Ich habe vor, Mitte September nach London zufliegen, und ein wenig auf den Spuren vom großen Edgar zu wandeln. Als großer England-Fan ist es nun endlich soweit...
Ich kann es kaum erwarten.
Natürlich hat man in rund 5 Tagen nun nicht soviel Zeit, und neben den berühmt-berüchtigten Anziehungspunkten (Tower, Themse, Windsor, etc.) möchte ich doch die Gelegenheit nutzen, ein wenig Wallace-Krimi-Flair zu sehen und etwas mörderische Luft einzuatmen...
Wer von Euch war schon einmal in "Old-London" und kann mir hier vielleicht ein paar Tipps geben???
Danke!
Mr. Krimi (Der Mann von Miss Krimi)
Editiert von Gubanov am 28.08.2011 um 23.08 Uhr - Beitrag in bestehendes Thema integriert
Im September machte ich mich mal wieder auf nach Little Marlow, um auf dem Friedhof nach dem Rechten zu sehen. Dass ein Filmteam dieses Jahr vor Ort war, konnte ich nicht ahnen, denn die Ausstrahlung der Doku auf ARTE erfolgte erst rund zwei Wochen später. Saubergemacht hatten sie jedenfalls nicht! Da ich diesmal früh losgefahren bin, war noch Zeit zum Lunch im Ort und ich wählte das „Kings Head“. Es ist für gutes Essen bekannt, was ich bestätigen kann. Da dieser Thread nun eigentlich kein Gastro-Führer ist, wäre dies nicht unbedingt erwähnenswert. Mitteilenswert ist allerdings, dass in dem Gasthof einige Bücher mit alten Postkarten aus Marlow und Little M. ausliegen. Ich fand dann auch eine Ansicht aus dem Dorf mit dem Trauerzug für E.W.. Man kann erkennen, dass Menschenmengen an der Strasse standen, auch ein Drehteam ist zu sehen. Es muss in dem abgelegenen Ort, der noch nicht mal eine Bahnstation hat, ein Großereignis gewesen sein. Da die Aufnahme hier verkleinert eingestellt ist, nachfolgend der Text: „The successful writer of crime fiction lived at Chalklands, Bourne End. He died in February 1932, and his funeral at Little Marlow received nationwide coverage. He is buried in the Little Marlow cemetery along the Bourne End Road in Fern Lane. Hugely popular in his time, but his vast output of novels and plots for numerous “B” movies seem a little dated today. This was the era when it was not permissible to publish a book or produce a film where the criminals got away with it. All Edgar’s “baddies” got caught, usually by ace detective J.G. Reeder. Edgar was also co-creator of King Kong in a short story. The main picture is a Greville’s postcard; right is an early portrait shortly before his rise to fame.”
Auch erwähnenswert ist, dass im „Kings Head“ ein Telefon auf dem Tresen steht, was noch aus den Sechzigern stammen könnte. Ich hatte zweimal das Vergnügen, einen Anruf erleben zu dürfen: Das Klingeln war fast identisch mit dem durchdringenden Läuten des Apparates in Lizzy’s Wohnung in der „Seltsamen Gräfin“. Hier war aber wohl nicht „die Stimme“ aus dem Irrenhaus dran, denn die Bedienung wurde nur nach den Zeiten für das Christmas-Dinner gefragt.
With kind regards Barnaby
Editiert von Gubanov am 02.11.2011, 23.10 Uhr - Bilder eingefügt
Mein letzter Besuch lag schon rund ein Jahr her, so dass ich neugierig war, ob sich wieder etwas geändert hat. Ich konnte beruhigt feststellen, dass der Betrieb auch mit den neuen Betreibern mit einem gewissen Anspruch an die gastronomische Qualität weitergeführt wird. Davon zeugt auch ein Aushang der West-Londoner Kampagne für „real Ale“, der darüber informiert, dass das Pub im Wettbewerb um den „Pub of the year 2011“ den dritten Platz belegt hat. Bei der Dichte an Pubs in West-London ist das schon eine Leistung! Die E-W-Büste steht jetzt nicht mehr auf dem Tresen. Auf meine leicht beunruhigte Frage erklärte der Barkeeper, dass E.W. an seinem neuen Standplatz den besseren Überblick habe und deutete zur Seitentür, wo oben die Büste mit Strohhut neben mehr oder weniger dekorativen anderen Dingen in Szene gerückt steht.
Der untere Gastraum ist inzwischen an allen Flächen mit historischen Werbeschildern und –lampen dekoriert worden – interessanterweise häufig mit Reklame für Zigaretten, was bei den heute rauchfreien Räumen für manche sicher wehmütig wirkt. Die Dekoration würde ich woanders sogar für gelungen halten, hier hat sie allerdings keinen historischen Bezug, weder zum Namen der Gaststätte, noch zur Gegend, sondern wirkt auf mich unpassend. Zwei große Spielzeugsoldaten vor der Tür machen den Eindruck nicht besser. Nun, wenigstens ist im oberen Stock alles wie früher geblieben. Ein Relaunch der gut gemachten informativen Homepage des früheren Wirtes hat nicht stattgefunden – nun gibt es leider garkeine mehr. Mal sehen, ob da noch was in dieser Richtung passiert. Etwas Sehenswertes habe ich übrigens nebenbei – eigentlich suchte ich nach etwas anderem - im Londoner Stadtarchiv gefunden. Es gibt dort noch einige alte Außenaufnahmen aus der Essex-Street aus den Siebzigern. Auf dem ersten Foto, das von 1971 stammt, ist links neben dem Pub noch ein altes Gebäude zu erkennen, das wohl kurze Zeit später abgerissen wurde. Vielleicht wurde deshalb auch die Aufnahme gemacht.
Das Pub hieß damals noch „The Essex Head“. Beachtenswert ist die alte Uhr außen anstelle eines Schildes. Die zweite Aufnahme entstand vier Jahre später, es muss wohl kurz vor der Umbenennung in den heutigen Namen gewesen sein. Teile der Uhr sind übermalt worden, da die Biermarke wohl nicht mehr geführt wurde. Innenaufnahmen habe ich leider leider nicht gefunden.
Best regards, Barnaby
Editiert von Gubanov am 02.11.2011, 23.50 Uhr - Bilder eingefügt
Interessante alte Fotos hast du da aufgetrieben. Das Filmteam dürfte wohl jenes sein, das auch für die zeitgenössischen Aufnahmen verantwortlich war, die in der Doku "German Grusel" auftauchten. Beim Essex Head fällt neben dem Namens- auch der Fassadenfarbenwechsel auf - damals, gerade auf dem ersten Foto, sah die Farbe noch angenehm hell aus. Mit dem Krimiautor zog dann auch die "schwarze Seele" ein, gleichzeitig aber genauso die "Blumigkeit". Gratulation zum Award übrigens - der Beweis: EW reißt heute doch noch einiges!
Zum Beitrag vom 18.10.2010 gibt es noch einige Ergänzungen zu den Drehorten in London und es werden sicher nicht die letzten sein. Die Vergleiche können wieder in der Galerie angesehen werden.
06. Das Geheimnis der gelben Narzissen
• Hier fand sich noch ein Drehort mitten in Soho am Berwick Square. Blacky alias Jack Tarling läuft hier vom Taxi zu Lynes Büro. Im Hintergrund sieht man deutlich den Pub „The Blue Posts“. Das Bürogebäude rechts, in das Mr. Tarling geht, steht nicht mehr, aber die Häuser geradezu sind alle erhalten. Das Pub sieht noch genauso aus, nur hängen heute dort Blumen über den Fenstern. Eine kleine unspektakuläre Eckkneipe, aber passender eingerichtet als der E-W-Pub, mit alten Bildern von London. Eine Urkunde an der Wand gibt aktuell Kunde vom „Winner of the Best Pub of the year-contest” aus dem Jahre 1993.
18. Das Verrätertor
• In einer Szene des Films sitzt Hope mit ihrem Leutnant Dick und einem weiteren Pärchen mit Hund auf der Terrasse des „London Apprentice“ am Fluss bei einem Drink. Dieses Lokal an der Themse existiert dort seit über 250 Jahren und ist ein beliebtes Ziel für Ausflüge. Es ist von der City ein ganzes Ende raus nach Südwesten, ungefähr auf der Höhe von Richmond, aber auf der Westseite des Flusses in Old Isleworth. Für diese kurze Filmszene musste sich also der Set auf eine längere Fahrt begeben. Die Terrasse ist heute etwas kleiner, da eine Veranda an das Lokal gebaut wurde. Das Geländer ist einer Mauer gewichen, aber die Laternen sind noch dieselben. Ob das Lokal heute noch für Filmaufnahmen beliebt ist, bezweifele ich; zumindest die Akustik ist beeinträchtigt, denn alle 30 Sekunden fliegt eine Maschine im Landeanflug nach Heathrow darüber hinweg.
22. Das Geheimnis der weißen Nonne
• Einer der spektakulärsten Schauplätze des Films konnte endlich enttarnt werden: Die überfallene Bank! Sie befindet sich im Herzen der City in der Old Broad Street, nur einen Steinwurf hinter der Bank of England. Wo während der Dreharbeiten 1966 gegenüber ein Gebäude abgerissen wurde, steht heute der Stock Exchange Tower (wo derzeit wegen Bauarbeiten auch wieder ein Gerüst steht). Offenbar wurde die Bankfiliale dort nach dem brutalen Ereignis aufgegeben. Wo der Eingang war, befindet sich jetzt nur noch ein schnöder Geldautomat und in die Räume der ehemaligen Bank ist ein Supermarkt eingezogen. Ich darf an dieser Stelle Gubis Vermutung zitieren, dass Susan Hampshire dort heute ganz unschuldig einkaufen geht ... Das Gebäude steht zwar noch, aber das ganze Erdgeschoss wurde völlig umgebaut und leicht historisiert verkleidet. Die Sechziger sind architektonisch eben nicht mehr so gefragt. Eines ist sicher: So leicht wie damals hätte es die Bande nicht mehr. Bei meinen Bemühungen, die günstigsten Positionen zum Fotografieren zu finden, fuhr nicht weniger als dreimal ein Streifenwagen langsam an mir vorbei. Zum Glück wurde ich nicht befragt, denn die Geschichte wäre für die Bobbies wohl sehr unglaubwürdig gewesen ...
• Bereits geschrieben hatte ich, dass die Aufnahmen zu Hamlyn’s Wharf (zumindest von außen) im St Katharine’s Dock entstanden sind. Es ist mir inzwischen doch noch gelungen, den genauen Drehort herauszubekommen. Als Zufahrt wurde die von East Smithfield nach Süden abzweigende kleine Stichstraße (heute die Einfahrt zum Ivory House) genutzt, die am früheren Warehouse C entlangführte, das auf der Nordseite des Docks stand. Die Dreharbeiten fanden am östlichen Ende dieses Lagerhauses statt. Das Gebäude selber ist durch einen Neubau ersetzt worden. Ich habe aber im Stadtarchiv eine Aufnahme aus dem Jahre 1967 aufgetrieben. Vor der völligen Umgestaltung der Hafenanlage in den Folgejahren wurden offenbar noch einmal viele Aufnahmen von allen Gebäuden gemacht, wie ich erfreut feststellen konnte.
• Drei Jahre nach meinem letzten Besuch konnte ich nun – nach Wiedereröffnung des Hauses – Emberday Hall einen ausführlicheren Besuch abstatten. Die „Friends of Strawberry Hill“ haben mit der Restaurierung ganze Arbeit geleistet, aber dabei leider nicht den Zustand während der Dreharbeiten 1966 im Blick gehabt, sondern das ursprüngliche Aussehen. Das Gebäude ist heute so strahlend weiß gestrichen, dass man die Nonnen – wären sie noch dort – in ihrem Habit davor garnicht mehr erkennen würde. Der schöne Brunnen auf der Gartenseite ist entfernt worden, da er ursprünglich nicht zum Ensemble gehörte und auch baufällig war. Ein Gang durch die zur Besichtigung freigegebenen Räumlichkeiten gab nun Klarheit, dass einige Innenaufnahmen in diesem Gebäude entstanden sind, und zwar im Treppenhaus und im grossen Saal mit dem schönen Fächergewölbe und den vergoldeten Dekoren. Unklar geblieben ist, wo die Aufnahmen vor den Buntglasfenstern gedreht wurden. Das Gebäude geht neben der Freitreppe über in ein College, das nicht besichtigt werden kann. Zusammen mit dem Personal konnte geklärt werden, dass die sogenannte Kapelle, also der Raum mit dem Taufstein, nicht existiert. Auch die Wendeltreppe gibt es nicht im Gebäude. Diese Szenen stammen sicherlich aus dem Filmstudio. Die „Kapelle“ im Film wirkt auch etwas künstlich und unecht.
Einen schönen Rundumblick von der Gartenseite aus der Zeit vor der Restaurierung habe ich auf der Homepage des St Mary’s University College gefunden. Dort steht auch der Brunnen noch, der im Film mehrmals zu sehen ist: http://www.smuc.ac.uk/virtual-tours/index.htm, dort auf „01 – Strawberry Hill House (Old)“ klicken.
Von der „weißen Nonne“ dürften somit bis auf wenige Ausnahmen (Familiengruft der Emberdays und das „White Heart“-Hotel) alle Drehorte bekannt sein!
Vielen Dank an Gubi für die technische Zusammenstellung der Vergleichsbilder.
"The Edgar Wallace" hat inzwischen außen eine Infotafel zum Autor und andere Wallace-Schilder (gegenüber den hier veröffentlichten früheren Bildern). Innen gibt es jetzt auch eine Bücherwand. Biersorten ok, aber am Wochenende ist das Pub geschlossen (was wohl mit der Lage im Business-Bezirk zusammenhängt). Immerhin gibt es das Pub mit dem Namen noch, auch wenn es sicher nicht mehr zu den drei besten Londoner Pubs gezählt werden kann.
Zitat von Barnaby im Beitrag #43Am Haus hängt eine runde Tafel, die auf die prominente Geburt mit folgendem Text hinweist: „Edgar Wallace. The novelist was born in this house in 1875“.
Wurde die Tafel inzwischen entfernt? Auf Google Street View ist sie nicht mehr zu sehen.