Zitat von Die Chronik des Films, S. 252Das Melodram besticht durch seine düstere, kalte Atmosphäre und die perfekt besetzten Hauptrollen. Otto Preminger gelingt mit seinem billig produzierten B-Film ein kleines Meisterwerk.
Leider muss ich dieser Einschätzung widersprechen. Die wichtigste Schwachstelle des Films ist Robert Mitchum. Der rauhbeinige Schauspieler, der sehr oft Farmer und Cowboys gespielt hat, soll der Sympathieträger dieser Produktion sein. Jean Simmons ist die Böse, die den ahnungslosen Mann um den Verstand bringt und dessen Leben dadurch zerstört wird. Abermals muss man diese Intention des Drehbuchs als gescheitert betrachten. Ich sehe vor allem zwei schwache Charaktere, die aus unterschiedlichen Motiven handeln. (Frank) Robert Mitchum führt ein für seine Begriffe zu normales Leben. Er fährt Krankenwagen und ist mit der Krankenhausangestellten Mary befreundet. Insgeheim träumt er jedoch von schnellen Wagen und dem großen Abenteuer. Diane (Jean Simmons) wohnt bei ihren wohlhabenden Eltern und hat es nicht nötig, einem Beruf nachzugehen. Sie fährt zwar einen schnellen Sportflitzer, doch sie hat keine Freunde. Sie sucht nach einem Menschen, den sie für sich allein haben kann, nachdem ihr Vater einen Ersatz für ihre verstorbene Mutter gefunden hat. Sie möchte Frank für sich gewinnen, doch muss sie bald erkennen, dass dieser selbst nicht recht weiß, was er möchte. Diese Labilität, diese Wankelmütigkeit wird bei einem körperlich gesunden Mann im Kino der damaligen Zeit nicht gern gesehen und deshalb mit dem Tode bestraft. In der Rekordzeit von achtzehn Tagen wurde der Film abgedreht, was sowohl Preminger, als auch seinen Darstellern einiges an Nerven gekostet hat. Man spürt diese Unausgegorenheit in vielen Szenen. Durchhänger wechseln sich mit schnellen Schnitten ab, was zum Teil für Verwirrung sorgt. So ist in der Aufblende nach dem Unfalltod der Eltern nicht sofort klar, dass Frank und Diane beide im Gefängnis sitzen und auf ihren Prozess warten. Die Farce mit dem Verteidiger, der aus Berechnung eine Heirat der beiden Angeklagten vorschlägt und seine höhnischen Bemerkungen in Richtung Staatsanwaltschaft, sorgt zusätzlich für Unbehagen. Tiefe bekommt der Film erst nach dem Freispruch, als die Eheleute "nach Hause" kommen. In ungeschminktem Realismus erleben wir ein Paar, das sich (zum Teil) nicht aus freien Stücken zu diesem Bund entschlossen hat. Frank verläßt das Anwesen und die anschließende Szene mit Diane gehört zu den ergreifendsten des Films. Ähnliche Überzeugungskraft haben sonst nur die beiden ausgezeichnet inszenierten Abstürze der Personenkraftwagen, die nachhaltig im Gedächtnis bleiben. Wir sehen Diane Jessup, geborene Tremayne, allein durch die Räume des einsamen Hauses gehen. Überall sind Spuren vergangener Tage: Auf dem Klavier steht eine gerahmte Fotografie des geliebten Vaters, im Wohnzimmer wartet das Schachbrett auf weitere spannende Partien, im Flur hallen nur Dianes eigene Schritte und der Hof gibt den Blick auf lauter unbeleuchtete Fenster frei. Die junge Frau ist auf sich gestellt. Sie ist allein mit ihren Gedanken und niemand kann ihr einen Rat geben oder ihren Plänen lauschen. Unreflektierte Entscheidungen sind manchmal grausam. Bei intelligenten Menschen richtet sich die Zerstörungskraft gern gegen die eigene Person und so kann man den finalen Todessturz mit dem Sportwagen als erweiterten Selbstmord deuten. Die prächtige Villa steht nun leer und die halbe Million Dollar fällt an Außenstehende. Zur Wahl des Filmtitels: Man(n) erwartet von apart aussehenden Frauen der besseren Gesellschaft nicht, dass sie Mordpläne schmieden und durchführen. Gewaltausübung ist immer noch ein männliches Vorrecht. Deshalb werden mordende Frauen, denen man es nicht an Gesicht oder sozialer Stellung ablesen kann, gern als "Unschuldsengel" oder "Engelsgesicht" bezeichnet. Ihr Tun steht im Kontrast zu ihrem Aussehen oder Benehmen. Wäre die Hauptdarstellerin eine arbeitslose, fette Alkoholikerin, die ihren Mann mit der Schnapsflasche erschlägt, würde sich das Publikum kaum wundern - und der Film fiele nicht in die glamouröse Kategorie "Noir", sondern "Sozialdrama".
Fazit: Hätte RKO ein wenig mehr Sorgfalt auf das Drehbuch und die Wahl des männlichen Hauptdarstellers gelegt, hätte Otto Preminger sicher mehr aus dieser Geschichte herausholen können. Es macht kaum Sinn, einen Film auf Sparflamme zu drehen, wenn nicht alle Beteiligten motiviert und in der Lage sind, das Beste aus ihren Möglichkeiten zu machen. Bestes Beispiel dafür ist "Psycho". Der Film wurde mit einem Budget von ca. 800 000 Dollar gedreht, doch allein das packende Drehbuch und die punktgenau eingesetzten Darsteller heben ihn aus der Sphäre der "Billigschocker".
BEWERTET: "Frau ohne Gewissen" (Double Indemnity), USA 1944 mit: Barbara Stanwyck (Phyllis Dietrichson), Fred MacMurray (Walter Neff), Edward G. Robinson (Barton Keyes), Jean Heather (Lola Dietrichson), Tom Powers (Mr. Dietrichson), Byron Barr (Nino Zachetti) u.a. | Drehbuch: Billy Wilder, Raymond Chandler nach dem Roman von James M. Cain | Regie: Billy Wilder
Der Originaltitel ist wieder einmal vielschichtiger als sein deutsches Pendant, das nur die Skrupellosigkeit der Frau hervorhebt, ohne zu bedenken, dass der männliche Part mindestens genauso viel Schuld an dem Verbrechen trägt. "Double Indemnity" bedeutet "Doppelte Entschädigung, Ersatzleistung", was sich auf die Versicherungssumme bezieht, die im Falle des Todes ausbezahlt werden muss; wird im juristischen Sprachgebrauch aber auch mit "Doppelte Sicherstellung" (gegen Strafe) übersetzt. Die Handlung erweist sich als nicht so eindeutig, wie man es von der Ausgangssituation erwarten könnte. Phyllis Dietrichson ist ein klassisches Exemplar des "Film Noir": Wir erfahren nichts über ihre Herkunft oder ihre Verwandtschaft und der einzige Hinweis auf die Zeit vor ihre Ehe dient nur dazu, sie des Mordes an ihrer Vorgängerin zu überführen. Sie hat keine Freundinnen und die einzige Frau in ihrer Umgebung wird als Rivalin gesehen. Die wichtigste Person in ihrem Leben ist sie selbst. Um voranzukommen nutzt sie jede Möglichkeit, doch da nicht berufstätig, trägt sie ihre Kämpfe nicht im Büro, sondern auf gesellschaftlicher -oder in diesem Fall- familiärer Ebene aus. Wie so oft, steht ein ungeliebter Ehemann der Freiheit und dem Wohlstand der Protagonistin im Wege. Ihr ganzes Denken konzentriert sich deshalb darauf, wie man ihn beseitigen könnte, ohne selbst in Verdacht zu geraten. Walter Neff wird uns als unauffälliger Versicherungsvertreter präsentiert, dessen Leben sich vor allem zwischen Büro und Außentermin abspielt. Er hat nur einen Freund, seinen Arbeitskollegen Barton Keyes, dessen Verhalten ihm gegenüber zu einem großen Teil väterlich ist. Walter sehnt sich nach Abwechslung und Abenteuer und hat eine Situation, wie sie seine Kundin Phyllis Dietrichson plant, im Geiste schon oft durchgespielt. Die Hemmschwelle, den Betrug auszuführen, ist sehr gering. Was den Mord anbelangt, so wird er nur als Begleitumstand gesehen, moralische Skrupel plagen ihn nicht. Vorerst nicht. Der Charakter des Mordopfers wird dem Publikum gerade so weit dargelegt, dass ein Bedauern über sein Ableben ausgeschlossen wird. Das Verhältnis zwischen Phyllis und Walter durchläuft nach dem Mord einen Wandel. Marschierte man zuvor gemeinsam und stand zueinander, bringen die Ermittlungen der Versicherungsgesellschaft den perfekten Plan ziemlich schnell zum Scheitern. Es ist offensichtlich, dass der Ablauf der Tat zwar minutiös durchdacht und umgesetzt, das Leben danach von beiden jedoch nicht organisiert wurde. Die Figur Nino Zachetti ist ein Beispiel dafür. Seine Anwesenheit wird eher beiläufig inszeniert. Er ist mit Lola Dietrichson befreundet und mindestens so unangenehm wie ihr Vater. Gegen Ende des Films soll das Publikum glauben, dass er schon längere Zeit ein Verhältnis mit Phyllis unterhält. Diese benutzte die Treffen mit ihm jedoch nur dazu, ihn von Lola fernzuhalten -die einen Verdacht geschöpft hatte- und den Detektiv der Versicherung glauben zu machen, Nino sei der Mann, der den Mord ausgeführt habe. Es ist interessant, dass nie erwähnt wird, wie man sich das weitere Vorgehen nach Ausbezahlung der 100 000 Dollar vorgestellt hat. Wollte man gemeinsam ins Ausland gehen? Sollte der Alltag zunächst gleich ablaufen, um die Versicherungsgesellschaft nicht stutzig zu machen? Barbara Stanwyck (geb. 1907) präsentiert einen Frauentypus, der faszinierend und prägend für eine ganze Filmepoche ist.
Zitat von Fischer Filmgeschichte Bd. 2: 1925-1944, Seite 26Überwog zunächst das treue, liebe und eher schüchterne Mädchen, das erst im Mann seine Erfüllung findet (Mary Pickford), [...] so äußert sich mit dem Bedeutungsverlust viktorianischer Moralvorstellungen nach dem Ersten Weltkrieg die spürbare Libertinage in den triebhaften "femme fatales", dem männer-zerstörenden Vamp -und am spektakulärsten- in der Gestalt der mondänen "Sex-Göttin" (Gloria Swanson). Mit der stärkeren Hinwendung zur Realität Anfang der 30er Jahre wurde dieses Idealbild -neben der domestizierten Form als Ehefrau und Mutter und einer generellen Tendenz zur Vermenschlichung in Setting und Verhaltensweisen- von dem "feminin-masculine girl" (Edgar Morin), der selbstbewussten schönen Frau mit nicht minder starker erotischer Ausstrahlung als ihre Vorgängerinnen überlagert - einem Frauentyp, der sich in der Liebe und im Leben ebenso unabhängig verhält wie die Männer, diesen geistig und vom Durchsetzungsvermögen her ebenbürtig, in vielen Fällen sogar überlegen ist.
Prägend erweisen sich neben den darstellerischen Leistungen auch weitere Komponenten des Films, u.a. die Musik von Miklos Rozsa, der im gleichen Jahr für "Spellbound" von Alfred Hitchcock mit dem Oscar prämiert wurde. Die stilvolle Ausleutung des Sets, die gestochene Schwarz-Weiß-Fotografie und die Wahl der Handlungsorte sprechen für eine düstere, aber ansprechende Atmosphäre.
Zitat von Robert BrowningThe rain set early in tonight, the sullen wind was soon awake, it tore the elm-tops down for spite, and did its worst to vex the lake: I listened with heart fit to break.
Die Stimmung, die Robert Browning in seinem Gedicht "Porphyria's Lover" vermittelt, erinnert an "Double Indemnity": "And all her yellow hair displaced, and, stooping, made my cheek lie there, and spread, o'er all, her yellow hair, murmuring how she loved me." Der Mann tötet die Frau schließlich, wie Walter Phyllis töten wird:
Zitat von Robert BrowningThat moment she was mine, mine, fair, perfectly pure and good: I found a thing to do, and all her hair in one long yellow string I wound three times her little throat around, and strangled her.
Barton Keyes bezeichnet die Arbeit bei der Versicherungsgesellschaft als anspruchsvoll, da alle untersuchten Fälle Spiegel des Lebens voller Probleme seien. Ihm obliegt es, das Geständnis von Walter entgegen zu nehmen. Er hört die Beichte seines Freundes und er wird es sein, der ihn an die Gerichtsbarkeit ausliefert. So will es sein Pflichtgefühl und sein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn. Und so wollte es auch der Verhaltenskodex für Hollywood-Produktionen der damaligen Zeit. Die "zehn Gebote" des sogenannten Motion Picture Production Codes sahen folgendes vor:
Zitat von Motion Picture Production CodeThou shalt not: 1. Law defeated, 2. Inside of thigh, 3. Lace Lingerie, 4. Dead man, 5. Narcotics, 6. Drinking, 7. Exposed Bosom, 8. Gambling, 9. Pointing gun, 10. Tommy gun.
Es ist unschwer zu sehen, dass die meisten "Film Noir" gegen dieses Reglement verstoßen. Dennoch verhilft gerade die Diskretion, die Billy Wilder wahren musste, dem Film zu einer geheimnisvollen Aura. Die sexuell aufgeladene Atmosphäre zu Beginn des Films, die jedoch nie in Unschicklichkeiten mündet, vertieft die Unnahbarkeit der Hauptdarstellerin und macht sie für das Publikum weniger fassbar. Trotz des verbindenden Verbrechens bleiben sich Mann und Frau im Grunde fremd, was der Zuseher vor allem in den Schlussmomenten bedauert. Als beide nicht mehr an einem Strang ziehen, kommt es zur Katastrophe und zu beiderseitiger Vernichtung. Ein Plädoyer für das wahre Leben? Wer weiß. "Frau ohne Gewissen" bietet auch hier Möglichkeiten zur Interpretation.
Fazit: Ein Paradebeispiel für den Film Noir. Spannend, faszinierend und von nachhaltiger Wirkung.
Kriminalfilm, USA 1944. Regie: Billy Wilder. Drehbuch: Raymond Chandler, Billy Wilder (Buchvorlage: James M. Cain). Mit: Fred MacMurray (Walter Neff), Barbara Stanwyck (Phyllis Dietrichson), Edward G. Robinson (Barton Keyes), Porter Hall (Mr. Jackson), Jean Heather (Lola Dietrichson), Tom Powers (Mr. Dietrichson), Byron Barr (Nino Zachetti), Richard Gaines (Edward S. Norton jr.), Fortunio Bonanova (Sam Garlopis), John Philliber (Joe Peters) u.a. Uraufführung (USA): 24. April 1944. Uraufführung (BRD): 6. Juni 1950. Eine Produktion von Paramount Pictures.
Zitat von Frau ohne GewissenWalter Neff ist Versicherungskaufmann. Bei einem Geschäftsbesuch lernt er die verheiratete Phyllis Dietrichson kennen, die augenblicklich einen immensen Reiz auf ihn ausübt. Nach nur wenigen Stunden Zweisamkeit ist dem Gespann klar: Der despotische Ehemann von Phyllis muss sterben – und mit Todesfällen kennt Walter sich bestens aus. Eine Eisenbahnfahrt bietet die perfekte Gelegenheit für den Mord...
„Double Indemnity“ – auf Deutsch etwa „Doppelte Auszahlung der Versicherungssumme“ – steht als in Rückblenden erzählter Film in guter Gesellschaft. Die Handlung, die sich großteils als Zusammenklang von Erinnerungen präsentiert, wird als Voice-Over von Walter Neff gesprochen, der seine Irrwege ebenso zu verkaufen in der Lage ist wie Unfallversicherungen für die Pacific All Risk Company. Schon die Anfangsszene wirft lange Schatten voraus: Der Mantel hängt Walter von den Schultern herunter; leere Ärmel erwecken bereits jetzt den Eindruck eines wandelnden Toten, eines Mannes, dessen Schicksal besiegelt ist und dessen Rolle gleichfalls immer eine passive war.
Seine Geschichte beginnt im Hause der Dietrichsons, das Faszination und Motivation für die Geschichte darstellt: Für Phyllis Dietrichson ist das große, einsame Anwesen ein goldener Käfig, der sie überhaupt erst auf ihre unmoralischen Pläne bringt, für Neff stellt es das Ziel aller Wünsche und die Überwindung der Grenzen seines Standes dar. Beide Protagonisten werden deshalb eher durch die Lust auf ein gemeinsames Abenteuer zueinander hingezogen als durch echte, innige Liebe („I never loved you, Walter.“)
Die erste Begegnung zwischen Phyllis und Walter ist signifikant für die Beziehung, die die beiden konträren Persönlichkeiten aufbauen: Walter muss zu der Frau auf der Ballustrade aufblicken und sie versucht im Gegenzug, ihn mit ihren spärlich bedeckten Reizen gefügig zu machen.
Immer wieder im Laufe des Films begegnet man dem typischen Film-Noir-Stilmittel, Licht durch Jalousien fallen und harte Schatten in den Räumen und den Gesichtern der Figuren zu hinterlassen. Das Spiel mit Licht und Schatten bestimmt auch die Charakterisierung der Liebhaber, mit denen man als Zuschauer trotz ihrer Schuld, ihrer Gier und ihrer Hintertriebenheit doch auf eine besondere Weise sympathisiert. Auch dieser Zwiespalt wurde von Filmen der schwarzen Serie immer wieder aufgegriffen; die Idee, dass es keine reinen Ausprägungen von Gut und Böse gibt, sondern dass sich jeder Charakter aus den mannigfaltigen Schattenspielen der venezianischen Vorhänge zusammensetzt. Es gibt viele dieser Details zu entdecken, in denen sich „Double Indemnity“ so typisch für das Genre jener Zeit ausnimmt, dass das Drama von filmhistorischen Größen wie Richard Schickel oder Eddie Muller als Prototyp und einer der gelungensten Film Noirs überhaupt bezeichnet wird. Eine ähnliche Auffassung vertreten Alain Silver und Blake Lucas in ihrem Eintrag in der „Film Noir Encyclopedia“:
Zitat von Film Noir Encyclopedia – Double IndemnityThe black widow played by Stanwyck is the classic archetype. In fact, „Double Indemnity“ has a panoply of prototypes beyond a perfect plan that goes awry and a femme fatale. In terms of content there is the ironic, first-person narration; extensive flashbacks; greed and lust that leads to murder; as forthright a portayal of adultery as the Production Code Office would permit; several other ‚pairings,’ not just the old / young attractions of Neff and Lola and Phyllis and Sachetti but also Neff and Keyes; a savvy investigator; and finally, of course, betrayal and death (actual and implied) for the illicit lovers. (1)
„Double Indemnity“ basiert auf dem Kurzroman gleichen Namens von James M. Cain (bekannt für „The Postman Always Rings Twice“, 1934) und wurde von Regisseur Billy Wilder gemeinsam mit Raymond Chandler für das Kino bearbeitet, wobei die acht Jahre zwischen Buchveröffentlichung und Filmprämiere andeuten, wie der Stoff die Grenzen der Regularien des Hayes-Codes an mehreren Stellen deutlich überschritt. Änderungen gegenüber dem Original sind zumeist jedoch keinesfalls als Zähmungen für Zensurbehörden zu sehen, sondern als künstlerische und stilistische Verbesserungen: Bespielsweise existieren neben dem im Film gezeigten Schluss zwei weitere Enden. Cain lässt „Walter Huff“ und „Mrs. Nirdlinger“ in der Vorlage auf einem Ozeandampfer Selbstmord begehen; Wilder dagegen plante ursprünglich eine abschließende Szene mit Walter Neff in der Gaskammer, die sogar tatsächlich gedreht, aber verworfen worden sein soll. Die Wirkung des tatsächlichen Endes bleibt von beiden Alternativen unübertroffen. Einmal mehr verdeutlicht der Ausgang der Geschichte, dass die wahren Freundschaften diejenigen zwischen zwei Männern sind, denn der rechtschaffene Keyes, der für seine Zigarren den gesamten Film über keine Streichhölzer in der Tasche trug, reicht nun dem sterbenden Walter Feuer für seine vielleicht letzte Zigarette.
Zitat von Doctor Macro – Double IndemnityAlthough the execution sequence was shot, it was cut after previews. According to modern sources, Billy Wilder chose to cut the execution scene over Raymond Chandler’s protests as it did not conform with his vision of the film. The CBCS lists the following seven actors who appeared in the execution scene: Alan Bridge (execution chamber guard), Edward Hearn (Warden’s secretary), George Anderson (Warden), Boyd Irwin (first doctor), Lee Shumway (door guard), George Melford (second doctor), William O’Leary (chaplain). (2)
Die deutschen Kinos erreichte der Film am 6. Juli 1950. Barbara Stanwyck, deren hinreißender Auftritt als eiskalte, berechnende und intrigante Frau in vielen Kritiken durch die bloße Nebensächlichkeit ihrer eigenwilligen blonden Perücke in den Hintergrund gedrängt wird, spricht hier durch den Mund von Elisabeth Ried, während der Jedermann Fred MacMurray, der sich in einem Augenblick der Verwirrung übertöpeln lässt und später in kalkulierter Panik versucht, zu retten, was noch zu retten ist, von Ernst Wilhelm Borchert synchronisiert wurde. Der deutsche Titel „Frau ohne Gewissen“ schwimmt auf einer Welle überexpliziter Plumpheiten und wurde von Billy Wilder mit einem dem Film gleichenden Sarkasmus heruntergeputzt: „Frau ohne Gewissen? Das trifft doch auf nahezu jede Frau zu.“
Vielschichtiger Ausflug in die Welt von Betrug, Mord, Entschlossenheit und Ausweglosigkeit. Wie Silver und Lucas vielsagend anmerken: „After the crime, when the couple furtively meets in the aisles of Jerry’s Market, the flat lighting and stacks of canned goods reinforce the lovers’ sense of still being trapped in the mundane and everyday, the very thing they killed to escape.“ Verbrechen zahlt sich also nicht aus – wir danken, Herr Wilder, für diesen stilvollen Beleg einer uralten Weisheit. 5 von 5 Punkten.
(1) Silver / Ward / Ursini / Porfirio: Film Noir, The Encyclopedia, Overlook Duckworth, New York / London 2010. (2) Doctor Macro, Fred MacMurray: Double Indemnity, 2011, Link
Kriminalfilm, USA 1938. Regie: Fritz Lang. Drehbuch: Virginia Van Upp. Mit: Sylvia Sidney (Helen Dennis), George Raft (Joe Dennis), Robert Cummings (Jim), Barton MacLane (Mickey Bain), Roscoe Karns (Cuffy), Harry Carey (Jerome Morris), George E. Stone (Patsy), Warren Hymer (Gil Carter [Gimpy]), Guinn „Big Boy“ Williams (Taxi), Vera Gordon (Mrs. Abie Levine [Mama]) u.a. Uraufführung (USA): 3. Juni 1938. Eine Produktion von Paramount Pictures.
Zitat von Du und ichDas ehrenwerte Warenhaus Morris macht nicht den Eindruck, als sei es eine Keimzelle des Verbrechens, doch der Betreiber hat sich der Resozialisierug von auf Bewährung entlassenen Straftätern verschrieben. Der ehemalige Gauner Joe Dennis, der nun in der Sportabteilung arbeitet, verliebt sich in seine Kollegin Helen – ohne von deren Vergangenheit auch nur das Geringste zu ahnen...
Fritz Langs „Du und ich“ ist ein Film, bei dem man gar nicht weiß, wohin man zuerst sehen soll. In dieser Hinsicht gleicht er dem altehrwürdigen, überschwänglich mit vielversprechenden Waren angefüllten Kaufhaus des Mr. Morris – eine Welt, in der Träume wahr zu werden scheinen und die dennoch auf engen Raum begrenzt ist. Entsprechend gestaltet sich der Plot des Films als Gratwanderung zwischen Liebe, Freude und Erfüllung auf der einen und Unsicherheit, Verzicht und Misstrauen auf der anderen Seite. Die Verheißungen von Freiheit und Vielfalt stellen für die Hauptcharaktere zugleich Versuchungen dar, die zu befriedigen sie das Gesetz übertreten müssen. Sylvia Sidney und George Raft hauchen den Hauptcharakteren subtile Zwiespältigkeit ein: Sie geben zwei ehemalige Sträflinge, die sich auf dem Weg der Besserung und zugleich im Stadium der Bewährung befinden, in dem ihnen das Recht, eine Ehe zu schließen, untersagt ist. Weil sie es im Rausch einer überwältigenden Nacht dennoch tun, ergeben sich daraus unerwartete Komplikationen, die den Zuschauer sowohl zum Zittern als auch zum Lachen bringen.
„Du und ich“ ist aus diesem Grund kein waschechter Film Noir, sondern eine Mischung aus leichtfüßigem Krimi, tragischer Romanze und brechtscher Komödie. Schon der Einstieg, der unter Hollywood-Filmen wohl nie ein Pendant finden wird, stimmt auf die singuläre Aura des Films ein – ein Sprechgesang auf die Kommerzialisierung westlichen Lebens. Zwei weitere ähnlich gelagerte „Musikstücke“ aus der Feder von Kurt Weill lockern den Film im weiteren Verlauf auf und integrieren Handlung und Charaktere so passgenau, dass sie unter keinen Umständen als Verzögerungselemente ausgelegt werden können. Im Gegenteil: Hin und wieder stolpert man gar über die Behauptung, „Du und ich“ sei eine Art Musical, erkläre also die Plotführung durch Musikalität zum Hauptziel seiner künstlerischen Ambitionen. Ich halte diese Aussage für merklich überspitzt, schließlich gibt es noch zahlreiche andere Facetten zu entdecken:
Zitat von Mubi – Sing Me a Song of America: Fritz Lang’s „You and Me“Via Brecht, Lang makes „You and Me“ the formal culmination of all that he works with in his American period but is often ignored in his later, more genre-based work: social address. Here the film even eventually lectures the audience – amusingly and charmingly, to be sure, since it is Silvia Sydney doing the lecturing to a cast of gangster caricatures – about how crime doesn’t pay. But more effective is the less over the top educative glimpses: that of foraging an honest life, that of finding and maintaining love, that of simply existing in a city, of existing in an unforgiving society which so seductively mixes capitalism, crime, and happiness in a melting pot.
Fritz Langs Stil ernster und spannender Inszenierung fundamentaler Bedrohungen gerät in diesem seinem dritten amerikanischen Outing ins Hintertreffen. Der Film bildet den Abschluss von Langs sozialkritischer Trilogie, die er 1935 mit „Fury“ (Blinde Wut) begann und 1936 mit dem bereits in diesem Thread besprochenen „You Only Live Once“ (Gehetzt) im klassischen Noir-Stil fortführte. In allen drei Filmen spielt Sylvia Sidney die Hauptrolle. Auf der Leinwand schaffte die Tochter russischer Einwanderer es stets, einnehmende und bezaubernde Darstellungen zu präsentieren, ohne nur ein meinungs- und harmloses Frauchen zu sein. Ihr zur Seite steht George Raft, der später das Angebot, die Hauptrolle in „Double Indemnity“ zu spielen, ausschlug.
Einzigartiges Filmerbe und Genregemisch der 1930er Jahre, das ohne große Gesten auskommt und ein beschauliches Bild zweier harmonierender Menschen unter widrigen Umständen zeigt. Großer Dank gebührt dem Label Koch Media, das sich trotz Fehlen jedweder deutscher Synchronisation an die weltweit erste DVD-Veröffentlichung des Films gewagt hat. 4 von 5 Punken.
BEWERTET: "Die blaue Dahlie" (The Blue Dahlia), USA 1946 mit: Alan Ladd (John Morrison), Veronica Lake (Joyce Harwood), William Bendix (Buzz Wanchek), Howard Da Silva (Eddie Harwood), Doris Dowling (Helen Morrison), Hugh Beaumont (George Copeland), Tom Powers (Kriminalkommissar Hendrickson), Will Wright (Newell, Hausdetektiv), Howard Freeman (Corelli, Motelbesitzer) u.a. | Regie: George Marshall | Drehbuch: Raymond Chandler (1947 für den Academy Award nominiert)
Zitat von Die Unsterblichen des Kinos - Bd. 1: Stummfilmzeit und die goldenen 30er Jahre, Fischer Cinema, 1982, S. 80Die Kampfstimmung in den Beziehungen von Mann und Frau kam in den Jahren des Zweiten Weltkriegs besonders aggressiv auf die Leinwand. Weibliche Emanzipation erschien als Horror mit Blut und Blei in einer Zeit der Männer, die sich im Schützengraben ausagierten. Diese Frauenfiguren zeichnete ein explosives Potential aus, das sie von innen her aufzusprengen schien. Bei solchen Anlässen flog ihre Umgebung mit in die Luft. Dabei war der Sachverhalt einfach: In den Kriegsjahren war die Gefährtin des Mannes, als Soldatenfrau auch fernab der Front, ständig im Kampf mit den Konflikten des Alleinlebens gewesen, in denen sie sich zu behaupten hatte. Nach dieser Erfahrung, autonom, wenn auch nicht autark zu sein, wollte sie ins zweite Glied, hinter die Dominanz des Mannes, nicht mehr zurück.
Zitat von Booklet zu 'Die blaue Dahlie', S. 3Als Anfang 1945 die Produktionsvorbereitungen zu THE BLUE DAHLIA begannen [...] war abzusehen, dass der Krieg endlich ein Ende finden würde. Und damit auch, dass hunderttausende Männer nicht mehr nur auf Heimaturlaub zurückkehren würden. Dass diese Männer, die die Todesgefahr, den Tod erlebt, oft auch selbst getötet hatten, ihre Uniformen ablegen und wieder in ihr voriges, ziviles Leben zurückkehren würden. In eine Heimat, die inzwischen gelernt hatte, irgendwie auch ohne sie zurecht zu kommen. Zu Frauen, die nicht selten aus Notwendigkeit selbständiger geworden waren, die gemerkt hatten, dass sie vermeintliche Männeraufgaben durchaus auch bewältigen konnten. Und die auch für ihre intimeren Bedürfnisse nicht immer tapfer ausharrend mit Einsamkeit und Enthaltsamkeit vorlieb genommen hatten.
Die Ausgangssituation des Filmes ist der anderer Produktionen jener Jahre ähnlich (z.B. "Die besten Jahre unseres Lebens", William Wyler). Drei Freunde kommen aus dem Krieg zurück. Der eine, George, Anwalt, besonnen und korrekt; der andere, Buzz, ein redseliger Bursche, der aufgrund einer schweren Verwundung am Kopf an Gedächtnisstörungen und großer Reizbarkeit leidet und schließlich John Morrison, Marineflieger und ehemals glücklicher Familienvater. Er kehrt zu seiner Frau Helen zurück, der gemeinsame Sohn ist während seiner Abwesenheit gestorben. Helen hat sich verändert: Sie trinkt und unterhält ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, dem Nachtclubbesitzer Eddie Harwood, dessen dunkle Vergangenheit sie zum Teil kennt. John Morrison trennt sich im Streit von Helen und als am nächsten Morgen ihre Leiche gefunden wird, nimmt die Polizei an, dass der Ehemann der Mörder sei und schreibt ihn zur Fahndung aus. Ein Mann auf der Flucht - vor der Exekutive, dem wahren Killer, einer neuen Bekanntschaft, sich selbst? Ein gerngenommenes Motiv, das zahlreiche Regisseure, darunter Alfred Hitchcock, immer wieder aufgegriffen haben. Alan Ladd ist der Sympathieträger des Films. Im Jahr 1913 geboren, erlebte er den Höhepunkt seiner Karriere bei Paramount, wo er vor allem für Abenteuerfilme und Liebesdramen besetzt wurde. Er starb bereits 1964. Die zweite Identifikationsfigur des Films bildet Veronica Lake, 1922 geboren und in mehreren Produktionen Partnerin von Alan Ladd. Heute erinnert man sich vor allem wegen ihrer für die damalige Zeit aufregenden Frisur an sie ("peek-a-boo-girl"), was schade ist, da sie ihren Filmen eine Präsenz verleiht, die stilgebend für das Genre des Film Noir ist. "Eine Metapher des erotischen Traums" - diese Charakterisierung des stolzen Rudolph Valentino trifft auch auf Veronica Lake, die 1973 starb, zu. Die Handlung ist ähnlich verschachtelt wie die Filme der "Dünner Mann"-Reihe. Viele Elemente dieser Serie wurden aufgegriffen. Es gibt den eleganten Nachtclub, dessen Hintermänner durch zweifelhafte Quellen an ihr Vermögen gekommen sind; die düstere Absteige, dessen Besitzer sich durch Erpressung und Spitzeldienste ein Zubrot verdient; Menschen, die in Hotels wohnen und mittendrin den Mann im Trenchmantel, der durch die ganze Stadt jagt, um ein Puzzleteil ans andere zu reihen, sprich: den Mord und dessen ausführendes Organ aufzuklären. Von der Polizei ist in solchen Fällen wenig Hilfe zu erwarten. Die Freundschaft zwischen den drei Männern - ein Mitbringsel aus dem Krieg - muss bald einer neuen Bekanntschaft weichen: John trifft auf Joyce. Sie begegnen sich im Laufe der Handlung immer wieder, doch ob sie am Ende gemeinsame Wege beschreiten, bleibt ungewiss. Die Kamera wendet sich ab und überlässt es dem Zuschauer, sich einen Reim darauf zu machen. So hat nichts Bestand in der Welt des Film Noir. Die Gesellschaft ist abgestumpft, was sich auch am Beispiel von Buzz zeigt. Die Nachwirkungen seiner Verletzung werden als unabänderlich akzeptiert, nach einer Lösung (Sanatorium) wird nicht gesucht. Die Menschen reagieren, sie agieren nicht. John handelt rasch, wenn es sein muss. Seine Fäuste retten ihn aus manch einer gefährlichen Situation. Jede Figur ist entweder auf materiellen Vorteil (der Zimmervermieter, Eddie Harwood, der Hausdetektiv) aus, oder versucht auf verschlüsselte Weise gegen die Einsamkeit anzukämpfen (Helen Morrison, Joyce Harwood). Gregor Torinus schreibt auf filmtipps.at folgendes:
Zitat von Gregor TorinusDer Film ist zwar zu jedem Zeitpunkt perfekt ausgeleuchtet und auch die Bildkompositionen sind äußerst stimmig. Aber wahre Inspiration ist dann doch etwas anderes ... [...] Bietet mit Doris Dowling eine Dame, die so durchtrieben, wie auf interessante Weise schön ist. Doch fatalerweise muss gerade diese femme fatale nach kurzer Zeit wieder abtreten. Und so nimmt gleich in mehrfacher Hinsicht das Verhängnis seinen Lauf ...
Dieser Aussage kann ich nur zum Teil zustimmen. Dadurch, dass der Film sowohl die Problematik der Kriegsheimkehrer ansprechen, als auch einen spannenden Kriminalreißer darstellen wollte, tut er sich manchmal schwer, beiden Ansprüchen gerecht zu werden. Man sollte ihn jedoch unvoreingenommen sehen und Atmosphäre, Musik und Ausstrahlung der Personen auf sich wirken lassen. Dann erscheinen der strömende Regen erfrischend, das Frühstück mit Blick auf den Strand anrührend und der Showdown im Büro der Mordkommission nervenaufreibend. Oder um es mit Buzz zu sagen: Bourbon pur und noch einen Bourbon hinterher! Das heißt: Der Film soll in reiner Form genossen werden und das mindestens zweimal.
Kriminalfilm, USA 1944. Regie: Fritz Lang. Drehbuch: Seton I. Miller (Buchvorlage: Graham Greene). Mit: Ray Milland (Stephen Neale), Marjorie Reynolds (Carla Hilfe, deutsche Fassung: Carla Hofer), Carl Esmond (Willi Hilfe, deutsche Fassung: Willi Hofer), Hillary Brooke (Mrs. Bellane), Percy Waram (Inspektor Prentice), Dan Duryea (Cost), Alan Napier (Dr. Forrester), Erskine Sanford (George Rennit, Privatdetektiv) u.a. Uraufführung (USA): 16. Oktober 1944. Uraufführung (BRD): 29. März 1973. Eine Produktion von Paramount Pictures.
Zitat von Ministerium der AngstKaum wurde Stephen Neale aus der Nervenheilanstalt entlassen, gerät er im kriegsgebeutelten England in die Machenschaften eines Spionagerings, der hinter einer Torte her ist, die Neale auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung gewonnen hat. Während einer Bahnfahrt verliert Neale die Torte an einen Hausierer, der jedoch kurze Zeit später von einer Nazibombe in die Luft gesprengt wird. Die merkwürdigen Vorkommnisse sind damit keinesfalls erledigt – beim Besuch einer Séance kommt es zu einem sehr undurchsichtigen Todesfall ...
Nie hat mich ein serienfremder Film so sehr an die Sherlock-Holmes-Reihe mit Basil Rathbone erinnert! „Ministerium der Angst“ bietet nicht nur der bezaubernden wie mysteriösen Hillary Brooke eine Bilderbuchrolle als femme fatale, sondern gleichsam mit allen Elementen auf, die die B-Pictures um den charismatischen Meisterdetektiv nutzten, um die Zuschauer an die Kinosessel zu fesseln. Den Auftakt bildet eine finstere Irrenanstalt, deren Parktor an Musgrave Manor in „Gespenster im Schloss“ erinnert. Von dort aus verschlägt es den Helden auf einen Jahrmarkt mit Wahrsagerzelt („Das Spinnennest“), später in einen nächtlichen Zug („Juwelenraub“), der ihn ins zerbombte London bringt („Die Geheimwaffe“). Neben der Tatsache, dass Sherlock Holmes persönlich Erwähnung findet, tut sich im Londoner Nachtleben vor allem die Séance im Stil von „Der Hund von Baskerville“ und der spiritistischen Gesellschaft in „Die Kralle“ hervor, die von Hillary Brooke („Die Frau in Grün“) im besten Stil der Universal-Serie geleitet wird. Sicher fügt es sich auch ins Bild, dass die abschließende Verfolgungsjagd durch das Treppenhaus auf das Dach eines Hotels lebhaft an „Die Abenteuer des Sherlock Holmes“ sowie „Die Frau in Grün“ anschließt.
Herkömmliche amerikanische Filmgelehrte vergleichen „Ministerium der Angst“ allerdings eher mit Hitchcocks „Die 39 Stufen“ oder „Der unsichtbare Dritte“, weil sich in gewisser Hinsicht auch bei dem gegenwärtigen Lang-Film alles um das Thema man on the run dreht. Auch diese Vergleiche gereichen Langs oft übersehenem Werk durchaus zur Ehre, konzentrieren sie sich doch gleichsam auf Ray Millands interessante Hauptrolle. Es ist beinah eine Überraschung, den aus „Bei Anruf Mord“ oder zwei Columbo-Folgen der frühen Siebzigerjahre als schurkischen Pläneschmieder bekannten Darsteller in jungen Jahren und einer positiv konnotierten Rolle zu erleben, die dennoch eine gewisse Zweischneidigkeit und moralische Belastung nicht entbehrt. Marjorie Reynolds gibt die überzeugte, hilfsbereite Frau an seiner Seite, die auf große Dramatik verzichtet und in einer durchaus realistischen Szene in einer als Luftschutzbunker genutzten Londoner U-Bahn-Station ihrem Liebsten behutsam näherkommen darf. Auch ihr fällt am Ende des Films eine schwere Aufgabe – verpackt in technische Brillanz purer Lang-Manier – zu ...
Zitat von Immediate Impressions – Ministry of FearLang has no illusions of angelic or demonic purity. Everyone’s a mess of contradictions, and even a happy ending can be corrupted by a seemingly harmless (and hilarious) utterance – let them not eat cake. Wrapped up in that punchline, of course, is an all-too-real horror: how easily history becomes an ephemeral jest.
„Ministerium der Angst“ orientiert sich auch in anderer Hinsicht an großen Vorbildern, basiert es doch auf einer Romanvorlage von Graham Greene. Das Werk des Wallace-Verehrers, das in Deutschland unter dem Titel „Zentrum des Schreckens“ erschien und vom dtv verlegt wird, gehört nicht zu seinen bekanntesten Veröffentlichungen wie etwa „The Third Man“ oder „This Gun for Hire“ (Alan Ladd war übrigens auch für die Hauptrolle in „Ministry of Fear“ vorgesehen), bedient aber die kriminalistische und gleichzeitig die scheinreale Ebene auf besondere Art und Weise. Wie Friedrich Dürrenmatt zu „Die Physiker“ schrieb: „Im Paradoxen erscheint die Wirklichkeit“, so ist diese Beobachtung ohne Weiteres auf die verrückten Vorkommnisse dieses Films anwendbar, die ihrerseits Puzzleteile in dem großen, teuflischen und sehr wirklichen Schreckensschauspiel des Zweiten Weltkriegs sind.
Das „Ministerium“ erscheint trotz allem eher als Mischung aus reinem Krimi und Spionagethriller, lässt auf waschechte Film-Noir-Merkmale warten. Als direkter Vorgänger von Langs Genrejuwel „Gefährliche Begegnung“ (Woman in the Window) verdeutlicht das die Wandlungsfähigkeit des Regisseurs, der leider nie mit Basil Rathbone zusammenarbeitete.
Ein Film, bei dem ich mich spontan zu Hause gefühlt habe. „Ministerium der Angst“ verbindet vertraute Kniffs mit einer maschinengewehrartigen Abfolge von Spannungsmomenten, setzt sich gegebenenfalls von den Beschränkungen eiskalter Logik zugunsten maximaler Wirkung ab und fügt Langs Werkliste ein weiteres Unikum hinzu. 5 von 5 Punkten für Ray Milland und Hillary Brooke, für ein hollywoodisiertes London und die Gewissheit, dass mich dieser Film einmal mehr ins Schwärmen gebracht hat.
BEWERTET: "Todsünde" (Leave Her to Heaven), USA 1945 mit: Gene Tierney (Ellen Berent), Cornel Wilde (Richard Harland), Jeanne Crain (Ruth Berent), Vincent Price (Russell Quinton), Mary Philips (Mrs. Berent), Ray Collins (Glen Robie), Darryl Hickman (Danny Harland), Chill Wills (Leick Thome) u.a. | Drehbuch: Jo Swerling (nach dem gleichnamigen Roman von Ben Ames Williams) | Regie: John M. Stahl
Zitat von Fox-DVD aus der Edition 'Große Film-Klassiker'Obwohl sie mit einem Staatsanwalt verlobt ist, heiratet die junge Ellen nach kurzer Bekanntschaft den Schriftsteller Richard Harland. Schon bald nach der Hochzeit belasten mysteriöse Ereignisse ihre Liebe ...
Gene Tierney spielt die Hauptrolle in dem Melodrama aus der Feder des Bestseller-Autors Ben Ames Williams, dessen Buch sich fast zwanzig Millionen Mal verkaufte. Es erzählt die Geschichte einer Obsession, bedient sich dabei jedoch nicht der Psychoanalyse, die zum damaligen Zeitpunkt in Hollywood gerade en vogue war, sondern zeigt die Entwicklung einer Beziehung, die von Beginn an vom starken Willen und der Durchsetzungskraft der Frau dominiert wird. Es ist sicher kein Zufall, dass nach Dana Andrews in "Laura" mit Cornel Wilde wiederum ein Mann an Gene Tierneys Seite steht, der über durchschnittliche Intelligenz, Aussehen und Faszination verfügt. Ein Alltagsmann, der gerne einkaufen geht, den Garten umgräbt und sich mit den Familienangehörigen gutstellt. Ganz anders der Mann im Hintergrund: Vincent Price. Sein ernstes Gesicht, über dessen markante Züge immer wieder Schatten zu huschen scheinen, verrät selten seine wahren Gefühle. Er ist der weitaus interessantere Charakter und seine Präsenz adelt jeden Film. Selbst das Drehbuch kapituliert vor seiner magnetischen Ausstrahlung: In der spannenden Gerichtsszene am Ende des Films gesteht man ihm mehr Raum zu, als er in einem Prozess dieser Art eigentlich bekommen dürfte.
Zitat von John Howard Reid: Mystery, Suspense, Film Noir and Detective Movies on DVD, Lulu Books, S. 103Glen Robie (Ray Collins) is easily the most incompetent defense lawyer in motion picture history (just for a start, he should have obtained a court order barring the murdered girl's ex-fiancé from prosecuting the case).
Die zweite Hauptrolle spielt die wunderbare Landschaft, die Kameramann Leon Shamroy im aufwändigen Technicolor-Verfahren so gekonnt einfing, dass er dafür mit einem "Oscar" belohnt wurde. Gedreht wurde in Monterey (Kalifornien), Granite Dells und Sedona (Arizona), sowie in Maine, New Mexico und Wyoming. (Quelle: Wikipedia) Schon allein die Namen der Handlungsorte klingen nach Ferienidylle: Back of the Moon (halbmondförmiger See in Maine), Warm Springs (Sanatorium in Georgia), Bar Harbour (Familienansitz an der Ostküste) oder Jacinto, New Mexico - wo die Geschichte ihren Lauf nimmt. Die vielen Aufnahmen an der frischen Luft sollen darüber hinwegtäuschen, dass Ellen Berent längst nicht mehr frei atmen kann. Sie spürt den Zwang, etwas festhalten zu müssen, das ihr längst entglitten ist oder das sie gar nie besessen hat. Den ihr ergebenen, aber vielbeschäftigten und distanzierten Russell Quinton gibt sie auf, um einen Mann zu heiraten, der sie an den kürzlich verstorbenen Vater erinnert. Dessen Asche streut sie in einer sehr stimmungsvollen Szene über sein geliebtes Land.
Zitat von Produktionsnotizen, Booklet zur DVDTierney, die selbst eine begeisterte Reiterin war, bestand darauf, die Szene ohne Double zu drehen, obgleich der Abgrund mehr als zweitausend Meter in die Tiefe ging. Ihr Pferd, ein prachtvoller Hengst, weigerte sich jedoch, am Rand auszuharren und hätte die Schauspielerin beinahe abgeworfen, die daraufhin mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Tiefe gestürzt wäre. Tierney versuchte es erneut, doch das Pferd wagte sich diesmal nicht einmal mehr in die Nähe des Abgrunds. Erst als jemand auf einer Stute voraus ritt, folgte der Hengst der Stute verliebt bis an den Rand.
Dieser Bericht von den Dreharbeiten charakterisiert auch das Verhalten der Personen zueinander. Ellen und Richard begeben sich durch ihre Beziehung auf gefährliche Klippen. Sie wandeln über der tosenden See, dem Schlund, der sie hinabzuziehen droht. Ihre Liebe begann nicht mit einer Freundschaft, wie Ellen treffend zu Ruth bemerkt. Missgunst, Eifersucht, Verlustangst und Selbstzweifel erschweren Ellen das Leben an Richards Seite. Früher war ihre Mutter ihre Rivalin um die Gunst des geliebten Vaters; nun sind es Richards Bruder Danny und später Ruth Berent, die Adoptivschwester von Ellen. Ihr Wunsch, jemanden nur für sich zu haben und über jeden Schritt und Gedanken informiert zu sein, verdirbt das anfänglich auf Sympathie und Anziehung gegründete Verhältnis. Das Ende des Films lehnt sich an "Laura" an: Die "widerlich irdische Beziehung" (Waldo Lydecker) überlebt, während die große Romantik, die stets mit Leid einhergeht, untergeht.
Interessant fällt der Blick auf die US-DVD dieses Klassikers aus:
Im Gegensatz zu den verschiedenen europäischen Ausgaben, die jeweils weitgehend ohne Bonusmaterial auskommen, bietet die Regionalcode-1-Veröffentlichung folgende Extras an:
• Commentary by Darryl Hickman and Film Critic Richard Schickel • Movietone News Footage (Film Premiere, Oscar Presentations) • Restoration Comparison • Still Gallery • Theatrical Trailer
Neben spanischen sind natürlich auch englische Audio- und Untertiteloptionen verfügbar.
BEWERTET: "Das Geheimnis hinter der Tür" (The Secret Beyond the Door), USA 1947 mit: Joan Bennett (Celia Barrett Lamphere), Michael Redgrave (Mark Lamphere), Anne Revere (Caroline Lamphere), Barbara O'Neil (Miss Robey), Mark Dennis (David Lamphere), Natalie Schafer (Edith), Rosa Rey (Paquita), Paul Cavanagh (Rick Barrett), James Seay (Bob Dwight) u.a. | Drehbuch: Silvia Richards (nach der Geschichte "Museum Piece No. 13" von Rufus King) | Regie: Fritz Lang
Zitat von Turner Classic Movies"Secret Beyond the Door" was Diana Productions' final film. According to Hollywood Reporter, the film lost almost its intire production cost of $ 1,5 million. In 1953, Bank of America foreclosed mortgages on ten independently produced pictures on which money was still owed, one of which was "Secret Beyond the Door".
Wahrscheinlich liegt der Grund, weshalb es außer einer inzwischen vergriffenen französischen Edition keine englische oder deutsche DVD-Veröffentlichung des Films gibt, an den oben genannten Fakten. Vom künstlerischen Standpunkt aus betrachtet, ist es schade, dass dieses ungewöhnliche Werk dem Publikum nur begrenzt zugänglich ist. Der deutsch-französische Kultursender ARTE zeigte den Film vor circa fünf Jahren in der ungekürzten Fassung, d.h. in seiner ursprünglichen Länge von 95 Minuten. Die 74-Minuten-Version, die auf Deutsch synchronisiert wurde, ergibt wenig Sinn, da essentielle Szenen fehlen und somit das Verständnis für die Personen geschmälert wird. Der Film erzählt von den Ängsten einer Frau und eines Mannes. Sie stehen beide auf verlorenem Posten. Sie, weil sie gerade den letzten wichtigen Menschen in ihrem Leben verloren hat und -da aus reichem Hause- auch ohne Beschäftigung und damit einhergehendem Lebensinhalt dasteht; er, weil er von verdrängten Schatten der Vergangenheit heimgesucht wird und in seinem Umfeld nur Feinde ausmachen kann. Seine Arbeit als Architekt und Besitzer einer Fachzeitschrift zum Thema Einrichten kann seine dunkle Seite nicht kompensieren, zumal er über seine Verhältnisse lebt. Von Anfang an wird dem Zuseher suggeriert, dass diese Liebe ins Verderben führen wird. Traumsymbole stehen stellvertretend für die ganz normalen Zweifel, die einen Menschen vor einer wegweisenden Entscheidung überfallen. Nur wird hier ganz deutlich gesagt, dass Celia Barrett mit der Heirat mit Mark Lamphere ihre sichere Umgebung verlässt und sich einem Mann ausliefert, der sich ihr nur durch seinen morbiden Charme und sein unkonventionelles Verhalten empfohlen hat. Wie die Homepage TCM.com treffend formuliert:
Zitat von Turner Classic MoviesThe woman in question is often a rather passive, naive figure, overwhelmed by the male's unfathomable behavior and mystifying personality, as well as the mysterious houses they lived in, which reflected the dim corners of their residents' psyche.
Als weitere Beispiele werden "Rebecca", "Dragonwyck", "Gaslight" und "Jane Eyre" genannt.
Die deutschen Synchronstimmen (Rosmarie Fendel auf Joan Bennett und Klaus Kindler auf Michael Redgrave) verleihen den Figuren die gewünschte Charakterisierung. Die Frau als wohlerzogene, vom Leben mehr erwartende "Sleeping Beauty" und der Mann als unberechenbarer Faktor in ihrem Leben. Im Gegensatz zu den meisten ahnungslosen Frauen in anderen Produktionen quälen Celia seit der ersten Begegnung mit Mark Gewissensbisse. Sie spürt, dass eine Gefahr unmittelbar bevorsteht, kann sich aber nicht von Mark lösen. Sie folgt ihrem Stern, "wenn es sein muss, auch in die Hölle" (aus "Tod auf dem Nil"). Neben den klassischen Zutaten (wortkarger Sohn aus erster Ehe, missgünstige Hausangestellte, mysteriöser Tod der ersten Gattin) des Genres, fesselt in diesem Film vor allem die sprichwörtliche Leiche im Keller; hier in Form eines Grusel-Kabinetts. Ein langer Flur mit sieben verschlossenen Zimmern beschäftigt nicht nur die Phantasie der Hauptdarstellerin, sondern vor allem die des Publikums. Mordzimmer - keine Kopien, sondern Originale. "Morde haben emotionale Ursachen, mehr als die Liebe," erklärt Mark seiner Frau. Er fühlt sich zu den Schauplätzen vergangener Gewalttaten magisch hingezogen. An ihnen verweilt er, so wie andere Menschen in einer Kapelle zur inneren Einkehr ausruhen. In einem furiosen Finale -das sich dem Zuseher nicht sofort erschließt, da es eine Kombination aus Traumsequenz und Wirklichkeit ist- erleben wir Hochspannung im Stil. Elemente aus "The Spiral Staircase" und "Rebecca" vermengen sich mit "Spellbound". Miklós Rózsas Musik zieht den Zuseher in einen Sog aufwühlender Gefühlsregungen. Ich beschließe meinen Bericht mit einem weiteren Zitat von der TCM.com-Website:
Zitat von Turner Classic MoviesUnder Lang's guidance the movie became closer to a nightmarish film noir, animated by several touches of Hitchcock, and with echoes of the dark and fantastic European films of his earlier career.
„M“ ist kein Film Noir, präsentierte aber wohl Stilmerkmale für das später entwickelte Genre. Das liegt darin begründet, dass sich der Film Noir – auch dank der ausgewanderten Regisseure – aus dem deutschen expressionistischen (Stumm-)Film der 1920er und 1930er Jahre entwickelte, für den „M“ eben auch ein Beispiel ist. Fritz Lang nahm seine Handschrift dann mit nach Hollywood. „Brighton Rock“ und „The Third Man“ gehören zur erweiterten Noir-Familie, da sie aus Großbritannien und nicht aus dem Noir-Stammland USA kommen. Von „Der Teufel mit der weißen Weste“ habe ich bisher noch nichts gehört; es kann sich aber höchstens um einen sehr frei interpretierten (Neo-)Noir-Begriff handeln, da sowohl Produktionsort (Frankreich / Italien) als auch Produktionsjahr (1963) kaum mit den formalen Kriterien des traditionellen Film Noir in Übereinstimmung zu bringen sind.
Kriminalfilm, USA 1946. Regie: George Marshall. Drehbuch: Raymond Chandler. Mit: Alan Ladd (Johnny Morrison), Veronica Lake (Joyce Harwood), William Bendix (Buzz Wanchek), Howard Da Silva (Eddie Harwood), Doris Dowling (Helen Morrison), Tom Powers (Captain Hendrickson), Hugh Beaumont (George Copeland), Howard Freeman (Motelbesitzer Corelli), Don Costello (Leo), Will Wright („Dad“ Newell) u.a. Uraufführung (USA): 19. April 1946. Uraufführung (BRD): 1. September 1951. Eine Produktion von Paramount Pictures.
Zitat von Die blaue DahlieJohnny Morrison kommt mit zwei Kameraden aus dem Krieg zurück und findet statt einer warmen Begrüßung seine Frau in vertrautem Umgang mit einem anderen Mann wieder. Am nächsten Morgen findet man Helen Morrison erschossen in ihrem Bungalow und alles deutet darauf hin, dass Johnny der Täter ist. Die Polizei leitet eine Suche nach ihm ein, doch mit der Hilfe einer mysteriösen Blondine gelingt es ihm zunächst, die Cops abzuschütteln. Dann jedoch wird der Verfolgte von einer dritten beteiligten Seite entführt ...
Dieser Kommentar enthält leichte Spoiler.
Feinsinnig und doch nicht zu unauffällig wird das Motiv der „blauen Dahlie“ im Verlauf des Films immer wieder aufgegriffen: Die Blumen in Helen Morrisons Bungalow, sicher die Geschenke ihres Liebhabers, die dauerpräsente Fassade des gleichnamigen Nachtklubs, selbst zwei Blicke in das fragliche Etablissement und eine Andeutung für ein mögliches mit den Dahlien verbundenes Mordmotiv rechtfertigen den Titel der vom erfahrenen Raymond Chandler erdachten Story.
Ursprünglich plante der für seine Hardboiled-Stories berühmte Chandler, den kriegsverwundeten Buzz zum Mörder aus unglücklichen Umständen zu machen. Die Schallwellen der von ihm „Mulattenmusik“ titulierten Klänge, die an die Stahlplatte in seinem Kopf hämmern, und das lebensverachtende Blätterabzupfen Helen Morrisons mündeten für den Kranken in einem Blackout mit tödlichen Folgen. Diese klug ausgearbeitete Lösung mit ungewöhnlichem Motiv war angedacht, um die fatalen Auswirkungen des Kriegs auf die beteiligten Soldaten zu verdeutlichen. Obwohl Buzz an seiner Verletzung nicht selbst Schuld trägt, ihm diese also vom Feind beigebracht worden ist und sich somit auch die moralische Schuldfrage bezüglich des Mordes klar definieren lässt, bestand die militärische Zensur, die sich während der Entstehungszeit des Drehbuchs und des Filmsdrehs im Frühsommer 1945 noch in „Amt und Würden“ befand, auf einer Abänderung der Chandler-Idee. Das Ergebnis des Umschreibprozesses, das jeder im Film betrachten kann, fügt zwar eine Lage zum Überraschungseffekt des Finales hinzu, lässt aber gleichzeitig auch die Güte des zuerst geplanten Clous vermissen. Die Motivation des echten Täters gestaltet sich hausbacken wie in jedem zweiten mittelmäßigen Whodunnit und hat für die USA kurz nach Kriegsende keinerlei weiterführende Relevanz. „The Blue Dahlia“ verliert damit an Wirkung, an Kreativität und an Durchsetzungsvermögen, an der Tiefe der Charaktere und dem Interesse des Zuschauers oder, wie Carl Macek und Alain Silver es ausdrücken:
Zitat von Alain Silver et.al.: Film Noir – The Encyclopedia, Overlook Duckworth, 2010, S. 52Since Chandler was prevented from making Buzz a killer driven by a disabling compulsion not of his own making, the ultimate production moved „The Blue Dahlia“ away from probing the psychologies of disturbed and betrayed veterans as well as quintessential film noir towards the clichés of a stylish but somewhat routine mystery.
Nicht unwahr bleibt das alte Sprichtwort, ein Ende mit Schrecken sei besser als ein Schrecken ohne Ende. Von letzterem kann man eindeutig nicht sprechen, denn die Ausgangssituation bleibt nicht ohne Reiz: Man merkt schon während des Bourbons in der Jazzbar dem Hauptcharakter Johnny Morrison an, dass er dem Wiedersehen mit seiner Frau weniger entgegenfiebert, als man es eigentlich vermuten müsste. Bald erkennt man den Grund: Helen Morrisons Charakter, den ihr Kostüm nur allzu gut widerspiegelt, lässt Ekel und Zurückhaltung vor der Frau aufkommen – wie gut, dass die von Percy Lister zitierte Emanzipierung nicht immer so ausfiel – und schafft gleichsam die richtige Stimmung für das mit Johnny aufgezogene „Man on the Run“-Spiel. Die Sympathien des Zuschauers gehen eindeutig auf den von Alan Ladd mit leichter Arroganz und Hang zur kriegserworbenen Brutalität auch nicht absolut einwandfrei porträtierten Protagonisten über, während sich der Verdacht zunächst auf den Nachtklubbesitzer Harwood konzentriert. Veronika Lake als seiner Frau gelingt es nicht ganz, aus dem von Doris Dowlings beeindruckender weiblicher Ankerfigur aufgebauten Schatten herauszutreten und der Schluss, an dem Johnny sich offenbar mit ihr zusammentut, enttäuscht deshalb etwas in Hinblick auf seine treuen Kameraden, die selbst in Zeiten der Unsicherheit rückhaltlos zu ihm gestanden hatten.
Nicht ganz klar erscheint mir ebenfalls, was es mit jener Szene auf sich hat, in der Buzz mit einem Pistolenschuss ein Streichholz anzündet. Johnny, der ihn offensichlich verteidigen will, beweist damit schließlich nur, welch ein guter Schütze Buzz ist – das Gegenteil von dem, was er zu erreichen sucht. Blieb die Szene aus der Urfassung nur des Showeffekts wegen enthalten?
Selbst wenn man den verschenkten Tiefgang des Films bedauern muss (eine Verschiebung des in Eile realisierten Projekts um eins, zwei Jahre hätte wahrscheinlich Wunder gewirkt), so gelingt selbst mit rein detektivischer Schlusskomponente ein solider, wenngleich nicht erstklassiger Film Noir, dessen Besetzung, technische Standards und kritische Restbetrachtungen ihn durchaus sehenswert erscheinen lassen. Der O-Ton hebt die Stärken von „The Blue Dahlia“ noch einmal deutlich hervor. 4 von 5 Punkten.