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Dieses Thema hat 191 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
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Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

04.11.2010 17:55
#136 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Staffel 12, Episode 04:

Appointment with Death (nicht synchronisiert)


Mit: David Suchet. Als Gaststars: Tim Curry, Christina Cole, Tom Riley, Cheryl Campbell, Zoe Boyle, Emma Cunniffe, Paul Freeman, Christian McKay u.v.a. Regie: Ashley Pearce. Drehbuch: Guy Andrews. Erstsendung: 25.12.2009.

Zitat von Interview mit David Suchet anlässlich „Hallowe’en Party“
I feel a tremendous responsibility to Agatha Christie. When I first accepted this role, I was taken out by Agatha Christie’s daughter Rosalind Hicks and I remember her saying to me over the table, ‚We want Poirot played as we believe mother wrote it. You can smile with Poirot but we must never laugh at him.’ They chose me for Poirot: it was nobody else’s choice. They knew the way I worked and my first duty has always been to my author, my playwright. I think they knew in casting me that I would be loyal to Agatha Christie and I have been loyal from day one. It’s a huge responsibility that should never be taken for granted.


David Suchets bis heute aufrechterhaltene Prinzipien, dem Erbe Agatha Christies treu zu bleiben und Respekt gegenüber allen ihren Erzählungen walten zu lassen, verleiht der Serie „Poirot“ ihr wohl größtes Qualitätssiegel. Sein Wirken als Koproduzent lässt vor allem in den neuen Episoden ein besonderes Maß an Verantwortungsbewusstsein und Ernsthaftigkeit erkennen, die viele der jüngsten Folgen zu den besten der Serie machen. Suchet hat in seiner Einstellung nie enttäuscht. Nie – bis auf ein einziges Mal...

„Appointment with Death“ steht in absolutem Kontrast zu allem anderen, was die Reihe „Agatha Christie’s Poirot“ jemals hervorgebracht hat. Originaltreue und Verlässlichkeit, wofür Suchet, die Regisseure und Drehbuchautoren, die Gastdarsteller und alle anderen Beteiligten sonst stets bürgen, lösen sich in heißer syrischer Luft in Wohlgefallen auf und lassen eine völlig freie Verfilmung dessen entstehen, was sich eigentlich zu Agatha Christies Klassikern zählen darf. „Der Tod wartet“ oder „Rendezvous mit einer Leiche“, selbst mit Ustinov schon verfilmt, erzählt die Geschichte einer tyrannischen Matriarchin und ihrer Ermordung auf einer Reise in den Nahen Osten. Nur diese grobe Grundidee wurde neben den Namen der meisten Charaktere für die Episode beibehalten – alle anderen Gegebenheiten erfand Schreiber Guy Andrews neu. Diverse Figuren fügte er seiner Hexensuppe hinzu. Sie alle dienen ebensowenig wie die zahl- und grundlosen Entfernungen von Christies Handlungselementen und selbst ihrem Schauplatz keinem Zweck. Die Veränderungen verwässern die Vorlage, deren Ausgangssituation und deren gesamte Konsequenz für eine „normale“ Verfilmung im Stile der Serie im Grunde hervorragend geeignet gewesen wären. Warum also diese gänzliche Umschreibung? Warum der Bruch mit den über zwanzig Jahre gepflegten und ab der nächsten Episode wieder angewandten Grundsätzen der Serie, denen ausnahmslos alle ihrer Liebhaber zuzuschreiben sind? Warum diese Verunsicherung? Warum diese Anbiederung an merkbar Unechtes? Und vor allem: Warum keine Intervention Suchets, wenn er selbst korrekt sagt: „I have been loyal from day one“?

Für gewöhnlich ärgere ich mich selbst über die peinliche Genauigkeit einiger Christie-Anhänger, die die sinnvollsten und geringfügigsten Abweichungen von den Originalvorlagen als Sünden gegen heilige Werke beklagen, und gleichfalls kann ich nicht behaupten, die Episode für sich selbst würde mir nicht gefallen. Im Gegenteil: Kaum eine andere Folge der Serie ist so „stylish“ wie „Appointment with Death“. Kameraarbeit und Musik sind großartig. Die Komposition des Bildes und seine Verknüpfung mit ungewöhnlichen Höreindrücken sorgen vor allem in den Szenen, in denen Leichen gefunden werden, für erstklassige Unterhaltung. Die Entdeckung des unterirdischen Ganges, die Legende vom toten Mann von Samarra, das Ertönen von Didos Klage aus der Feder von Henry Purcell während des ersten Mordes, die Parallelschnitte während des zweiten und nicht zuletzt die vielen arabischen Architekturdetails bringen mich dem Verzeihen nahe.

Doch die Enttäuschung über das Leugnen bisheriger Werte wiegt schwerer als die Vorwände der Wiedergutmachung. „Appointment with Death“ bleibt deshalb vor allem eine vergebene Chance und damit ein Fremdkörper in Suchets Schaffen. Als gänzlich eigenständiges Werk mag es überzeugen können, doch „Agatha Christie’s Poirot“ wird nie von seiner literarischen Quelle unabhängig sein. Auf dass die Herangehensweise ein einmaliger Ausrutscher war! 2,5 von 5 Punkten.

Matze K. Offline



Beiträge: 1.060

06.11.2010 08:48
#137 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Die Frage ist wenn aller Stoff von Christie weg ist - was dann ? Sehen wir es als Probe dafür an

kaeuflin Offline




Beiträge: 1.259

06.11.2010 10:29
#138 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Meiner Meinung nach sollte man die Serie dann beenden.

Die Macher könnten ja etwas neues in dem Stile starten... z.B Romane ohne Marple und Poirot Vorlagengetreu verfilmen!


Ich währe erst mal schon beruhig, wenn wirklich alle Poirot Romane
verfilmt werden - Ist ja noch nicht sicher... von den fehlenden Kurzgeschichen ganz zu schweigen...

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Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

06.11.2010 11:40
#139 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Folgende Poirot-Stoffe stehen zur Verfilmung in der Serie noch aus:

- Romane:
- The Big Four (Die großen Vier, 1927)
- Dead Man's Folly (Wiedersehen mit Mrs. Oliver, 1956)
- Elephants Can Remember (Elefanten vergessen nicht, 1972)
- Curtain (Vorhang, 1975)

- Kurzgeschichten:
- 12 Kurzgeschichten aus "The Labours of Hercules" (Die Arbeiten des Herkules, 1947)
- The Lemesurier Inheritance (Das Erbe der Familie Lemesurier, 1926)

- Theaterstück:
- Black Coffee (Black Coffee, 1930)

David Suchet möchte die Serie unbedingt zu einem Abschluss bringen in der Hinsicht, dass sie als "komplett" gelten darf. ITV hat bislang noch keine Stellung bezogen zu einer Fortführung der Serie, doch eventuelle Gerüchte, man würde sie jetzt einstellen, sollten wohl nicht zu ernst genommen werden. Seit 1996 heißt es nach so gut wie jeder Staffel immer wieder "Das war Suchets letzter Auftritt als Poirot, jetzt wird die Reihe abgesetzt". Doch Poirot ermittelt bis heute. Und ich hoffe inständig, er wird sich auch noch den übrigen Fällen annehmen.

Suchet spricht davon, dass noch sechs Filme zur Komplettierung aller Christie'schen Poirot-Vorlagen fehlen. Wenn man sich die obige Liste ansieht, kann man das nicht recht erkennen. Welche sechs meint er also? Die gewöhnliche Interpretation geht dahin, die vier Romane als gesetzt anzusehen. Nummer fünf wäre eine Verfilmung des Theaterstücks "Black Coffee" und Nummer sechs eine einzige spielfilmlange Adaption unter dem Titel "The Labours of Hercules". Wie genau man 12 Kurzgeschichten in 90 Minuten unterbringen kann, weiß noch niemand so genau, doch es ist nicht nur unwahrscheinlich, sondern so gut wie ausgeschlossen, dass es jemals wieder eine separate Kurzfolgenstaffel wie zu früheren Zeiten geben wird. "The Lemesurier Inheritance" wird wohl sowieso unter den Tisch gekehrt werden oder höchstens mit ein paar Referenzen in einer der anderen Verfilmungen vertreten sein.

Die Komplettierung der Serie im Sinne Suchets würde einen passenden Schlussstrich unter diese kolossale Reihe setzen und Suchets größte Lebensaufgabe abrunden. In "Curtain", der letzten Produktion nach Agatha Christie, sieht man dann einen sterbenden Poirot. Fragen nach eventuellen Fortsetzungen dürften damit im Keim erstickt werden. Auch traue ich Suchet soviel Kenntnis und Rückrat zu, sich freien Adaptionen neuer oder nicht-poirot-bezogener Stoffe zu verweigern, damit seine bemerkenswerteste Rolle nicht so endet wie der Gemischtwarenladen "Marple" von ITV.

PS zur noch ausstehenden Staffel: Was auffällt, wenn man sich die verbleibenden Stoffe ansieht, ist, dass in diesen bemerkenswert viele Sidekicks für Poirot auftreten. Sowohl das neue als auch das alte Team an seiner Seite ist in den jeweiligen Vorlagen mehrfach zu sehen. Darf also gehofft werden, dass neben David Suchet, David Yelland und Zoë Wanamaker auch Hugh Fraser, Philip Jackson und Pauline Moran zurückkehren? Bei guter Gesundheit sind sie ja dankenswerterweise alle sechs noch.

PPS zu anderen Christie-Romanen: Eine originalgetreue Neuverfilmung von "Ten Little Niggers" würde mich schon freuen. Natürlich böte sich mit Richter Wargrave für David Suchet eine Musterrolle an.

kaeuflin Offline




Beiträge: 1.259

06.11.2010 13:58
#140 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov

PPS zu anderen Christie-Romanen: Eine originalgetreue Neuverfilmung von "Ten Little Niggers" würde mich schon freuen. Natürlich böte sich mit Richter Wargrave für David Suchet eine Musterrolle an.



An soetwas ähnlich habe ich vorhin auch gedacht- Zumal der Roman berühmt genug währe, um gute Einschaltquoten zu erreichen...

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Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

24.12.2010 13:33
#141 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Staffel 03, Episode 08:

The Theft of the Royal Ruby (Der Diebstahl des königlichen Rubins)


Mit: David Suchet. Als Gaststars: Frederick Treves, Stephanie Cole, David Howey, Tariq Alibai, Helena Michell, John Vernon, Nigel Le Vaillant, Robyn Moore u.v.a. Regie: Andrew Grieve. Drehbuch: Anthony Horowitz, Clive Exton. Erstsendung: 24.02.1991.

O Come All Ye Faithful
Joyful and triumphant,
O come ye, O come ye to Bethlehem.
Come and behold Him,
Born the King of Angels;
O come, let us adore Him,
O come, let us adore Him,
O come, let us adore Him,
Christ the Lord.


Schon vor „Hercule Poirot’s Christmas“ bescherte die „Poirot“-Serie mit David Suchet ihren Zuschauern eine besonderes weihnachtliches Vergnügen mit der Umsetzung der 1960 verfassten Kurzgeschichte „The Adventure of the Christmas Pudding“ unter dem Titel „The Theft of the Royal Ruby“. Suchet trägt diese Folge der dritten Staffel allein ohne Unterstützung seines gewohnten Teams, was zwar leider die Möglichkeit ausschließt, ein gemeinsames Weihnachten in den Whitehaven Mansions zu erleben, auf der anderen Seite aber eine umso stärkere Konzentration auf Poirot erlaubt. Dieser, in dem Glauben, ruhige Weihnachten mit Büchern und belgischer Schokolade zu Hause verbringen zu können, wird von zwei Herren im Auftrag des Foreign Office abgefangen und in einen Fall von nationaler Bedeutung verwickelt. Es kommt der lockeren, fröhlichen Weihnachtsstimmung zupass, dass die Staatsgeschäfte keineswegs in ernster Förmlichkeit gezeigt werden, sondern mit dem jungen ägyptischen Prinzen, der den titelgebenden Edelstein leichtfertigerweise an eine attraktive Dame vergab, ein heißblütiger, unüberlegter und unerzogener Gegenpart zum perfekt ausgestatteten Poirot geschaffen wird. Schon in Christies Original gibt es in den Hallen des Auswärtigen Amtes einigen Humor zu entdecken, als der für die Ermittlungen verantwortliche Mr. Jesmond den Detektiv von einer Zusammenarbeit zu überzeugen versucht:

Zitat von The Adventure of the Christmas Pudding
Again Mr Jesmond interrupted. „Christmas time,“ he said, persuasively. „An old-fashioned Christmas in the English countryside.“
Hercule Poirot shivered. The thought of the English countryside at this season of the year did not attract him.
„A good old-fashioned Christmas!“ Mr Jesmond stressed it.
„Me—I am not an Englishman,“ said Hercule Poirot. „In my country, Christmas, it is for the children. The New Year, that is what we celebrate.“
„Ah,“ said Mr Jesmond, „but Christmas in England is a great institution and I assure you at Kings Lacey you would see it at its best. It’s a wonderful old house, you know. Why, one wing of it dates from the fourteenth century.“
Again Poirot shivered. The thought of a fourteenth-century English manor house filled him with apprehension. He had suffered too often in the historic country houses of England. He looked round appreciatively at his comfortable modern flat with its radiators and the latest patent devices for excluding any kind of draught.
„In the winter,“ he said firmly, „I do not leave London.“


Wie gut, dass er es dennoch tut! Durch den Einblick in die Weihnachtsvorbereitungen und -festivitäten der Familie Lacey, ihre gemütliche Familienatmosphäre, Spieleabende und Festessen wird der Kriminalfall, in dem es in der Täterfrage keine nennenswerten Rätsel oder Überraschungen gibt, aufwändig ausgeschmückt. Das bedeutet nicht, dass die Folge inhaltlich anspruchslos ist: Die Verstrickungen um das Ableben der jungen Bridget werden so geschickt eingebaut, dass der Zuschauer mit den Kindern des Hauses mitleidet und eine Tragödie für unausweichlich hält. Auch hier zeigt sich Suchets schauspielerische Stärke.
Als schmeichelnd für die Ohren tut sich die Szenenmusik von Fiachra Trench hervor, deren hymnenhafte Melodie sowohl dem amtlichen als auch dem feierlichen Aspekt der Folge gerecht wird und obendrein noch ganz hervorragend zu der dynamischen Verfolgungsjagd am Ende der Episode passt. So gelingt das durch den „Diebstahl des königlichen Rubins“ eingeleitete Weihnachtsfest für die Laceys, für Hercule Poirot und auch für seine Anhänger zu einem vollen Erfolg und einem Höhepunkt der starken dritten Staffel.

Poirot in Bestform. Dass man nebenbei noch lernt, eine Mango zu öffnen, wird sich im praktischen Alltag als nützlich erweisen. 5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

19.01.2011 19:50
#142 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten



Erste Eindrücke zur dreizehnten Staffel (UK-Collection 8)

Nach dem schockierenden Ende der vorangegangenen Staffel mit „Appointment with Death“ besann man sich bei ITV glücklicherweise wieder der Wurzeln der Serie und fertigte vier sehenswerte Produktionen an, die sich gebührlich an ihre Vorlagen halten und Christies Werk alle Ehre erweisen. Herausgekommen sind deshalb bei dieser 2009 gedrehten und 2010/1 ausgestrahlten Staffel trotz großteils schwächerer Romanvorlagen vier erstklassige Filme ohne nennenswerte Kritikpunkte. Zentral für das Gelingen der Filme sind vier hervorragende Skripts. Stewart Harcourt wird dem großen Ego des „Orientexpress“ absolut gerecht und reichert die Grundidee mit substanziellen Gedanken über Recht, Unrecht, Religion, Schuld und Vergebung an. Damit wird aus dem realitätsfernen Ausflug in vergangene Glitzerwelten, wie der 1974er Kinofilm ihn anbietet, ein nach wie vor aktueller, eindringlicher Kampf um Gerechtigkeit. Aus allen anderen Romanen holten die Drehbuchautoren so viel wie nur irgend möglich heraus. So gelingt auch Harcourts zweites Plotting zu „The Clocks“ ganz hervorragend, was zu den schönen Schauplätzen in Dover und dem Flair passt, das stark an alte Serienfolgen erinnert. Zu „Hallowe’en Party“ hatte ich mich an anderer Stelle bereits lobend geäußert. Bleibt „Three Act Tragedy“ – eine Hommage an Theaterkunst und Theatralik, getragen von Martin Shaw und der perfekt zum Thema passenden Inszenierung.

Zusammenfassend: eine der besten Staffeln der Serie und ein guter Ausgangspunkt für den geplanten Abschluss der Reihe mit den kommenden Adaptionen. Detaillierte Besprechungen folgen nach mehrfachen Sichtungen.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

23.01.2011 13:03
#143 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Special 2010:

David Suchet on the Orient Express (Dokumentation)


Mit: David Suchet. Regie: Chris Malone. Erstsendung: 19.12.2010.

Mit welcher Freude und welch ungebrochenem Elan David Suchet bei der Verfilmung der Poirot-Romane von Agatha Christie nach wie vor bei der Sache ist, kann man erahnen, wenn man die Dokumentation „David Suchet on the Orient Express“ sieht. In Vorbereitung auf die Verfilmung des wohl berühmtesten Poirot-Krimis reist Suchet mit dem namhaften Luxuszug quer durch Europa; von London nach Folkestone, von Calais nach Paris, Innsbruck, Venedig, Wien und Prag. Auf der Reise begegnet er dem Team hinter den Kulissen des Zuges, den Passagieren und nicht zuletzt den Menschen und Plätzen, die die Route quer über den Kontinent ansteuert.

Zitat von „Ein Luxushotel auf Schienen“, Sächsische Zeitung am 16.09.2007
Staatsmänner und berühmte Persönlichkeiten nutzten [den Orient-Express] als Palast auf Rädern. Es war die erste transeuropäische Express-Verbindung auf Schienen. Nicht das Ziel war der Grund der Reise, sondern das Erlebnis. Sein Luxus stellte alle Züge in den Schatten: Schlaf- und Speisewagen waren mit wertvollen Gobelins, Samt und vierarmigen Gaskronleuchtern ausgestattet, die Tische mit Kristallgläsern und Porzellangeschirr gedeckt. Erlesene Speisen und edle Weine. Man traf Kurtisanen und Spione.


Suchet zeigt in enthusiastischen Worten auf, wie sehr der heutige Venice-Simplon Orient Express mit Ausnahme seiner Fahrgäste seinem historischen Vorbild der Vor- und Zwischenkriegsjahre gleicht. Das Erlebnis der Fahrt nährt sich aus Komfort und Pracht alter Tage, aus der noch immer erlesenen Gesellschaft und dem Gefühl, durch ein grenzenloses Europa zu reisen. Damit steht der Orient-Express, den Agatha Christie selbst oft für ihre Reisen zu Ausgrabungsstätten im Nahen Osten benutzte, als Symbol für Freiheit und Demokratie, für die Möglichkeit, seinen Aufenthaltsort fessellos zu wählen und nach Belieben innerhalb kurzer Zeit weite Strecken zurücklegen zu können. Man erfährt, dass der Roman „Murder on the Orient Express“ nicht nur auf der wahren Begebenheit der Entführung des Lindburgh-Babys basiert, sondern gleichsam auf einer Schlagzeile, die der Orient-Express im Jahr 1929 machte, als er rund 80 Kilometer von Istanbul entfernt für elf Tage in einer Schneewehe stecken blieb.*
Die größte Ehre der Reise wird David Suchet zuteil, als er zwischen Innsbruck und der italienischen Grenze am Brenner den Zug höchstselbst steuern darf. Für ihn geht damit ein Traum in Erfüllung, den er mit vielen Jungen teilt. In der Dokumentation, die Suchet auch selbst im Voiceover kommentiert, wird ersichtlich, wie klug, weise und in sich ruhend der Schauspieler des Hercule Poirot tatsächlich ist und welch eine vorzügliche Wahl man für die Besetzung der Rolle seinerzeit traf. Im Gegensatz zu so gut wie allen anderen Schauspielern klassischer Detektive fürchtet er nicht um seine Karriere, wenn er Poirot über eine Spanne von unterdessen mehr als 20 Jahren spielt und der Belgier richtiggehend zu seinem alter ego wird. Er nimmt die Figur und die mit ihr verbundene Aufgabe, die er als seine Lebensaufgabe ansieht, nach wie vor sehr ernst und ist Agatha Christies Schöpfung eng verbunden. Suchet schafft es ohne Skandale oder Auffälligkeiten, nur durch sein künstlerisches Schaffen, seine einnehmende Persönlichkeit und die Intelligenz, sich für das, was er tut, mit Leib und Seele einzusetzen, ein Denkmal für Millionen von Menschen zu hinterlassen. Auf dieses lebendige Vermächtnis kann er schon jetzt stolz sein.

Die Dokumentation „David Suchet on the Orient Express“ zaubert ein Lächeln nicht nur auf die Gesichter von Eisenbahnliebhabern, sondern stellt einen eigenen, mit fiktiven Folgen gleichwertigen Teil der Serie „Agatha Christie’s Poirot“ dar, den man unbedingt gesehen haben muss. Ich bedaure, dass viele Fans der Reihe sich durch den Kauf der holländischen DVD-Edition um das Vergnügen gebracht haben, sich dieses aufschlussreiche und wohltuende Programm anzuschauen. 5 von 5 Punkten.

*) Ein zeitgenössisches Foto des winterlichen Zwischenfalls kann unter diesem Link betrachtet werden.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

23.01.2011 13:42
#144 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Das verlinkte Bild findet sich auch in meinem Buch "Orient-Express - Glanz, Niedergang und Wiedergeburt eines Luxuszuges" von Werner Sölch (Alba-Verlag, 1998). Dazu steht folgendes:

"Internationaler Zug eingeschneit in Cerkesköy in der Türkei 1929 mit 1D-Lokomotive der Orientbahn, bahneigenem Gepäckwagen und, dahinter zu erkennen, hölzernem ISG-Schlafwagen. Der bahneigene Gepäckwagen deutet darauf hin, dass es sich um den Direct-Orient und nicht, wie vielfach angegeben, um den Simplon-Orient-Express handelt." (Seite 49)

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

23.01.2011 14:23
#145 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten



BEWERTET: "Maskenball" (The Affair at the Victory Ball)
Collection 1 Folge 9 (DVD-Box von polyband), Erstausstrahlung: 3. März 1991


"Viscount Cronshaw war der fünfte Viscount, fünfundzwanzig Jahre alt, reich, nicht verheiratet und liebte die Welt des Theaters. Es gibt Gerüchte, dass er mit Miss Courtenay vom Albany-Theater verlobt war, die von ihren Freunden Coco genannt wurde und nach allem, was man so über sie hört, eine faszinierende junge Dame sein muss."
Hercule Poirot und sein Freund Captain Hastings haben diesmal das Vergnügen, in die geheimnisvolle Welt der klassischen Unterhaltung einzutauchen. Sie werden von Mister Ackerley von der BBC zum Siegesball eingeladen, wobei sie nicht nur einigen Figuren der berühmten "Commedia dell'arte" begegnen, sondern später auch die Möglichkeit haben, zu sehen, wie ein Hörspiel produziert wird. Dadurch, dass die beteiligten Personen die historischen Kostüme tragen, bekommen die Ermittlungen einen nostalgischen Anstrich. Poirot erweist sich auch hier wieder als Kenner der Materie, der dadurch in der Lage ist, gewisse Abläufe zu deuten und den Mordhergang zu entschlüsseln. Der feine Unterschied, der zwischen der Lebensweise des Belgiers Hercule Poirot und der seiner britischen Freunde immer noch besteht, wird in dezent inszenierten Momenten betont. So hört Captain Hastings etwa den Wetterbericht im Radio, der ihm Auskunft darüber geben soll, ob er am Abend einen Schirm mitnehmen soll. By the way: "Bis zu Beginn der Sechziger Jahre verließ kein respektabler Mann das Haus, ohne einen Regenschirm mit langem Stock in der Hand zu halten. Das war ein Statussymbol. Dazu kam, dass die Herren in der Londoner City generell alle einen Bowlerhut trugen, dessen empfindliches Material unbedingt vor Regen geschützt werden musste." (Jonathan Wardle, Manager des Londoner Geschäfts James Smith & Sons, ADAC Reisemagazin Südengland und London, Sept./Okt. 2003)
Poirot, der lieber seine Briefmarken sortieren würde, lässt sich erst zum Ball überreden, als Hastings ihm ein schmeichelhaftes Kompliment des BBC-Direktors übermittelt. Aus seiner "unbritischen" Eitelkeit hat er nie ein Geheimnis gemacht. Deshalb kostümiert er sich nicht, da er in Zivil ohnehin bereits eine berühmte Persönlichkeit darstellt.
Die Auffindung der Leiche um Mitternacht, als die Luftballons in den britischen Nationalfarben von der Decke fallen und die Entdeckung der toten Coco durch James Japps Leute, stellen für Poirot eine Denkaufgabe dar. "Die Dinge `mit eigenen Augen sehen´, wie es so schön heißt, bedeutet nicht immer, die Wahrheit zu sehen. Man muss mit den Augen des Verstandes sehen, muss seine kleinen grauen Zellen arbeiten lassen." Der Mörder rechnete nicht damit, dass ein gebildeter Mann wie Poirot am Tatort sein würde. Er glaubte, die Ausnutzung seines Wissens um die Bedeutung der Kostüme würde einen durchschnittlich begabten Polizeibeamten überfordern.
"Ich will damit sagen, dass Sie heute Abend und auf dem Ball nicht sechs, sondern nur fünf Figuren gesehen haben."
Die Vermengung zwischen Indizienüberführung (der smaragdgrüne Pompon, das Kokaindöschen) und der Anwendung einer Überrumpelungstaktik (Was hätte Eustace Beltane wohl gesagt, wenn Chris Davidson die wertvolle Porzellanfigur nicht aufgefangen hätte?) verhelfen dem Detektiv zum Erfolg. Im Gegensatz zur Vorlage entlarvt Poirot den Täter nicht bei sich zuhause, sondern live vor dem Radiopublikum der BBC, das es ihm leider nicht dankt, sondern ihn wegen seines fremdländischen Akzents ablehnt. Doch Poirot steht über den Dingen; James Japp bekommt den schwarzen Peter und wird wegen seiner saloppen Ausdrucksweise von Poirot gerügt.
"Mord auf dem Siegesball" verwendet Elemente aus "Das Haus an der Düne": Es gibt die mondäne, aber drogensüchtige junge Frau, die einen vermögenden Freund hat (Coco - Frederica), den gewissenlosen Lieferanten aus dem Freundeskreis (Chris Davidson - Commander Challenger) und die unscheinbare, zerbrechlich wirkende Frau (Mrs. Davidson - Maggie Buckley). Welche Parallelen würde John Curran in seinen "Secret Notebooks of Agatha Christie" noch finden?
Zitate aus der Sammlung: "Hercule Poirots größte Trümpfe" (Fischer-Tb-Verlag, 2008)

Die "Commedia dell'arte" umfasst außer den in der Geschichte genannten Arlecchino, Colombina, Pulcinella, Pulcinello, Pierrot und Pierrette, noch weitere Figuren: Balanzone, Brighella, Capitano Spaventa, Dottore, Florindo, Gianduia, Meneghino, Pantalone, Rugantino, Scaramuccio, Stenterello und Tartaglia.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

13.02.2011 15:09
#146 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Bewertet: "Das Rätsel von Cornwall" (Originaltitel: "The Cornish Mystery")
Collection 2, Episode 5, deutsche DVD-Veröffentlichung von Polyband

Diese Folge der Reihe gehört zu denen, die ich mir am öftesten ansehe. Da ich nun anhand der Kurzgeschichtensammlung "Auch Pünktlichkeit kann töten" die Vorlage zu Rate ziehen kann, möchte ich die Episode nun endlich besprechen.
Sie führt unseren Freund Poirot in die ländliche Idylle des Dorfes Polgarwith, dessen zauberhafte Gärten und Backsteinhäuschen natürlich ebenso von bösen Zungen, niederträchtigen Erbschleichern und engstirnigen Nachbarn bewohnt werden wie anderswo. "In den Straßen eines Landstädtchens konnte man einer Frau wie Mrs. Pengelley hundertmal am Tag begegnen." So geschieht es, dass Poirot und Captain Hastings erst am Tag nach dem Besuch der Frau in deren Heimatdorf reisen. Bei ihrer Ankunft müssen sie erfahren, dass ihre Klientin in der Zwischenzeit gestorben ist. Poirot macht sich schwere Vorwürfe und beschließt, im Sinne der Verstorbenen, die Umstände ihres Todes aufzuklären. Im Gegensatz zu anderen Fällen, liegt hier eine sehr klassische Auswahl an Verdächtigen vor: Edward Pengelley, der Ehemann; Freda Stanton, die Nichte, sowie Jacob Rednor, der Freund der beiden Frauen. Alles scheint klar und überschaubar, weshalb sich auch Chief Inspector Japp wie im Urlaub wähnt, als Wochen später der Mordprozess gegen den Ehemann stattfindet. Poirot blickt jedoch tiefer und misst den psychologischen Begleitumständen -im Gegensatz zum Dorfarzt oder der Nichte von Mrs. Pengelley- große Bedeutung bei. Ausschlaggebend für den Mord waren allein pekuniäre Motive, doch um an das Geld der alten Frau zu kommen, müssen zunächst Gefühle in Aufruhr gebracht werden. Der Mörder treibt ein doppeltes Spiel und es ist bemerkenswert, wie Poirot mit ihm abrechnet. Ein kleiner, aber feiner Unterschied zeigt sich in der Gewährung des Vorsprungs. "Vierundzwanzig Stunden muss also der arme Pengelley noch länger Angst schwitzen und das hat er redlich verdient, denn er hat tatsächlich seine Frau betrogen, und Sie wissen ja, ich halte große Stücke aufs Familienleben."
Seltsamerweise wird immer nur der Altersunterschied zwischen Jacob Rednor und Mrs. Pengelley angeprangert ("Sie war über fünfzig, und Jacob ist noch nicht ganz dreißig!"), während es Edward Pengelley nicht übel genommen wird, dass er sich mit Miss Marks, der "semmelblonden Sprechstundenhilfe" Mitte Zwanzig, verlobt. Gleiches Recht für alle? Weit gefehlt. Während Männern Affären aller Art zugestanden werden, darf eine Frau wie Mrs. Pengelley, "die sich nach Romantik, nach Abenteuern sehnt, ehe es zu spät ist", in den Augen der Öffentlichkeit kein Interesse für junge Männer zeigen - es sei denn, sie unterstütze sie finanziell. Jacob Rednor wollte freilich nicht mehr länger warten und griff zum Arsen.
Ein zeitloser Kriminalfall, gewürzt mit vielen humorvollen Anspielungen. Captain Hastings wird wieder einmal als Bewunderer weiblicher Schönheit, der sich leicht blenden lässt und niemals hinter die Fassade blickt, dargestellt; während sich Japp vor allem den kulinarischen Freuden widmet, die die kernige Landküche für ihn bereithält.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

13.02.2011 15:19
#147 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Bewertet: "Der unglaubliche Diebstahl der Bomberpläne" (Originaltitel: "The Incredible Theft")
Collection 4, Folge 8, deutsche DVD-Veröffentlichung von Polyband

Wieder einmal sind es die zeitgenössischen Anspielungen, die den Reiz dieser Episode vergrößern. Der Kriminalfall liegt dergestalt, dass man vom einen zum anderen Mal nicht mehr weiß, wer auf welche Weise die Berechnung des neuen Kampfflugzeugs entwendet hat. Poirot wird von der Ehefrau des Flugzeugbauers Mayfield eingeladen, das Wochenende bei ihnen zu verbringen, um dabei eine Amerikanerin unter die Lupe zu nehmen, die hinter den geheimen Plänen her ist. In den Gesprächen bei Tisch kristallisieren sich verschiedene Standpunkte heraus; das Gewinnstreben der Waffenproduzenten und die Ansichten des Außenministers Anthony Eden werden ebenso erwähnt wie "Winnie" (Winston Churchill), der italienische Führer Mussolini und der japanische Kaiser. Selbst Poirot bleibt vom britischen Nationalstolz nicht verschont: Er wird als "frog", also als "Franzmann" verspottet. Der Studenten-Sohn von Sir George beweist als einziger Anwesender Sinn für Kritik, doch seine Bemerkungen gehen im Wirbel um den Diebstahl unter. Um der Episode ein wenig Leichtigkeit und Witz zu verleihen, quartierte man Captain Hastings im gleichen Zimmer wie Chief Inspector Japp ein. Seine Berichte über Japps Benehmen sind ebenso charakteristisch wie Miss Lemons Weigerung, eine Anruferin zu Poirot durchzustellen, wenn sie deren Namen nicht in ihre Kartei aufnehmen kann. Der Aussage "Zuerst das Leben und dann die Akten!" kann die ordnungsliebende Sekretärin wenig abgewinnen.
Neben der Frage, wer das fehlende Blatt aus dem Arbeitszimmer gestohlen hat, hält Poirot eine rasante Autofahrt auf Trab: Captain Hastings darf erneut mit einem Polizeiwagen seine Fahrkünste beweisen, als Mrs. Vanderlyn zum Landsitz des deutschen Botschafters unterwegs ist.
Neben der Betonung der eleganten Garderoben der Anwesenden (mit Ausnahme des geschmacklosen silbernen Abendkleides, das Mrs. Vanderlyn trägt), legte man großen Wert auf die Schauplätze: der Londoner Zoo mit seinem Pinguin-Becken wird ebenso gezeigt wie das Anwesen der Mayfields und das Dorfgasthaus "The Three Crowns".

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

20.02.2011 20:48
#148 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

BEWERTET: "Hallowe'en Party" - Britische Collection 8

"George, at this time of the year in Belgium, it is the custom to light the candles in the memory of the dead, not to tell the stories macabre."

Hercule Poirot sitzt am 31. Oktober in seinem gemütlichen Wohnzimmer und lauscht einem Kriminalhörspiel. Als seine Freundin Ariadne Oliver anruft und ihm mitteilt, dass in ihrem Feriendomizil auf dem Lande ein Mord passiert ist, zögert er nicht lange und fährt mit der Bahn dorthin. Ein Kind ist ertränkt worden.
Das Mordopfer Joyce Reynolds war eines jener pummeligen Mädchen, die nie besonders beliebt sind und mit ihren wenigen Freunden meistens morbide Geheimnisse teilen. Sie machen sich gern wichtig, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der Tod der "dicken Biene" erregt deshalb weniger Mitleid, als es der Mord an einem Kind üblicherweise tut. Aufschneider fallen nun mal gern auf die Nase und in diesem Fall vornüber in den nassen Tod. Todesfälle beschäftigen die Phantasie der Menschen - besonders in einem kleinen Ort, doch diesmal zeigt selbst die Polizei wenig Enthusiamus. Ein unbekannter Verrückter -von denen nach dem Krieg genügend herumirren- könnte durch das Fenster gelugt und das Mädchen hinterrücks getötet haben. Hercule Poirot ist von der nächstbesten Lösung weit entfernt und seiner ruhigen, methodischen Arbeitsweise verdanken wir es, dass der Fall nicht ins Reich von Mystik und Vorsehung abgleitet -wie es angesichts der Ausgangssituation leicht passieren hätte können- sondern, dass allen Spuren nachgegangen wird. Der Auftakt der Geschichte ist wunderschön inszeniert. Im Dunkel einer Gewitternacht weisen gruselig erleuchtete Kürbisse den Weg zur Kinderparty, die sich mit traditionellen Spielen über Wasser hält, bis das Schneewittchen in den Apfel beißen muss - und stirbt. Daher wohl der deutsche Titel des Romans. Die goldgelben Blätter der herrschaftlichen Bäume; die lodernden Feuer, die das Unkraut verbrennen und der schleichende Nebel, der Gestalten verhüllt und wieder freigibt, werden von der Kamera gerne aus der Vogelperspektive eingefangen. Der Film setzt sehr auf die herbstliche Atmosphäre. Eine Mischung aus Erntedank und Moder verbindet sich geschickt mit den Todesfällen, die meist in Rückblenden gezeigt werden. Das Kernverbrechen wird nie aus den Augen gelassen, sucht seinen Ursprung jedoch erfolgreich in der Vergangenheit und offenbart drei verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, die nach und nach gedeutet werden.
In einem angespannten Zusammensein am Ende klärt Poirot den Fall auf und präsentiert eine Lösung, die den Anwesenden den Atem raubt. Wie Puzzleteile greifen die einzelnen Todesfälle ineinander und fügen sich zu einem Abbild des Schreckens. Menschliche Tragödien werden als alltägliche Vorkommnisse gezeigt, die selbst das Leben einer Organistin oder eines Kanzleigehilfen durchkreuzen. Die Sorge um die Würde einer Toten, die Angst um das Bleiberecht in einer Gemeinde oder die Furcht vor den "langen Schatten der Sünde" werden nur von der Gier nach Geld und Besitz übertrumpft.
Ariadne Oliver kann diesmal wenig mehr tun, als Poirot mit ein paar Fakten vertraut zu machen, da sie mit Grippe darnieder liegt. Für den spärlichen Humor sorgt ihre Bemerkung über Poirots enge Lackschuhe, die für die feuchte Erde des Landes nicht geeignet sind. Mit dem Gang in die Kirche schließt sich der Kreis am Ende des Films. Poirot zeigt seine religiöse Seite, als er in Respekt vor dem Mordopfer beim Auffinden der Leiche das Kreuzzeichen macht. Solche Hinweise auf die ernste Seite des erfolgreichen Detektivs gibt es in den neueren Folgen der Serie des öfteren. Poirot steht selbst am Scheideweg. Er folgt bedächtig der Spur seines Lebens, die ihn von der Leichtigkeit seiner Anfangsjahre (Whitehaven Mansions inklusive Captain Hastings und Miss Lemon) zu den Prüfungen des Alters führt. Eine Karriere, die mit "Vorhang" enden wird. David Suchet beweist in "Hallowe'en Party" erneut, dass er der richtige Mann für diese Rolle ist. Er ist in all den Jahren gereift und hat die Figur weiterentwickelt, was nur wenigen anderen Darstellern gelingt - einerseits, weil sie nicht die Geduld des Mimen besitzen, andererseits, weil ihre Kräfte oder ihr Interesse an einer Rolle nachlassen. Suchet hingegen hat seinen Auftrag stets vor Augen und das Publikum dankt es ihm mit stiller Anteilnahme und warmer Sympathie.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

17.08.2011 20:41
#149 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten



BEWERTET: "The Clocks" (dt. "Auf doppelter Spur") UK 2010
mit: David Suchet (Hercule Poirot), Tom Burke (Lt. Colin Race), Jamie Winstone (Sheila Webb), Anna Massey (Miss Pebmarsh), Sinead Keenan (Nora Brent), Phil Daniels (Inspector Hardcastle), Lesley Sharp (Miss Martindale), Anna Skellern (Fiona Hanbury), Olivia Grant (Annabel Larkin), Andrew Havill (Sven Hjerson), Frances Barber (Merlina Rival), Tessa Peake-Jones (Val Bland), Jason Watkins (Joe Bland), Stephen Boxer (Christopher Mabbutt), Andrew Forbes (Professor Purdy) u.a. Regisseur: Charles Palmer

„Auf der östlichen Kreideklippe ragt unübersehbar Dover Castle auf, eine der größten Burganlagen in Europa. Um 1170 ließ Heinrich II. den mächtigen Burgfried errichten. Interessanter noch als die Festung sind die unterirdischen Tunnelsysteme, die bis 1985 der militärischen Geheimhaltung unterlagen. Im Zweiten Weltkrieg arbeitete hier ein großer Kommandostab. Von Dover Castle aus organisierten die Briten und ihre Verbündeten die Evakuierung der 1940 in Dünkirchen eingeschlossenen alliierten Truppen und später dann die Landung in der Normandie.“ (Werner Halmert in „England – Der Süden“, Reise Know-How Verlag, 1994)

Wie in den meisten Umsetzungen eines Romans von Agatha Christie, änderte man auch in diesem Fall einige Punkte aus der Vorlage, um dem Film Tiefgang zu geben und zeitgenössisches Kolorit einfließen zu lassen. Aus Colin Lamb, dem Meeresbiologen, wurde Marine-Leutnant Colin Race, der Sohn von Colonel Race, einem alten Freund von Hercule Poirot. So wurde die Verbindung Poirots zur Handlung hergestellt, der sich des Falles auf Anraten des Vorgesetzten von Colin Race annimmt und es dabei mit einem Inspektor zu tun bekommt, der nur widerwillig Einblick in seine Ermittlungen gibt und keine Gelegenheit auslässt, um Poirot wegen seiner zurückhaltenden Vorgehensweise und seinem Interesse für Kleinigkeiten zu kritisieren. Liebevoll eingestreute Reminiszenzen auf Poirots Angewohnheiten (seine Abneigung gegen die schwülstigen Theaterstücke seiner Bekannten Ariadne Oliver, sein Bedürfnis nach Sauberkeit und Komfort und sein Ordnungssinn) lassen das Flair der frühen Folgen ebenso aufkommen, wie der gewählte Schauplatz, der durch seine Frische und die eleganten Gebäude besticht. Im Zentrum des Interesses steht Sheila Webb, die in fürsorglicher Weise von Colin Race unterstützt wird, der erst wenige Tage zuvor seine Freundin Fiona Hanbury bei einem Autounfall verloren hat. So romantisch ging es bei Mrs. Christie nicht zu: Hanbury, der bei einer Observierung zu Tode kommt, war in der Vorlage ein Mann.
Tom Burke (* 1981), Sohn von David Burke (erster Darsteller des Dr. Watson an der Seite von Jeremy Brett) und Anna Calder-Marshall, meistert seinen Part mit Feingefühl und Contenance, wobei schon sein erstes Treffen mit Sheila Webb Sympathie und Verständnis verheißt, was angesichts der ihn umtreibenden Suche nach dem Haus der Spione nicht selbstverständlich ist. Dass er seine große Liebe so schnell vergisst und sich Sheila Webb zuwendet, wird in dem romantischen Sog, in den das Publikum gezogen wird, gern übersehen, ist aber vielleicht ein schlechtes Omen für die Haltbarkeit dieser Beziehung – obwohl im Originalroman am Ende eine Heirat der beiden angekündigt wird. Seine Partnerin Jamie Winstone, auch Jaime Winstone (* 1985), brilliert als verfolgte Sheila Webb, die im Fokus der Polizeiermittlungen steht und durch weiße Flecken in ihrer Biografie und ihrem Privatleben auch menschlich angreifbar wird. Ihre Verletzbarkeit wird durch Gerüchte über die Verbindung zu Professor Purdy und dem Auffinden der Tatwaffe in ihrer Handtasche unterstrichen.
Leider überzeugt die Auflösung nicht vollends. Zu verworren sind die Hintergründe über die zweite Mrs. Bland aus Kanada; die angebliche Witwe des erstochenen Mannes und die Verquickung der Dame aus dem Schreibbüro. Dass die beiden Verbrechen – der Spionagefall und der Mord – nichts miteinander zu tun haben, macht die Sache auch nicht leichter. Wenigstens dürfen wir uns freuen, dass der in höchstem Maße schleimige, scheinheilige und kaltblütige Mr. Bland seinem Henker zugeführt wird. Der Suspense-Faktor mit dem jüdischen Ehepaar aus München ist dafür umso stimmiger inszeniert und liefert den berühmten „roten Hering“.
Abschließend noch ein paar Betrachtungen zu Hercule Poirots Literaturgeschmack: In „The Clocks“ steht der Kriminalautor Garry Gregson im Mittelpunkt der Tätigkeiten Miss Martindales. Poirot findet in seinen Werken den Schlüssel zur Entlarvung des Täters.

Zitat von Agatha Christie: Auf doppelter Spur (The Clocks, 1963)
„Bei Garry Gregson geschieht zuviel, und zwar auf unwahrscheinliche Weise und bei völliger Konfusion. Es ist ein mit dem Stock umgerührtes Melodrama. Blutvergießen – Leichen – Anhaltspunkte – Spannung: Alles bis zum Überlaufen angehäuft. Alles sehr gespenstisch, lebensfremd. Ich mag ihn nicht“, schloss Poirot seufzend und ging zu den amerikanischen Autoren.


Fazit: Eines der schwächeren Spätwerke von Agatha Christie, aus dem das Drehbuch-Team das Beste herausgeholt hat. Nostalgische Schauplätze, begabte Jungdarsteller und ein konstant würdevoll agierender David Suchet verleihen dem Film Klasse.

kaeuflin Offline




Beiträge: 1.259

17.08.2011 22:30
#150 RE: David Suchet ist Hercule Poirot - Episodenbewertungen Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister



Fazit: Eines der schwächeren Spätwerke von Agatha Christie, aus dem das Drehbuch-Team das Beste herausgeholt hat. Nostalgische Schauplätze, begabte Jungdarsteller und ein konstant würdevoll agierender David Suchet verleihen dem Film Klasse.




Das der Roman schwach wäre, könnte ich wiklich nicht behaupten - im Gegenteil ich halte ihn für einen der stärkeren späten Christie Werke - wenn ach einesder eher unbekannten!

Es sind diese Auflösungen die nur Christie bring - Am Ende stehen die scheinbar zusammenhängenden Dinge in überhaupt keiner Beziung zueinander.

Den Film halte ich für den besten dieser Staffel - eine Tolle Umsetung eines ordentlichen Romans.

Mag der Buchswald tot sein, der Buchsgeist lebt weiter!

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