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Dieses Thema hat 213 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
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Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

30.06.2009 18:41
#61 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten


Sabotage (Sabotage) – #20

Mit: Sylvia Sidney, Oskar Homolka, John Loder, Desmond Tester, Joyce Barbour, Matthew Boulton, S.J. Warmington, William Dewhurst, Clare Greet u.v.a. Regie: Alfred Hitchcock. Drehbuch: Charles Bennett. GB 1936.


Dieser Kommentar enthält Spoiler.
Wenn ich die Bewertung für „Sabotage“ in ein Wort fassen müsste, so würde ich das Wort „Lokalkolorit“ wählen. Es sind die wundervollen Aufnahmen eines Londons der vergangenen Zeit, die begeistern und erfreuen. Es sind einerseits die Aufnahmen abseits der Touristenpfade, die Aufnahmen einer x-beliebigen Straße, einem x-beliebigen Filmtheater, einer scheinbar x-beliebigen Personenkonstellation vor dieser Kulisse, doch andererseits ist es auch der repräsentative Charme von Piccadilly Circus, dem London Aquarium und einer Lord Major’s Show. All dies drückt „Sabotage“ den unverkennbaren Stempel seiner Entstehungszeit auf und verdeutlicht gleichsam den Kontrast zwischen dem anheimelnden Gefühl, alles sei in Ordnung, und dem sich als weitreichend und skrupellos darstellenden Titelthema des Films...

Hitchcock mochte den Film aus mehreren Gründen nicht, die ich allesamt nur teilweise oder überhaupt nicht nachvollziehen kann. Zunächst die Besetzung. Hitchcock sagte:

Zitat von Alfred Hitchcock
Der Schauspieler John Loder, der den Kriminalbeamten spielt, [passte] nicht zu der Figur. [...] Von Sylvia Sidney hätte ich mir etwas mehr Bewegung in ihrem Gesicht gewünscht.

Neben Hauptdarsteller Oskar Homolka, der den aus finanziellen Gründen auf die schiefe Bahn gekommenen, zunächst vor jeder kriminellen Tat mit sich hadernden, sich nach dem Tod Stevens jedoch als eiskalter Verbrecher entpuppenden Kinobesitzer spielt und in dieser Rolle ganz eindeutig brilliert, wirken gerade Sylvia Sidney als seine junge Frau und John Loder als als vorwitziger Gemüsehändler getarnter Scotland-Yard-Mann lange nach. Sie sind die Gesichter des Films und tragen einen ebenso großen Teil seiner Anziehungskraft bei wie die Fähigkeit des Regisseurs. Als vierten und fünften im Bunde möchte ich den kleinen Steven, überzeugend tragisch gespielt von Desmond Tester, und Loders Scotland-Yard-Kollegen Superintendent Talbot erwähnen, der in einer ähnlichen Rolle später auch neben Basil Rathbones Sherlock Holmes in „Die Frau in Grün“ auftauchen durfte.
Zitat von Alfred Hitchcock
Aber außerdem ist mir ein schlimmer Fehler unterlaufen: der kleine Junge, der die Bombe transportiert. Wenn jemand eine Bombe transportiert, ohne es zu wissen, wie ein einfaches Paket, versetzen Sie das Publikum in einen sehr starken Suspense. Während seines Weges ist die Figur des kleinen jungen dem Publikum so sympathisch geworden, daß ich es mir eigentlich nicht leisten konnte, ihn sterben zu lassen, bei der Explosion der Bombe im Autobus.

Alfred Hitchcock führte den Tod Stevies immer wieder als den größten Fehler seiner Laufbahn an und war der festen Meinung, er hätte die Bombe nicht hochgehen lassen dürfen, weil das Publikum nach dem Aufbau der Spannung – und die Spannung ist in dieser Szene wirklich extrem! – eine positive Erleichterung gebraucht hätte. Dies ist insofern streitbar, als man auf den Tod des Jungen um des weiteren Handlungsverlaufs willen auf keinen Fall hätte verzichten können und als man in der sich bald darauf anschließenden Todesszene von Oskar Homolka eine Rache serviert bekommt, die einer andersförmigen Erleichterung mindestens ebenbürtig ist.
Es ist damit vor allem diese großartige Todesszene sowie der Clou am Ende, der das in ihr sehr emotional gezeigte Verbrechen offiziell wieder ungeschehen macht, die den Zuschauer nach den Minuten des Bangens wenn nicht unbedingt froh, so doch wieder zufrieden stimmen, kann die Gerechtigkeit doch am Ende einen kleinen und stillen Triumph erzielen. Hierin besteht auch der Charme des Films: Er ist – trotz aller Brutalität und Explosionen – klein und still. Er hat nichts gemein mit einer großen, glattgebürsteten Hollywood-Produktion, sondern erzählt eine kurze, aber erschütternde Geschichte um einen winzigen Kreis von Menschen. Dies manifestiert sich nicht nur in dem Hauptschauplatz, der Wohnung als Hinterzimmer des kleinen Kinos, sondern allein schon in der Länge des Films, der mit 73 Minuten Lauflänge aufzeigt, dass es der Inhalt ist, der die Dauer eines guten Streifens bestimmt.

„Sabotage“ schockierte die Zuschauer eh und je mit einem von Hitchcocks vielleicht schrecklichsten Verbrechen. Der düstere Ton sowie das Fehlen von Humor verhinderten im Zusammentreffen mit dieser bestürzenden Handlung, dass aus dem Film ein Sonntagnachmittag-Klassiker werden könnte. Doch dank der charismatischen Darsteller, der sorgfältig aufgebauten Atmosphäre und dem stimmigen Ende verdaut man bald, was einem an Schrecken präsentiert wurde und kann mit einem Blick auf das kleine Prachtstück sagen: „Hitchcock, auch wenn’s dir nicht gefällt; gut ist’s trotzdem.“ 5 von 5 Punkten.



Mein DVD-Tipp für „Sabotage“:
Sieben Filme aus Hitchcocks früher, britischer Phase versammelt die DVD-Kollektion „Alfred Hitchcock: The Early Years“ vom Label Concorde Home Entertainment. Neben „Sabotage“ sind enthalten: „Der Mieter“ (The Lodger), „Bergab“ (Downhill), „Der Mann, der zuviel wusste“ (The Man Who Knew Too Much), „Der Geheimagent“ (Secret Agent), „Jung und unschuldig“ (Young and Innocent) und „Eine Dame verschwindet“ (The Lady Vanishes).
Der Transfer von „Sabotage“ zählt zu den besten weltweit und wenn er auch nicht makellos ist, so kann er aufgrund des Alters des Films schon als zufriedenstellend bezeichnet werden. Er ist zwar nicht so sauber bereinigt wie der der amerikanischen „Hitchcock Premiere Collection“ von MGM, doch er zeigt Details klarer und schärfer sowie mit besserem Kontrast. Zu keiner Zeit ist es unangenehm, dem Concorde-Master zu folgen. Wie alle Filme der Edition ist auch „Sabotage“ trotz Ausstrahlung im deutschen Fernsehen, für die vermutlicherweise eine Synchronisation angefertigt wurde, nur im englischen Originalton aufgespielt. Deutsche Untertitel sind vorhanden und helfen, dem sich schnell entwickelnden Geschehen und einigen dahingemurmelten Dialogen, teilweise in ausländischem Dialekt, besser folgen zu können.
Bonusmaterial gibt es auf der Disc keines, aber auf einer Bonusdisc findet sich eine allgemeine Dokumentation zu den Frühwerken Hitchcocks. Darüber hinaus erhält man ein sehr nettes Booklet mit Film- und Inhaltsangaben, Beschreibungen zur Entstehungsgeschichte und Besonderheiten der Werke, einer Hitchcock-Filmografie und verschiedenen Filmfotos sowie ein Kleinposter mit allen Filmplakaten. Eine ansprechende Box, die bei den meisten Filmen die beste DVD-Umsetzung weltweit bietet und auch mit einem attraktiven, edel silbrigglänzenden Coverbild ausgestattet ist.

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Gubanov ( gelöscht )
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11.07.2009 20:26
#62 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten


Der Fall Paradin (The Paradine Case) – #33

Mit: Gregory Peck, Ann Todd, Charles Laughton, Charles Coburn, Ethel Barrymore, Louis Jourdan, Valli, Joan Tetzel, Leo G. Carroll, John Goldsworthy u.v.a. Regie: Alfred Hitchcock. Drehbuch: James Bridie, Ben Hecht, Alma Reville, David O. Selznick. USA 1947.


Dieser Kommentar enthält Spoiler.
Einen ungewöhnlichen Einstieg in eine Kriminalhandlung bietet „Der Fall Paradin“, Alfred Hitchcocks oft kritisierter Film aus dem Jahr 1947. Nicht die polizeilichen Ermittlungen oder entsprechende Gegenaktionen der Verdächtigen oder anderer privat interessierter Gruppen stehen im Mittelpunkt des ersten Filmteils und das eigentlich beschriebene Verbrechen schon gar nicht. Warum auch? Es ist schließlich nichts aufsehenerregendes, was dort zum Zentrum des Interesses gemacht werden soll. Ein einfacher Giftmord, eine einfache Beziehungskiste. So will man uns jedenfalls weismachen, denkt sich der Zuschauer – irrt sich aber in diesem Punkt, denn auf was läuft es am Ende tatsächlich hinaus: auf einen einfachen Giftmord, auf eine einfache Beziehungskiste. Doch warum bin ich schon am Ende, wenn es mir eigentlich um den Anfang geht? Der Film beginnt mit der Verhaftung der Tatverdächtigen, der titelgebenden Mrs. Paradin (oder Paradine, wie es das Original will). Diese, dargestellt von gesondert angekündigtem Filmneuling (Alida) Valli, soll als Porträt einer außergewöhnlichen, einer beeindruckenden Frau gezeichnet werden, was durch die ihre Vergangenheit preisgebenden Dialoge sowie durch die Auflösung der Tat ziemlich misslingt. Am Schluss bleibt sie doch nur eine ordinäre Mörderin.
Dieser Zwiespalt wird von Alida Valli, die beide eher verunglückten Seiten ihrer Figur bestmöglich zu retten versucht, ordentlich dargestellt. Ihr beherrschtes Äußeres täuscht den Zuschauer eine Zeitlang effektiv über den nicht vorhandenen Twist in der Story hinweg. Auch die anderen weiblichen Rollen sind nicht sonderlich aussagekräftig, aber im Rahmen der Möglichkeiten sehr gut besetzt. Die fast schon zu biederer Hausfrauenart tendierende Ann Todd und die schnippische, junge Joan Tetzel drücken dem Film ihren Stempel auf und lassen ihn als einen Film der verunglückten, aber nachhaltig gespielten Frauenrollen erscheinen.
Weniger positiv fällt mein Fazit bei den Herren der Schöpfung aus. War es noch Gregory Pecks Verdienst in „Spellbound“, die Unsicherheit über die Krankheit und Vergangenheit des Protagonisten im Zuschauer zu erwecken, so wirkt der schmal und schüchtern aussehende Peck hier als erfolgreicher Anwalt von erstklassigem Ruf schlicht und ergreifend fehlbesetzt. Dies wäre eine Bilderbuchrolle für den anpackenden und wirklich, wie zu Filmbeginn erwähnt, höchst sympathischen James Stewart gewesen. Die Art von Co-Star Charles Laughton, seine abstoßende Rolle genüsslich auszugestalten, muss dem Zuschauer wohl auch „liegen“, um gefallen zu können. Er überschreitet den Trennstrich zwischen einfacher Exzentrik und ekelerregender Sonderbarkeit und ich freue mich über jede überstandene Szene mit ihm oder seiner noch indiskutableren Frau (Hitchcock übertrifft sich hier in seiner übertriebenen Böse-Alte-Drachen-Zeichnung).
Überzeugen können schließlich Louis Jourdan als undurchsichtiger und doch so leicht zu durchschauender Andre Latour, der zwischen zwei Welten, zwischen der des Mannes und der der Frau, hin- und herpendelt und daran zerbricht, sowie Charles Coburn, dessen Leichtigkeit im Spiel bereits in Douglas Sirks „Lured“ zum Ausdruck kam.

Die Geschichte schneidet im Vergleich zu anderen, tiefschürfenderen Betrachtungen in Hitchcock-Filmen als eher oberflächlich ab. Durch die kalte und unnahbare Darstellung der Mrs. Paradin gibt es für den Zuschauer nicht den Wunsch, die ihr angebotene Hilfe weiter in dem Maße wünschenswert erscheinen zu lassen, wie es der Film nötig hätte, um den Konflikt zwischen Gay Keane und ihrem Mann Tony in angemessenem Licht zeichnen zu können. Überhaupt erscheint die ganze Entfremdungsgeschichte um das Ehepaar eher weit hergeholt, ist Anwalt Keane doch zwar offensichtlich von seiner Mandantin fasziniert, aber nicht explizit genug in sie verliebt. Nur letzteres würde eine ernsthafte Gefährdung der Beziehung des Ehepaars darstellen, sodass die Beschwerden der Frau eher den Verdächtigungen einer eifersüchtigen Missgönnerin gleichen.
Es ist darüber hinaus ein Fehler, die Geschichte so enden zu lassen, wie sie endet. Davon hat unterm Strich gesehen niemand etwas, sodass man sich fragt, warum man den Film nicht eigentlich doch standardgemäß beim Mord hat einsetzen und mit der Verhaftung hat aufhören lassen, wenn das ganze darauf folgende Brimborium doch so oder so umsonst war. Anwalt Keane hat seiner Karriere einen Knacks zugefügt, die verdächtige Unnahbare ist doch eine vulgäre Killerin, sie wird hingerichtet, hat damit indirekt drei Leben ausgelöscht, wirft mit ihrem Ableben einen Schatten über die Beziehung des Ehepaars Keane und bestätigt den perversen Richter ein weiteres Mal. Das schlimmste aber: Es gibt keine Überraschung am Ende, keinen Twist, wie er in einer solchen Geschichte, die sich beinahe in Richtung Whodunit entwickelte, eigentlich nötig ist. So wird der Zuschauer unbefriedigt zurückgelassen, zumal mit dem Gefühl, dass man aus der Tatsache, dass das Opfer ein Blinder war, dramaturgisch mehr hätte herausholen müssen.

Doch bei aller Kritik am Drehbuch und der Inszenierung gibt es Gegenpole. Zwei Teile der Geschichte sind ganz hervorragend in Szene gesetzt. Zunächst besticht Keanes Reise auf den Landsitz des ermordeten Colonel Paradin. Hier wird ein Flair und ein Geist des Lebens der Angeklagten spürbar, der dem Rest des Films ebenfalls gut getan hätte und ein wenig an Hitchcocks Meisterstück „Rebecca“ aus dem Jahr 1940 erinnert. Die Räume sind von romantischer Düsternis geprägt und zeigen Freude und Leid in der altmodischen Landsitzen innewohnenden Symbiose. In diesen Szenen bekommen wir auch die besten Auftritte des Burschen Andre Latour zu sehen.
Der zweite große überzeugende Szenenkomplex ist der der Gerichtsverhandlung. Bis zum Geständnis Mrs. Paradins überzeugt diese Szene mit spannenden Dialogen, die in Schärfe und Präzision schon fast der genialen TV-Serie „Perry Mason“ gleichkommen. Die Kamera versteht es dabei auch, den Gerichtssaal effektiv ins Bild zu rücken und nicht nur zu einer Hülle des Geschehens, sondern einem Stimmungsgeber und einem vitalisierenden Faktor auszugestalten.

„Der Fall Paradin“ gehört sicher nicht zu Hitchcocks stärksten Regiewerken, was ich aufgrund der zahlreichen Verrisse, die er von so ziemlich allen Kritikern erhält, aber auch nicht erwartet habe. Dementsprechend bin ich über gewisse erläuterte Schwächen nicht sehr enttäuscht und habe die Atmosphäre des Films sowie die positive Seite der Darstellerliste sehr zu schätzen gewusst. 3,5 von 5 Punkten.



Mein DVD-Tipp für „Der Fall Paradin“:
Wie auch zu „Spellbound“ bietet die Disc „The Paradine Case – Der Fall Paradin“ von EuroVideo absolut solide, erfreuliche Qualität, die zu den besten erhältlichen Abtastungen weltweit zählt. Die übrigen Pros und Contras sind hier ebenfalls identisch, d.h. es gibt erfreulicherweise deutschen und englischen Ton sowie Biografien und Filmografien zu den Beteiligten, leider aber keinerlei Untertitel und anderweitiges Bonusmaterial.

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Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

11.07.2009 21:00
#63 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten

Zur Besetzung hat Hitchcock Francois Truffaut im Jahr 1966 folgendes erzählt: "Ich glaube nicht, dass Gregory Peck einen englischen Rechtsanwalt darstellen kann; ein englischer Anwalt ist hochgebildet und gehört der Oberschicht an." Der französische Regisseur darauf:" Wenn Sie hätten wählen können...."
Hitchcock: "....hätte ich Laurence Olivier genommen. Ich hatte auch an Ronald Colman gedacht."
Katja Nicodemus schreibt in ihrem Bericht über den Film (Alfred Hitchcock, Bertz-Vlg.): "Wenn man sieht, wie unbritisch Gregory Peck als englischer Upperclass-Anwalt hauchzarte Porzellantäßchen anpackt - als säße er am Lagerfeuer, statt in einem Londoner Kaminzimmer den Tee zu nehmen - oder wie wenig gentlemanlike er beim Nachhausekommen Hut und Gehrock in den Flur schleudert, ahnt man, was Hitchcock gestört haben muss."
Mit dem populären James Stewart, den Gubanov empfiehlt, arbeitete Hitchcock in seinem nächsten Film ("Cocktail für eine Leiche") zusammen, wo dieser zeigt, dass er durchaus auch in der Lage ist, unsympathische und überhebliche Charaktere zu spielen. Meines Erachtens ist er der Prototyp des redlichen, offenen US-Bürgers und deshalb für die Rolle des Anthony Keane nicht geeignet. Dass er in der Lage ist, eine Obsession für eine geheimnisvolle Schöne zu hegen, erleben wir zehn Jahre später in "Vertigo". Dennoch: In den durch und durch britisch anmutenden Film "Der Fall Paradine" gehört er nicht.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

11.07.2009 21:13
#64 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister
Katja Nicodemus schreibt in ihrem Bericht über den Film (Alfred Hitchcock, Bertz-Vlg.): "Wenn man sieht, wie unbritisch Gregory Peck als englischer Upperclass-Anwalt hauchzarte Porzellantäßchen anpackt - als säße er am Lagerfeuer, statt in einem Londoner Kaminzimmer den Tee zu nehmen - oder wie wenig gentlemanlike er beim Nachhausekommen Hut und Gehrock in den Flur schleudert, ahnt man, was Hitchcock gestört haben muss."

Ich finde, gerade das Gegenteil ist der Fall. Peck an sich ist ein Darsteller, der immer ein wenig verkrampft und schwächelnd wirkt und damit für Problemrollen besser geeignet ist als für strahlende, erfolgreiche Sympathisanten. Das Problem ist nicht, dass die Leichtigkeit, mit der die Rolle des Anwalts in "Der Fall Paradin" angelegt ist und mit der Peck sie zu spielen versucht, nicht in die damaligen Kreise passt (denn gerade die angeführten Kritikbeispiele zählen zu dem Charakter des Anwalts, der ihn ja gerade so einzigartig macht, wie er geschildert wird, und ohne die zwar der soziohistorischen Realität, nicht aber der Intention der Vorlage genüge getan wäre), sondern das Problem ist, dass Gregory Peck für solche Rollen optisch und charakterlich ungeeignet ist. Auch wenn er sich am Ende irren "darf", so ist die Rolle in "Der Fall Paradin" für ihn insgesamt doch zu einnehmend und anpackend gestaltet, als dass er sie voll hätte ausfüllen können. Gerade in "Spellbound" waren seine Hilflosigkeit und seine optische charakterliche Schwäche bezeichnend für seine Rolle. Hier hingegen ist es das Sympathische, das Frische, das Unkonventionelle, das eben gerade nicht dem typischen "englischen Upperclass-Anwalt" entspricht und das James Stewart für diese Rolle prädestiniert hätte. Er hätte der von der zitierten Autorin nicht verstandenen Tatsache, dass Anthony Keane charakterlich herausragt und aneckt, Rechnung getragen und deshalb als Auflockerung gerade in die verklebten und verkrusteten Strukturen des "durch und durch britisch anmutenden Films" gehört.

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Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

11.07.2009 21:30
#65 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten

Ich zitiere zu den gebotenen Schwierigkeiten des Projekts aus Donald Spotos Buch "Alfred Hitchcock - Die dunkle Seite des Genies" (Piper-Vlg.): "Seit 1933, dem Jahr seiner Veröffentlichung, gehörte die Verfilmung von Robert Hitchens`Roman The Paradine Case zu den Lieblingsprojekten von Selznick. Damals hatte er geplant, den Film mit John und Lionel Barrymore und Diana Wynyard in den Hauptrollen für MGM zu produzieren. 1936 hatte er gehofft, Greta Garbo für die Geschichte interessieren zu können. 1940 waren Hedy Lamarr und Leslie Howard im Gespräch."
Man sieht also, dass es ein steiniger Weg war und dass "der Film überhaupt fertiggestellt wurde, grenzt schon fast an ein Wunder." Für den Filmtitel entschied sich Selznick erst wenige Stunden vor der Weltpremiere. Man sieht es an der modernen Schrift, die so gar nicht zu der gotischen Schrift passt, in der die Namen der Mitwirkenden angegeben wurden.

Gregory Peck nehme ich die Naivität ab, seine Leichtgläubigkeit und den Willen, seine Phantasien auf die Angeklagte zu projizieren. Sie ist so ganz anders als seine fröhliche Frau Gay(!). Solange sie im Gefängnis ist, kann er sie auf ein Podest stellen und anbeten. Im täglichen Leben hätte die Beziehung keine Chance. Sie würde zerplatzen wie eine Seifenblase.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

11.07.2009 21:56
#66 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten

Donald Spoto zählt in seinem Buch die alternativen Filmtitel auf, die zwischen 1946 und 1947 in Betracht gezogen wurden:

- Mrs. Paradine Takes the Stand
- The Lie
- Heartbreak
- The Grand Passion
- A Question of Life and Death
- A Woman of Experience
- The Dark Hour
- A Crime of Passion
- This Is No Ordinary Woman
- Guilty!
- The Woman Who Did the Killing
- Hanging Is Easy
- The Accused
- Bewildered
- The Green-Eyed Monster
- Woman and Wife

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

11.07.2009 22:09
#67 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten

Vielen Dank für die Übersicht. Der Einfachheit halber kommentiere ich ohne Zitat-Formatierung:

- Mrs. Paradine Takes the Stand
Thematisch in Ordnung, aber vom verkaufs- und werbetechnischen Standpunkt her wohl zu hausbacken.

- The Lie
Ungenau und wenig bewegend, kaum detaillierter Bezug zu einzelnen Charakteren.

- Heartbreak
Absolut ungenau. Trifft auf eine Million andere Filme zu - allein aus dem gleichen Jahr.

- The Grand Passion
Siehe "Heartbreak". Hinzu kommt, dass ich, hier wären wir wieder bei Anwalt Keane, Gregory Peck diese große Hingebung nicht abnehme.

- A Question of Life and Death
Ungenau. Passt auf viele andere Filme.

- A Woman of Experience
Siehe "A Question of Life and Death"

- The Dark Hour
Ein Lichtblick unter den vorgeschlagenen Titeln. Gelungene Anspielung auf das blinde Mordopfer und den Ausgang der Geschichte, ohne zu viel zu verraten.

- A Crime of Passion
Nun gut, wer seinen Film schon mit dem Titel spoilern will...

- This Is No Ordinary Woman
Inhaltlich in Ordnung, aber als Filmtitel zu ungelenk.

- Guilty!
Noch größerer Spoiler als "A Crime of Passion".

- The Woman Who Did the Killing
Noch größerer Spoiler als "Guilty!"

- Hanging Is Easy
Etwa gleich großer Spoiler wie "Guilty!"

- The Accused
Passt gut, ist aber etwas ungenau. Dennoch wäre diese Betitelung durchaus vorstellbar gewesen.

- Bewildered
Ungenau und ohne Personenbindung.

- The Green-Eyed Monster
Ach herrje, jetzt geht's aber los! Wie war das mit publikumswirksamem Horror als unpassende Werbestrategie?

- Woman and Wife
Passt zwar zum Film, geht aber am Kern der Story vorbei.

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Joachim Kramp Offline




Beiträge: 4.901

11.07.2009 22:49
#68 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten

Interessant ist es auch einmal die Infos von der Produktionsseite her zu sehen. In David O. Selznicks Hollywood wird davon berichtet, dass Hitchcock und seine Frau das Drehbuch schrieben welches Selznick ablehnte. Daraufhin empfahl Hitchcock den Autor James Bridie von England nach Amerika kommen zu lassen. Dieser wollte nicht - schrieb in England und schickte von Woche zu Woche die geschriebenen Texte. Diese wiederum gefielen Selznick auch nicht. Nun fing er selber an das Drehbuch zu schreiben in Zusammenarbeit mit Ben Hecht, der aber kurz darauf sich einem anderen Projekt widmete. Selznick kümmerte sich zu dieser Zeit aber mehr um seinen Film DUELL IN DER SONNE, so dass das Drehbuch nicht fertig wurde und Hitchcock nur immer soviel drehen konnte wie er von SElznick erhielt. Auch nach Beendigung der Dreharbeiten widmete sich Selznick in erster Linie um DUELL IN DER SONNE und verschob die Premiere von THE PARADIN CASE. Interessanterweise ist in diesem Selznick Buch immer nur von THE PARADIN CASE die Rede und sonst kein anderer Titel. Andererseits kann es auch sein dass ein Produzent auf diese Weise andere Titel testen möchte oder die genannten Titel beruhen auf dem Umfeld von Hitchcock oder Hitchcock selber, der den Film ja nur drehte um aus seinem Vertrag mit Selznick rauszukommen. Ihm gefiel weder die Italienerin Alida Valli als Mrs. Paradin und schon gar nicht der Amerikaner Gregory Peck als britischer Anwalt.
Auch bei dem Hitchcock-Biograph John Russel Taylor steht nur das bereits Geschriebene, nur mit der Erweiterung dass James Bridie von England nach L.A. kam – und als ihn niemand abholte nahm er das nächste Flugzeug wieder zurück nach England.
Bei Truffaut steht nur, dass Peck kein Hitchcockschauspieler sei, er dennoch THE PARADIN CASE SPELLBOUND vorziehen würde.

Soweit eine kleine Info zu der Entstehungsgeschichte des Films.

Joachim.


Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

12.07.2009 12:20
#69 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten

Leonard J.Leff schreibt in seinem Buch "Hitchcock and Selznick - The Rich and Strange Collaboration of Alfred Hitchcock and David O.Selznick in Hollywood" (University of California Press): "Moviegoers thought almost nothing of Olivier or (Maurice) Evans, but they informed the Gallup poll that only Bing Crosby and Alan Ladd outranked Peck in their esteem. The Paradine Case would be hard to sell, Hitchcock probably realized; irrespective of the content, though, Peck could draw audiences into the theaters."

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

12.09.2009 12:22
#70 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten


Immer Ärger mit Harry (The Trouble with Harry) – #42

Mit: Edmund Gwenn, John Forsythe, Mildred Natwick, Shirley MacLaine, Mildred Dunnock, Jerry Mathers, Royal Dano, Parker Fennelly, Barry Macollum, Dwight Marfield u.v.a. Regie: Alfred Hitchcock. Drehbuch: John Michael Hayes. USA 1955.


Dieser Kommentar enthält Spoiler.
„The Trouble with Harry“ genießt eine Sonderstellung in Hitchcocks Regiewerk. Nachdem Hitchcock in „Der Fremde im Zug“, „Ich beichte“, „Bei Anruf Mord“, „Das Fenster zum Hof“ und „Über den Dächern von Nizza“ den Zuschauer mit zumeist weitgehend ernst dargestelltem Suspense auf die Folter spannte, erwartete das Publikum auch von seinem nächsten Film eine solche klassische Thrillergrundlage. Doch diese Erwartungshaltung, welche teilweise auch durch gezielt falsche Werbung gefördert wurde, konnte nicht befriedigt werden. Der Film ist in einer ganz anderen Ecke angesiedelt, nämlich in der des schwarzen Humors. Und dass Hitchcock trotz seiner Festlegung auf nervenzerreißende Spannungsfilme auch diese Nische wieder einmal zu bedienen gedachte, ehrt ihn ebenso wie die für ihn verhältnismäßig geringe Abänderung der zugrunde liegenden Geschichte gleichen Namens von Jack Trevor Story. Hitchcock setzte sich auch gegen den Willen von Paramount für das Projekt ein. Doch das amerikanische Publikum dankte es ihm nicht, wie Drehbuchautor John Michael Hayes berichtet:

Zitat von John Michael Hayes
Hitch was well aware, after making „The Trouble with Harry“, that he didn’t give the audience exactly what they expected. Yet, he liked that subtle sense of humour and he was bound to do it.


Hauptdarsteller John Forsythe findet eine Erklärung, warum „The Trouble with Harry“ in den USA damals nicht sonderlich gut, in Europa hingegen außerordentlich erfolgreich in den Kinos lief und hier auch heute noch einen guten Ruf genießt:

Zitat von John Forsythe
Digging up a dead body and pulling it around, taking it to different places, is not considered funny – except for the British and some of the Europeans. But in the United States death is not considered funny.


Diesen widrigen Umständen zum Trotz ist es gerade der dunkle Humor, der den Film so unverwechselbar und – für die, die ihn mögen – so liebenswert und schrullig macht. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass man an Hitchcocks Begeisterung für die (übrigens englische) Geschichte noch seine wahre Herkunft nach den vielen Jahren der Arbeit in Amerika spüren kann. Der Humor kommt in der Tat größtenteils aus der Annäherung der Protagonisten an den Tod zustande. Es ist höchst amüsant, zu betrachten, wie sie ihn einerseits ganz unkonventionell und „anders als normal“ als eine fast schon alltägliche Sache betrachten. Keinen der Protagonisten regt es sonderlich auf, vielleicht ein Mörder zu sein oder mit einem Mörder anzubandeln. Auch Berührungsängste existieren nicht. Der tote Harry wird hin- und hergezerrt, eingebuddelt, ausgebuddelt, in Badewannen gelegt, entkleidet, die Kleidung gewaschen – und es geht immer so weiter. Und doch sind alle noch so realistisch, daran zu denken, dass eine Leiche, wenn sie erst entdeckt wird, ihnen immense Probleme bereiten kann. Aus jenem Widerspruch generieren sich so komische Szenen, dass man sich besonders gen Ende, als die Handlung – so denkt man – fast schon unkontrollierbar aus dem Ruder läuft, vor Lachen oft kaum noch halten kann.
Es ist dabei naheliegend, dass der Humor vor allem von den vier Hauptdarstellern getragen wird. Edmund Gwenn, John Forsythe, Mildred Natwick und Shirley MacLaine passen wundervoll zueinander und in das Setting sowie in ihre Rollen. Eine bessere Besetzung hätte man sich nicht wünschen können.
Nur Royal Dano erinnert verdächtig an Hitchcocks typische Cop-Figuren, die jung und dynamisch, aber fürchterlich unsympathisch sind. Aber es ist ja auch logisch: Je mehr sich der Zuschauer für die Vertuschung des Verbrechens erwärmt, desto mehr sieht er den scharfen Cop, der übrigens klugerweise eine Nebenrolle bleibt, als den Gegner in der Geschichte an.

Eigentlich wäre der Film schon allein der Heiterkeit und der Schauspieler wegen besonders empfehlenswert gewesen. Doch Hitchcock, hier in voller Form, setzte noch etwas darauf: die größte Abweichung von der Jack-Trevor-Story-Vorlage. Während der Roman in England spielt, versetzte Hitchcock gemeinsam mit Drehbuchautor Hayes die Geschichte nach Neuengland. Auch wenn dies mit Sicherheit als Verstoß gegen die Originaltreue gewertet werden muss, so kommt die Erzählung unterm Strich für Hitchcock’sche Verhältnisse, wie bereits erwähnt, noch glimpflich davon. Abgesehen von dem enormen optischen Zugewinn, der „The Trouble with Harry“ zu einem der am schönsten anzusehenden Filme von Alfred Hitchcock macht: Der Indian Summer im amerikanischen Bundesstaat Vermont bildet einen exquisiten Hintergrund für die leichte und fidele Handlung.
Leider aber machte die Unberechenbarkeit des Wetters dem Filmteam einen kleinen Strich durch die Rechnung. Bevor der Film nämlich in Vermont abgedreht werden konnte, entlaubte ein Sturm alle Bäume, sodass man die Arbeit in den Paramount-Studios in Hollywood fortführen und dort einen künstlichen Wald aufbauen musste. In einigen Szenen erkennt man deshalb bedauerlicherweise, dass die Stelle, an der man Harry „be- und enterdigt“, teilweise durch Kulissen ersetzt werden musste. Da hierfür aber niemand zur Verantwortung gezogen werden kann und sich das Team große Mühe bei der Erschaffung eines Ersatzdrehorts machte, bleibt dieser bedauerliche Umstand, der „The Trouble with Harry“ vielleicht den Titel „attraktivster Hitchcock-Film aller Zeiten“ stahl, ein geringer Makel.
Eine weitere Kritik, die ich abschließend anbringen möchte, kann desgleichen nur als Minimalabstrich gewertet werden. Sie betrifft mehr oder weniger direkt die Geschichte um Sams Bilderverkauf gen Ende des Films. Nicht nur ist der Verkauf der Bilder im Grunde genommen ziemlich überflüssig, nein, vor allem finde ich folgenden Sachverhalt schade: In den letzten Szenen wird mehrfach die sonst fehlende Spannung dadurch aufgebaut, dass nur flüsternd von Ohr zu Ohr weitergesagt wird, welchen Wunsch Sam an den bilderverrückten Millionär hatte. Mir hätte es wesentlich besser gefallen, wenn Autor John Michael Hayes den Mut gehabt hätte, die Lösung, um welchen Wunsch es sich handelt, am Ende nicht zu verraten, sondern mit einer pikierten Mrs. Gravely und ihren drei lachenden Kumpanen auszublenden. Dies hätte wunderbare Spekulationen unter allen Filmzuschauern ausgelöst und das menschliche Bedürfnis nach hypothetischem Klatsch noch besser befriedigt.

Was an „The Trouble with Harry“ auszusetzen ist, sind Krümelchen. Die großen Batzen aber findet man auf der positiven Seite: Der wunderbare Humor, die Besetzung und die Schauwerte sprechen für sich und machen den Film zu einem einmaligen Erlebnis mit garantiertem Wiederholungsfaktor. 5 von 5 Punkten.



Mein DVD-Tipp für „Immer Ärger mit Harry“:
Zur bescheidenen Liste jener bei Universal erschienen Hitchcock-Titel, die man gänzlich ohne oder ohne nennenswerte Qualitätseinbußen auch in Deutschland kaufen kann, zählen „Immer Ärger mit Harry“, „Topas“ und „Familiengrab“, die passenderweise alle in einer günstigen Dreierkollektion erschienen sind. Sicher sind auch bei diesen Titeln jeweils noch Qualitätsverbesserungen auf den amerikanischen Ausgaben festzustellen, doch diese sind nicht so weltbewegend, als dass sie einen organisatorischen und finanziellen Mehraufwand eines DVD-Imports sowie den Verzicht auf die deutsche Tonspur rechtfertigen würden.
„Immer Ärger mit Harry“ liegt schließlich im korrekten Bildseitenverhältnis in einer ungeschnittenen Fassung vor. Die Bildqualität ist in Ordnung, wenngleich die aufwändige Restauration für die amerikanische „Masterpiece Collection“ für ein noch besseres Ergebnis auf der US-Disc sorgt. Doch auch wenn auf der deutschen DVD die Farben ein wenig blasser und die Kontraste nicht ganz so ausgewogen sind, so zeigen sie die wunderbaren Herbstaufnahmen dennoch in ansprechender und ausreichender Güte. Das Bonusmaterial ist mit dem amerikanischen identisch und umfasst im Wesentlichen Trailer, Bildergalerien und die jeweils bei Universal obligatorische Dokumentation von Laurent Bouzereau. Diese bietet hochinteressante Hintergrundinformationen.
Das 3er-Set „Immer Ärger mit Harry / Familiengrab / Topas“ verfügt über exakt die gleichen DVDs wie die Einzelausgaben, die jeweils für einen Film genauso teuer sind wie die komplette 3er-Box (rund 10 Euro). Letztere ist dehalb vorzuziehen, auch wenn sie nicht über die mageren Faltblätter (genannt „Booklets“) der Einzel-DVDs verfügt.

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Gubanov ( gelöscht )
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12.09.2009 12:22
#71 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten


Topas (Topaz) – #51

Mit: Frederick Stafford, Dany Robin, Claude Jade, Michel Subor, Karin Dor, John Vernon, John Forsythe, Michel Piccoli, Philippe Noiret, Per-Axel Arosenius u.v.a. Regie: Alfred Hitchcock. Drehbuch: Samuel A. Taylor. USA 1969.


Zu „Topas“ brauche ich persönlich eigentlich nicht viel zu sagen. Dass man an einen Hitchcock-Film von 1969 anders herangehen muss als an einen Hitchcock-Film von 1955, dürfte eine Selbstverständlichkeit darstellen. Und die Hoffnung, dass beide „Welten“ einem gefallen, ist ebenfalls kein Ding der Unmöglichkeit. Zumindest in der Theorie. Denn mir persönlich sagt das langsam und behäbig dahinfließende Etwas aus verworrener und unnötig komplizierter Spionagestory und fast schon peinlich stereotyper Handhabung der roten Gefahr in keinster Weise zu. Die Locationwechsel sind hinderlich, nie wird auch nur annähernd etwas von anziehender Atmosphäre erschaffen und Drehbuch, Logik, Kamera, Schnitt, Farbkompositionen, Drehorte und Darsteller – all das wirkt viel eher zweitklassig. Oder drittklassig – je nachdem, ob man mit dem präsentierten Genre etwas anfangen kann oder nicht und ob man bereit ist, nur des Namens Hitchcock wegen Eingeständnisse zu machen und mehr Wohlwollen aufzuwenden als es bei einem anderen Regisseur der Fall wäre.

„Topas“ einmal zu sehen, reicht für mich allemal aus. Er ist akzeptabel gemacht, aber fesselt mich in keinster Weise. Die Story ist unbefriedigend und das Ende lachhaft. Dass dieser Film einer ihrer zwei Karierehöhepunkte ist, tut mir für Karin Dor leid. Ihr Tod ist die einzige wirklich gelungene Szene des Films. Subjektive 1 von 5 Punkten – anderen mag’s gefallen.



Mein DVD-Tipp für „Topas“:
„Topas“ ist ebenfalls Bestandteil der bereits im vorigen Post empfohlenen 3er-DVD-Box aus dem Hause Universal. Dieser Titel ist der vielleicht interessanteste, was einen DVD-Vergleich mit der amerikanischen Ausgabe angeht. Denn diese zeigt eine alternative Lang-Version, die 143 Minuten läuft. Weil aber die deutsche Ausgabe (120 Minuten) ebenfalls eine offizielle Fassung darstellt, kann dem Label kein Schnittvorwurf gemacht werden. Es ist überdies so, dass hier 120 Minuten schon ewig zu dauern scheinen. Wenn also zusätzlich noch weitere Szenen eingebaut wurden, so kann dies dem Streifen nur noch abträglicher sein.
Was das Fass zum Überlaufen bringt, ist die Frage nach dem Bildformat. Die deutsche Fassung präsentiert ein 4:3-Bild, die amerikanische eines in 16:9. Zwar sieht man bei der amerikanischen vor allem am rechten Bildrand ein wenig mehr, aber oben und unten ist dafür auf der deutschen DVD weitaus mehr zu erkennen. Einen Vergleich kann man hier einsehen: deutsche / amerikanische Bildfassung.
Das Bonusmaterial ist auf den zwei Veröffentlichungen wiederum absolut identisch. Neben dem Making-Of, Trailer und Bildergalerien gibt es dieses Mal auch die drei für den Film hergestellten Schlusssequenzen im Vergleich. Es bleibt das Fazit, dass alle drei keine Glanzstücke sind, die letztendliche Kompromissfassung aber noch die schlechteste, weil handwerklich wirklich unterirdisch mies gelöste darstellt. Die der Kurzfassung fehlenden Szenen hätte man separat ins Bonusmaterial eingliedern können. Sie wären zwar sicher nicht sonderlich interessant, der Vollständigkeit halber aber vernünftig gewesen.




Familiengrab (Family Plot) – #53

Mit: Karen Black, Bruce Dern, Barbara Harris, William Devane, Ed Lauter, Cathleen Nesbitt, Katherine Helmond, Warren J. Kemmerling, Edith Atwater, William Prince u.v.a. Regie: Alfred Hitchcock. Drehbuch: Ernest Lehman. USA 1976.


Dieser Kommentar enthält Spoiler.
Hitchcock bewies nach den Agententhrillern „Torn Curtain“ und „Topaz“ sowie dem für seine Verhältnisse überaus brutalen und ungemütlichen „Frenzy“ für seinen letzten Film im Jahr 1976 noch einmal ein gutes Händchen in der Wahl des zu verfilmenden Stoffes. Auch wer nicht mehr daran glaubte, fühlt sich beim Sehen von „Family Plot“ schon beinah an gute alte Zeiten erinnert, bekommt er doch eine sehr persönlich strukturierte, nicht mehr von Staatsinteressen oder Wahnsinn, sondern von individuellen Motiven vorangetriebene Handlung aufgetischt, die aus der Feder von „Verräter“-Autor Victor Canning stammt und von „North by Northwest“-Autor Ernest Lehman adaptiert wurde. Letzterer leistete meiner Meinung nach hier eine bessere Arbeit ab als für den gefeierten Klassiker des Jahres 1959. Ein Vergleich fällt dennoch schwer und ist an eher persönliche Präferenzen gebunden.
Die Grundidee der zwei Paare, die ihren Weg zunächst zufällig und dann unter so spannenden Grundvoraussetzungen kreuzen, zeichnet sich durch hohe Originalität aus. Beide Pärchen sind im Grunde genommen Schurken: Die einen, weil sie Betrüger sind, die anderen, weil sie Verbrecher sind. Doch dass wir hier nur zwischen Pest und Cholera wählen dürfen, bemerken wir nicht, denn automatisch verbünden wir uns mit „dem kleineren Übel“. George und Blanche, gespielt von Bruce Dern und Barbara Harris, nehmen den Zuschauer auf teils sympathische, teils lustig überzeichnete Weise für sich ein, obwohl sie teilweise über lange Strecken vom Bildschirm verschwinden und eine gefühlte etwa gleich große Präsenz haben wie ihre Antagonisten. Auch das Pärchen Arthur und Fran (William Devane und Karen Black) überzeugt ohne Abstriche.

Der Film ist voll von unterhaltsamen Szenen. Ob es Blanches falsche Mediumtätigkeiten (die am Ende originell auf die Schippe genommen werden), ob es die Untersuchungen auf dem Friedhof (die viele versteckte Anspielungen auf klassische Krimis enthalten) oder ob es Szenen wie die in der Kirche oder mit dem manipulierten Auto sind (die mich unweigerlich an „Fantomas“ erinnert und mich ebenso zum Lachen gebracht hat) – all das vertreibt die Zeit genauso wie das suspensereiche Finale und die vielen kleinen „Juwelen“, denen man unterwegs noch begegnet.
Dennoch ist nicht alles eitel Sonnenschein: Ich weiß nicht, ob es an Hitchcocks Alter lag oder an der Tatsache, dass sich das Filmschaffen zwischen den 1950er und 1970er Jahren zu rasant für Hitchcock fortentwickelt hatte. Vielleicht auch sogar daran, dass die Mitarbeiter der Siebziger nicht mehr die Qualität der zwanzig Jahre älteren Crewmitglieder erreichten. Wahrscheinlich ist eine Mischung aus allen drei Gründen daran schuld, dass am Ende das, was man da auf dem Bildschirm sieht, kein künstlerisches Meisterwerk mehr ist. Allen seinen Stärken zum Trotz weist „Family Plot“ einige handwerkliche Schwächen auf. Rückprojektionen sind – technischen Entwicklungen zuwider – plötzlich von weit minderer Qualität, ein prägnantes „Look and Feel“ gibt es nicht mehr und auch kein griffiges Charisma, das Hitchcocks frühere Filme umgab und ihnen jeweils eine ganz eigene Note und ein einzigartiges, wiedererkennbares „Hauptthema“ verlieh. Was man sieht, ist im Großen und Ganzen solide, aber es könnte ebenso gut eine Fernsehproduktion eines Regiedebütanten sein. Stellenweise erinnert der Stil eher an eine „Columbo“-Episode als an großes Kino des Meisters Hitchcock. Und aus diesem Grunde ist der vorliegende Film zwar gute Unterhaltung, schließt aber nie zu jenen Werken auf, die Hitchcock noch energisch und energetisch selbst in die Hand nehmen konnte. Eine Höchstbewertung ist mir nicht möglich:

„Familiengrab“ ist sowohl spannend als auch lustig und kann mit vier fantastischen Hauptdarstellern und einer traditionellen optimalen Hitchcock-Handlung aufwarten. Aber von der handwerklichen Warte aus bietet der Film nicht mehr das, was ich von einem Regisseur von Weltruf erwarte. 4 von 5 Punkten.



Mein DVD-Tipp für „Familiengrab“:
„Familiengrab“ ist der dritte Titel der bereits ausführlich beschriebenen Dreierkombo von Universal. Auf diese DVD treffen die gleichen Beschreibungen zu wie auf „Immer Ärger mit Harry“.

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Percy Lister Offline



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13.09.2009 14:06
#72 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten

"The Trouble with Harry - Immer Ärger mit Harry" (1954)

Gubanov erwähnt die vier Hauptdarsteller, die für den Erfolg des Films immens wichtig sind. Ich gehe einen Schritt weiter und zähle die Herbstkulisse als fünften Part hinzu. Meiner Meinung nach ist das Setting ausschlaggebend für das Sehvergnügen dieses Hitchcock-Films. Claudia Lenssen schreibt in ihrem Artikel (Alfred Hitchcock, Bertz-Vlg.):
"Die weite Parklandschaft in Vermont, die Hitchcock als Schauplatz ausgesucht hatte, strahlt in den satten Farben des Indian Summer - in Gelb- und Rottönen, die eher leidenschaftliche als melancholische Akzente setzen und mit dem Weiß der alten Holzhäuser und dem aufgeplusterten Blau der Damengarderobe eine heitere Freude am Leben verkünden."
Die Farben entsprechen der Stimmung des Films, der "herbstkräftig die gedämpfte Welt in warmem Golde fließen" (Septembermorgen, Eduard Mörike) lässt. Die Gefühle und Empfindungen der Lebenden stehen im Mittelpunkt und der Tod wird als Teil davon gesehen. Kaum ein Werk Hitchcocks drückt so viel Optimismus aus wie "Immer Ärger mit Harry". Es gibt keine gekünstelten Charaktere, keinen Zynismus und kaum Bitterkeit. Ein Vergnügen, das man sich immer wieder ansehen muss!

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

02.11.2009 19:36
#73 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten

"The Lodger - A Story of the London Fog" (1926)

"On the top of the three steps which led up to the door, there stood the long, lanky figure of a man, clad in an Inverness cape and an old-fashioned top hat. He waited for a few seconds blinking at her, perhaps dazzled by the light of the gas in the passage. Mrs. Bunting's trained perception told her at once that this man, odd as he looked, was a gentleman."

Während der Roman von Marie Belloc Lowndes vor allem die Perspektive und Gedanken von Mrs. Bunting, der Vermieterin in den Mittelpunkt stellt, so konzentriert Alfred Hitchcock seinen Film auf das Dreieck aus Daisy, Joe Chandler und dem Mieter. Zusammen mit Eliot Stannard änderte er die Vorlage so ab, dass sich die Handlung nicht nur auf die geheimnisvollen Ereignisse in und um das Mietshaus konzentriert, sondern zusätzlich noch ein romantischer Suspense vorhanden ist; die Frage, für welchen der beiden Männer sich die Tochter des Hauses entscheiden wird. Wie Lesley W. Brill in seiner Untersuchung des Films in "A Hitchcock Reader" (Wiley-Blackwell) ausführt: "The contrast between the Lodger and Joe, his rival, organizes the characterization of all the important figures. Ordinary looking, somewhat burly, and unmistakably middle class, Joe carries himself with a rough cordiality against which the Lodger's dark, slim beauty and gentle reserve appear exotic."
Der Faszination des Mieters kann sich Daisy nur schwer entziehen, er verkörpert all das, was Joe, der einfache Polizist, entbehrt. So ergeht es auch dem Publikum, das einerseits fürchtet, der Unbekannte könne für die Frauenmorde verantwortlich sein, sich insgeheim jedoch wünscht, Daisy würde sich für den Mieter entscheiden.
In der Romanvorlage bringt der Logiergast nicht nur das lang entbehrte Geld in Form der Miete ins Haus, sondern erweckt in der alten Frau Gefühle des Mitleids, der Anteilnahme und stillen Verehrung.

"Mr. Sleuth looked lonely, very, very lonely and forlorn. Somehow, a great rush of pity, as well as of horror, came over Mrs. Bunting's heart. He was such a - she searched for a word in her mind, but could only find the word "gentle" - he was such a nice, gentle gentleman."

Hitchcock gelingt es in seiner Einleitung meisterhaft, die Ereignisse, die sich immer Dienstags Nacht abspielen, in schnell wechselnden Bildern zu erzählen. Vom Fundort der Leiche wechselt er rasch in die Redaktion einer Zeitung, in die Druckerei, den Vertrieb und zu den Lieferanten, die die Morgenausgabe zu den Lesern bringen. Die Berichterstattung über die Morde erweckt das Interesse aller gesellschaftlichen Schichten, besonders jedoch die Neugier der Familie Bunting, die durch die Bekanntschaft mit dem Polizisten Joe Informationen aus erster Hand erhält. Die Macht der Presse und der Medien im Allgemeinen, die Hitchcock in seinem Exposé betont, zeigen seine moderne Einstellung, die diesen Stummfilm lebendig macht und den Zuseher in seinen Bann zieht.

"With an eagerness which was mingled with shame, Bunting drew a penny out of his pocket and took a paper from the boy's hand. Then, very slowly, he shut the gate and walked back through the raw, cold air, up the flagged path, shivering yet full of eager, joyful anticipation."

Die Ankunft des Mieters bringt neue Pflichten für Mrs. Bunting ins Haus, sorgt für Spekulationen und Rivalitäten. Ivor Novello gelingt es vorzüglich, die Suspense-Karte auszuspielen, obwohl seine Handlungen längst nicht so verschroben anmuten, wie die Gewohnheiten des Mieters in der Romanvorlage. So bedauere ich persönlich, dass eine besonders spannende Szene aus dem Buch nicht umgesetzt wurde, obwohl es verständlich ist, da das Ende des Films ebenfalls geändert wurde.
Mrs. Bunting wacht um 2 Uhr nachts plötzlich auf und nimmt einen starken Geruch in ihrem Schlafzimmer wahr ("a strong, acid smell of burning - was it of burning wool?"), nachdem der Mieter am Abend vorher darum gebeten hatte, den großen Ofen in ihrer Küche benutzen zu dürfen.

Im Film sehen wir die nächtlichen Ausflüge des Mieters und sein diskretes Werben um Daisy, das im Gegensatz zur ungestümen Art des Polizisten steht, der ein gerngesehener Gast in der Küche der Buntings ist, während der Mieter offensichtlich einer höheren Klasse angehört, die durch seine Räume in den oberen Etagen symbolisiert wird. Beide Männer sind zudem daran interessiert, dem "Rächer" auf die Schliche zu kommen; Joe aus beruflichen Motiven, der Mieter aus privaten Gründen. Ihre Wege kreuzen sich bei den nächtlichen Streifzügen durch London und führen bald zu einer unheilvollen Begegnung, die fast in eine Tragödie mündet.

Die restaurierte zweifarbig viragierte Fassung mit neukomponierter Musik setzt sich durch sprechende Bilder über die Beschränkungen des Stummfilms hinweg. Mit schnellen Schnitten (z.B. in den Mordsequenzen) suggeriert der Regisseur die Schreie, das Entsetzen und die Aufmerksamkeit der Londoner Bevölkerung. Die treffenden Untertitel untermalen die Handlung und geben kleine Hinweise, die niemals überflüssig erscheinen, sondern im Zusammenspiel mit der Musik das sprechende Wort nicht vermissen lassen.

Miki Dorn Offline




Beiträge: 23

05.12.2009 16:28
#74 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten

Alfred Hitchcock ist einer der besten Regieseure, die wir hatten. Neben Polanski und Chaplin, aber der gehört ja nicht hier her. Was Hitchcock angeht finde ich seine Fillme: ,,Die Vögel, Vertigo, Bei Anruf Mord, Der Unsichbare Dritte, sowie Coktail für eine Leiche( Die hat Hitchcock ja nach einem Theaterstück gedreht und das mit einem Sagenhaften James Stewart), sehr gut. Im Oktober hat ja Arte, frühere Filme von Hitchcock gebrcaht. Sehr interessant. Hitchcock hat ja auch einmal in München gedreht. Aber das war, wenn ich mich nicht irre, in den zwanziger und dreißiger Jahre.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

15.05.2010 15:16
#75 RE: Sammelthread: Die Filme des Alfred Hitchcock Zitat · Antworten

Ein paar Gedanken zu "Vertigo" (Produktionsjahr USA 1957) mit: Kim Novak, James Stewart, Barbara Bel Geddes, Tom Helmore, Konstantin Shayne u.a.

Auf den Tod einer jungen Dame

Es schweigt der Sturm, der Abend sinkt herab,
Kein Lüftchen regt sich links in Tal und Hain;
Da geh' ich still an Madeleines Grab,
Um Blumen über ihren Staub zu streun.

In dieser engen Klause schläft sie nun,
Das Mädchen, deren Zauber grenzenlos,
In einem düstern Sarge muss sie ruhn;
All ihre Reize kauften sie nicht los.

("On the Death of a Young Lady" 1802/1806, George Noel Gordon, Lord Byron)

Wenn James Stewart in der Rolle des ehemaligen Polizeibeamten John Ferguson am Grab von Madeleine Elster steht, scheint der Film seinem Ende entgegenzusehen. Der Detektiv hat versagt und den Auftrag von Gavin Elster nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Ohne Sentimentalitäten hätte er die Frau seines Freundes beschatten und beschützen sollen. Doch John Ferguson hat seinen ersten Fehler bereits am Abend ihrer ersten Begegnung gemacht: Er hat sich in die geheimnisvolle Schöne verliebt und wurde somit in einen Strudel von Ereignissen hineingezogen, aus dem er sich sein Lebtag nicht mehr befreien können wird.

Viel ist über "Vertigo - Aus dem Reich der Toten" schon geschrieben worden. Besonders positiv hervorzuheben ist dabei das Essay von Donald Spoto in seinem Buch "Alfred Hitchcock und seine Filme" (Heyne). Da mir der Film leider nur als VHS-Kassette vorliegt, erwarte ich schon gespannt den Kommentar von Gubanov, der sich die Doppel-DVD aus der Universal Legacy Series in den USA bestellen wird.

Beide Hauptfiguren erleben eine unglückliche Liebe. John Ferguson leidet ebenso wie Judy Barton an einer unerfüllten Sehnsucht: Dem Wunsch nach einer offiziellen Beziehung. Gavin Elster ist verheiratet und somit fristet Judy ein Schattendasein; John Ferguson muss akzeptieren, dass ihm Madeleine - da verheiratet - nicht gehören kann. Sobald sich gegen Ende des Films eine "normale" Beziehung zwischen den von Stewart und Novak gespielten Charakteren zu entwickeln beginnt, wird sie durch das plötzliche Auftauchen der Vergangenheit zerschlagen. Diesmal für immer.

Ina Neddermayer wirft in ihrer Studienarbeit "Die Frau als Bild und Projektionsfläche - eine Filmanalyse zu Alfred Hitchcocks Vertigo" (Grin-Vlg.) die These auf, dass der Mann am Ende als Sieger zurückbleibt. Er überwindet seine Höhenangst. Doch geht es in "Vertigo" - trotz seines Titels - wirklich nur um Höhenangst? Ist Überleben um jeden Preis die Hauptsache?
Die Themen "Tod und Wiedergeburt" durchziehen den Film wie ein roter Faden. Dies wird bereits im Vorspann klar, wie Helmut Korte in "Trügerische Realität" (Fischer Filmgeschichte Bd. 3, Seite 336) analysiert: "Die gegen den Uhrzeigersinn drehenden ovalen Spiralen erinnern durch ihre Form und den gegebenen Kontext an das menschliche Auge; von der ikonografischen Bedeutung her sind es Symbole der Wiedergeburt oder - in ihrer Umkehrung - des Todes."

Die Musik von Bernard Herrmann unterstützt die Stimmung des Films auf nachhaltige Weise. Sie wirkt beunruhigend, melancholisch und drückt die Sehnsucht der handelnden Personen aus. Die Gefühle, die transportiert werden, sind intensiv und unvergänglich.

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