatz zu „Third Girl“ waren diesmal kaum Veränderung nötig, um Poirot in seiner gewohnten Zeit agieren zu lassen.
Trotz der ermordeten Kinder, handelt es sich nähmich um eine Klassische Christie Story mit all ihren Stärken (und auch ihren kleinen , verzeihlichen Schwächen).

Wie bereits bei „A Cat Among The Pigeons“ stammt das Drehbuch von Mark Gatiss, der sich diesmal sehr nahe an den Roman hält, ohne dabei die eigene Handschrift vermissen zu lassen. Ähnlich wie in „Cat…“ gibt es auch n dieser Folge ein paar wenige Szenen, die einen Hang zu mehr Härte und „Horror“ haben, was besonders gut zum Halloween - Ambiente der Folge passt. Eine weitere Gemeinsammkeit ist die Grossen Anzahl für die Stoy relevanter Kinder.
Insgesamt bin ich mit der Umsetzung sehr zufrieden.

Ähnliches gilt auch für die Inszenierung Charles Palmer.
Manches wirkt im ersten Moment zwar etwas zu sehr auf den Effekt oder den modernen Look hin inszeniert, im Endeffekt passt es aber zu Thema und unterstreicht die Stimmung der Story.

Die Darsteller sind, wie bei Poirot üblich, sehr sorgfältig ausgesucht und liefern alles eine starke Leistung ab. (Allerdings sehen zwei der Damen sich verdammt ähnlich wenn sie in dunkelblauen Kostümen und Hut durch den Garten schleichen…)
Besonders die Darstellerin der Miranda möchte ich herausheben – sie spielt das einsame, nur in ihren Träumen lebende Mädchen sehr überzeugend!

Kurz gesagt ein wirklich gelungener Poirot Film!
Nicht die Stärkste oder Cleverste Story oder sielvollst Umsetzung innerhalb der Poirot Serie, aber ein sehr sympathischer und unterhaltsamer Film für Christie Fans
4 von 5 Punkten



Die Holländische Poirot Box „Seizoen 12“ bietet alle 4 Filme der 12. Staffel.
Bildqualität ist, wie es sich für einen neuen Release gehört einwandfrei, der Englische Ton ist gut verständlich, so dass ich zumindest, problemlos auf die englischen Untertitel verzichten kann.

Klare Empfehlung für Ungeduldige Poirot Fans.

Peter

Don't think twice, it's all right ...
Bob Dylan

Happiness IS the road ! (Marillion)

kaeuflin Offline




Beiträge: 1.259

04.09.2010 23:24
#131 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

So, Jetzt habe ich alle Filme der 12 Staffel gesehen...

Zu Halloween Party und Murder On The Orient Express hatte ich mich ja bereits geäussert...

Ausführliche Reviews zu den anderen Filmen flogen demnäyhst (wohl nach der 2. Betrachtung)

Aber den ersten Eindruck möchte ich euch jetzt schon weitergeben:

Während Halloween Party für mich eine angenehme Poirot Folge war und auch Murder On The Orient Express mich zuriedenstellen konnte, war ich von "A Three Act Tragedy" extrem enttäuscht....

Bereits die Ustinov Version des Roman konnte mich nicht zu 100% überzeugen, doch hier hat man trotz Romantreue eine der schwächsten Episoden der Serie abgeliefert.
Die Inszenierung wirkt verkrampft modern und die Darsteller lustlos...


Um so grösser war dann heute Abend die Freude nach der Sichtung von "The Clocks" - Ich muss sagen, dass ich mich seit "Mrs McGinty's Dead" von keiner Poirot Episode mehr so begeister lassen habe...

The Clocks hat alles was eine gute Poirot Episode braucht : Einen Spanneden Fall, eine stielvolle Inszenierung (mit wunderbaren Aufnahmen der Cliffs von Dover) und eine gehörige Portion Humor. (Ich habe wohl seit Dumb Witness nicht mehr so viel bei Poirot gelacht)
Damit ist auch in dieser Staffel wieder eine extrem starke Episode vertreten, die Lust auf mehr Poirot macht... Hoffentlich wird die Serie fortgesetzt!

Der kauf der Holländischen Box hat sich auf jeden Fall gelohnt - wer auf die englischen UT verzichten kann, kann hie bedenkenlos zugreifen!

Don't think twice, it's all right ...
Bob Dylan

Happiness IS the road ! (Marillion)

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

04.09.2010 23:58
#132 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Aha, interessant zu hören, dass "The Clocks" trotz Sechzigerjahrevorlage doch so gelungen ist. In Großbritannien hat sich bezüglich der Ausstrahlungen leider immer noch nichts getan und auch eine DVD-Box ist damit noch in weiter Ferne: Bislang lief nur "Three Act Tragedy" im UK-Fernsehen - am 3. Januar 2010. ITV ist mit seinen Ausstrahlungen immens träge. Man sollte sich dort einmal eine Scheibe von der BBC abschneiden, etwa von deren neuester Serie "Sherlock": Zwischen der Ausstrahlung der ersten Serienfolge und der DVD-Veröffentlichung lag lediglich ein reichlicher Monat - und auf BBC-DVDs ist sogar reichlich Bonusmaterial. Unken möchte ich ja noch nicht, aber irgendwie zweifle ich daran, dass ein kommendes UK-Set für die neueste Poirot-Staffel die "Orientexpress"-Doku enthält.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

27.10.2010 22:56
#133 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Staffel 12, Episode 01:

Mrs McGinty’s Dead (nicht synchronisiert)


Mit: David Suchet, Zoë Wanamaker, David Yelland. Als Gaststars: Joe Absolom, Simon Molloy, Richard Hope, Sarah Smart, Raquel Cassidy, Richard Dillane, Simon Shepherd, Emma Amos u.v.a. Regie: Ashley Pearce. Drehbuch: Nick Dear. Erstsendung: 01.09.2008.

Auch 2008 hieß es „Poirot ist zurück“ und man begann die zwölfte Staffel mit einem kleinen Feuerwerk. „Mrs McGinty’s Dead“ zählt mit seinem Erscheinungsjahr 1952 zu Agatha Christies späteren Romanen, doch die Adaption weiß trotz großer Originaltreue sehr zu überzeugen. In erster Linie liegt das am famosen David Suchet. Sein Elan für die Rolle des Poirot kann nicht oft genug herausgestrichen werden, denn auch nach 20 Jahren spielt er die Rolle noch mit Inbrunst und voller Überzeugung, mit Courage und Liebe zum Detail. Suchet vermittelt die Eigenheiten des Detektivs, die besonders in den humoristischen Szenen immer wieder vollends zum Tragen kommen, genauso brillant wie seine charakterliche Tiefe, seine Beständigkeit und Beharrlichkeit. Nur dieser ist es zu verdanken, dass ein Mann vor der Hinrichtung bewahrt wird.
Gerade die Gefängnisszenen mit dem sympathischen Joe Absolom zählen gemeinsam mit Poirots atmosphärisch besonders dicht gefilmten Beratungen mit Superintendent Spence (ein zweiter Auftritt von Richard Hope nach „Taken at the Flood“) zu den Höhepunkten der Episode. Auch die beinah schon ein wenig unheimliche Vorgeschichte, die auf der Basis eines Zeitungsartikels dem Zuschauer langsam enthüllt wird, sorgt für die passende Stimmung: „Düster“ ist das Wort, das einmal mehr wie der Deckel auf den berüchtigten Topf passt.
In dieses Bild fügen sich die Aufnahmen des Dorfes Broadhinny stilsicher sein. Nicht nur sind sie von herausragender optischer Wertigkeit, auch verdeutlichen sie die Einsamkeit englischer Dörfer im Vergleich zu lebendigen Städten und Metropolen, den trotz scheinbarer Abneigungen engen Zusammenhalt seiner Bewohner und nicht zuletzt das Geheimnisumwobene jener dunklen, kleinen Cottages, die klangvolle Namen wie etwa „Laburnums“ tragen. Staffel 12 führt gleichzeitig auch eine neue Bildhandschrift ein, die von glühenden Lichteffekten und überstrahlten Konturen geprägt ist, weshalb sie Emotionen und Beziehungen einzelner Personen noch effektiver zu skizzieren weiß.

Die exzellente Besetzung wird neben den bereits erwähnten Herren vor allem wieder von Zoë Wanamaker angeführt, deren Ariadne Oliver köstliche Parallelen zu Agatha Christie selbst ziehen darf. Die Dramatisierung eines ihrer Bücher für die Bühne stellt die Schafferin des finnischen Detektivs Sven Hjerson vor ähnliche Probleme, wie sie Christie mit frühen Adaptionen ihrer Werke ebenfalls begegneten. Der legendäre Simon Shepherd ist in einem zweiten Auftritt bei „Poirot“ zu sehen und Siân Phillips als Laura Upward bleibt als ein beeindruckendes Gesicht der Serie ebenso in Erinnerung wie die dick bebrillte Kindsmörderin Lilly Gamboll.

Ein verhältnismäßig unspektakulärer Kriminalfall erhielt eine sehr nahegehende und zugleich ökonomische Umsetzung vor wirkungsvollen Schauplätzen. Spannungsszenen sind effektiv eingesetzt und treiben die Fahrt der Ereignisse ununterbrochen an. Alle Fäden werden schließlich in einem unkomplizierten Schlussakt lückenlos zusammengeführt, sodass einem wohlverdienten Happy End nichts mehr im Wege steht. 4,5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

28.10.2010 22:08
#134 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Staffel 12, Episode 02:

Cat Among the Pigeons (nicht synchronisiert)


Mit: David Suchet. Als Gaststars: Harriet Walter, Carol MacReady, Claire Skinner, Susan Wooldridge, Natasha Little, Amara Karan, Adam Croasdell, Anton Lesser u.v.a. Regie: James Kent. Drehbuch: Mark Gatiss. Erstsendung: 08.09.2008.

Meine Lektüre der Romanvorlage „Die Katze im Taubenschlag“ (1959) ist schon eine Weile her, doch die serientypisch akurate Aufarbeitung ist unzweifelhaft erkennbar. Für das Drehbuch verantwortlich zeichnete Mark Gatiss, der damit zum ersten Mal Hand an „Poirot“ legte. Der Co-Creator der Serie „Sherlock“ zeichnet sich durch hohen Respekt gegenüber den literarischen Stoffen aus, die er bearbeitet, und ließ sowohl „Cat Among the Pigeons“ als auch scheinbar seinem zweiten Drehbuch der Serie, „Hallowe’en Party“ (Staffel 13), die gebührende Qualität angedeihen. Die Geschichte der „Katze“ spielt sich im britischen Eliteinternat Meadowbanks ab. Die Aufnahmen der Schule, des Parks und des Sportpavillons strahlen eine ehrwürdige Atmosphäre aus, die sich zwischen dunkel verregneter Nacht und strahlenden Herbsttagen in vielen interessanten Facetten präsentiert und damit auch das wohl ausgewogene dramatische Gewicht der Episode widerspiegelt. Während in jüngsten „Poirot“-Episoden oftmals die nachdenklichen Elemente überwiegen, schafft Gatiss mit seiner Adaption eine rührende Balance zwischen der Ernsthaftigkeit eines period drama und der Lebendigkeit und Unbeschwertheit der „Versprechen der Jugend“.
Auch die Handlungselemente selbst sind so klug gewichtet, dass man kaum eine Minute zum Verschnaufen kommt und stets den für Christies Nachkriegsverhältnisse sehr komplexen Plot im Auge behalten muss. Weiter komprimiert werden die Geschehnisse durch eine der ausführlichsten klassischen Aufklärungssequenzen der Serie, sodass Längen oder gar Logiklöcher weit und breit nicht auszumachen sind.

Ein enormer Verdienst von „Cat Among the Pigeons“ sind aber vor allem die erstklassigen Schauspieler. 5-Punkte-Episoden heben sich von anderen Folgen vor allem durch die Plastizität ihrer Charakere und deren außergewöhnlich einprägsame Darstellungen ab. Dies ist hier – man bedenke auch die bildliche und sprichwortschwangere Sprache, die Mark Gatiss einsetzt – in besonders hohem Maße gegeben: Die zahlreichen Lehrerinnen von Meadowbanks sowie die natürlich agierenden Mädchen bleiben nachhaltig in Erinnerung, wobei der Glanzpunkt der Episode eindeutig bei Harriet Walter zu suchen und zu finden ist. Als Schulleiterin Honoria Bulstrode hält sie fest alle Fäden in der Hand und bietet mit ihrer Aura von Selbstsicherheit und Führungsstärke den wahrscheinlich stärksten und sympathischen weiblichen Gastpart bei „Poirot“ überhaupt. Mit ihren Qualitäten macht sie damit das Fehlen jedwedes weiteren Standard-Hauptdarstellers wett.
Abschließen möchte ich die Besprechung dieser Folge mit einem Zitat von Mrs. Bulstrode, mit dem ich in ihre Wertschätzung Poirots einstimme und diese zugleich auf Suchets andauernde Recherchearbeit über seine Rolle beziehe: „You’re such an excellent judge of character. And your knowledge of human nature, it is unsurpassed.“

Das Jubiläum der sechzigsten Folge bringt „Agatha Christie’s Poirot“ mit Leichtigkeit und besonderer Auszeichnung über die Bühne. Man kann einmal mehr mit dem belgischen Detektiv lachen, weinen und rätselraten – nur dieses Mal in einer der faszinierendsten Charakterkonstellationen. 5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

03.11.2010 20:27
#135 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Staffel 12, Episode 03:

Third Girl (nicht synchronisiert)


Mit: David Suchet, Zoë Wanamaker, David Yelland. Als Gaststars: Jemima Rooper, Clemency Burton-Hill, Matilda Sturridge, Tom Mison, John Warnaby, Caroline O’Neill, James Wilby, Peter Bowles u.v.a. Regie: Dan Reed. Drehbuch: Peter Flannery. Erstsendung: 15.09.2008.

Die Geschichte der „vergesslichen Mörderin“ gehört leider zu den schwächsten, auf deren Fährte Agatha Christie ihren meisterhaften Detektiv Hercule Poirot jemals gesetzt hat. Auch die Scriptumarbeitung Peter Flannerys kann diese Schwäche nicht kaschieren, sodass die Geschehnisse in „Third Girl“ eher langwierig wirken. Tugenden wie Spannung und Tempo kann man in den 90 Minuten der Episode kaum erwarten. Selbst in das Setting der 1930er Jahre, in das man den Roman von 1966 verlegt hat, steht manchen Charakteren eher schlecht als recht zu Gesicht.
Es wäre dennoch unfair, Peter Flannerys einziges Poirot-Drehbuch zu schelten, denn im Gegensatz zu den jüngsten Versuchen anderer Autoren bleibt Flannery dem althergebrachten, klassischen Stil der Serie bemerkenswert treu. Vor allem bedeutet das große Rollen für Poirot, seinen sehr korrekten und verschwiegenen Diener George sowie die Kriminalschriftstellerin Ariadne Oliver, die sich nicht nur auf die humorvolle Präsentation ihres neuesten Opus „Lady, Don’t Fall Backwards“ beschränkt, sondern mehrfach aktiv an den Ermittlungen teilnehmen, sie gar selbst in die Hand nehmen und überhaupt erst einmal ins Rollen bringen darf.
Ariadne Oliver wird gemeinhin als literarisches Ego von Agatha Christie selbst verstanden und macht mit ihrem finnischen Detektiv Sven Hjerson ebensolche Probleme durch wie Christie mit Poirot. In dieser und in anderen Episoden finden sich zahlreiche Beispiele für Zwistigkeiten, denen sich die echte Autorin gleichfalls ausgesetzt sah – man denke nur an die Dramatisierung eines Kriminalstoffes für die Bühne und die damit verbundenen reißerischen und wenig respektvollen Änderungen, die in „Mrs McGinty’s Dead“ genüsslich ausgekostet werden. Dem zum Trotze zögert Mrs. Oliver nicht, Poirot immer wieder mit Rat und Tat und ihrer berühmt-berüchtigten weiblichen Intuition zur Seite zu stehen.
Poirots neue Wohnung in den Whitehaven Mansions rückt dieses Mal unmittelbar in den Blickpunkt des Zuschauers und illustriert damit in jeder Hinsicht die Genauigkeit und Ordnung des belgischen Ermittlers. Kontrastiert wird sie mit einem beeindruckenden, wenngleich etwas leer wirkenden Landschloss und vielen Aufnahmen der Innenstadt von London, darunter die Front des Edgar-Wallace-Pub in der Essex Street.
Ein besonderes Lob gebührt der Gasthauptdarstellerin Jemima Rooper, der es gelingt, alle Schichten der Figur der Norma Restarick glaubhaft einzufangen. Die „vergessliche Mörderin“ muss als psychologisch interessantes Beispiel für eine undurchschaubare Klientin für immer in Poirots Annalen eine führende Position einnehmen, selbst wenn der Fall, der sich hinter dieser verwirrten jungen Dame auftut, bald in Vergessenheit geraten wird.

Alles andere als spektakulär, doch in seiner Schlichtheit grundsolide gemacht und nicht zu unterschätzen. Dem Zuschauer gewährt „Third Girl“ einen tiefen Einblick in Poirots Privatleben und seine neue „Clique“, sodass man sich fast ein wenig an seine gesellschaftliche Ader früherer Episoden zurückerinnert fühlt. 3,5 von 5 Punkten.

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