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Dieses Thema hat 977 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Jan Offline




Beiträge: 1.753

17.06.2008 23:04
#16 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

3. "Stiftungsfest"

Inhalt
Herr Bark (Siegfried Lowitz) ist die Stimmungskanone der 75-Jahrfeier seines Gesangsvereines. Es wird getrunken, gelacht, getanzt und gegrapscht, wo möglich. Eingenebelt von Wein, Weib und Gesang versucht Herr Bark sein Glück bei der aufreizenden Irene, der Freundin seines Sohnes Helmut (Bruno Dietrich), und scheut nicht, abseits des fröhlichen Tumultes gebührend nachzuhelfen, um zu erreichen, was Irene nicht erreicht haben möchte. Als Helmut nachsehen will, wo Irene bleibt, muss Bark verhindern, was noch zu verhindern ist. Dumm nur, dass er ihr neben dem Mund auch noch die Nase zuhält...

Meine Bewertung
Wieder ein Juwel! Regiealtmeister Helmut Käutner zeichnet verantwortlich für die dritte Folge und inszenierte ebenso wie Lindtberg im direkten Vorgänger eine Art Kammerspiel, jedoch ohne Behäbigkeit, ohne auch nur eine Sekunde Leerlauf, eine Kammerspiel, das im übrigen ohne jede externe musikalische Untermalung auskommt. Das Buch ist gut, wenn auch nicht aufregend. Es ist mehr die hervorragende Inszenierung, die dafür sorgt, dass nicht in Reineckers Psychoschiene gefahren wird. Freilich konnte auch der große Käutner nicht die typischen Reinecker-Monologe einiger Protagonisten ausmerzen, misst diesen jedoch inszenatorisch kaum Bedeutung bei. Es ist nahezu beklemmend, wie sich die Situation für den unfreiwilligen Mörder von Minute zu Minute verschlimmert, wie die Ausweglosigkeit immer deutlicher wird, wie der Weg zurück immer verbauter erscheint.
Neben Regisseur Käutner trägt vor allem Siegfried Lowitz die Folge. Teils minimalistisch im Ausdruck agiert er so beeindruckend, dass man die Augen unweigerlich keine Sekunde vom Bildschirm nimmt. Welch großartiger Schauspieler! Die beinahe minütlich gesteigerte Spannung ist sein ganz großes Verdienst.

Mein Fazit
Weltklasseregisseur, Weltklasseschauspieler, überzeugendes Buch: ein Highlight!
5 von 5 Punkten

Gruß
Jan

kaeuflin Offline




Beiträge: 1.259

18.06.2008 07:00
#17 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Also dieser bewertung kann ich nicht zustimmen!

Das Problem liegt für mich bei den Nebendarstellern, denn während Lowitz eine tolle Leistung abliefert, wirken andere Darsteller umso schwächer - das fängt bei manchen Vereinsmitgliedern an und hat den Gipfel in dem Vater der ermordeten Irene, dem ich die trauer keine Minute abnehme und mit dessen Auftritt sich die Folge keinen gefallen getan hat (er währe auch nicht zwingend nötig gewesen). - Hätten alle Darsteller die Klasse von Lowitz würde es funktionieren, so scheitert die Folge bei mir und bekommt max. 3 von 5 Punkten.

Happiness IS the road! (Marillion)

Jan Offline




Beiträge: 1.753

18.06.2008 10:53
#18 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von kaeuflin im Beitrag #17
Das Problem liegt für mich bei den Nebendarstellern, denn während Lowitz eine tolle Leistung abliefert, wirken andere Darsteller umso schwächer - das fängt bei manchen Vereinsmitgliedern an und hat den Gipfel in dem Vater der ermordeten Irene, dem ich die trauer keine Minute abnehme und mit dessen Auftritt sich die Folge keinen gefallen getan hat (er währe auch nicht zwingend nötig gewesen).

Die übrigen Darsteller sind in der Tat blasser, was indes nicht unbedingt an schwacher Leistung ihrerseits liegen muss, sondern vielmehr in der ungewöhnlich starken Präsenz Lowitz' begründet liegt. Dagegen haben es Herbert Fleischmann und Ulrich Haupt naturbedingt schwer, wobei beide m.E. glänzend agieren. Gerade Fleischmann war ja eigentlich nie schlecht, in keiner mir bekannten Rolle. So auch hier.
Zitat von kaeuflin im Beitrag #17
Hätten alle Darsteller die Klasse von Lowitz würde es funktionieren

Dann hätte die Folge keinerlei Höhepunkt. Gerade Ulrich Haupt ist eine tragende Figur der Dramaturgie. Ohne ihn wäre die permanent gesteigerte Spannung nicht möglich gewesen. Vor allem die Szenen am Schluss im Hotelzimmer mit ihm und Lowitz sind beklemmend realistisch. Als wohltuend empfinde ich, dass er eben nicht der plakativ schluchzende Vater mit toter Tochter ist, sondern, wie von Käutner gewohnt, sehr zurückhaltend aber dennoch reichlich intensiv inszeniert wurde. M.E. meisterhaft, wie schon geschrieben.

Gruß
Jan

kaeuflin Offline




Beiträge: 1.259

18.06.2008 11:50
#19 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Fleischmann spielt seinen Part schon überzeugend - wie eigentlich immer. Ulrich Haupt hingegen hat mich wie gesagt überhaut nicht überzeugt - ich kauf ihm seine Rolle keine Minute lang ab - ob das so beabsichtigt war?

Aber sicher kann man über die Folgen anderer Meinung sein - ähnlich wie bei "Hoffmanns Höllenfahrt" welche ich auch nicht besonders mag und "Nur Aufregungen für Rohn" welche ich für sehr gelungen halte, aber für Meine Schwester der Tiefpunkt der Box war ...

Was Jedenfalls bei Stiftungsfet bleibt, ist ein genialer Lowitz.

Peter

Happiness IS the road! (Marillion)

Jan Offline




Beiträge: 1.753

18.06.2008 12:19
#20 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von kaeuflin im Beitrag #19
Aber sicher kann man über die Folgen anderer Meinung sein - ähnlich wie bei "Hoffmanns Höllenfahrt" welche ich auch nicht besonders mag und "Nur Aufregungen für Rohn" welche ich für sehr gelungen halte, aber für Meine Schwester der Tiefpunkt der Box war ...

Jeder hat ja seine persönlichen Präferenzen und die erfüllen die Folgen eben nur ganz unterschiedlich. Wobei wir bei "Hoffmanns Höllenfahrt" und "Nur Aufregungen für Rohn" einer Meinung sein dürften!

Gruß
Jan

Jan Offline




Beiträge: 1.753

20.06.2008 18:10
#21 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

4. "Mitternachtsbus"

Inhalt
Ein Dorf. Vier Herren beim Billard. Der Mitternachtsbus bringt Helga, Kellnerin des Gasthofs "Zur Post" und den Herren beim Billard durchaus weitreichend bekannt. Wenig später findet man Helga im Dorfsee. Ertränkt. Dass sie schwanger ist, hätte sie besser nicht gesagt. Nun ist es an dem windigen Wirt Oskar Holler (Werner Kreindl), die heißen Kohlen aus dem Feuer zu holen und das kleine Missgeschick wieder gerade zu biegen. Da kommt ihm der versoffene Herr Wollweber (Rudolf Platte) samt seines schwachsinnigen Sohnes (Lambert Hamel) gerade recht ...

Mein Kommentar
Das ist sie also, die erste Folge "Derrick", die gedreht wurde. Es lässt sich nicht leugnen, dass vieles darauf ausgerichtet ist, den Charakter des neuen Freitagabend-Ermittlers so zu inszenieren, dass ihn jederman als neuen Kopf erkennen kann. Herrn Derrick stört so einiges an seinem Job. Tote junge Mädchen widern ihn an und lange fackeln wird er sowieso nicht. Barsch, hart im Ton und ohne irgendwelche Umschweife kommt er zur Sache, scheut nicht, seinen Kollegen Harry Klein von der Seite anzumachen und mit ihm uneins zu sein. Adé, Du liebe Harmonie, die Du zu Hause warst im Team von Kommissar Keller.
Der routinierte Theodor Grädler war auserkoren, die erste Folge in Szene zu setzen. Mit viel atmosphärischer Beleuchtung, sehr guten Darstellern (Kreindl und Platte) und einer netten, wenn auch nicht umwerfenden Story hat er gut vorgelegt. Dass dennoch "Waldweg" als Erstling vorgezogen wurde, verwundert nicht. Neben erstklassigen Folgen sind gute Folgen eben doch nur zweitklassig. Dennoch handelt es sich bei "Mitternachtsbus" um 60 reichlich unterhaltsame Minuten. Gerade wegen des forschen neuen Oberinspektors, der stets bemüht ist, die alten Zöpfe abzuschneiden.
Die komplette Musik zu dieser Folge steuerte hier einmal (und meines Wissens nie wieder) Les Humphries bei.

Mein Fazit
Viel frischer Wind, gute Akteure: ein wahrhaft unverbrauchter Neuling!
4 von 5 Punkten

Gruß
Jan

Joe Walker Offline




Beiträge: 755

21.06.2008 09:09
#22 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Jan im Beitrag #21
[...] Die komplette Musik zu dieser Folge steuerte hier einmal (und meines Wissens nie wieder) Les Humphries bei. [...]

Das forsche Uptempo-Thema, dass während des finalen Schlußtwists erschallt (als Derrick den jungen Holler vom Billardtisch weg durchs Lokal zerrt und schließlich Kopeister in den See schmeißt), ist das leider fast vergessene "Derrick, Part 2", welches auf der damaligen Originalsingle als Flip-Side erschien und ordentlich "knallt" .

Gruß
Joe Walker

Jan Offline




Beiträge: 1.753

23.06.2008 16:30
#23 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

5. "Tod am Bahngleis"

Inhalt
Der Bahnarbeiter Hugo (Peter Kuiper) ackert tagsüber kräftig am Bahngleis, um abends fein frisiert und frisch gebügelt nach München fahren zu können. Dort besucht Hugo gerne fesche Lokale, versucht sein Glück bei Frauen. Vor allem die süße Hannelore Greiser (Mascha Gonska), Tochter der Vorarbeiters (Günter Strack), hat es Hugo angetan. Es wollen allerdings nicht immer alle Frauen so, wie Hugo will.

Meine Bewertung
Peter Kuiper gibt den unverstandenen, leicht zurückgebliebenen Arbeiter, der im Umgang mit Frauen ähnlich ruppig abfährt, wie mit seiner Spitzhacke. Das gefällt durchaus, zumal mit Günter Strack ein echter Spitzendarsteller auftritt. Leider kommt Stracks Part etwas zu kurz. Viel mehr als Beiwerk sind er und seine "Tochter" Mascha Gonska (war u.a. in HERZBLATT von Alfred Vohrer zu sehen) bedauerlicherweise nicht.
Dennoch gute Unterhaltung ohne große Highlights. Inszeniert wurde das ganze von Alfred Weidenmann. Auch keine unbekannte Größe des deutschen Films.

Mein Fazit
Unterhaltung für 60 Minuten. Wird man sich aller wahrscheinlichkeit aber kein zweites Mal ansehen.
3 von 5 Punkten

Gruß
Jan

Jan Offline




Beiträge: 1.753

23.06.2008 17:06
#24 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

6. "Nur Aufregungen für Rohn"

Inhalt
Harald Rohn (Thomas Fritsch), Student mit Stipendium und hohem Intellekt, plant das perfekte Verbrechen: Er überfällt maskiert den Geldboten, seinen ältlichen Nachbarn Paul Seibach (Helmut Käutner) und ergaunert so eine große Summe. Doch auch Rohn macht einen entscheidenden Fehler und muss alsbald zusehen, wie er den pflichtbewussten Seibach mundtot bekommt ...

Mein Kommentar
Eine prinzipiell recht schlichte Story -ein Überfall wird begangen, der Mitwisser muss beseitigt werden und der Täter wird überführt-, die aber doch an Orginalität nichts vermissen lässt. Die Variation des Themas gelingt Reinecker recht gut und Regisseur Wolfgang Becker drückt mächtig auf's Tempo, um dem Titel folgend lauter "Aufregungen" Schlag auf Schlag folgen zu lassen. Der Zuschauer ist alsbald selbst recht aufgeregt, wenn Rohn erneut in Derricks Mühle genommen wird, wenn es erneut an der Tür klingelt, die Kordel der Geldtasche unter dem Bett hervorguckt und unauffällig zurückgeschoben werden muss. Bedauerlicherweise lässt die Regie im Rausche des mächtigen Tempos dieser Folge die eine oder andere durch das Drehbuch durchaus ermöglichte Gelegenheit aus, die Spannung noch weiter in die Höhe zu schrauben. So wäre ein geschickteres Schneiden der Szenen, in denen Thomas Fritsch den toten Käutner die Treppe hinabträgt, spannungsfördernd gewesen. Motto: Lässt sich Fritsch nun durch die Tochter Käutners beim Hinuntergehen erwischen oder nicht? Ebenso hätten die Vorbereitungen des Überfalls umfangreicher gezeigt werden können. Die prinzipiell überflüssigen Szenen zwischen Thomas Fritsch und Michael Ande hätten dafür gut geopfert werden können.
Neben dem überzeugenden Thomas Fritsch nun ist Helmut Käutner zu sehen, der den aufrichtigen, seriösen und unbestechlichen Geldboten darstellt. Es obliegt ihm, die ganze Enttäuschung über den zuvor so hochgeschätzten Rohn darzustellen und das gelingt ihm formidabel. Das schmale, eingefallene Gesicht, die zitternde Stimme, der traurige Ausdruck. Käutner war eben nicht nur grandioser Regisseur, sondern auch hervorragender Darsteller.

Mein Fazit
Trotz einiger vergeudeter Momente ein flottes Stückchen TV-Geschichte.
4 von 5 Punkten

Gruß
Jan

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

08.08.2010 13:51
#25 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Waldweg" (Folge 1)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Hilde Weissner, Wolfgang Kieling, Lina Carstens, Klaus Höhne, Siegurd Fitzek, Walter Sedlmayr, Herbert Bötticher, Karl Lieffen, Friedrich Georg Beckhaus u.a. - Regie: Dietrich Haugk

Die erste Folge der Erfolgsserie knüpft an die Blütezeit der Reihe "Der Kommissar" an. Allerdings bekommt das Publikum nicht nur den Mord zu Gesicht, sondern auch den Mörder. Begann die Vorbildserie stets mit der Auffindung einer Leiche, so wird dem Publikum hier die Ausführung der Tat gezeigt und somit der Rätselfaktor eliminiert. Dieses mutige Vorgehen nimmt dem Zuseher jedoch keineswegs die Spannung - im Gegenteil: mit furchtbarer Vorahnung folgt man dem wehrlosen Opfer in das Haus des Mörders und sieht für einen Moment in die schreckliche Fratze des Bösen. In perfekter Choreografie läuft das Verbrechen in Zeitlupe ab und präsentiert die Reaktion des Opfers ebenso wie die Verzweiflung der machtlosen Zeugin. "Waldweg" ist in einer abgeschlossenen Welt beheimatet. Die Haushaltungsschule ist der Schauplatz der Handlung, Auswege gibt es nur Richtung Wald bzw. Bahnhof. Dort begegnet man mit Walter Sedlmayr einem Kioskbesitzer, den man hierzulande als "tamisch" bezeichnen würde. Auf die Frage, warum er dem Mädchen seine Fahrradpumpe nicht leihen wollte, antwortet er "Weil i net megn hob!" (= Weil ich nicht wollte!") Neben solchen Gustostückchen präsentiert die erste "Derrick"-Folge weitere gute Bekannte aus dem "Kommissar". Bis in die kleinste Nebenrolle weiß die Geschichte zu überzeugen. Die vielen Nachtaufnahmen und die Abkürzung, die die Schülerinnen nach der Ankunft mit dem letzten Zug nehmen, erinnern sogar an den "Unheimlichen Mönch". Horst Tappert und Fritz Wepper agieren frisch und zielstrebig. In Ermangelung steifer Büroatmosphäre lebt die Handlung von Originalschauplätzen (einer kleinen Gemeinde nördlich von München, auf der Strecke nach Erding) und dem Wechselspiel der Charaktere. Ohne erhobenen Zeigefinger wird ein Fall aufgerollt, der immer aktuell ist und nach wie vor das Interesse der Menschen fesselt: der Mädchenmord durch einen Triebtäter. In einem spannenden Finale wird dem Täter eine Falle gestellt, in die er aufgrund seiner Neigung sofort tappt. Wolfgang Kielings Kampf mit seinen inneren Dämonen; der Wunsch, Frauen zu beherrschen und seine Hemmungen gegenüber starken Persönlichkeiten, verleihen dieser Episode das Prädikat "sehenswert".

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

15.08.2010 14:13
#26 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Johanna" (Folge 2)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Helmuth Lohner, Lilli Palmer, Helga Anders, Josef Dahmen u.a. - Regie: Leopold Lindtberg

Beklemmend eng ist die Welt von Alfred und Martha. Während die Frau längst erkannt hat, dass ihr fünfzehn Jahre jüngerer Ehemann nur auf Geld und die daraus resultierende Bequemlichkeit aus war, als er in die Ehe einwilligte, schmiedet Alfred längst Pläne, ein neues Leben mit der jungen Roswitha zu beginnen. Die Frage nach dem perfekten Alibi für die Tat und die Vertuschung der Mordhintergründe stehen im Mittelpunkt der ersten halben Stunde. Danach tritt Johanna in Erscheinung. Sie ist die Schwester der Ermordeten und sieht ihr so ähnlich, dass der Witwer bis ins Mark erschrickt, als sie plötzlich vor seiner Haustür steht.

Derrick arbeitet hier erstmals mit psychologischen Kniffen, indem er die Schwester der Toten als Waffe gegen den Hauptverdächtigen einsetzt, den er mangels Beweisen nicht überführen kann. Es gilt, den Täter zu einem Geständnis zu bewegen. Helmuth Lohner zeichnet das Bild eines labilen Mannes, dessen Ehrgeiz nur der Sicherung des eigenen Wohlstandes dient. Mit seiner jugendlichen Freundin würde er am liebsten in den Tag hineinleben, ohne Verpflichtungen, ohne Termine. Helga Anders überzeugt einmal mehr als das Mädchen aus dem Arbeitermilieu, dessen Eltern am Ostbahnhof leben und abends vor dem Fernsehgerät einschlafen. Die Siebziger Jahre mit den senfgelben Hemden, groben Anzugstoffen und ockerfarbenen Tapeten sind immer präsent. Zudem kann der versierte "Kommissar"-Freund einige Drehorte und Requisiten ausmachen, die bereits zum festen Bestandteil der Ode-Serie zählten (die Kneipe zu Beginn der Folge; die Gläser mit Goldrand, aus denen Lohner und Palmer trinken).
Obwohl die Folge sehr dialoglastig ist, vermisse ich keine Spannung, da man neugierig ist, ob Alfred versuchen wird, auch Johanna zu töten. Die drei Darsteller entschädigen zudem für kleine Drehbuchschwächen und dem Mangel an Action.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

22.08.2010 12:16
#27 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Stiftungsfest" (Folge 3)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Siegfried Lowitz, Bruno Dietrich, Claudia Butenuth, Herbert Fleischmann, Joachim Wichmann, Ulrich Haupt u.a. - Regie: Helmut Käutner

Ein kleiner Landgasthof beherbergt einen Gesangsverein aus Augsburg. Gefeiert wird das 75-jährige Bestehen. Die Herren singen "La Montanara" und sind bester Stimmung. Als anschließend auf der Tanzfläche das Temperament mit Herrn Bark durchgeht, zeichnet sich bereits ab, dass die gezeigten weiblichen Reize nach einem Nachspiel verlangen. Ungeachtet der Tatsache, dass Irene Eppler mit seinem Sohn befreundet ist, begibt sich Herr Bark in deren Zimmer und versucht, sie zu begrapschen. Damit sie nicht schreit, hält er ihr Mund und Nase zu und bald schon liegt Irene tot auf dem Boden.

Wieder einmal spielt sich das Verbrechen in ländlicher Umgebung ab, diesmal in einem verschneiten Gasthof zur Vorweihnachtszeit. Der große Adventskranz - als Symbol des Wartens - hängt über der Rezeption und wird mehrmals in Großaufnahme gezeigt. Er steht für die Beharrlichkeit des Oberinspektors, der bis zum Morgengrauen darauf wartet, dass sich der mutmaßliche Täter ihm endlich offenbart. Siegfried Lowitz ist hier in einer ähnlichen Rolle zu sehen wie in der Erfolgsserie "Der Kommissar": Bereits in "Rudek" und "Die Tote im Park" dürstete er nach jungen Frauen und jedes Mal brachte ihn dies in die Bredouille. Die Facetten seines Könnens spielt er glänzend aus: Ungekünstelt und lebensnah sehen wir ihn zuerst als fröhlichen Sänger, dann als forschen Draufgänger, als nervösen Täter und als verzweifelten Verdächtigen.
"Der Schreck hat sie nüchtern gemacht." Diese trockene Bemerkung von Oberinspektor Derrick trifft den Punkt genau. Die versammelte Gesellschaft ist betroffen und sucht den Täter im Umfeld der Familie Bark. Langsam zieht sich die Schlinge um den Täter enger, was auch daran liegt, dass sein Sohn unter Verdacht steht und der Vater der Ermordeten eintrifft. Die fast klaustrophobische Anspannung zeigt sich im Morgengrauen im Hotelzimmer, als der Täter neben dem Vater von Irene sitzt und mit sich kämpft. Soll er sich stellen? Findet er den Weg in den Alltag zurück? Kommt er aus dieser Situation noch einmal heraus? Die Fahrt an die Brücke wirkt wie befreiend und man atmet förmlich die kalte Morgenluft.
Kurzum: Eine stimmige, überzeugend besetzte Episode, die zeigt, wie schnell Übermut in Lebensbedrohung umschlagen kann. Oder, um es mit den Worten des Geschädigten zu sagen: "Das ist also geblieben: Eine Kreidezeichnung auf dem Boden eines Hotelzimmers."

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

22.08.2010 13:14
#28 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister im Beitrag #27
Siegfried Lowitz ist hier in einer ähnlichen Rolle zu sehen wie in der Erfolgsserie "Der Kommissar": Bereits in "Rudek" und "Die Tote im Park" dürstete er nach jungen Frauen und jedes Mal brachte ihn dies in die Bredouille. Die Facetten seines Könnens spielt er glänzend aus: Ungekünstelt und lebensnah sehen wir ihn zuerst als fröhlichen Sänger, dann als forschen Draufgänger, als nervösen Täter und als verzweifelten Verdächtigen.

Das Setting verspricht eine schöne Atmosphäre, wenngleich die behagliche Stimmung bestimmt auch hier durch "psychokritische" Einflüsse des 1970er-Jahre-Krimis aufgebrochen wird. Siegfried Lowitz sehe ich gern - aber eher in den positiven Rollen, was jedoch seinem Derrick-Auftritt nichts absprechen soll. Die ganz großen Stars sind in solchen Serien eben stets die Mörder und damit die möglichst hartnäckige und qualitativen Antagonisten des Serienermittlers.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

22.08.2010 13:18
#29 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Mitternachtsbus" (Folge 4)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Werner Kreindl, Rudolf Platte, Hartmut Becker, Bruni Löbel, Christiane Schröder, Lambert Hamel, Hans Quest, Horst Sachtleben u.a. - Regie: Theodor Grädler

Die junge Kellnerin Helga (Christiane Schröder) erwartet ein Kind vom Sohn des Wirts, bei dem sie beschäftigt ist. Dieser drängt sie zu Abtreibung oder Abreise, was das Mädchen beides ablehnt. In einem Dorfteich wird das Problem kurzerhand gelöst, indem der junge Holler seine Freundin ein paar Mal untertaucht, damit sie den Mund für immer hält.

Christiane Schröder ist zwar nur in den ersten zehn Minuten zu sehen, doch es gelingt ihr, einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Die Verzweiflung am Ufer des Teichs, ihre Bitten an den Mörder in spe, das gebotene Geld lieber für das Kind auf die Bank zu legen, sind von einem erschreckenden Realismus. Sie kann sich gegen den Mann nicht wehren und auch nicht gegen ihre posthume Rufschädigung, die der Wirt (Werner Kreindl) mit Geschick und List betreibt. Um den Sohn zu schützen, tut er alles, um den schwachsinnigen Bruno (Lambert Hamel) in Verdacht zu bringen. Das heimtückische Böse, das so oft in kleinen Dorfgemeinschaften lauert, wo es Abhängigkeitsverhältnisse gibt und einige wenige die Hand auf dem Geld halten, wird in dieser Folge eindrucksvoll gezeigt. Brunos Vater (Rudolf Platte) windet sich zwar in seiner Verzweiflung, den Sohn zu verlieren, kann dem Wirt aber nichts entgegen setzen. Das Bauernopfer wird gefunden und alle schweigen. Mithilfe seiner genauen Beobachtungsgabe, seiner Distanz und dem Mut der älteren Kellnerin (Bruni Löbel) kann Derrick den wahren Täter überführen. Und wie er ihn überführt! Mit einem gekonnten Griff zerrt er ihn vom Billardtisch direkt zum Tatort, wo der Mörder zusammenbricht. Hartmut Becker ist in solchen Dingen bereits bewandert, spielte er doch in "Der Moormörder" aus der Reihe "Der Kommissar" eine fast identische Rolle. Man staunt über die Balance, die diese Episode hält. Einerseits sehen wir die Versuche des Wirts, der Polizei einen falschen Mörder zu präsentieren; andererseits erleben wir die Trauer des wohl einzigen ehrlichen Freundes der Toten: Bruno.
"Er ist allerdings der Einzige, der weint." Derrick schätzt diese Tatsache richtig ein und ist deshalb besonders hellhörig. Zu widersprüchlich sind die Aussagen der Zeugen, zu schmierig die Einschmeichelungsversuche des Wirtes. Wieder einmal gibt es viele Außenaufnahmen (der Bauernhof von Herrn Wollweber, der Teich), das Büro ist nur kurz zu Beginn der Folge zu sehen. "Mach sie wieder lebendig!" Diese verzweifelte Bitte richtet der "schwachsinnige" Bruno an Gott, als er sich nach Auffinden der Leiche in die Kirche flüchtet. Ein großes Plus dieser frühen Folgen der Serie ist die gekonnte Mischung aus Realismus, Spannung und Empathie. Derrick agiert, mischt sich ein und wird auch mal grob, wenn er zornig ist. Er steht allerdings "weniger im Mittelpunkt als Kommissar Keller. Der Akzent lag eher auf Verbrechen und Verbrechern. Vorgeschichte und Mord wurden ausführlicher dargestellt als beim "Kommissar". Normalerweise erschien Derrick erst nach zehn bis 20 Minuten am Ort des Geschehens. Die Vorgeschichte der Tat gehörte sowohl bei den Folgen mit Rätselstruktur als auch bei denen mit offener Täterführung zum Standartrepertoire." (aus: "Der deutsche Fernsehkrimi", Verlag J.B. Metzler, Seiten 173/174)

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

29.08.2010 13:04
#30 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Tod am Bahngleis" (Folge 5)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Peter Kuiper, Arthur Brauss, Günther Strack, Mascha Gonska, Hermann Lenschau, Günther Stoll, Gerhard Lippert, Claudia Rieschel, Hans Hermann Schaufuß u.a. - Regie: Alfred Weidenmann

Jeden Abend fährt der Streckenarbeiter Hugo Hase nach Feierabend nach München. Seine Arbeitskollegen ziehen ihn bereits damit auf, dass er dort ein Mädchen haben müsse. Dreimal in den letzten paar Wochen wurden entlang der Bahngleise Frauenleichen gefunden und es scheint sich um den selben Mörder zu handeln. Als eine weitere Frau ermordet wird, wächst der Druck auf Oberinspektor Derrick und er sieht sich gezwungen, selbst aktiv zu werden.

Peter Kuiper ist bereits aus dem "Kommissar" als Frauenschreck bekannt und es gibt wohl kein Gesicht, das mehr unangenehme Assoziationen hervorruft als seines. Er ist ein Mann, dem frau des Nachts nicht begegnen möchte. Doch genau darauf zielt der freundliche Herr Hase ab. Er fährt mit der letzten Bahn zurück und spricht Frauen an, die allein in einem Waggon aufs Aussteigen warten. Erwartungsgemäß findet er mit seinem Geplauder wenig Gehör und bald schon verfolgt er sie durch den Wald, wo es dann zum Mord kommt. Der Fundort der Leichen liegt stets an den Schienensträngen, wo er tagsüber mit Spitzhacke und Schaufel am Werk ist. Unterbrochen wird dieser Fluss der Gewohnheiten durch gelegentliche Einladungen des Vorarbeiters (Günther Strack), dessen Tochter (Mascha Gonska) Hugo Hase freundlich entgegentritt und somit stille Hoffnungen bei diesem weckt. Währenddessen läuft der Ermittlungsapparat auf Hochtouren. Zum ersten Mal bekommt man die einzelnen Abteilungen zu sehen. Phantombilder werden erstellt, der Polizeipsychologe wird vorgeladen, die Fundorte der Leichen analysiert, Zeugen befragt und Besprechungen abgehalten. Hermann Lenschau als Kriminalrat tritt ebenso in Erscheinung, wie der sichtlich gealterte Günther Stoll, der insgesamt 19 Mal als Kriminalassistent Schröder zu sehen ist. Die Spannung wird durch den Wechsel der Schauplätze und die Verknüpfung der beiden Gegenseiten erzeugt. Während Derrick mit einer Zeugin den letzten Zug besteigt, schläft Hugo Hase bereits in seinem Container. Dadurch, dass vermieden wird, den Täter in ein klassisches Gut-Böse-Schema einzuordnen, bleibt Spielraum für schöne Momentaufnahmen, die nachdenklich machen, ohne den Zeigefinger zu heben. Eine solche Szene ist die Heimkehr Hases nach einem Kegelabend in fröhlicher Runde. Als er gebeten wird, das Fahrrad von Hannelore mitzunehmen, fühlt er sich geschmeichelt. Doch plötzlich erstarrt sein Lächeln: Hannelore wird von ihrem Freund abgeholt, der sie umarmt und küsst. Hase geht enttäuscht nach Hause, wobei er das Rad nur mit einer Hand schiebt, obwohl der Weg über unebenen Boden führt. Unwillkürlich drängte sich mir hier Eduard Mörikes Gedicht "Jedem das Seine" (1861) auf, das die stille Freude eines Mannes beschreibt, der eben den Jackenknopf eines tanzenden Mädchens aufgefangen hat. Leider hat er bereits einen Nebenbuhler, der seine Hoffnungen zunichte macht: "Als wollt er sagen: Mein ist das Jäckchen und was es decket, mein ist das Mädchen, und dein - der Knopf!" Gegen Ende steigert sich die Spannung noch, als Hase Hannelore durch den Wald verfolgt und seine Arbeitskollegen erfahren, dass er der gesuchte Frauenmörder ist.
Fazit: Eine durchwegs spannende Episode, die mit guten Darstellerleistungen aufwartet und noch nicht über die Altersweisheit eines philosophierenden Oberinspektors verfügt, was ihre Frische garantiert.

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