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Dieses Thema hat 109 Antworten
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 Edgar-Wallace-Forum
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Peter Offline




Beiträge: 2.886

07.05.2013 18:01
#76 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #74
Also soweit ich die Entstehungsgeschichte der Wallace-Filme verstanden habe, haben Philipsen, Barthel und Hummel die Edgar-Wallace-Reihe aus der Taufe gehoben. Und spätestens mit dem Script von Egon Eis standen dann konkrete Ideen und Konzepte für den ersten Film fest, sodass sich mir nicht erschließt, welche angebliche Sonderstellung Reinl im Vergleich zu anderen Regisseuren zukommen soll.

Reinl kommt insofern eine Sonderstellung zu, als er der einzige Regisseur der Serie war, der der keinen Vorgängerfilm als Referenz und Maßstab hatte - und damit auch keine Publikums-Reaktionen und Korrektive; einfach keine Möglichkeiten, bereits Rückschlüsse auf die weiteren Scripts und Konzepte zu ziehen. Umso höher ist der "Frosch" im Vergleich zu späteren Beiträgen einzuschätzen. Vohrer freilich setzte mit seinem Einstieg gleich mal andere, mit seinen Highlights zum Teil sicher auch höhere Maßstäbe.

tilomagnet Offline



Beiträge: 585

07.05.2013 20:03
#77 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Meines Erachtens war Reinl ein viel "soliderer" Regiesseur, der, wenn das Buch halbwegs brauchbar war, immer Qualitätsarbeit abgeliefert hat. Er hatte ein sehr gutes Gespür für Spannungsaufbau und ein sicheres Gefühl für die Balance aus hartem Krimi und Humorelementen, desweiteren war er ein hervorragender Action-Regiesseur (hier v.a. natürlich bei Winnetou). Seine Beiträge innerhalb der Wallace Reihe sind sämtlich top, BANDE ist noch der Schwächste, weil im Mittelteil zu gemächlich, aber trotzdem noch ein sehr guter Streifen. FROSCH, MÖNCH und ZIMMER 13 sind allererste Sahne.

Vohrer hatte in seinen besten Zeiten eine unverkennbare Handschrift und Hang zu Skurrilität. Er konnte damit der Reihe seinen Stempel aufdrücken. Jetzt kommt das ABER. Diese Phase wärte nur kurz: AUGEN, GASTHAUS und ZINKER gehören zu den besten Beiträgen und tragen diese einmalige Handschrift. Neben ein paar mittelmäßigen, halbwegs gelungenen Filmen (HEXER, TÜR, NEUES....), hat er aber auch die absoluten Tiefpunkte der Reihe zu verantworten (GORILLA, BUCKLIGE...), die - das wage ich zu behaupten - einem Regiesseur wie Reinl nicht passiert wären.

Peter Offline




Beiträge: 2.886

07.05.2013 20:47
#78 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Zitat von tilomagnet im Beitrag #77
hat er aber auch die absoluten Tiefpunkte der Reihe zu verantworten (GORILLA, BUCKLIGE...), die - das wage ich zu behaupten - einem Regiesseur wie Reinl nicht passiert wären.

Diese Tiefpunkte waren aber dem von der Produktionsseite gewünschten Übergang zum billigen letzten Cash-Absahnen einer im Grunde ausgelutschten Welle geschuldet und wären Reinl auch passiert, wenn er nicht frühzeitig/rechtzeitig bei Wallace ausgestiegen wäre. Damit war er zumindest taktisch besser als Vohrer. Allerdings kann man dem Vohrer-Vorwurf in diesem Zusammenhang dennoch nicht unreflektiert zustimmen, da Reinl nach dem (subjektiv) gar nicht so überragenden "Mönch" an vielen anderen Stellen eben nicht aus-, sondern eher in den Trash-Bereich eingestiegen ist. Seine Filmographie und die ausführliche 2011-er Biografie sind an nicht wenigen Stellen Zeuge davon...
Das soll aber in Wahrheit keine harte Abwertung sein, Vohrer wie Reinl hatten große Verdienste, für die wir alle sehr dankbar sind; - und schwache Beiträge im Karrierebild - aus verschiedensten guten Gründen - hat fast jeder Regisseur vorzuweisen. Und Leute in anderen Berufen sowieso...

Josh Offline




Beiträge: 7.928

07.05.2013 21:15
#79 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Ich mag eigentlich beide. Reinl hat mit dem Mönch und dem Fälscher die Meisterwerke der Reihe abgeliefert, Vohrer mit den toten Augen einen nicht viel schlechteren Film. Gerade bei den bunten Vertretern hat Vohrer einige starke Filme mit dem Buckligen, dem Peitschenmönsch, dem Hund und natürlich dem Glasauge abgeliefert. Der Gorilla ist zwar sehr trashig, aber auch sehr unterhaltsam.

brutus Offline




Beiträge: 13.030

07.05.2013 23:06
#80 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Freddy Vohrer musste ja viele Filme hintereinander machen, da nutzten sich einige seiner Gags doch sehr schnell ab. Und er war nicht unbedingt der Regisseur, der aus einem durchwachsenen Drehbuch noch einen Top-Film machen konnte. War das Buch hingegen gut, kam auch ein guter Film raus.

Sir 100 ASA Offline



Beiträge: 241

10.05.2013 23:25
#81 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Zitat von brutus im Beitrag #80
Freddy Vohrer musste ja viele Filme hintereinander machen, da nutzten sich einige seiner Gags doch sehr schnell ab. Und er war nicht unbedingt der Regisseur, der aus einem durchwachsenen Drehbuch noch einen Top-Film machen konnte. War das Buch hingegen gut, kam auch ein guter Film raus.


Was man im Falle des "Mann mit dem Glasauge" eindeutig so sagen kann. Dass ein gutes Buch nicht genügt, zeigt der "Gorilla von Soho", denn der war pures Recycling.

Ein Photo bitte, Madam? *blitz*

Havi17 Offline




Beiträge: 3.763

11.05.2013 10:07
#82 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Pures Recycling - Die alten Produzenten haben es nur vorgemacht, was heute an der Tagesordnung ist. Man nehme
einen bewährten Titel, oder eine bekannte Geschichte und produziere es gespickt mit ein paar Prominenten
aus alter und aktueller Zeit, nenne es, wenn man sich noch traut, Parodie, falls man das Niveau nicht sicher
erreicht Comedy, oder wenn man nicht sicher ist, ohne Attribut. Im letzteren Fall hat man dann alle Karten,
wenn es das Volk als ernstzumeinenden Erfolg ansieht dann als Krimi/Filmkomödie/Drame/etc zu adeln, oder
dessen als Parodie, Comedy oder Trash. Letztlich dann natürlich alles positive Attribute, die ermutigen
vor allem mit den Billigproduktionen weiterzumachen. Inzwischen arbeiten die Amerikaner schon mit Wortfetzen
und verwenden diese, ohne daß der Inhalt noch konform geht, dann z.B. in Kinderzeichentrickfilmen. Bei den
Darstellern wird letztlich noch damit geworben, daß z.B. deren Mutter Putzfrau bei einem Star gewesen ist.
Diesen billigen Imitaten anheim ist die fehlende Nachhaltigkeit, sozusagen die Endstation einer Kopie.
Bleibt abzuwarten auf den nächsten Erfolg und sich dann dranhängen ...

Gruss
Havi17

Savini Offline



Beiträge: 756

11.08.2021 12:58
#83 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Joachim Kramp kann darauf (leider) nicht mehr antworten; aber ich greife eine Bemerkung von ihm mal auf, da sie einen Punkt betrifft, über den ich mir ab und an Gedankken gemacht und darüber auch per Mail mit zwei Personen diskutiert habe:

Zitat von Joachim Kramp im Beitrag #45
Den skurilen Humor kann man bei Vohrer ganz und gar nicht absprechen, die immer wieder fallenden Puppen über Treppengeländer, Lifts etc. Vohrer war eben in dieser Hinsicht ein Sadist. Dr. Harald Reinl hat dagegen seine Wallace-Filme mit feinem Humor gewürzt, unter dem Motto weniger ist mehr.

Auch in einem anderen Thread schrieb JK, Vohrer sei bei der Darstellung von Morden "immer ein Sadist" gewesen:Die "schönsten" Todesszenen in E.W.-Filmen *Spoiler* (3)
Wirklich? Mir ist aufgefallen, dass sadistische Elemente in Reinls Krimi sogar stärker vertreten waren als bei Vohrer. Beispiele?

- "Der Frosch mit der Maske": Einem Wachmann wird die Kehle durchgeschnitten, aus der (in Nahaufnahme!) Blut tropft; später erhält Everett einen Stromschlag, bei dem er brüllt und Lolita wird mit einem Maschinengewehr durchlöchert. 1959 war das Zeigen von blutenden Wunden im Kino noch keineswegs selbstverständlich.
- "Zimmer 13": Beim Mord an der Striptease-Tänzerin spritz Blut heraus, später wird Igle im Off verprügelt, wobei er laut brüllt und später eine Augenklappe trägt und am Stock geht.
- "Im Stahlnetz des Doktor Mabuse": Mrs. Pizarro wird bei lebendigem Leibe verbrannt, ein Blinder vom Lastwagen zerquetscht und Sandros Körper später in Schwefelsäure aufgelöst.
- "Die unsichtbaren Krallen des Doktor Mabuse": Nick Prado wird mit einem Rasiermesser gefoltert, wobei er laut brüllt; danach sieht man seine blutenden Augen und er ist offensichtlich blind.
- "Die weiße Spinne": Sowohl Inspektor Dawson als auch der Stewart Maloney werden mit einer Drahtschlinge um den Hals über den Boden gezogen, wobei sie zucken, die Kamera teilweise auf ihr Gesicht hält und Maloney auch die Zunge herausquillt.
- "Der Würgen von Schloss Blackmoor": Bei den Taten des Würgers wird auch relativ lange draufgehalten (besonders beim ersten und letzten Mord) und es mit Oskar Salas Klängen untermalt, die an Röcheln erinnern; speziell dem Butler quillt ebenfalls die Zunge heraus. Auch sieht man gleich zweimal abgetrennte Köpfe und beim Motoradfahrer auch das Köpfen selber (durch eine Drahtschlinge).

Man könnte jetzt einwenden, dass solche Dinge ja durch die Drehbücher vorgegeben waren. Aber trotzdem wirkt die Darstellung mitunter sehr reißerisch; man vergleiche etwa das Erwürgen in der "Spinne" und beim "Würger" mit der vergleichsweise zurückhaltenden Art, in der Vohrer diese Szenen im "indischen Tuch" inszeniert hat. Auch die Ermordung von Bertram Cody in der "Tür" wirkt selbst in der ungeschnittenen Version weniger heftig; gleiches gilt auch für den Tod von Fanny Weldon in den "toten Augen".
Über die verbreitete Vorstellung, Vohrer sei der "Sadist" und Reinl der "Romantiker" der Reihe gewesen, habe ich mich mit zweien ausgetauscht.
X meinte, möglicherweise habe Horst Wendlandt Reinls Neigung zu sadistischen Darstellungen "gebremst", die er bei anderen Produzenten eher auslebte. Da wäre natürlich die Frage, ob der Produzent bei solchen Details zusätzlich eingriff. Jedenfalls war für X Vohrer nicht der "Sadist", sondern eher der "(schwarze) Humorist" der Wallace-Filme; Gewalt sei bei ihm stärker mit schwarzem Humor kontrastiert gewesen (Ausnahmen gingen stark mit Herbert Reinecker als Drehbuchautor konform), bei Reinl eher mit romantischen und gefühlvollen Momenten (wodurch sie noch krasser wirkten).
Y meinte ähnliches und sah zusätzlich einen Unterschied bei beiden in der Vorbereitung von Gewalt und Mord: Bei Reinl käme sie oft schockartig und plötzlich, bei Vohrer werde sie eher vorbereitet und zelebriert, was ihn an Hitchcocks Unterscheidung von "Überraschung" und "Spannung" erinnerte. Da könnte etwas dran sein. Mir ist zumindest beim "unheimlichen Mönch" aufgefallen, dass dieser bei mir trotz der effektvollen Musik nie Gruselgefühle aufkommen ließ. Denn bei seinen Morden ist es (abgesehen von der ersten und letzten Tat) immer so, dass er wie aus dem Nichts aufzutauchen scheint, zuschlägt und wieder verschwindet, wodurch sich nicht aufbauen kann. Bei den Morden des "anderen" Mönches, der blauen Hand, des Buckligen oder Unheimlichen sieht es anders aus.
Sicher wurde Vohrers Neigung zu schwarzem Humor, Albernheiten, Skeletten, Ratten, Schlangen oder stürzenden Puppen schon oft erwähnt; aber von Reinls teilweise (für die damalige Zeit) heftigen Gewaltdarstellungen war zumindest in diesem Thread noch nicht die Rede. Und wenn sie woanders erwähnt wurden, dann zumindest nicht als etwas, das für ihn typisch gewesen wäre.

Und war der Humor bei ihm wirklich "feiner"? Eddi Arent drehte unter seiner Regie mitunter ziemlich auf und überzog, etwa als Fotograf in der "Bande", bei den Szenen mit seiner Puppe "Emily" in "Zimmer 13" und sogar bei seinem Kurzauftritt als Nachbar im "Fälscher".

DanielL Offline




Beiträge: 4.155

11.08.2021 17:25
#84 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Also "feiner" oder nicht finde ich schwierig zu diskutieren. Gerade Humor nimmt man so oder so wahr.

Aber das Vohrer eher der (im spielerischen Sinne) "Sadist" ist, würde ich unterschreiben - wenn man es nämlich filmästhetisch begreift. So gibt es zwar ohne Zweifel in den Reinl-Filmen diverse "Schocker"- sei es der Mord an Lolita oder die anderen genannten Beispiele. Vohrer spielt jedoch (von Zeit zu Zeit) regelrecht mit solchen Szenen bzw. lässt die Kamera spielen. Hier fällt zum Beispiel eben besonders der "sadistische" Fahrstuhl-Mord in den Augen auf. Wo man durch die eingesetzten Kameraperspektiven fast schon zum Mittäter wird und Flimmer Fred quält. Oder man vergleiche die im Bootshaus gefesselte Karin Dor in der BANDE. Eine wunderbar gruselige Szene, vor allem die Lichtsetzung. Bei der gefesselten Monika Peitsch im Buckligen fährt langsam der Schweißbrenner auf sie zu... Die Szene ist nicht "besser" aber da wird natürlich die Folter inszenatorisch viel mehr "ausgekostet". Insofern passt das für mich schon. Vorher war da verspielter, nimmt mehr vom Giallo vorweg, Reinl war geradliniger - und legte mehr Wert auf konsequente Action-Sequenzen.

Gruß,
Daniel

Count Villain Offline




Beiträge: 4.616

11.08.2021 18:56
#85 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Zitat von Savini im Beitrag #83
Mir ist zumindest beim "unheimlichen Mönch" aufgefallen, dass dieser bei mir trotz der effektvollen Musik nie Gruselgefühle aufkommen ließ. Denn bei seinen Morden ist es (abgesehen von der ersten und letzten Tat) immer so, dass er wie aus dem Nichts aufzutauchen scheint, zuschlägt und wieder verschwindet, wodurch sich nicht aufbauen kann.


Das unterschreibe ich sofort. Den unheimlichen Mönch habe auch immer höchstens als bedrohlich empfunden, aber nie als unheimlich. Jetzt weiß ich auch warum. Danke!

Savini Offline



Beiträge: 756

11.08.2021 19:58
#86 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Zitat von DanielL im Beitrag #84
Aber das Vohrer eher der (im spielerischen Sinne) "Sadist" ist, würde ich unterschreiben - wenn man es nämlich filmästhetisch begreift. So gibt es zwar ohne Zweifel in den Reinl-Filmen diverse "Schocker"- sei es der Mord an Lolita oder die anderen genannten Beispiele. Vohrer spielt jedoch (von Zeit zu Zeit) regelrecht mit solchen Szenen bzw. lässt die Kamera spielen. Hier fällt zum Beispiel eben besonders der "sadistische" Fahrstuhl-Mord in den Augen auf. Wo man durch die eingesetzten Kameraperspektiven fast schon zum Mittäter wird und Flimmer Fred quält. Oder man vergleiche die im Bootshaus gefesselte Karin Dor in der BANDE. Eine wunderbar gruselige Szene, vor allem die Lichtsetzung. Bei der gefesselten Monika Peitsch im Buckligen fährt langsam der Schweißbrenner auf sie zu... Die Szene ist nicht "besser" aber da wird natürlich die Folter inszenatorisch viel mehr "ausgekostet". Insofern passt das für mich schon. Vorher war da verspielter, nimmt mehr vom Giallo vorweg, Reinl war geradliniger - und legte mehr Wert auf konsequente Action-Sequenzen.

Wobei sowohl beim Mord an Flimmer-Fred in den "toten Augen" als auch bei der Bedrohung von Wanda Merville im "Buckligen" aus meiner Sicht eher eine Rolle spielt, dass man als Zuschauer mit den Figuren mitfiebern/bangen soll: Wanda ist durch die Einführung als Millionenerbin klar als weibliche Hauptfigur im Wallace-Universum definiert, Flimmer-Fred zwar ein Erpresser, aber doch (wie im Roman, wo er allerdings überlebt) kein wirklicher Unsympath; Harry Wüstenhagen schafft es nach meinem Geschmack sehr gut, der Figur bei aller Schmierigkeit noch Sympathiepunkte zu sichern.
Bei den meisten der genannten Beispiele aus Reinls Filmen richtete sich die Gewalt dagegen gegen Figuren, die entweder unsympathisch/negativ gezeichnet sind (Lolita im "Frosch", der Butler im "Würger") oder die nicht genauer eingeführt werden, so dass der Zuschauer sich kaum mit ihnen identifizieren dürfte (der Wachmann im "Frosch", der Stewart in der "weißen Spinne", der Knecht und der Gärtner im "Würger" oder Mrs. Pizarro im "Stahlnetz").
Dadurch, dass die Anteilnahme wegfällt, man weniger betroffen und es wirkt voyeuristischer.
Übrigens wechselt beim Fahrstuhl-Mord streng genommen die Perspektive: Teils nimmt man die des Mörders ein (als er die Zigarette auf die Finger drückt), teils aber auch die von Flimmer-Fred (als sich die Schuhe nähern).

DanielL Offline




Beiträge: 4.155

12.08.2021 00:24
#87 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Ja, was du schreibst, kann ich in Teilen gut nachvollziehen (Lolita sehe ich jetzt nicht rein negativ aber das ist hier nicht entscheidend). Wobei halt jede Wallace Story Protagonisten hat, die in bedrohliche Situationen kommen (Was du offenbar eher an Vohrer festmachst). Oder antagonistische Nebenfiguren, die tendenziell "dran glauben" müssen (Was du hier stärker bei Reinl verortest).

Allerdings argumentierst du grundsätzlich eben über Figuren und Plot. Ich legte eher Wert darauf, wie bestimmte Situationen inszeniert und bildlich aufgelöst werden. Da ist Vohrer für mich generell jemand, der verspielter ist (Die unvermeidlichen "Impossible Shots") und im Speziellen auch seine Figuren mehr "quält", sei es in dem Figuren über das Treppengeländer auf die Kamera zu rauschen, POV-Shots auf Opfer, klaustrophobische Gummizellen-Situationen mit Getier usw. Das könnte man eben durchaus als "sadistisch" bezeichnen.

Natürlich findet man genrebedingt auch bei Reinl Beispiele, aber weniger als typische Handschrift. Eine typische Reinl-Spezialität sehe ich beim Frosch zum Beispiel in der "Prügelszene" mit Blacky und Arent auf dem Hinterhof.

Gruß,
Daniel

Savini Offline



Beiträge: 756

12.08.2021 10:39
#88 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Zitat von DanielL im Beitrag #87
(Lolita sehe ich jetzt nicht rein negativ aber das ist hier nicht entscheidend).

Aus heutiger Sicht erscheint sie sicher nicht mehr so extrem; aber zur Entstehungszeit des Films war sie angesichts der damaligen Moralvorstellungen klar eine "verdorbene" Figur, die dafür "bestraft" werden musste.
Zitat von DanielL im Beitrag #87
Wobei halt jede Wallace Story Protagonisten hat, die in bedrohliche Situationen kommen (Was du offenbar eher an Vohrer festmachst). Oder antagonistische Nebenfiguren, die tendenziell "dran glauben" müssen (Was du hier stärker bei Reinl verortest).

Mir ist klar, dass solche Situationen zum Genre gehören (besonders im ersten Fall) und durch die Drehbücher/Romanvorlagen vorgegeben waren. Es ging mir eher um die Art der Darstellung. Bei Vohrer wird z. B. öfter erwürgt, aber mir fiele nicht ein, dass er das im Wallace-Bereich je so reißerisch gezeigt hätte wie Reinls Kamera lange auf Gesichter oder zuckende Körper gehalten, herausquellende Zunge). Blut fließt bei ihm natürlich auch, aber es spritzt nicht unbedingt in die Kamera ("Zimmer 13") oder quillt in Strömen heraus ("Frosch mit der Maske").

Zitat von DanielL im Beitrag #87
Allerdings argumentierst du grundsätzlich eben über Figuren und Plot. Ich legte eher Wert darauf, wie bestimmte Situationen inszeniert und bildlich aufgelöst werden.

Das tue ich durchaus auch (siehe die soeben genannten Beispiele).

Zitat von DanielL im Beitrag #87
Da ist Vohrer für mich generell jemand, der verspielter ist (Die unvermeidlichen "Impossible Shots") und im Speziellen auch seine Figuren mehr "quält", sei es in dem Figuren über das Treppengeländer auf die Kamera zu rauschen, POV-Shots auf Opfer, klaustrophobische Gummizellen-Situationen mit Getier usw. Das könnte man eben durchaus als "sadistisch" bezeichnen.

Sicher setzte er in solchen Situationen gerne mal Schlangen und/oder Ratten ein ("Tür", "Hand", Peitschenmönch"). Wenn es solche Situationen bei Reinl gab, dann kamen sie ohne solche Dinge aus, etwa beim "Stahlnetz" (wobei hier eine Szene aus dem "Testament" von 1932 kopiert wurde).
Interessanterweise wurden bei Vohrer auf diese Weise gequälte (meist weibliche) Figuren stets gerettet, bevor ihnen körperliche Schmerzen geschehen konnten. Das relativiert den Sadismus-Vorwurf in diesem Zusammenhang etwas.

Zitat von DanielL im Beitrag #87
Natürlich findet man genrebedingt auch bei Reinl Beispiele, aber weniger als typische Handschrift. Eine typische Reinl-Spezialität sehe ich beim Frosch zum Beispiel in der "Prügelszene" mit Blacky und Arent auf dem Hinterhof.

Würdest du sagen, dass Kampfszenen dir bei Reinl im Zweifel besser gefallen? Joachim Kramp sah das so, weshalb Reinl für ihn ein Action-Spezialist war (siehe seine Beiträge in diesem Thread oder seine Bemerkungen in Audiokommentaren).

DanielL Offline




Beiträge: 4.155

12.08.2021 12:18
#89 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Im Prinzip liegen wir nicht weit auseinander, aber mein Punkt ist im Detail doch ein anderer.

Hier eine Zusammenstellung der "spektakulärsten Morde" nach Auswahl der Rialto Film: https://www.youtube.com/watch?v=i_xyqHpjowY (7 von 8 von Vohrer).

Die Lolita-Ermordung ist natürlich brutal und explizite Gewaltdarstellung. Rein inszenatorisch läuft es jedoch recht simpel ab:

- Feste Kamera, Frosch kommt ins Bild, Halbnah, zielt und schießt
- Gegenschuss auf Lolita, Einschüsse auf ihrem Körper
- Nahes Schnittbild von Ella, sie schreit
- Wieder auf Lolita, gleiche Einstellung, Lolita kippt mit Stuhl um
- Wieder auf Frosch, gleiche Einstellung, der weiterhin schießt
= Schockierende Bilder, recht klassisch montiert

Dagegen stellen wir die Inszenierung der "Gasthaus"-Szene die ja recht ähnlich angelegt ist (Antagonist erschießt Nebenfigur)

- Hinter einer Statur lugt die Harpune hervor, die Statur fällt um
- Kurzer Gegenschuss Opfer dreht sich erschrocken um
- Nah Hai feuert Harpune ab
- Gegenschuss mit rasantem Zoom von Halbtotale auf Detailaufnahme, geht in Unschärfe über
- Opfer fällt in die Auslage, liegt dort "wunderschön drapiert" auf dem Rücken, Kamera fährt langsam auf das weit aufgerissene Gesicht zu
= Der Mord wird regelrecht "spielerisch ausgekostet"


Zitat von Savini im Beitrag #88
Zitat von DanielL im Beitrag #87
Natürlich findet man genrebedingt auch bei Reinl Beispiele, aber weniger als typische Handschrift. Eine typische Reinl-Spezialität sehe ich beim Frosch zum Beispiel in der "Prügelszene" mit Blacky und Arent auf dem Hinterhof.

Würdest du sagen, dass Kampfszenen dir bei Reinl im Zweifel besser gefallen? Joachim Kramp sah das so, weshalb Reinl für ihn ein Action-Spezialist war (siehe seine Beiträge in diesem Thread oder seine Bemerkungen in Audiokommentaren).


Reinl lernte ja zu Beginn seiner Karriere u.a. Skiszenen rasant am Berg in Szene zu setzen. Die Panorama-Schwenks finden sich v.a. bei Winnetou wieder, aber auch die "Sportszenen" haben sicherlich seine Vorliebe für Action-Sequenzen geprägt. Wenn man die Entstehungsjahre seiner ersten EW-Filme bedenkt, können seine "Kampfszenen" mühelos mit dem internationalen A-Film mithalten. Zudem hat er den Ruf als Action-Spezialist gerne selbst betont und dies war in der Branche ja auch bis zum Herbst seiner Karriere anerkannt. So übernahm er ja noch 1979 die Action-Regie bei GÖTZ VON BERLICHINGEN.

Gruß,
Daniel

Savini Offline



Beiträge: 756

12.08.2021 13:02
#90 RE: Reinl vs. Vorher Zitat · Antworten

Danke für den Clip!

Wobei ich z. B. die Darstellung des Mordes im "Gasthaus" weniger mit Sadismus in Verbindung bringen würde als mit Vohrers Vorliebe für "originelle" Kameraperspektiven und "impossible shots", selbst wenn diese selbstzweckhaft erscheinen, weil die Szene auch ohne sie funktionieren könnte (Zerkauen einer Möhre durch Fielding, Messer ruft Sir John an, Gordon Stuart putzt sich die Zähne).
Den Mord an sich empfinde ich als weniger heftig, da weniger blutrünstig inszeniert.

Was Action angeht, so würde ich Vohrer ein Talent dafür auch nicht absprechen , wenn man nur seinen ersten und letzten Rialto-Wallace heranzieht (Finale der "toten Augen" mit heranrasenden Autos und parallelem Kampf, Massenschläger im Club und Verfolgungsjagd/Schießerei auf der Feuertreppe im "Glasauge").
Daneben hatten beide ein Gespür für Timing und Erzähltempo, wobei Reinl selbst aus schwächeren Drehbüchern noch etwas herausholen konnte (siehe seine beiden "Mabuse"-Filme) und er auch "ruhigere" Vertreter der Reihe inszenierte, wenn das Drehbuch es so vorgab ("Fälscher", Mittelteil der "Bande").

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