Die seltsame Gräfin schafft es auch nach erneutem Betrachten nicht von einem der hinteren Plätze weiter nach vorne. Stärken und Schwächen heben sich bei mir immer noch auf. Ich mache das mal exemplarisch am der Figur des Stuart Bresset (dargestellt von Klaus Kinski) fest. Schauspielerisch kann Klaus hier voll überzeugen, man nimmt ihn den vermeintlichen oder wirklichen Verrückten Stuart voll ab, von bedrohlich bis verletzlich. Auf der anderen Seite frage ich mich: welchen Sinn hat diese Figur für den Plot ? Entweder agiert Stuart Besset aus eigenem Antrieb, lebt in dem Wahn durch einen Mord geheilt zu werden (wovon eigentlich ?) und Magaret Reedle ist das zufällige Opfer. Dann ist er zwar verantwortlich für Spannungs- und Schockmomente, hängt aber ansonsten in der Luft. Oder, und das ist für uns erfahrene Wallaceseher wahrscheinlicher, dieser Wahn ist vom zwielichtigen Doktor Tappat induziert, beauftragt von der Gräfin Moron, die natürlich über die Magarets Herkunft informiert ist und sich von dieser und deren Mutter Mary Pinder bedroht fühlt und sich deshalb beider elegant entledigen will. Nur, dieses wird so in der Auflösungsphase des Films nie gesagt, wenn es denn angedeutet wird, dann so subtil, das es mit selbst nach mehrmaligem Betrachten nie aufgefallen wäre.
Was für die Figur des Stuart Besset gilt, trifft auch auf andere Charaktere zu. Was treibt den Anwalt Shaddle um, Mike Dorn zu engagieren, ein wachsames Auge auf Magaret Reedle zu haben? Glaubt er sie bedroht? Offensichtlich ja, aber trotzdem lässt er sie kündigen und in die Dienste ausgerechnet der Gräfin wechseln. Auch er kenn doch Magarets Vergangenheit. Apropos Mike Dorn, der ist doch offensichtlich beim Yard beschäftigt. Warum schleusst Scotland Yard einen Beamten, als Butler getarnt, in den Haushalt der Gräfin ein? Wollen sie den Mordfall Pinder, der doch mit der rechtskräftigen Verurteilung der Täterin abgeschlossen sein sollte, wieder aufrollen? Warum gerade nach 20 Jahren ? Gibt es neue Erkenntnisse, wen ja, wodurch oder von wem? Hatte man die Gräfin schon früher im Verdacht? Beim Showdown des Filmes wird eigentlich keine dieser Fragen beantwortet, die Hauptfiguren, so sie noch übriggeblieben sind, versammeln sich im Schloss der Gräfin, diese fühlt sich prompt von allen Seiten bedroht und greift zum (giftigen) Äussersten. Ende. Und der Rest steht rum wie bestellt und nicht abgeholt. Das ist mit Abstand die schlappste Auflösung in einem Rialto Wallace, wobei eigentlich nix aufgelöst wird.
Zitat von brutus im Beitrag #106Nur, dieses wird so in der Auflösungsphase des Films nie gesagt, wenn es denn angedeutet wird, dann so subtil, das es mit selbst nach mehrmaligem Betrachten nie aufgefallen wäre.
Ein Kinski, der Fernau anbrüllt "Sie haben mir doch immer die Schlüssel gegeben" ist alles, nur nicht subtil. Im Zuge dieser Szene wird meines Erachtens klar, dass Tappat Bresset auf Margaret angesetzt hat. Allerdings stimme ich insoweit zu, dass zwei, drei erklärende Sätze am Schluss dem Film sicher ganz gut getan hätten.
Scheiden tun sich die Geister an der Figur der Lady Moron, bzw. der Darstellung durch Lil Dagover. So wie der Charakter vom Drehbuch her angelegt ist, ist sie allerdings die Idealbesetzung. Lady Moron ist eben nicht die kalt-berechnende Grand Dame und Übermutter wie es Flickenschildts Lady Lebanon im Tuch war. Ihre anfänglich selbstsichere Überheblichkeit bröckelt im Verlauf des Films mehr und mehr. Sie ist keine Lenkerin, sondern Gefangene in ihrer eigenen Traumwelt, die Prinzessin im Märchenschloss. Wobei Königinmutter es eher trifft, denn Selwyn besitzt nominell alle Titel und Reichtümer. Dieser ist darüberhinaus aber im Gegensatz zu ihr in der Gegenwart angekommen und definiert sich nicht nur über die hochherrschaftliche Herkunft, sondern hat mit Elektrik und Schauspielerei sehr gewöhnliche Interessen, während sie ganz in ihren karitativen und repräsentativen Aufgaben aufgeht, ohne dabei jemals die Distanz zum einfachen Volk zu verlieren. Sie selbst ist schließlich noch in einer Zeit aufgewachsen, in der die Standesgrenzen noch etwas höher waren. Und während der Glanz ihrer Stellung und ihrer übertrieben zur Schau gestellten Damenhaftigkeit in der älteren Generation noch funktioniert und sogar parasitäre Nutznießer wie Praye anlockt, zeigt sie sich gegenüber der frechen, jugendhaften Frische eines Mike Dorn, der sich davon nicht beeindrucken lässt, mehr als hilflos und muss sogar auf wenig damenhafte Hinterhältigkeiten zurückgreifen, da sie sich anders nicht zu helfen weiß und auch niemals gelernt hat, sich anders zu helfen. Im Grunde kämpft sie auch nicht gegen die Aufdeckung ihrer frühereren Verbrechen an, sondern vor allen Dingen gegen die Zerstörung ihres eigenen Selbstbilds, das sie in den letzten Jahrzehnten so sehr verinnerlicht hat, dass sie am Ende keinen anderen Ausweg mehr gesehen hat als ihrem Leben ebenfalls ein Ende zu bereiten. Leider schweigt sich der Film über die Hintergründe des Giftmords aus, aber man kann wohl mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass sie, die anfangs als Adelstochter von allen Seiten hofiert und umworben und damit in ihrem Prinzessinentraum bestärkt worden ist, irgendwann nur als Anhängsel eines bzw. ihres Mannes enden und vom Titel und Reichtum ihres Vaters nicht viel haben würde. Möglichst gut verheiratet, aber im Endeffekt doch "weggegeben". Also musste sie dafür sorgen, dass die Linie in ihrem Zweig fortgeführt wird. Diese Verletzbarkeit und Manie hätten meines Erachtens weder Flickenschildt noch Horney so spielen können wie die Dagover, die dies in der Rolle geradezu verkörpert (siehe auch meinen letzten Beitrag zum schwarzen Abt, bei dem für mich Borsche für die Rolle als zu robust und damit fehlbesetzt herüberkommt - hier ist demgegenüber alles perfekt!).
Abgesehen von diesem Psychologiekram (möglicherweise interpretiere ich auch mehr herein als da ist) sind natürlich die Szenen, in denen Dagover nach dem Stromausfall im Schloss herumgeistert, Stummfilmparodie und/oder -hommage pur. Auch Anlage und Darstellung der Tappat-Rolle entbehren nicht einer gewissen Theatralik - allein schon seine altmodische Kleidung. Beide werden am Ende entsorgt, das alte Kino ist tot, die zeitgemäßen spannenden Reißer mit Stars vom Schlage Fuchsberger und Grothum triumphieren. Dieser Film kann somit auch als Übergang in die damalige Moderne und respektvolle Verneigung vor der filmischen Vergangenheit verstanden werden.
Trotz mancher Hänger im Spannungsfluss, macht es mir auf jeden Fall immer sehr viel Spaß den Schauspielern in diesem Film zuzusehen. Eine solche stilistische Bandbreite gibt es meines Erachtens in dieser Qualität (u.a. auch Grothums bester Wallace-Auftritt, die Tragik, die in der Figur des Selwyn liegt, macht Arent fast schon zu einer Art traurigem Clown) in keinem anderen Film der Reihe zu begutachten. Und auch das Finale ist für mich eins der, wenn nicht sogar das Beste. Einziger Wermutstropfen ist die zu fröhliche Abschlussmusik, die diesen Eindruck eines perfekten Endes wieder etwas zunichte macht.
Außerdem ist es im Nachhinein betrachtet etwas schade, dass man hier noch nicht den Mut hatte wie in späteren Verfilmungen. Mit Anleihen an die Groats aus dem Roman "Die blaue Hand" und Selwyn als heimlicher Herr über seine vordergründig und ehemals starke Mutter hätte diese Verfilmung auch den Überraschungseffekt gehabt, der ihm zugegebenermaßen tatsächlich fehlt. Allerdings macht der Rest des Films diesen Umstand für mich mehr als wett.
Ich find die Gräfin nicht sooo schlecht aber auch nicht den Über-Wallace. Der Film fängt eigentlich recht interessant an. Der Beginn ist richtig schön düster.Die ganzen Mordanschläge auf unsere arme Schönheit geben dem Film durchaus Spannung. Das Hell-Dunkel Spiel ist recht gelungen. Nachdem sich die Handlung dann in´s Schloss verlegt, verliert der Film leider an Schwung. Lil Dagovers Stil ist etwas seltsam. Man merkt deutlich, dass sie aus einer anderen Ära kommt.Der Film tümpelt stellenweise etwas dahin. Die Szenen in der Irrenanstalt sind recht gut und erinnern mich an die später produzierte Blaue Hand. Eddi Arendt´s Part ist hier überdurchschnittlich, im Vergleich zu sonstigen Auftritten.Der Film wirkt sehr altmodisch, was mich allerdings nicht stört.Kinski´s Rolle ist anfangs recht stark, nützt sich allerdings im Laufe des Films ab. Ich kann mich erinnern das ich, als ich "Die Gräfin" zum erstenmal sah, noch Pflichtschüler war, irgendwan Anfang der 80er.und heimlich aufstand,da er damals nach 23 Uhr lief. War danach richtig stolz drauf, wieder einen neuen Wallace kennengelernt zu haben. Ich würde sagen, dieser Wallace bewegt sich irgendwo im Mittelfeld. Drum 3 von 5 Punkten
"Die seltsame Gräfin" belegt im Edgar-Wallace-Filmgrandprix 2014 Platz 17 von 36. Der Film erhielt 72,38 % der möglichen Punkte. Das entspricht einer durchschnittlichen Filmwertung von 3,62 von 5 Punkten.
1. 4,1 Punkte p.P. = Platz 11 (+6) in der Kategorie Ermittler 2. 3,8 Punkte p.P. = Platz 16 (+1) in der Kategorie Verbrecher und Verbrechen 3. 3,5 Punkte p.P. = Platz 19 (–2) in der Kategorie Regie und Inszenierung 4. 3,3 Punkte p.P. = Platz 22 (–5) in der Kategorie Drehbuch und Logik 5. 3,9 Punkte p.P. = Platz 17 (~0) in der Kategorie Atmosphäre 6. 3,3 Punkte p.P. = Platz 24 (–7) in der Kategorie Musik 7. 3,4 Punkte p.P. = Platz 21 (–4) in der Kategorie Prätitelsequenz und Vorspann 8. 3,8 Punkte p.P. = Platz 17 (~0) in der Kategorie Wallace-Faktor 9. 3,4 Punkte p.P. = Platz 18 (–1) in der Kategorie freie Wertung
In der Vorrunde (Kampf um die Top-10) wurde "Die seltsame Gräfin" auf Platz 18 gewählt.
Zitat von patrick ebner im Beitrag #108Ich find die Gräfin nicht sooo schlecht aber auch nicht den Über-Wallace.
Das sehe ich auch so, der Film kommt ja in den meisten Kritiken eher schlecht weg. Der Kontrast zwischen den alten Ufa Darstellern und die jüngeren Protagonisten ist durchaus reizvoll, Brigitte Grothum ist für mich eine der Topp weiblichen Darsteller, was sie auch nochmal im Gasthaus beweist. Die literarische Wallace Vorlage ist sehr lesenswert, Eddi Arend und Klaus Kinski überzeugen wie immer. Ich sehe den Film deutlich vor den Narzissen, knapp vorm Bogenschützen, aber auch hinter den anderen 5 Filmen aus den Jahren 1959-1961.
An und für sich mag ich den Film und habe ihn mir auch auf DVD gekauft, für zwischendurch ist er brauchbar. Letztendlich ist mein einziges wirkliches Highlight in diesem Film aber nur Lil Dagover. Ihre Darstellung der Gräfin rettet für mich den Film.
Der negativste Aspekt dieses Films ist für mich Brigitte Grothum. Im Mekka beim Gasthaus an der Themse, als nettes Mädel von nebenan war sie ja ganz gut, aber hier ist sie nervig. Diese Darstellung von der an den Rand des Wahnsinns getriebenen Frau, steht ihr nicht besonders gut. Ebenso negativ für mich ist, dass der Film irgendwo zwischendrin zu langweilig wirkt. Da passiert mir zu wenig, zu wenig Spannung und die Auflösung am Schluss gestaltet sich zu fade.
Wie gesagt, wenn man ihn sich einmal im Jahr als richtiger Wallace Fan reinzieht, oder wenn er mal zufällig nebenbei im TV läuft, dann reicht das aus.
Die seltsame Gräfin unterscheidet sich von der Handlung her grundlegend von den anderen Wallace-Streifen. Kein maskierter Mörder, keine akutellen Verbrechen, sondern ein bereits viele Jahre zurückliegender Raub stehen im Mittelpunkt des Geschehens. Aufgrund dieser wenig unmittelbaren Gefahr, strahlt der Film leider eine gewisse Langatmigkeit auf und die sonst so gern gestellte Frage nach dem "Wer" hat keinerlei Bedeutung hier. Leider ist auch das "Wie" nur wenig spektakulär ausgefallen, weswegen es der gesamten Handlung an Spannung fehlt.
Wie auch in anderen Filmen geht glücklicherweise eine große Dynamik auf das Konto der Schauspieler. Fuchsberger spielt einen sehr energischen Inspektor und versucht Brigitte Grothum mit aller Macht zu beschützen. Grothum liefert eine sehr eindrucksvolle Darbietung ab und ich halte ihren Part für einen der besten aller weiblichen Hauptrollen. Mehr als andere Wallace-Damen wird sie terrorisiert und Frau Grothum spielt dies ausgezeichnet! Ein ganz starker Auftritt. Ebenfalls grandios ist natürlich Lil Dagover, die die Gräfin mit einer durchgehend royalen Zwielichtigkeit spielt, immer am Rande der Manie. Ihre Verpflichtung war ein großer Gewinn für diesen Film. Das gilt auch für Rudolf Fernau und Klaus Kinski. Beide kann man hier in Paraderolle sehen und von beiden, besonders Fernaus Doctor Tappat, geht die größte Bedrohlichkeit aus. Eddi Arent, Fritz Rasp und Richard Häussler spielen schön undurchsichtig und Edith Hancke gewinnt rasch die Sympathien als beste Freundin der gehetzten Margaret.
Das Ensemble spielt also einmal mehr großartig auf und gibt alles um über die langatmige und wenig interessante Geschichte hinwegzutäuschen, was von Zeit zu Zeit sogar gelingt. Der Film fängt ja auch großartig an. Die Anrufe sind gruselig inszeniert und bauen mehr und mehr Spannung auf, die sich dann in den Mordanschlägen noch mehr manifestiert. Die ersten 20 Minuten geht es Schlag auf Schlag und eine unmittelbare, bedrohliche Stimmung wird aufgebaut. Leider verlieht sich diese Stimmung recht schnell wieder, besonders, da der Fokus auf den Raub und den Giftmord vor langer Zeit gelegt wird und außer vielen Dialogen nichts nenneswertes passiert. Gegen Ende hin geht es wieder zügiger zu. Vom Irrenhaus bis hin zum Finale schwenkt die Spannungskurve wieder nach oben, was aber wie gesagt, weniger an der Frage nach dem "Wie" liegt, sondern hauptsächlich an der unheimlichen Darstellung des Irrenhauses und dessen Königs: Rudolf Fernau. Die "Auflösung" geschieht dann wieder allzu unspektakulär und vergönnt dem Zuschauer keine große Überraschung mehr.
Die bisweilen sehr statisch unmutende Geschichte wird leider auch von der Kamera unterstützt, die keinerlei Dynamik erzeugt. Mitunter finden sich zwar tolle Lichtspiele, aber im Gesamten hätte eine etwas beweglichere Kameraführung, für wohltuenden Schwung sorgen können. Leider bewegt sich auch die Musik nur im Mittelmaß. Zwar gibt es in manchen Szenen eine sehr passende und unterstützende Untermalung, aber an anderen Stellen wirkt der Soundtrack deplaziert. Daher auch hier nur Mittelmaß.
Abschließend will ich sagen, dass der Film trotz der, im Vergleich zu anderen EWs, ungewöhnlich "seichten" Handlung (hier sterben auch extrem wenig Menschen, oder?), dennoch seine Augenblicke hat. Die bereits angesprochenen Anrufe sind wirklich zum Fürchten, genauso wie das Bild der Irrenanstalt. Dem gegenüber steht die gemütliche kleine Wohnung Lizzys, die ebenfalls mit einer ungewohnten, aber sehr willkommenen Stimmung aufwartet.
Darsteller: Joachim Fuchsberger, Brigitte Grothum, Lil Dagover, Klaus Kinski, Rudolf Fernau, Richard Häußler, Marianne Hoppe, Eddi Arent, Edith Hancke, Fritz Rasp, Reinhard Kolldehoff, Albert Bessler, Alexander Engel u.a.
"Die Edgar Wallace-Welle wogt weiter!" So der Anfang des offiziellen Trailers zur "seltsamen Gräfin". Ich hatte mich eigentlich auf eine flammende Verteidigungsrede eingestellt, weil ich den Film seit jeher als "unterschätzt" eingestuft habe, muss jedoch eingestehen, dass mir die heutige Sichtung diesbezüglich ordentlich Wind aus den Segeln genommen hat.
Ähnlich wie "Der grüne Bogenschütze" ist "Die seltsame Gräfin" sicherlich ein Kuriosum für sich und aus diesem Grunde in der breiten Öffentlichkeit wohl auch populärer als unter hartgesottenen Fans. Der Film enthält einige "legendäre" Szenen für den Best Of-Clip wie z.B. die Balkon-Szene oder die Schlussansprache der Gräfin, in der sie sich als "Wohltäterin der Menschheit" bezeichnet, liefert aber gleichsam Steilvorlagen für Parodien, die von den Machern der "Wixxer"-Filme denn auch dankend angenommen und verwertet wurden.
In den ersten Minuten wird ein sehr hohes Tempo vorgelegt und man ertappt sich immer wieder dabei, sich zu fragen, warum der Film gemeinhin als "langatmig" und "altbacken" beschrieben wird. Die unheimlichen Drohanrufe Klaus Kinskis, die einem jedes Mal aufs Neue einen Schauer über den Rücken laufen lassen und die diversen Mordanschläge geben in Sachen Spannung und Action ein Versprechen, welches der Rest des Films leider nicht einhalten kann. Der Übergang zu den Szenen auf dem Schloss gelingt noch recht gut, doch spätestens mit der Verlegung der Geschehnisse in die Irrenanstalt kommt ein Bruch in das Ganze. Außergewöhnlich lange, nämlich mehr als 50 Minuten (!) dauert es, bis die erste Figur ins Gras beißen muss. Komischerweise verflacht nun, wo es vermeintlich "richtig losgehen" sollte, die Spannung. Die Szenen in der Anstalt des Doktors führen zu einer gewissen Verzögerung, weil im Grunde klar ist, dass sich der Cast früher oder später wieder auf dem Schloss versammeln wird, da es undenkbar erscheint, dass die Gräfin ihr Schloss verlassen und sich in die Anstalt aufmachen würde.
Was mich heute ein wenig ins Wanken gebracht hat, ist die streitbare Lil Dagover. Bisher war ich immer der Meinung, dass ihr "Over-Acting" letzten Endes seine Wirkung nicht verfehlt. Doch ähnlich wie bei Fröbe empfand ich die Präsenz nunmehr als zu stark und ihre Darstellung längst nicht immer überzeugend. Dennoch guckt man sich den Film zwangsläufig auch gerade wegen Dagover an, weil man Vergleichbares eben innerhalb der Reihe nicht geboten bekommt. In Kontrast dazu muss sich Joachim Fuchsberger ein wenig zurücknehmen und bekommt längst nicht so viel Screentime wie gewohnt. Brigitte Grothum sieht man hingegen bei ihrem ersten und mit Abstand besten Auftritt. Ein einmaliges Gastspiel gibt der auf Männer mit Doktortiteln spezialisierte Rudolf Fernau, der in anderen Genre-Beiträgen sicher schon besser aufgelegt war (z.B. in "Der Würger von Schloss Blackmoor"). Aus dem Enseble der "Alten" sticht Richard Häußler mit einem angenehm dezenten Auftritt heraus und empfiehlt sich für weitere Einsätze. Er besticht stets durch eine kühle, gerissene Spielweise, der er durch seinen dialektischen Tonfall gepaart mit seiner nahezu immer einseitig erhobenen Augenbraue ein eigenes Gepräge gibt. Der wahre Star des Films ist freilich der völlig entfesselt aufspielende Klaus Kinski, der hier seine vielleicht beste unter vielen großartigen Darbietungen präsentiert, auch wenn die Figur des Stuart Bresset sicher nicht unwesentlich zu seinem Rollenklischee des Wahnsinnigen beitrug. Eddi Arent bekommt diesmal wieder eine größere Rolle, mit der jedoch die undankbare Aufgabe einhergeht, gegen Lil Dagover anspielen zu müssen, was ein Stück weit auf Kosten des sonst von Arent beigesteuerten Humors geht.
Anzumerken ist noch, dass der Regiewechsel von Baky zu Roland kaum aufällt und Peter Thomas bei seinem ersten Einsatz von seiner Höchstform sicher noch ein gutes Stück entfernt ist. Alles in allem ein Film, den man sich wie die allermeisten der Reihe immer wieder ansehen kann, gleichwohl dürfte es sich bis dato um den schwächsten Wallace-Beitrag (neue Erkenntnis!) von Seiten der Rialto-Film handeln.
"Die seltsame Gräfin" kann das hohe Niveau vom Anfang leider nicht über die Gesamtlaufzeit halten. Spätestens wenn das Schloss, wo der Ursprung allen Übels lauert, zu Gunsten der Irrenanstalt verlassen wird, verflacht der Film. Summa summarum der bis hierher schwächste Rialto-Wallace und daher "nur" 3,5 von 5 Punkten.
Es sind doch eine Pluspunkte da, z.B. die gute Buchvorlage (wenn auch nicht sehr gut wie bei anderen Filmen der Jahre 1959-1963), die Auftritte von Fritz Rasp und Eddi Arent und die düstere Irrenhaus Atmosphäre.
Zitat von Count Villain im Beitrag #114... Aber gut, dann bleibe ich hier im Forum eben der einzige Liebhaber des Films.
Nein. Ich mag den Film auch sehr gern. Er hebt sich mit seiner legendären Besetzung und seiner gemächlich-unspektakulären Story-Entwicklung wohltuend von manchen hektischen Mätzchen und lauen Witzchen der sw-Ära (Bogenschütze, Orchidee, Gruft) ab - natürlich noch mehr von dem späteren farbenfrohen Dauergetrashe.....
Zitat von Ray im Beitrag #113Ich hatte mich eigentlich auf eine flammende Verteidigungsrede eingestellt, (...)
Und die hätte mich auch sehr gefreut. Aber gut, dann bleibe ich hier im Forum eben der einzige Liebhaber des Films.
Nö, Du bist keineswegs der einzige Liebhaber der Gräfin. Zwar kann ich eine Reihe von Beiträgen der Serie nennen, die ich ihr vorziehen würde - aber ebenso verbleiben zahlreiche Filme, die ich hinter ihr einordne. Auch war ich nie der Überzeugung, dass Peter Thomas bei der Gräfin seinen schwächsten Score abgeliefert haben soll. Einige seiner späteren Kompositionen (Tür, Zinker, Hexer) finde ich deutlich weniger gelungen. Sein minimalistisches Titelstück zur Gräfin passt ganz ausgezeichnet zu deren vorzüglichem Opener - die Titelsequenz der Gräfin gehört zu Vorzeigestücken der Serie und Regisseur von Baky scheint schnell bemerkt zu haben, welch' schauspielerischen Goldschatz er da mit dem durch die Credits wandernden Klaus Kinski im Ensemble hat.
Auch die vielgescholtene Lil Dagover mag ich nicht als übertriebene Theater-Diva abtun. Fraglos agiert sie "mörderisch" theatralisch. Dieses Getue folgt aber ja doch irgendwie ihrer Rolle inmitten geistiger Abnormalität und aristokratischer Gediegenheit.
Ich sehe die Gräfin nicht allzu oft - aber wenn, dann eigentlich stets mit Begeisterung. Für mich ein ernsthafter, sauber inszenierter und alles in allem stimmiger Kriminalfilm ohne Action-Getöse.
Eigentlich wollte ich ja gestern nicht alle drei Wallace-Filme auf Nitro schauen, sondern nur die Augen und mir den Rest für die Wallace-der-Woche-Sichtungen aufbewahren. Abt habe ich auch nicht ganz gesehen, da war ich teilweise auf dem Heimweg, aber den Anfang der Gräfin habe ich wieder mitbekommen. Eigentlich wollte ich ins Bett, aber ich konnte mich einfach nicht losreißen.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Gräfin mein (einer meiner) Lieblings-Wallace ist, ist dieser nun wohl damit endgültig erbracht. Ich glaube von fast jedem anderen Wallace hätte ich mich losreißen können, aber nicht von "meiner" Gräfin.
Zitat von Count Villain im Beitrag #119Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Gräfin mein (einer meiner) Lieblings-Wallace ist, ist dieser nun wohl damit endgültig erbracht. Ich glaube von fast jedem anderen Wallace hätte ich mich losreißen können, aber nicht von "meiner" Gräfin.
Du bist nicht allein ! Auch ich gestehe, dass ich ein großer Fan der Gräfin bin und es dürfte tatsächlich auch der Film sein, den ich am häufigsten gesehen habe.