Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden Impressum 
Forum Edgar Wallace ,...



Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 103 Antworten
und wurde 14.306 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Seiten 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

02.10.2015 14:35
#16 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

Ausblick: René Deltgen im Berliner Zeughauskino

Eine besondere Freude für Anhänger deutscher Filmklassiker ist die kurze René-Deltgen-Spielreihe des Berliner Zeughauskinos. Vom 7. bis 13. Oktober zeigt das ans Deutsche Historische Museum angegliederte Kino am Kupfergraben sieben Filme mit dem luxemburgischen Kinoheld. Der überwiegende Anteil von ihnen entstand vor 1945, einige Krimis sind auch dabei – insofern stellt die Veranstaltung ganz konkret auch eine sehr passende Ergänzung für dieses Thema dar.

Zitat von Zeughauskino: Filmreihen: René Deltgen, Quelle
Der 1909 im luxemburgischen Esch-sur-Alzette geborene und 1979 in Köln verstorbene René Deltgen gehörte zu den großen Stars des deutschen Films. In seinem Heimatland Luxemburg ist er bis heute der berühmteste Schauspieler.

Mit seinen markanten Gesichtszügen, seiner rauen Stimme und imposanten Erscheinung war Deltgen wie geschaffen, um von der UFA ab Mitte der 1930er Jahre zum deutschen Clark Gable aufgebaut zu werden. In Abenteuer-, Kriminal- und Zirkusfilmen verkörperte er Lebemänner und Machos, Desperados und zwielichtige Gestalter. Zum „Staatsschauspieler“ ernannt, wirkte Deltgen auch in Propagandafilmen mit. 1940/41 unterzeichnete er zwei prodeutsche Aufrufe, die in seinem 1940 von den Deutschen besetzten Heimatland dafür sorgten, dass er dort Ende 1945 als Kollaborateur vor Gericht gestellt und inhaftiert wurde. In den Nachkriegsjahren leuchtete Deltgens Stern nicht mehr so hell, in einigen Kinoproduktionen der 1950er Jahre ist er aber als Charakterdarsteller immer noch eindrucksvoll. Deltgens vielseitiges Filmschaffen stellen die Botschaft von Luxemburg und das Zeughauskino im Rahmen einer Werkschau vor, die sieben Spielfilme und Michaels Wenks Dokumentation
René Deltgen – Der sanfte Rebell umfasst.


Der Spielplan des Zeughauskinos umfasst folgende Aufführungen:

07.10.2015, 20:00 Uhr: Zirkus Renz (Zirkusfilm 1943)
mit René Deltgen, Paul Klinger, Angelika Hauff, Alice Treff, Fritz Odemar u.a. Regie: Arthur Maria Rabenalt

08.10.2015, 20:00 Uhr: Anschlag auf Baku (Spionagefilm 1942)
mit Willy Fritsch, Fritz Kampers, René Deltgen, Paul Bildt, Lotte Koch u.a. Regie: Fritz Kirchhoff

09.10.2015, 21:00 Uhr: Achtung! Feind hört mit! (Kriminalfilm 1940)
mit Kirsten Heiberg, Rolf Weih, René Deltgen, Lotte Koch, Michael Bohnen u.a. Regie: Arthur Maria Rabenalt

10.10.2015, 18:30 Uhr: Kautschuk (Abenteuerfilm 1938)
mit René Deltgen, Gustav Diessl, Herbert Hübner, Vera von Langen, Hans Nielsen u.a. Regie: Eduard von Borsody

10.10.2015, 21:00 Uhr: Der stumme Gast (Kriminalfilm 1944/45)
mit René Deltgen, Gisela Uhlen, Rudolf Fernau, Jaspar von Oertzen, Carsta Löck u.a. Regie: Harald Braun

11.10.2015, 18:30 Uhr: Dokumentation René Deltgen: Der sanfte Rebell

11.10.2015, 20:30 Uhr: Weg ohne Umkehr (Drama 1953)
mit Ivan Desny, Ruth Niehaus, René Deltgen, Karl John, Lila Kedrova u.a. Regie: Victor Vicas

13.10.2015, 20:00 Uhr: Königin Luise (Historiendrama 1957)
mit Ruth Leuwerik, Dieter Borsche, Bernhard Wicki, René Deltgen, Hans Nielsen u.a. Regie: Wolfgang Liebeneiner

Die angesprochene Dokumentation „René Deltgen – Der sanfte Rebell“ liegt mir bereits auf DVD vor; ich kann sie nur jedem empfehlen. Deltgens Leben und Karriere werden im Detail nachvollzogen und mit Ausschnitten auch aus unbekannteren Filmen untermalt. Als Interviewpartner kommen Götz George, Liselotte Pulver, Nadja Tiller, Artur Brauner, Michael Verhoeven, Katharina Böhm, Camillo Felgen, Jürgen Flimm und Deltgens erste Ehefrau Elsi Scherer zu Wort. Der Film von Michael Wenk wurde vom luxemburgischen „Centre national de l’audiovisuel“ herausgegeben und kann auf dessen Website zu einem moderaten Preis bestellt werden.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

10.10.2015 14:50
#17 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten




Achtung! Feind hört mit!

Spionagekrimi, D 1940. Regie: Arthur Maria Rabenalt. Drehbuch: Kurt Heuser. Mit: Kirsten Heiberg (Lilly), Rolf Weih (Bernd Kettwig), René Deltgen (Karl Ludwig Färber), Lotte Koch (Inge Neuhaus), Michael Bohnen (Betriebsführer Kettwig), Christian Kayßler (Dr. Hellmers), Josef Sieber (Böttcher), Karl Dannemann (Portloff), Lola Müthel (Phillis), Rudolf Schündler (Herbert Grelling) u.a. Uraufführung: 3. September 1940. Eine Produktion der Terra-Filmkunst GmbH.

Zitat von Achtung! Feind hört mit!
Ein künftiger Kriegserfolg hängt im wahrsten Sinne des Wortes an einem dünnen Draht: Die Kettwig-Werke produzieren dieses Wunder der Technik, das bei geringer Materialstärke ungemein reißfest, damit für Ballonsperren einsetzbar und für die Verteidigung des deutschen Luftraums überaus bedeutsam ist. Zwei englische Spione haben es allerdings auf die Erfindung abgesehen. Sie bändeln mit leitenden Angestellten der Kettwig-Werke an ...


Nach Kriegsende in die Gruppe der Vorbehaltsfilme eingegliedert, verbirgt Arthur Maria Rabenalts ungewöhnliche Mischung aus dramaturgisiertem Spielfilm und instruierendem Lehr- bzw. Sachfilm ihre wahre Intention für keine Minute. In eindringlichem Ton – mit Laufschrift an die Volksgemeinschaft und zweifacher Einblendung des ermahnenden Filmtitels – wird vor jenem Schaden gewarnt, den ausländische Spione dem Dritten Reich in seinen Rüstungsbestrebungen zufügen können. Spielhandlung und Inszenierung sind ganz klar darauf ausgerichtet, ein homogenes Wir-Gefühl beim Publikum hervorzurufen und damit aktiv zur Kriegsbegründung und -rechtfertigung beizutragen. Selbst an der Front kam der Film zum Weihnachtseinsatz, was in Anbetracht seiner Werbung für die Errungenschaften des „neuen Deutschland“ und der Verleumdung der Kriegsgegner kaum verwundert.

Zitat von Uli Jung. Das umkämpfte Terrain: Die politischen Filme René Deltgens im „Dritten Reich“. In: René Deltgen: Eine Schauspielerkarriere. Luxemburg: CNA, 2002. S. 128
Regisseur Arthur Maria Rabenalt verließ sich offensichtlich nicht allein auf eine Handlungsdramaturgie, deren Milieuschilderung es in den Augen mancher Rezensenten an Realitätsnähe mangelte, sondern fügte zur äußeren Authentifizierung des Geschehens dokumentarisches Filmmaterial ein, das den britischen Premierminister Chamberlain bei seiner Rückkehr von den „Münchner Verhandlungen“ nach London zeigt [...]. Selbstverständlich wird Chamberlains Statement mit negativen Vorzeichen versehen, die die „falschen“ Friedensbeteuerungen „Albions“ belegen sollen. Die im Film dargestellten Spionageaktivitäten der Briten, verbunden mit den Wochenschaubildern, illustrieren die „moralische Verwerflichkeit“ der britischen Agenten. [...] „Wir mussten nachgeben in München, weil wir noch nicht so weit waren! Aber bald werden wir aufgeholt haben. Dann beginnt der unvermeidlich gewordene Krieg gegen das Deutschland Adolf Hitlers!“, sagt der britische Spionagechef. Hier wird – in Verkehrung der historischen Situation – England zum Kriegstreiber erklärt, gegen den Deutschland sich zu rüsten habe.


Um die vorgespiegelte Realitätsnähe zu wahren, wurde nicht nur auf einen traditionellen Vorspann mit Nennung der Darsteller und Stabmitglieder verzichtet, sondern überhaupt eine weitgehend aus Neben- und unbekannten Jungdarstellern zusammengestellte Besetzung vorgenommen. Lotte Koch und Rolf Weih sind als tugendhaft-amüsante Identifikationsfiguren auf Seiten des vorgeblichen Rechts zu sehen und werden trotz gelegentlichen Kokettierens als moralisch integre Persönlichkeiten gezeichnet. Der Plot erfordert, dass beide sich in Beziehungen zu den Spionen einlassen, sodass eine klassische Liebesgeschichte verhindert und durch eher kindlich-naive Umgangsformen untereinander ersetzt wird, was den Figuren nicht gerade hilft, ihrer Einseitigkeit und allzu offenkundigen Wirkfunktion zu entkommen.

Reizvoller René Deltgen und Kirsten Heiberg als Spione, die als attraktive und weltgewandte, geschickte und dominante Strategen auftreten. Nicht einmal die damaligen Zeitungskritiken sprachen den beiden Darstellern einnehmende Seiten ab, woraus sich für den Film ein interessantes Spannungsfeld im zeitgenössischen Diskurs ergibt. Die Gefahr, so wird angedeutet, kommt selbst in den respektabelsten und angenehmsten Formen daher und muss nicht durch eine abstoßende Fratze als solche gekennzeichnet sein. Interessant ist, dass sowohl Heiberg als auch Deltgen vor ihren jeweiligen „Liebespartnern“ genannt werden und der Film überhaupt eine starke Fokussierung auf die Antagonisten vornimmt. Hierzu lässt sich schlussfolgern, dass als Protagonist nicht allein die „Guten“ des Films angesprochen werden sollen, sondern jeder Kinozuschauer, der sich mit der nazideutschen Sache identifizierte. „Achtung! Feind hört mit!“ trug somit nicht nur zu einer Rechtfertigung des Krieges, sondern zu einer eindeutigen Festigung von Vorurteilen und Ausgrenzungen bei.

Leider gerät seine spionagekriminalistische Seite weniger „überzeugend“ als sein Propagandaaspekt. Als zu plump und zufällig muss man das Vorgehen der Agenten betrachten, die aus purem Glück oder blanker Dummheit ihrer Gegenüber an Informationen geraten und dabei nicht in der Lage sind, aus ihnen nennenswerte Erkenntnisse zu ziehen. Der Film kaschiert diese Schwachstelle durch markante Verräterporträts von Ernst Waldow und Rudolf Schündler sowie durch ein spannendes und optisch eindrucksvoll eingefangenes Finale, muss sich jedoch trotzdem den Vorwurf gefallen lassen, die Geschichte nicht ohne Längen und allzu offenkundige Fehlcharakterisierungen zu erzählen.

Die Jagd nach dem Draht fordert dem Zuschauer einiges an Sitzfleisch und Propagandaverdauung ab, belohnt ihn mit Deltgens, Heibergs, Waldows und Schündlers ordentlichen Leistungen aber nur halbherzig. Die angestrebte Realitätsorientierung beißt sich mit den geschichtlichen Verkehrungen, an denen Kurt Heusers Schilderungen augenscheinlich mehr interessiert sind als an einem gut ausgearbeiteten Spionagekrimi. 3 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

11.10.2015 14:50
#18 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten




Kautschuk

Abenteuerfilm, D 1938. Regie: Eduard von Borsody. Drehbuch: Franz Eichhorn, Ernst von Salomon, Eduard von Borsody (Buchvorlage „In der grünen Hölle“: Franz Eichhorn). Mit: René Deltgen (Henry Wickham), Vera von Langen (Mary Waverley), Gustav Diessl (Don Alonzo di Ribeira), Herbert Hübner (Konsul Waverley), Walter Franck (Gouverneur von Para), Hans Nielsen (Kapitän Murray), Roma Bahn (Lady Betty Mortimer), Valy Arnheim (Lord Reginald Mortimer), Hans Mierendorff (Lordkanzler), Paul Wagner (Sir Joseph Dalton Hocker) u.a. Uraufführung: 1. November 1938. Eine Produktion der Ufa-Filmkunst GmbH.

Zitat von Kautschuk
Um Brasilien das weltweite Monopol in der Kautschukherstellung abzujagen, fährt der Abenteurer Henry Wickham im Auftrag der britischen Regierung undercover nach Südamerika. Weil auf die Ausfuhr von Gummisamen in Brasilien die Todesstrafe steht, muss Wickham bei seinen Unternehmungen äußerst vorsichtig vorgehen, wird er doch von Großgrundbesitzer Don Alonzo und dem Gouverneur der Provinz Para mit Argusaugen beäugt. Unter dem Vorwand, einen seltenen Schmetterling zu suchen, gelingt Wickham die Fahrt in den Dschungel. Doch die Gefahren beginnen damit erst ...


Zugegeben: Der kriminalistische Gehalt von „Kautschuk“ hält sich in engen Grenzen und besteht im Wesentlichen aus der historischen Tatsache, dass der Schmuggel der Gummisamen in Brasilien einst tatsächlich unter rigide Strafe gestellt war. Da aber bereits in der Einführung anklang, wie sich Abenteuerfilme durch gleiche Dramaturgie und Zielgruppenorientierung wie Krimis als „männlicher Pol“ der NS-Kinofilmproduktion gegenüber gefühlsbetonten Melodramen, Lustspielen und Musikfilmen am anderen Ende der Skala abheben, erscheint eine kurze Listung von „Kautschuk“ keinesfalls deplatziert.

Ähnlich wie in „Achtung! Feind hört mit!“ spielt Deltgen (hier in seiner ersten Hauptrolle) einen auf illegale Weise handelnden Engländer – doch wie sich das Porträt einer solchen Figur innerhalb von nur zwei Jahren von Grund auf änderte, ist verblüffend. Hier erscheint Deltgen, der mit seiner markanten und strahlenden Performance die Blaupause für spätere Besetzungen als rauher Held und Haudegen lieferte, als unzweifelhafter und integrer Kämpfer für das Gute. Man möchte meinen, in dem Film, der mit der Einblendung „London, 1876“, einer verregneten Nacht, patroullierenden Bobbies und der im Halbdunkel liegenden Bibliothek des britischen Lordkanzlers sehr stilvoll beginnt, gar pro-englische Tendenzen zu erkennen, welche sich vor allem aus den Besänftigungen für das anstehende Münchner Abkommen, das am 30. September 1938 unterzeichnet wurde, speisen.

Im Dschungel Brasiliens angekommen, lässt „Kautschuk“ wahrlich keine Gelegenheit aus, um die Spannung auf hohem Niveau zu halten: Der Einsatz wilder Tiere (unter ihnen Schlangen, Krokodile, Tiger und Piranhas) ist ebenso spektakulär wie die unberührte Natur mit ihren unberechenbaren Gefahren, die vor allem im wilden Wasser lauern, und die Einheimischen mit ihren Giftpfeilen. In dieser gefährlichen Mischung geraten die Momente auf der Jagd nach Kautschuk und Schmetterling zu den besten des Films, die gleichzeitig jene Szene umfassen, welche laut Deltgen-Biograf Michael Wenk „als die berühmteste [...] in der gesamten Filmkarriere Deltgens gelten darf“: der Angriff der Boa constrictor, wobei der Hauptdarsteller erst im letzten Moment aus dem Würgegriff des unfreundlichen Tieres befreit werden kann.

Von besonderem Wert sind die mit der Spielfilmhandlung verquickten dokumentarischen Aufnahmen, die bei einer Expedition in den Jahren 1935/36 unter Leitung von Franz und Edgar Eichhorn entstanden und dem Film ein vortreffliches Lokalkolorit verleihen. Weiterhin trägt die kundige Regie Eduard von Borsodys viel zum Gelingen des Abenteuerstreifens bei, verbindet sie doch die beeindruckenden Bildstimmungen, das hohe Tempo, den Unterton ständiger Bedrohung und die gezielt an wichtigen Stellen eingesetzten Zeitlupe-Bewegungen zu einem handwerklich äußerst ansprechenden Ganzen. In nennenswerten Nebenrollen treten Gustav Diessl als Don Alonzo und Hans Nielsen als Kapitän Murray auf, wobei es sich bei Letzterem um einen alten Schulfreund Wickhams handelt, dem dieser einmal das Leben gerettet hatte – woraufhin sich Murray im Finale des Films ebenfalls zum Lebensretter für den mehrfach bedrohten Filmhelden aufschwingt.

Dieser starken Leistung in einem überdurchschnittlichen Abenteuerfilm verdankt Deltgen sowohl einen wesentlichen Sprung auf der Karriereleiter als auch sein Image als zupackender und männlicher, geheimnisumwitterter und doch sympathischer Hasardeur. Das große Finale verlagert der Film auf einen etwas zu frühen Zeitpunkt, weshalb seine letzte Viertelstunde ein wenig ungelenk erscheint – sonst gibt es an „Kautschuk“ mit seiner durch und durch brasilianischen Ausstrahlung nichts auszusetzen. Qualitätvolle 4 von 5 Punkten.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

11.10.2015 15:07
#19 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

René Deltgen berichtet der Journalistin Gudrun Gloth in ihrem im August 2015 erschienenen Buch "Ich dachte, das sei mein Ende ...: Gespräche mit Zeitzeugen über ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg" (Herbig Verlag) folgendes über die Dreharbeiten zu "Kautschuk":

Zitat von Gudrun Gloth. Ich dachte, das sei mein Ende ... München: Herbig, 2015. S. 265f
Viel Zeit zur Erholung nach diesen Aufnahmen hatte ich nicht, denn unmittelbar danach begannen die Dreharbeiten für 'Kautschuk', meinen zwölften Film, einen Abenteuer- und Sensationsfilm um die Brechung des brasilianischen Kautschukmonopols durch die Engländer. Ich spielte die Rolle des Henry Wickham, jenes britischen Naturforschers, der im 19. Jahrhundert die ersten Kautschuksamen nach England schmuggelte. Das galt in Brasilien als schweres Verbrechen, das mit dem Tode bestraft wurde. Der Höhepunkt des Films ist die Szene, in der ich von einer riesigen Pythonschlange gewürgt werde. Ich versuchte erst einmal, mich mit diesem Tier anzufreunden. Als ich glaubte, dass mir das geglückt sei, legte ich mir die Python um den Hals. Wir konnten drehen. Vorsichtshalber war für den Notfall ein Stichwort verabredet. Es hieß 'Dresden', weil der Besitzer des Reptils ein kleiner Mann aus Sachsen war. Sobald ich 'Dresden' rief, sollte die Python vom Schwanz her von meinem Körper abgedreht werden. Die Aufnahmen begannen. Ich wand mich in Krämpfen am Boden. Plötzlich machte die Schlange Ernst. Sie wollte wohl weg, drückte mir die Luft ab. 'Dresden', rief ich. Nichts geschah. Alle schienen, fasziniert von meinem überzeugend gespielten 'Todeskampf', den Notruf nicht zu hören. Doch dann schrie einer plötzlich: "Deltgen läuft blau an!" Entsetzt sprangen die anderen hinzu und drehten die Python von mir ab. Ich hatte bereits die Besinnung verloren.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

11.10.2015 15:45
#20 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

Eine interessante Quelle – die gleiche Anekdote gibt es nämlich auch im Deltgen-Handbuch „Eine Schauspielerkarriere“. Dort wird sie zitiert, wie sie Deltgen im November 1950 den Stuttgarter Nachrichten im Artikel „Filmkünstler erzählen: ‚Beinah wäre es schiefgegangen’“ schilderte. Während die Geschichte im Groben die gleiche ist, weicht sie in Details doch merklich von der Erzählung im Gloth-Buch ab: Deltgen spricht hier von einer Boa constrictor statt von einer Python, das Stichwort wird nicht namentlich erwähnt, der Schlangenbesitzer kommt aus Leipzig statt aus Dresden und beim ersten Versuch, den Hilferuf loszulassen, bekam Deltgen wegen des Drucks am Hals keinen Ton heraus. Auch das Ende variiert: Ist Deltgen in der Gloth-Version schon bewusstlos, so sammelt er bei den Stuttgarter Nachrichten nochmal alle Kräfte, um das vereinbarte Stichwort als „tonloses Röcheln“ hervorzubringen (vgl. Michael Wenk. Ein Kerl zum Pferdestehlen: Der Schauspieler René Deltgen in Film & Fernsehen. In: René Deltgen: Eine Schauspielerkarriere. Luxemburg: CNA, 2002. S. 72f).

Ich denke, diese unterschiedliche Quellenlage verdeutlicht ganz eindrucksvoll, wie wichtig es ist, Schauspieleranekdoten immer mit Vorsicht zu genießen. Über die Jahre verändern sich Details in der Erinnerung der betreffenden Personen, sodass man nicht immer genau das geschildert bekommt, was sich beim Dreh tatsächlich zugetragen hat. Wenk ordnet die Erzählung zudem korrekt als „publicityträchig“ ein – man darf also auch hinterfragen, ob da nicht ein kleines bisschen Dramatik zur Ausstaffierung des Erlebten mit verarbeitet wurde.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

18.10.2015 14:00
#21 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten




Der stumme Gast

Kriminaldrama, D 1944/45. Regie: Harald Braun. Drehbuch: Harald Braun, Kurt Heynicke (Buchvorlage „Unterm Birnbaum“: Theodor Fontane). Mit: René Deltgen (Matthias Radschek), Gisela Uhlen (Lisa Radschek), Rudolf Fernau (Oskar Kampmann), Jaspar von Oertzen (Gendarm Geelhaar), Carsta Löck (Marianne Ebeling), Willi Rose (Eduard), Ethel Reschke (Trude), Herbert Hübner (Gutsherr von Wedelstedt), Friedhelm von Petersson (Dieter von Wedelstedt), Sigrid Becker (Helene) u.a. Uraufführung: März 1945. Eine Produktion der Ufa-Filmkunst GmbH.

Zitat von Der stumme Gast
In dem kleinen Dorf an der Grenze verbreitet die Gastwirtin und ehemalige Bühnenlegende Lisa Radschek den einzigen „Glanz der weiten Welt“. Ihr Mann Matthias ist ihr mit Haut und Haaren verfallen und erfüllt ihr jeden Wunsch, was die Radscheks in ernste Geldnöte bringt. Eines Abends lässt sich Matthias deshalb auf ein riskantes Kartenspiel ein, verliert aber 2000 Mark an den Handelsreisenden Kampmann. Im Weinkeller will Kampmann Lisa den Schuldschein zurückgeben – wenn sie sich ihm dafür hingibt. Keine Viertelstunde später ist der Gläubiger tot ...


Theodor Fontanes Novelle vom Kneipierehepaar Abel und Ursel Hradschek aus dem Oderbruchdorf Tschechin erfuhr für ihre erste Bearbeitung (weitere entstanden 1963/64 für ARD und ZDF sowie 1973 durch die DEFA) einige Änderungen, die die in den Jahren 1883 bis ’85 spielende Geschichte modernisieren und sowohl in zeitlicher als auch in personeller Hinsicht kompakter gestalten. Hierbei trug Kurt Heynicke den Gepflogenheiten eines typischen Kriminalfilms zwar Rechnung, beließ Fontanes „Birnbaum“ aber dessen herbe märkische Schauerromantik, die sich in stürmischen Nächten, vergrabenen Leichen und einer schwerwiegenden Schuld ausdrückt. Gerade die einfühlsame Neuzeichnung jener schuldbeladenen Hauptcharaktere, die sich auf dem Papier bereits auseinandergelebt haben und mit einer zurückhaltenden Distanz zueinander agieren, veredelt die Geschichte und macht sie noch feinsinniger: Auf der Leinwand wird ein Paar präsentiert, das sich nicht nur liebt wie am ersten Tag, sondern darüber hinaus in eine fatale gegenseitige Abhängigkeit getreten ist, die rationales Handeln erschwert und den Blick auf Realitäten trübt. Auf diese Weise gelingt es Heynicke, die Veränderung, die sich in den Figuren nach dem Tod von Oskar Kampmann einstellt, noch eindringlicher zu betonen. Gegenseitiges Misstrauen, Vorwürfe und Enttäuschung treten an die Stelle der Hochgefühle, bevor Matthias und Lisa Radschek bemerken, dass sie an einem gemeinsamen Strang ziehen müssen, um die schreckliche Angelegenheit aus der Welt zu schaffen.

Beginnt der Film auch beinah wie ein Lustspiel, so verkehrt sich die leichte Stimmung der Anfangsminuten alsbald in ein finsteres Drama, in dem sich vor allem Rudolf Fernau profilieren kann. Sein reisender Händler ist von ausgesuchter Bösartigkeit und beschwört am Stammtisch gar Luzifer persönlich herauf. Fernau manifestiert damit noch einmal seinen in „Dr. Crippen an Bord“ populär gewordenen Ruf als Schurkendarsteller, wobei Kampmann wie ein lästiges Insekt in das zugegeben etwas weltfremde Paradies der Radscheks hineinschwirrt und damit auch jede erdenkliche Verachtung des Publikums, das sich stärker noch als bei Fontane mit den Wirtsleuten identifiziert, erntet.

Ganz offenkundig rollt „Der stumme Gast“, der zu den letzten vor Kriegsende noch aufgeführten UFA-Produktionen zählt, die Frage nach der Verantwortlichkeit für den Tod des Gläubigers neu auf. Er nutzt diese Gelegenheit zum Einbau umfangreicherer Gerichtsszenen, wobei der Umstand, dass das provinzielle Gerichtsgebäude für den Mordprozess zu klein ist und man ihn deshalb im städtischen Gymnasium abhalten muss, in Einklang mit der altmodischen Bescheidenheit steht, die Buch und Film den Radscheks absprechen. Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet ihre teuren Umbaupläne für das Gasthaus zum Fund der Leiche führen. Im letzten Kriegsjahr wird damit noch einmal ein unmissverständliches Plädoyer gegen den Überschwang gehalten – wobei es sich gegen ein Übermaß sowohl im Finanziellen (was einerseits die Ausgaben der Liebhaber angeht, andererseits die Gier des Mordopfers) als auch in der Liebe wendet. Verzicht in beidem war den Deutschen seit Langem abverlangt worden.

Dass Harald Braun eine derartige atmosphärische Dichte erreichen konnte, geht auf die vorzüglichen Leistungen von Kamera (Robert Baberske) und Szenenbild (Emil Hasler und Carl L. Kirmse) ebenso zurück wie auf die charismatische Darstellung der Hauptrollen. Gisela Uhlen beweist ihre Größe vor allem in der Gegenwehr zu Rudolf Fernau; andererseits ist es eine schiere Freude, sie im harmonischen Zusammenspiel mit Deltgen zu beobachten. Kleine Nuancen unterstreichen die romantischen Anklänge, ohne kitschig zu wirken – etwa wenn im Hinterzimmer des „Gerichtssaals“, wo Matthias und Lisa sich wieder versöhnen, auf einer Schultafel die Konjugation des Verbs amare aufgetragen ist. Deltgen erhält die Gelegenheit, die Heldenrolle mit stillen Zweifeln und Anklängen von Durchtriebenheit zu versehen, was ihm, dem Darsteller von Draufgängern und Wagehälsen, gut zu Gesicht steht.

Zitat von Michael Wenk. Ein Kerl zum Pferdestehlen: Der Schauspieler René Deltgen in Film & Fernsehen. In: René Deltgen: Eine Schauspielerkarriere. Luxemburg: CNA, 2002. S. 94
Auch aus der Distanz von mehr als einem halben Jahrhundert darf Der stumme Gast als einer der besten Filme gelten, die René Deltgen bis 1945 gedreht hat. Die Fontane-Verfilmung erlaubt ihm eine darstellerische Gratwanderung zwischen zügelloser Spielernatur [... und ...] Angeklagtem. [...] Besonders jene Szenen, in denen Radschek Trauer und Verzweiflung über den Verlust seiner Frau Lisa empfindet, zeigen Deltgen als Menschendarsteller, dessen Qualitäten über den artistisch begabten Protagonisten von Abenteuer-, Kriminal- und Zirkusfilmen deutlich hinausweisen.


Wie der Gast der Radscheks zum Schweigen gebracht wird, ist eine faszinierende Mischung aus sauber ausgefeiltem Kriminalrätsel und ergreifendem Ehedrama. Der Respekt vor Theodor Fontanes „Unterm Birnbaum“ schwingt in jeder Szene mit, obgleich sich die Verfilmung mehr als die hier skizzierten Freiheiten erlaubt. Innovation wird allerdings nicht um ihrer selbst Willen eingebracht, sodass Brauns Film, der düsteren Bildern und großen Gesten fröhnt, in jeder Beziehung stimmig bleibt und nachhaltig wirkt. 5 von 5 Punkten.

PS: Ein anderer Zuschauer der Zeughauskino-Aufführung veröffentlichte einen lesenswerten Bericht über seine Seheindrücke in seinem Blog (leichte Spoiler in den letzten zwei Absätzen).

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

25.10.2015 14:50
#22 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten



Der dunkle Tag

Kriminaldrama, D 1942. Regie: Géza von Bolváry. Drehbuch: Ernst von Salomon, Wolf Neumeister, Ilse Maria Spath. Mit: Marte Harell (Georgia Engelbrecht), Willy Birgel (Oberstaatsanwalt Martin Pauly), Ewald Balser (Wolf Burkhardt), Malte Jäger (Dieter von Weymar), Hans Zesch-Ballot (Staatsanwalt Dr. Fabricius), Roma Bahn (Henriette Waizenegger), Gabriele Reismüller (Marie-Luise von Weymar), Fritz Reiff (Bankier Engelbrecht), Walter Steinbeck (Tross), Karl-Heinz Peters (Hirzinger) u.a. Uraufführung: 23. Juni 1943. Eine Produktion der Bavaria Filmkunst GmbH.

Zitat von Der dunkle Tag
Eine Betrügerei des Geldverleihers Tross rückt den Abenteurer Wolf Burkhardt vor Bankdirektor Engelbrecht in ein derart unvorteilhaftes Licht, dass Wolf versprechen muss, die geliebte Bankierstochter Georgia vor seiner Abreise nach Afrika nicht mehr wiederzusehen. Erst fünf Jahre später ist er wieder in der Heimat. Georgia hat mittlerweile den Oberstaatsanwalt Pauly geheiratet. Als Tross erschlagen aufgefunden wird, ist Wolf durch ein verfängliches Gespräch mit Georgia erneut zum Schweigen verurteilt. Und Pauly bearbeitet den Fall ...


„Der dunkle Tag“ – man kann die romantische Schlagseite bereits dem blumigen Titel entnehmen – baut ein geschickt abgewogenes Konstrukt aus Liebesdrama und Kriminalfilm auf. Beide Elemente spiegeln sich ineinander, wenn sich grundverschiedene Weltanschauungen und die unterschiedlichen Phasen einer Beziehung – von der stürmischen Jungliebe über das verantwortungsvolle Familienleben bis hin zu einer zerbrochenen Beziehung, der hinterhergegrämt und -gemordet wird – am Schauplatz der Tat versammeln. Finanzier Tross findet sein Ende relativ spät im Film, was anfänglichen Fingerübungen in Form lieblicher Plänkeleien und eitlen Kräftemessens großen Spielraum schafft, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dagegen sehr gestrafft erscheinen lässt. Im Dienstbüro Paulys werden so viele echte und falsche Geständnisse, Verwicklungen und Missverständnisse vorgetragen, dass es selbst dem erfahrenen Helfer des Rechts bald unheimlich erscheint (immerhin: nach dem Mord entspricht die Filmlaufzeit beinahe der Erzählzeit).

Mit Ewald Balser und Willy Birgel stehen sich zwei Konkurrenten um die Liebe von Georgia Engelbrecht gegenüber, die unterschiedlicher nicht sein könnten. In einer vielsagenden Szene tragen die beiden ganz unverhohlen ihre Balz um die junge, zwischen ihnen stehende Frau aus, wobei der eine das „Abenteuer der Freiheit“, der andere das „Abenteuer der Pflicht“ hochhält. In Ewald Balsers Wolf Burkhardt zeigt sich ein Mann, der für windige Ideen zu begeistern ist, der markant männlich und abenteuerlustig auftritt, aber eben keine verlässliche Konstante in seinem Leben vorweisen kann. Dabei wird dem Zuschauer unverkennbar nahegebracht, dass es eben Wolf ist, dem Georgia echte Liebe entgegenbringt. Willy Birgel dagegen profitiert von den Umständen: Ebenso wie sein Martin Pauly Georgia nur aufgrund eines (un-)glücklichen Zusammentreffens ehelicht, so ist es auch in erster Linie dem Zeitgeist zu verdanken, dass diese Verbindung als die vernünftigere und stabilere dem Publikum als Option der Wahl präsentiert wird. Die Sprunghaftigkeit und Unbindbarkeit eines Wolf Burkhardt passen eben weder zur Ideologie eines tausendjährigen Reichs noch zur Vorstellung einer kinderreichen, auf unnützen Luxus wie Reisen und Selbstverwirklichung verzichtenden Volksehe.

Das in stilvollen Kulissen gedrehte Drama der Bavaria verrät von Zeit zu Zeit ganz offen seine Herkunft, wenn einerseits die Zukünftige des Jagdaufsehers Hirzinger in breitem Dialekt spricht (bezeichnenderweise ist gerade sie mit ihrer Untreue letztlich ausschlaggebender Faktor im Mordfall Tross) und andererseits die Beschaulichkeit des heimischen Bayerns der Ungewissheit und Zweifelhaftigkeit Afrikas gegenübergestellt wird. Zur Steigerung der Wohlfühlmomente erhält der Film mit Roma Bahn und Hans Zesch-Ballot außerdem ein auflockerndes Pärchen, dessen Neckereien und tagtäglich abgelehnte Heiratsanträge den Film davor bewahren, zu einer moralschweren Schicksalsschmonzette auszuarten.

Mit Blick für die Zwischentöne in menschlichen Beziehungen fing Géza von Bolváry ein Melodram ein, dem es gelingt, den Krimi faktisch zwar nur als Vehikel für ein Liebesdreieck einzusetzen, beide Elemente durch ein solides Drehbuch aber untrennbar aneinanderzuketten. Man verzichtet freiwillig auf niederschmetternden Realismus, wenn der korrekte Staatsanwalt und „der Wolf aus dem Traum“ ihre Buhlerei auf dem gefährlichen Parkett einer Morduntersuchung austragen. 4 von 5 Punkten.

PS: Der Filmtitel erwies sich für den Hannoveraner Gloria-Palast als böse Prophezeiung: „Der dunkle Tag“ war der letzte Film, der in diesem Kino vor dessen Ausbombung am 9. Oktober 1943 gespielt wurde. Die Ausführungen „Film und Geschichte: Deutschland nach 1945“ der Hochschule Hannover sind mit einem Foto des zerstörten Lichtspielhauses mitsamt zugehöriger Filmwerbung versehen.

Billyboy03 Offline




Beiträge: 714

30.10.2015 21:38
#23 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

Danke an euch für diese Einblicke in eine mir bis dato relativ verschlossene Welt. Leider gibt es nicht viele dieser Filme zu kaufen (bzw. kaum welche). Auf youtube habe ich ein paar gefunden, die ich mir in ruhigen und evtl. dunklem Hernst- oder Wintertagen anschauen werde.

BillyBoy03

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

01.11.2015 14:50
#24 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

Danke für die Rückmeldung. Hier deshalb ’mal ein Film, an den leichter heranzukommen ist (als DVD aus der Edition „Deutsche Filmklassiker“ von Black Hill Pictures):




Jenny und der Herr im Frack

Kriminalkomödie, D 1941. Regie: Paul Martin. Drehbuch: Peter Groll, Paul Martin (Vorlage: Georg Zoch). Mit: Gusti Huber (Jenny Brink), Johannes Heesters (Peter Holm), Hilde Hildebrand (Lilly Hegedüsch), Paul Kemp (Willy Krag), Oskar Sima (Bischof), Hermann Pfeiffer (Herr Sprüngli), Arnulf Schröder (Elektriker), Walter Lieck (Kellner Karl), Gustav Waldau (Generaldirektor Brink), Alice Treff (Frau beim Juwelier) u.a. Uraufführung: 25. November 1941. Eine Produktion der Bavaria Filmkunst GmbH.

Zitat von Jenny und der Herr im Frack
Im Kopenhagener Tivoli-Hotel gehen Kriminalistikstudentin Jenny Brink und Versicherungsagent Peter Holm unabhängig voneinander dem gleichen Auftrag nach: Sie wollen den Diebstahl der immens wertvollen Perle einer ungarischen Schauspielerin verhindern. Während Peter über Jennys Maskerade im Bilde ist, hält Jenny den aufdringlichen Charmeur für einen Verdächtigen, sodass beide nicht müde werden, einander in kompromittable Situationen zu bringen. Am Ende übersehen sie darüber das Wesentliche, und die Perle wird tatsächlich gestohlen ...


Identitätenwechsel auf Seiten der Guten und der Bösen, ein lupenreiner Macguffin und die unaufdringliche Eleganz eines Luxushotels sind die Hauptmerkmale, die „Jenny und der Herr im Frack“ zu einem der typischsten Vertreter des populären Kriminalfilms machen, die während des Krieges noch gedreht wurden. Verpackt in ein amüsantes, manchmal mit leichten Anleihen an Klamauk ausgestattetes Komödienkorsett, um aus dem vom Propagandaministerium abgesegneten Unterhaltungsangebot bloß nicht unangenehm herauszustechen, erscheint der Film einem heutigen Betrachter vielleicht seichter, als ihm gut tut, erfüllte zum damaligen Kinostart die ihm zugedachte Ablenkfunktion aber ohne Fehl und Tadel, wie aus Manfred Majstraks „Zeitbild der Jahre 1943-45 aus der Sicht eines Angehörigen des Jahrgangs 1925“ hervorgeht:

Zitat von Manfred Majstrak. Bis zum bittersüßen Ende. Norderstedt: BoD, 2010. S. 196f
Der Tag des Attentats [auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944, Anm. d. Verf.] war auch gekennzeichnet von einer undefinierbaren Konfusion. Nicht alle hatten gleich viel erfahren. Wir spürten eine geheimnisvolle Unruhe unter den Offizieren. Wussten sie mehr als wir? Egon kehrte von einem Kinobesuch aus der Stadt zurück: Er konnte seine Eindrücke aus der Filmkomödie „Jenny und der Herr im Frack“ schlecht in Einklang bringen mit der schleierhaften Spannung und der beklemmenden Atmosphäre im Fliegerhorst. Als er durch uns erfahren hatte, was geschehen war, brauchte er noch eine geraume Zeit, bis er aus der Lustspielstimmung in die missliche Gegenwart zurückfand. Wir standen stundenlang im Karree auf dem Appellplatz zur Befehlsausgabe angetreten; doch nichts geschah, das Klarheit gebracht hätte. Die Ungewissheit war erregend und lähmend zugleich.


Im Film überschlagen sich die Ereignisse geradezu, was vergessen lässt, dass die Bavaria ihre Produktion fast ausschließlich als Studiofilm konzipiert hatte. Zusätzlich zur ganz reizvollen, aber durch ihre Offensichtlichkeit etwas läppischen Suche nach dem Perlendieb fällt vor allem das Duell zwischen dem mit vollem Einsatz spielenden Johannes Heesters und der nicht minder kecken Gusti Huber ins Gewicht. Huber war eine Idealbesetzung für vorlaute und selbstbewusste junge Damen, die es den Männern durch ihren Eigensinn schwer machen, sie als bloße Freier und Beschützer von sich zu überzeugen. Die Selbstbestimmung hält praktischerweise bis kurz vor Fall des Vorhangs: Am Ende werden natürlich sowohl der verkleidete Dieb als auch die widerspenstige Liebste dingfest gemacht – Heesters wäre auch kein ordentlicher Detektiv, wenn es anders ausgegangen wäre.

Trotz Oskar Simas mehr als eindeutiger Schurkenrolle lebt „Jenny und der Herr im Frack“ vor allem von Spannungsmomenten und allseitiger Verwirrung über Helfershelfertum, ständige Beobachtung und opportunistischen Schwindel – allesamt entlarvende Themen, wenn sie ernsthafter angepackt worden wären. Damit das nicht passiert, werden Ecken und Kanten mit Musikeinlagen und Komikerrollen geglättet, wobei Hilde Hildebrand als schnatterhafte Budapester Schauspieldiva aufgrund ihrer immanenten Eleganz durchaus stilvolle Akzente setzen kann, während Paul Kemps bebrillter Briefmarkensammler den Bogen des guten Geschmacks so manches Mal überspannt.

Als einer der wenigen fürs Heimkino verfügbaren Vor-45er-Krimis kann „Jenny und der Herr im Frack“, auch wegen seiner leichten Verdaulichkeit, für Einsteiger in die alten Welten von Betrug und Verbrechen nur empfohlen werden. Unterhaltung wird von Anfang bis Ende lückenlos geboten. Seine Harmlosigkeit verbietet allerdings eine Höchstwertung, die gegenüber ambitionierteren Krimiprojekten der damaligen Zeit ungerecht wäre. 3,5 von 5 Punkten plus Wohlfühlbonus.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

08.11.2015 15:15
#25 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten



Großalarm

Kriminalfilm, D 1937/38. Regie: Georg Jacoby. Drehbuch: Kurt Heuser, Wenzel Lüdecke, Alfred Klütz (Buchvorlage „Fünf Tage und eine Nacht“: Heinz Oskar Wuttig). Mit: Paul Klinger (Paul Köppen), Ursula Grabley (Lotte Timmler), Walter Franck (Direktor Wischner), Hilde Körber (Rita, seine Sekretärin), Paul Hoffmann (Bruno), Aribert Wäscher (Blotje), Hans Leibelt (Kriminalkommissar Klagemann), Ernst Waldow (Kriminalassistent Friedrichs), Jupp Hussels (Henning), Lina Carstens (Mutter Timmler) u.a. Uraufführung: 16. April 1938. Eine Produktion der Fabrikation deutscher Filme GmbH und der Ufa-Filmkunst GmbH.

Zitat von Großalarm
Seine Route als Zeitungskurier führt Paul Köppen auch an den Kiosk der Timmlers am Magdeburger Platz, wo er Lotte kennen und lieben lernt. Die Romanze wird jedoch jäh unterbrochen, als Paul durch ein Missverständnis in die Machenschaften einer Autoschieberbande hineingerät. Die Verbrecher engagieren Paul als Chauffeur, um ihn weiter zu inkriminieren und damit zum Schweigen zu bringen. Auf einmal weiß Paul, der sich gerade noch über sein erstaunliches Glück freute, nicht mehr, wem er noch trauen kann ...


Zwei Hauptdarsteller führen den personenreichen Cast von „Großalarm“ an: Paul Klinger, der verschmitzte Fahrradkurier, der über seine eigenen Ambitionen stolpert, und die Stadt Berlin mit ihrem immerwährenden Trubel und den schon anno 1938 von Autos und Radlern verstopften Straßen. Georg Jacoby zeichnet ein zwiespältiges Bild der Stadt, die er hauptsächlich im Dunkel zeigt: Er wirft einen Blick auf Menschen, von deren Arbeit man täglich profitiert, die man aber nicht genauer kennenlernt. Er verdeutlicht gleichfalls, dass die Verheißungen der Metropole oft größer sind als das, was man sich letztlich realistischerweise erwarten darf – in Übereinstimmung mit Pauls scheiternden Karriereaussichten als Chauffeur stehen diesbezüglich auch das verregnete, ungemütliche Wetter der Vorweihnachtszeit und der Schnupfen, der mehrere Figuren im Film plagt.

Geschickt pendelt „Großalarm“ zwischen Lokalpatriotismus (der vorwitzige Humor, die Mundart, die Erwähnung zahlloser wohlvertrauter Schauplätze), der anheimelnden Porträtierung von Freund- und Seilschaften (die unaufdringliche Schilderung des romantischen Dreiecks Lotte – Paul – Rita, die Loyalität der Kuriere) und einem erstaunlich gut gelungenen Kriminalfall, der beweist, dass es für hohe Spannung keiner Leichen bedarf: Die Autoschieberbande, die unter dem Deckmantel eines Gummivertriebs operiert, erzielt ihre Bedrohlichkeit vor allem durch die vortreffliche Besetzung der Schurkenrollen mit Walter Franck und Aribert Wäscher, denen man beiden lieber nicht „im Mondschein begegnen“ möchte, wie es im Film so schön heißt. Hier kommt auch die Stärke der Klinger-Besetzung zum Tragen, denn auch wenn der Schauspieler einen lupenreinen Sympathieträger spielt, so kann man sich nicht an jeder Stelle über die völlige Legalität seiner Handlungen sicher sein.

Leider gibt es zu „Großalarm“ ebenso wenige weiterführende Informationen wie zur zugrundeliegenden Buchvorlage von Heinz Oskar Wuttig, wobei diese Adaption seines 1937 bei der Buch- und Tiefdruck GmbH erschienenen Romans überhaupt seine erste Begegnung mit dem Film war (später u.a. Drehbuchmitarbeit bei „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“). Dieses obskure Dasein hat der Film, der zu den starken Vertretern des deutschen Vorkriegskriminalfilms zählt, fraglos nicht verdient. Autoliebhaber könnten sich an den historischen Mercedes-Benz- und Horch-Limousinen ergötzen und Freunde der Sendereihe „Der Kommissar“ hätten ihr besonderes Vergnügen daran, den jungen Erik Ode in einer Nebenrolle als frechen Zeitungsfahrer zu entdecken.

Ob in der gemütlichen Enge des Kiosks, auf dem Weihnachtsmarkt oder im eisernen Griff der Schieberbande – Paul Klinger besteht in „Großalarm“ jede Herausforderung und erinnert an lockere, aufrichtige Helden, wie sie später Joachim Fuchsberger spielen würde. Ihm gegenüber steht eine Verbrecherorganisation, die wie bei Wallace listig und überlebensgroß in Szene gesetzt wird. Abwechslungsreiche 5 von 5 Punkten.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

14.11.2015 19:17
#26 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

Heute gesehen:

SERGEANT BERRY
Deutschland 1938

Mit Hans Albers, Toni Bukovics, Peter Voss, Edwin Jürgensen, Alexander Golling, Alexander Engel, Herbert Hübner, Gerd Høst, Herma Relin, Werner Scharf

Drehbuch: C. H. Diller, Walter Wassermann, Rudolf Klein-Rogge
nach der Vorlage "Sergeant Berry und der Zufall" von Robert Arden
Kamera: Franz Koch
Musik: Hans Sommer
Regie: Herbert Selpin

Sergeant Berry, der noch bei seiner Mutter lebt, erschießt im Chicago der 1930er eher unabsichtlich einen berüchtigten Gangsterboss. Er avanciert zum Helden und sein Chef, Oberst Turner, berfördert ihn. Er soll in Mexiko als Ingenieur getarnt gegen eine Drogenschmugglerbande ermitteln und deckt ganz nebenbei auch noch ein Mordkomplott auf.

Hans Albers verkörpert in diesem Film mehrere Rollen und spielt in seiner "Haupt"rolle als Sergeant Berry den üblichen Draufgängertypen. Herbert Selpin inszenierte hier eine Parodie auf Krimis, aber auch auf die damals aktuellen und populären Wildwestfilme, denn das Ambiente in Mexiko (das übrigens sehr mexikanisch anmutet!!) und die Aufmachung der Figuren und deren Agieren erinnert ganz stark an dieses Filmgenre. Spannung kommt im Film eigentlich nicht wirklich auf, vielmehr will er eigentlich auch unterhaltsam oder gar komisch sein und überzeichnet manche Figuren. Das Lexikon des internationalen Films urteilte dementsprechend: "Vergnügliche und handlungsreiche Kriminal- und Westernparodie." Kay Wenigers 'Zwischen Bühne und Baracke' befand, bei "Sergeant Berry" handele es sich "um turbulentes und bisweilen ironisches, stets aber spannendes Actionkino, das sich eindeutig an amerikanischen Vorbildern orientierte." Interessant sind sicherlich auch einige Nebendarsteller wie Alexander Golling (natürlich als Bösewicht) und Alexander Engel.

Rein objektiv ist gegen diese Produktion also nichts einzuwenden, da ich persönlich weder ein großer Fan amerikanischer Filme (auf die Selpin zweifellos anspielt) noch des Westerns bin, bleibe ich etwas unzufrieden zurück. Ich hätte mir mehr Kriminalistisches gewünscht. Ich bevorzuge "Sergeant Berry" mit Harald Juhnke und Klausjürgen Wussow und coolem Peter-Thomas-Sound.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

02.12.2015 21:40
#27 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

Anlässlich des heutigen 106. Geburtstags von Sybille Schmitz:



Vom Schicksal verweht

Abenteuerfilm, D 1941/42. Regie: Nunzio Malasomma. Drehbuch: Harald G. Petersson, Rolf E. Vanloo (Vorlage „Dschungel“: Josef Maria Frank). Mit: Sybille Schmitz (Dr. Virginia Larsen), Albrecht Schoenhals (Dr. Dos Passos), Rudolf Fernau (Dr. Jack Bennett), Hermann Speelmans (Will Rubber), Heinz Salfner (Gouverneur Parker), Alexander Engel (Professor Forster), Karl Günther (Kaufmann Sedgewick), Fritz Odemar (Professor Freeman), Harry Hardt (Major Seegrave), Louis Brody („Je crois en Dieu“) u.a. Uraufführung: 24. Juli 1942. Eine Produktion der Fabrikation deutscher Filme GmbH.

Zitat von Vom Schicksal verweht
Auf einer Tropeninsel werden Wilde, einheimische Städter und Kolonialherren von grassierender Malaria geplagt. Der Anführer des Dschungelvolks schiebt die Schuld für die Krankheit auf die europäischen Siedler, sodass deren medizinische Stationen immer wieder Ziele bösartiger Anschläge werden. Zunächst scheint es so, als würde sich das Blatt mit der Ankunft des neuen Arztes Dr. Dos Passos wenden, doch hinter dessen philanthropischer Fassade entdeckt ein Zeitungsreporter einen flüchtigen Mörder. Dos Passos ist in Wahrheit niemand anderer als der gesuchte Peter Fischer ... und seine Kollegin Dr. Larsen weiß es!


In den Ateliers der römischen Cinecittà drehte Nunzio Malasomma 1941 parallel zwei Filmversionen des Bühnenstücks „Dschungel“ von Josef Maria Frank. In beiden waren Albrecht Schoenhals, Rudolf Fernau und Karl Günther zu sehen. Während die für den einheimischen italienischen Markt bestimmte Fassung mit Vivi Gioi den Titel des Dramas übernahm („Giungla“), kam die mit deutschen Stars besetzte Fassung als „Vom Schicksal verweht“ in die Kinos. Assoziationen mit einem bekannten Hollywood-Rührstück waren in den Vierzigern zwar noch ausgeschlossen (deutsche Uraufführung von „Vom Winde verweht“ mehr als zehn Jahre später am 15. Januar 1953); dennoch gibt die Umbenennung einen unmissverständlichen Fingerzeig auf das, was den Zuschauer in dieser Mischung aus Abenteuerexotik und Liebesdrama erwartet.

Sie dient in der Rückschau zugleich als eine Art Rechtfertigung für das eher unglaubwürdige Zusammentreffen von nicht weniger als vier Charakteren, die sich aus einem früheren Leben kennen und dennoch jeder für sich auf die abgelegene Insel verschlagen worden sind. Das Liebesdreieck der beiden sehr unterschiedlichen Doktoren (Albrecht Schoenhals und Rudolf Fernau werden entsprechend ihrer Statur und Gesichtszüge als gutmütiger Märtyrer bzw. verschlagener Nutznießer eingesetzt) mit Sybille Schmitz steht im Zentrum des Geschehens und wird von dem eitlen, sozusagen „Gott spielenden“ Reporter unvorhersehbar beeinflusst. In Herbert Speelmans’ Verkörperung des Journalisten schwingt eine latent nationalsozialistische Haltung mit, die sowohl dem Briten an sich als auch einem Vertreter der freien Presse naturgemäß skeptisch gegenübersteht. In den meisten anderen Belangen erweist sich „Vom Schicksal verweht“ als nur latent politisch geprägt; selbst die Zeichnung der schwarzen Eingeborenen ist eher kolonialistisch-gönnerhaft als offen rassistisch.

Obwohl Sybille Schmitz – seit 1940 mit Drehbuchautor Harald G. Petersson verheiratet – alles daran setzt, möglichst publikumswirksam zu leiden, trägt die Romanze mit Andeutungen von Mord in der Vergangenheit die Geschichte nicht ohne Längen. Die Dramatik erscheint ein wenig herbeigeredet; ebenso wie die Malariaepidemie, die diverse Darsteller veranlasst, an dramaturgisch geschickten Stellen im Film einfach vor Schwäche umzukippen, eher Belustigung als Besorgnis hervorruft. So fällt es den Kämpfern gegen das Virus dann auch schwer, sich in dem Maße zu profilieren, das wünschenswert erschienen wäre. Hinzu kommt, dass Schmitz’ Dr. Virginia Larsen zwar als fachlich kompetente Ärztin, nicht aber als emanzipierte Frau gezeigt wird. Sie fungiert als Echo, das die Aussagen der sie umgebenden Männer reflektiert, wirkt schwach und ausgelaugt. Man freut sich deshalb mit ihr über das schlussendliche Happy End und wünscht ihr weniger schicksalsschwere Zeiten in der Zukunft. Für die echte Sybille Schmitz bewahrheitete sich dieser Wunsch nicht:

Zitat von Thomas Staedeli. Porträt der Schauspielerin Sybille Schmitz, Quelle
Nach dem Krieg blieben anspruchsvolle Rollen für die ausdrucksstarke Sybille Schmitz nahezu aus. Sie spielte u.a. in den Filmen „Zwischen gestern und morgen“ (1947), „Sensation im Savoy“ (1950) und „Illusion in Moll“ (1952), doch ihren Gang zurück in die Anonymität verdrängte sie mit Drogen. Es folgten Depressionen und mehrere Selbstmordversuche, schließlich die Einweisung in eine Nervenklinik, doch helfen konnte man ihr nicht. Sie verarmte, die Zukunft erschien ihr ohne Perspektiven, [am 13. April 1955] beging sie mit einer Überdosis Schlaftabletten Selbstmord. Gegen ihre damalige Ärztin wurde ein Jahr später ein Prozess wegen unsachgemäßer Behandlung angestrengt.


Verglichen mit René Deltgens Dschungelausflug „Kautschuk“ zieht „Vom Schicksal verweht“ ohne Frage den Kürzeren. Nicht nur schwächt die (kriminalistisch allerdings interessante) ständige Hinterfragung von Dos Passos die Abenteurerfigur, in der Albrecht Schoenhals Deltgen per se gar nicht hätte nachstehen müssen; auch wird trotz eindrucksvollen Statistenaufgebots das Tempo und die Gefahr, die von den Eingeborenen ausgeht, nicht optimal verdeutlicht. Dies hat zur Folge, dass die Angriffe der Wilden auf das Basislager der Ärzte, die eigentlich besondere Spannungshöhepunkte hätten setzen sollen, zu den schwachen Momenten des Films gehören. Louis Brodys Darstellung des Stammeshäuptlings allerdings ist köstlich, wenngleich aus heutiger Perspektive sicher nicht mehr politisch korrekt. Das hätte bei einem Film von 1941 aber auch nicht zu erwarten gestanden.

Nunzio Malasommas „Vom Schicksal verweht“ bietet mit Konstruktionsfehlern ausgestattete Sehnsucht nach Exotik, die das Aufregende und Andersartige um seiner selbst Willen thematisiert. Schmitz, Schoenhals und Fernau präsentieren lodernde Liebe in heißen Dschungelnächten, spielen dabei aber nicht über die Phlegmatik des Films hinweg. Knappe 3 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

08.12.2015 20:45
#28 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten



Nachtrag: Die Traurigkeit der Sybille Schmitz

In den Rollen, in denen ich sie bisher gesehen habe, hat mich Sybille Schmitz nachhaltig beeindruckt. Sie wird von einer klassischen Diven-Aura umweht, die nicht unähnlich jener der Leander oder der Palmer ist. Dennoch konnte sie niemals zu deren Popularität aufschließen, wahrscheinlich weil Sybille Schmitz immer eine gewisse Schwermut ausstrahlt und demnach nicht für die Darstellung starker Heldinnen oder als besonderer Publikumsliebling geeignet war. Diese „Traurigkeit“ zieht sich wie ein roter Faden durch Schmitz’ Auftritte – schon lang bevor ihr Leben aus der Bahn geworfen wurde.

Die Dürenerin wuchs in Köln auf, erhielt ihr erstes Theaterengagement jedoch in Berlin unter Max Reinhardt. Sie kam schnell zum Film, wo sie die Umstellung von der Stumm- zur Tonproduktion hautnah miterlebte. Ihre erste Hauptrolle folgte in „F.P. 1 antwortet nicht“ neben Hans Albers – eine gute Startposition für die sich anbahnende Zeit im NS-Film. Viele ihrer Auftritte zirkeln um Sybille Schmitz’ herbes Aussehen, ihre androgyne Ausstrahlung, ihre Melancholie. Diesbezüglich besonders prägend: „Fährmann Maria“ von 1936. Filmkolumnist Heinz Fiedler (Sächsische Zeitung) bezeichnet sie in einem Artikel als „die Schauspielerin mit dem interessantesten Frauengesicht im deutschen Film“.

Wer Sybille Schmitz in einigermaßen forumsrelevanten Produktionen sehen möchte, greift zu den auf DVD erhältlichen Filmen „Hotel Sacher“ (1938/39) oder „Titanic“ (1942). Dass sie dann im Nachkriegsfilm mehrfach in reinen Krimis zu sehen war, ist eher schlechtes als gutes Zeichen, denn es weist auf einen Mangel an guten Rollenangeboten hin. Ihre letzte Rolle spielte sie in „Das Haus an der Küste“ kurioserweise neben René Deltgen, von dem ja auch immer wieder behauptet wird, dass er „an seine Kinoerfolge der Vorkriegs- und Kriegszeit nicht recht anzuschließen verm[ochte]“ (Michael Wenk). Bei Schmitz kamen zu dieser prekären Situation private Schwierigkeiten, Alkoholkonsum, zunehmende Unsicherheit und ab 1953 eine Gesichtsneuralgie hinzu.

Die zweifelhafte Behandlung durch eine Münchner Ärztin konnte ihr nicht mehr helfen, der Griff zu den Schlaftabletten beendete Sybille Schmitz’ Leben. In ihrem Abschiedsbrief schrieb sie die Zeile „Ich habe mich so bemüht, wieder Anschluss zu finden, aber man kann mich nicht verwenden“.

Zitat von Ulrich Potthoff. Sybille Schmitz: Kurzbiografie – Ein Leben, Quelle
Sybille Schmitz wird auf dem Ostfriedhof des Krematoriums München bestattet. Über eintausend Trauergäste sind bei ihrer Aussegnung anwesend, darunter Olga Tschechowa, Winnie Markus, Rudolf Vogel, Erich Pommer. Ihr geschiedener Mann [Harald G. Petersson], dessen Namen sie immer noch trägt, ist bei ihrer Beisetzung, dem letzten Weg, nicht anwesend. Viele wussten zu der Zeit nicht, woran die Schauspielerin zugrunde ging, warum sie freiwillig aus dem Leben schied. So wurde nach dem Begräbnis viel geredet, spekuliert und vermutet. Doch erst im Laufe der folgenden Wochen und Monate kam ein wenig Licht ins Dunkel um die letzten Monate im Leben der Sybille Schmitz.


So hinterlässt Sybille Schmitz ein in jeder Hinsicht zwiespältiges Bild: große Erfolge und tiefer Fall, strahlende Eleganz und tiefe Traurigkeit. Es sind Eigenschaften, die man ihren Darstellungen bereits in den 1930er Jahren anmerkt, Ereignisse, die durch ihre spannungsgeladene, ungewöhnliche Persönlichkeit vielleicht in gewisser Hinsicht schicksalvoll vorgezeichnet waren.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

17.01.2016 14:50
#29 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten



War es der im dritten Stock?

Kriminalfilm, D 1938. Regie: Carl Boese. Drehbuch: Christian Hallig (Buchvorlage: Frank F. Braun). Mit: Paul Dahlke (Kriminalkommissar Heidenreich), Mady Rahl (Petra Kilby), Karl Stepanek (Georg Kilby), Henny Porten (Frau Seiderhelm), Walter Steinbeck (Herr Seiderhelm), Lucie Höflich (Frau Kaaden), Gerhard Dammann (Portier Kaaden), Else Elster (Lisa Seiderhelm), Iwa Wanja (Olga Filimon), Ernst Dumke (Direktor Wolters) u.a. Uraufführung: 6. Januar 1939. Eine Produktion der Fanal-Filmproduktion GmbH.

Zitat von War es der im dritten Stock?
Die Bewohner eines Schöneberger Mietshauses hören um 14 Uhr einen Schuss. Wenig später stürmen zwei Schutzmänner ins Haus: Sie brechen die Tür zur Wohnung der berüchtigten Lebedame Olga Filimon auf – die Bewohnerin wird schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert. Neben der Frage, wer auf die Filimon schoss, beschäftigt die Polizei auch das Rätsel, wodurch die Pistolenkugel gestoppt wurde, sodass die Frau nicht an dem Geschoss starb. Die Filimon hat, sobald sie wieder genesen ist, offenbar nicht die Absicht, der Polizei zu helfen, und erzählt ihr von einem schwarz maskierten Mann, der sie überfallen habe. Kam der wahre Täter aus dem Haus?


Der Blick in ein „ehrenwertes Haus“ der 1930er Jahre liefert nicht nur eine große Verdächtigenschar, sondern auch einen vielsagenden Einblick in die sozialen Gefüge der damaligen Zeit. Unter einem Dach kommen Repräsentanten sehr unterschiedlicher Schichten zusammen: Der sichtliche Wohlstand des nationalsozialistischen Aufschwungs logiert in den mittleren Etagen, eingerahmt vom Portier und seiner Frau im Erdgeschoss und einem brotlosen Künstler mit seiner Geliebten im Dachstudio. Allerdings fällt der Tatverdacht auf sie alle gleichermaßen – wie jeder gute Krimi vermittelt „War es der im dritten Stock?“ also die in diesem Abschnitt der deutschen Geschichte nur als Legende zu bezeichnende Botschaft, dass vor dem Gesetz jeder gleich ist und die Ermittlungsbehörden immer nur an Wahrheit und Gerechtigkeit interessiert sind. Dies macht Paul Dahlke abermals zu einer formidablen Spürnase, die sich durch Manieren und Intelligenz vom Kommisston der uniformierten Beamten abhebt. Gleichsam beraubt die betonte Sachlichkeit Dahlkes Kommissar Heidenreich seiner persönlichen Eigenschaften – im Gegensatz zu „Der Täter ist unter uns“, in dem der Schauspieler ausgiebig die Gelegenheit erhielt, einen Privatermittler mit Schrullen und Macken zu zeichnen, bekommt man es hier mit einer (deutlich jünger und dynamischer wirkenden) Beamtenfigur zu tun, die nirgends besonders aneckt bzw. anecken darf.

Ohne jede Mühe führt der Film, der vom Regisseur des Spionage-Lustspiels „Eskapade“, Erich Waschneck, produziert und besetzt wurde, die Vielzahl der Hausbewohner ein. Auch und gerade in kleinen Rollen zeigt sich die sorgfältige Ausbildung der damaligen Schauspieler, die mit unterschwelligen Gesten und wenigen Sätzen ganze Lebensgeschichten und abgerundete Charaktere verdeutlichen können. Beliebte (Neben-)Darsteller der UFA-Zeit wie Walter Steinbeck, Lucie Höflich, Gerhard Dammann, Else Elster und Wilhelm König bereichern das Geschehen durch gewohnte Professionalität und berlinernden Einschlag. Allerdings erweist sich der Film in anderer Hinsicht mehrfach als unkonventionell in seiner Besetzung:

Zitat von Klaus Kreimeier. Die UFA-Story: Geschichte eines Filmkonzerns. Frankfurt / Main: Fischer-Verlag, 2002. S. 383
Über Henny Porten war vom Propagandaministerium praktisch das Berufsverbot verhängt worden, weil sie nicht bereit war, sich von ihrem jüdischen Ehemann, dem Arzt Wilhelm von Kaufmann, zu trennen. Von Goebbels verfolgt, von Hitler und Göring verehrt, wurde sie, der Inbegriff einer deutschen Diva, zum Zankapfel der NS-Prominenz. Dank der Protektion durch die Reichskanzlei blieb ihr Mann unbehelligt; ihr selbst wurden gelegentlich kleine Rollen angeboten.


In „War es der im dritten Stock?“ führt ihr Name im Vorspann sogar die Darstellerliste an. In einer für die Porten nicht ungewöhnlichen Mutterrolle wird sie allerdings auch auf fiktiver Ebene dazu gezwungen, Opfer zu bringen und schwere Prüfungen des Lebens über sich ergehen zu lassen. Ebenfalls nicht alltäglich der Auftritt der Bulgarin Iwa Wanja, deren Blütezeit in den späten 1920er Jahren jäh durch das Ende des Stummfilms abbrach und die nur in sieben Tonfilmen zu sehen war, bevor der vorliegende Film ihre Karriere bis zum Jahr 1950 vorerst beschloss. Ihre erste ernste Rolle hingegen spielt die spätere Wallace-Mimin Mady Rahl, die als in die Enge getriebene ehemalige Bardame auf dem Pfad der Tugend gegen ihren Typus als Ulknudel besetzt wurde.

Stellenweise hätte die Geschichte etwas flotter inszeniert werden können. Eventuell hätte „War es der im dritten Stock?“ besser und dramatischer gezündet, wenn Olga Filimon tatsächlich an der Kugel gestorben und Jagd auf einen „richtigen“ Mörder gemacht worden wäre. Es wäre nicht uninteressant, in Erfahrung zu bringen, ob hier eine filmische Verharmlosung vorliegt, um mit den Zensurbehörden nicht in Konflikt zu geraten bzw. dem gewohnten Stil des Komödienregisseurs Rechnung zu tragen, oder ob sich Boeses Film eng an die ebenfalls 1938 erschienene Buchvorlage hält. Immerhin heißt es über den 1895 geborenen Autoren, der ab 1930 diverse Kriminalromane (teilweise in Goldmanns roter Taschenbuchreihe erschienen) schrieb: „Frank F. Braun, ein Autor über den wenig und Widersprüchliches bekannt ist, schrieb einige akzeptable Kriminalromane, die jedoch oft (nicht immer) von der Darstellung persönlicher Beziehungen überwuchert sind“ (Quelle).

Ein routiniert geplotteter und mit gründlichem Gespür für Flair und Figuren inszenierter Kriminalfilm. Die sehr starke, teilweise ungewöhnliche Besetzung lässt über die augenscheinliche Harmlosigkeit der Produktion hinwegblicken, die in Anbetracht der Tatsache, dass „War es der im dritten Stock?“ ein waschechtes Krimivergnügen ohne komödiantische Brechung präsentiert, ohnehin nicht so schwer ins Gewicht fällt. 4 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

19.01.2016 14:00
#30 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten




Premiere

Kriminalfilm, AT 1936/37. Regie: Géza von Bolváry. Drehbuch: Max Wallner, F.D. Andam. Mit: Zarah Leander (Carmen Daviot), Karl Martell (Fred Nissen), Attila Hörbiger (Polizeikommissär Dr. Helder), Johanna Terwin (Helders Mutter), Theo Lingen (Inspizient Dornbusch), Walter Steinbeck (Theaterdirektor), Maria Bard (Lydia Loo), Karl Skraup (Requisiteur Lohrmann), Carl Günther (Rainold, Finanzier), Lorenz Corvinius (Polizeiarzt) u.a. Uraufführung: 5. Februar 1937. Eine Produktion der Gloria-Film GmbH.

Zitat von Premiere
Just am Premierenabend wird der Mäzen des Revue-Theaters, Herr Rainold, in seiner Loge erschossen. Da Rainold ein überaus eigensinniger und streitsüchtiger Mann war, gibt es mehr als genug Verdächtige, obwohl zufällig Polizeikommissär Dr. Helder im Publikum sitzt und schnell anhand des Einschusskanals feststellen kann, dass die tödliche Kugel von der Bühne aus abgefeuert worden sein muss. Die von Rainold protegierte Sängerin Carmen Daviot scheint mehr zu wissen, als sie zuzugeben bereit ist. Will sie ihren Bühnenpartner Fred Nissen schützen, der vor der Vorstellung einer wütenden Kollegin eine Waffe abgenommen hatte?


Wie eine Klammer umschließen zwei Krimis die deutschsprachige Karriere des Kultstars Zarah Leander bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Während sie 1943 als ihr letztes Ufa-Projekt das dramatische Mörderrätsel „Damals“ abschloss, bildete „Premiere“, eine illustre Kreuzung aus Revue- und Kriminalfilm, im Jahr 1936 den Auftakt zu ihrer außerschwedischen Karriere. Anzumerken ist dabei, dass der Film eine österreichische Produktion ist und noch vor der Annexion des Landes durch das Deutsche Reich im März 1938 entstand. Dennoch sind Machart und weite Teile der Besetzung typisch für Krimis, wie sie zu jener Zeit auch in Deutschland gedreht wurden.

Ähnlich wie in „Spione im Savoy-Hotel“ und „Rote Orchideen“ dient das kriminelle Vehikel eher der Demonstration ausgiebiger Showmomente, die – so erweckt es den Anschein – nicht einmal so stark auf die Stimme der Leander wie auf die Monumentalität des Bühnenbilds von Emil Hasler ausgerichtet sind. Dennoch sollte man den Mordfall nicht unterschätzen – gerade in Anbetracht der Tatsache, dass „Premiere“ heute als Theo-Lingen-Film vermarktet wird und man somit fälschlicherweise befürchten muss, eine (tatsächlich nur im Ansatz und nicht stärker als bei den frühen Wallace-Filmen ausgeprägte) Komödie zu sehen, entwickelt sich die ausgefuchste Frage nach der Pistole und ihrem Schützen zu einer positiven Überraschung. Dafür trägt Attila Hörbiger Verantwortung, der einen eleganten und umsichtigen Kommissar spielt, der über den Dingen zu stehen scheint. Wie leicht könnte der Mord in vollem Hause für eine gefährliche Panik sorgen – sein sogar mit Doktortitel ausgestatteter Ermittler strahlt die nötige Selbstsicherheit und Ruhe aus, um der Situation in jeder Beziehung Herr zu werden.

Zarah Leander, der man ihren nordischen Akzent noch besonders deutlich anhört, nimmt eine eher passive und – abseits der Gesangsszenen – undankbare Rolle ein, in der ihr als Neuling nicht die „Ehre“ zugestanden wird, zu den vollwertigen Verdächtigen zählen zu dürfen. Das Verbrechen bleibt in „Premiere“ eine rein männliche Angelegenheit, wobei mögliche Motive entweder in geschäftlicher Verantwortung (stark als Theaterdirektor: Walter Steinbeck) oder einem eifersüchtigen Beschützerinstinkt liegen. Überzeichnete Einlagen mit einem Taschendieb sowie das tragische Ende des Films verorten kriminelles Potenzial dann aber noch einmal genauer in einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht, deren Zwangslagen allenfalls Randerscheinungen bleiben. Sie werden dann auch folgerichtig zugunsten althergebrachter Revuegrandeur schnell wieder ausgeblendet.

Obwohl „Premiere“ nicht einmal 73 Minuten läuft, fühlt sich der Verlauf durch überlange Gesangs- und Tanzszenen arg gestreckt an. Für einen Krimi bleibt da nicht mehr viel Platz; doch immerhin wurde die verbleibende Zeit klug für einen traditionell überzeichneten, aber nicht uninteressanten und mit dem Theatermilieu eng verwobenen Mordfall verwendet. Die Leander hatte zweifelsohne später beeindruckendere Auftritte; hier haben vor allem die Herren hinter den Kulissen das Zepter in der Hand. Noch 3,5 von 5 Punkten.

Seiten 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7
 Sprung  
Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz