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Dieses Thema hat 103 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Gubanov ( gelöscht )
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04.06.2017 13:50
#61 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten



Der Fall Deruga

Kriminalfilm, D 1938. Regie: Fritz Peter Buch. Drehbuch: Hans Neumann, Fritz Peter Buch, L.A.C. Müller (Romanvorlage, 1917: Ricarda Huch). Mit: Willy Birgel (Dr. Stephan Deruga), Geraldine Katt (Baroness Mingo von Truschkowitz), Georg Alexander (Baron von Truschkowitz), Dagny Servaes (Baronin von Truschkowitz), Käthe Haack (Martha Schwertfeger), Hans Leibelt (Justizrat Dr. Klemm), Erich Fiedler (Rechtsanwalt Dr. Schelling), Paul Bildt (Landgerichtsdirektor Dr. Zeunemann), Walter Franck (Oberstaatsanwalt), Erich Ziegel (Professor Vandermühl) u.a. Uraufführung: 22. September 1938. Eine Produktion der Georg-Witt-Film für die Ufa-Filmkunst GmbH.

Zitat von Der Fall Deruga
Martha Schwertfeger findet ihre Freundin Maria „Mingo“ Deruga tot in deren Wohnung. Weil die Verstorbene leidend war, geht man zunächst von einem natürlichen Herzstillstand als Todesursache aus. Dies ändert sich, als immer mehr Verdachtsmomente gegen den geschiedenen Ehemann der Toten, den Arzt Stephan Deruga, eine Exhumierung der Leiche rechtfertigen, wobei das Gift Curare nachgewiesen wird. Nun wird Stephan Deruga der Prozess gemacht – zum Entsetzen seiner Freunde und zur Genugtuung der Vertrauten von Mingo Deruga ...


Während Ricarda Huch den für ihr Werk ungewöhnlichen Kriminalroman, der diesem Film zugrunde liegt, als einen Schundstoff bezeichnete, den sie nur wegen des ihr angebotenen Honorars verfasste, ließ sich der Katholische Filmdienst vom renommierten Namen der Autorin offenbar beeindrucken und nannte die Adaption des Falls Deruga einen „gehobene[n] Kriminalfilm, menschlich packend und reizvoll durch die detaillierte Darstellung der Prozessführung“ (Quelle). In der Tat werden vor allem Freunde der klassischen Gerichtsfilmmanier bei der Sichtung des Fritz-Peter-Buch-Films auf ihre Kosten kommen, denn nach einem Vorspiel mit Leichenfund und ersten aufkeimenden Verdächtigungen widmet sich der insgesamt 105 Minuten lange Film ausführlich dem Indizienprozess gegen Dr. Deruga, dessen persönliche Hintergründe man ebenso wie den Handlungsort leicht abwandelte.

Obwohl Willy Birgel als Star des Films beworben wird, ist er als Angeklagter zu einer für ihn ungewöhnlich passiven Verhaltensweise gezwungen, die andere Schauspieler in den Vordergrund treten lässt, welche ihm teilweise gut, teilweise übel gesinnt sind. Manchmal mit stoischer Ruhe, manchmal mit süffisanter Gelassenheit, die Spuren von Selbstaufgabe in sich trägt, lässt er Anklagen ebenso wie Rettungsversuche über sich ergehen, als ginge ihm der gegen ihn angestrengte Prozess nicht allzu sehr zu Herzen. Dies ist nur ein Beispiel für das edle Understatement des Films, in dem sich dessen traditionelle Klasse ausdrückt. Obwohl sich die Geschichte regelrecht dazu anbieten würde, verzichtet „Der Fall Deruga“ auf jeglichen Sensationalismus, was das abwertende Urteil, das Huch über ihr Buch fällte, sonderbar deplatziert erscheinen lässt. Freilich gibt es auch Momente, die den Film im zweifelhaften Sinne als Kind seiner Zeit ausweisen und die vor allem in der Charakterisierung der proletarischen Nebenrollen zu finden sind. Da sich der Prozess mit seinen Beteiligten hauptsächlich den Protagonisten der Oberklasse widmet, werden die ihnen zuarbeitenden Figuren teilweise mit spleenigen Eigenheiten oder überbordendem Lokalpatriotismus vorgestellt.

Die Haupterzählung bleibt jedoch fest in der Hand feingezeichneter, teilnahmsvoller Bekannter, Zeugen und Gerichtsmitarbeiter, bei denen die lange Besetzungsliste diverse Trümpfe ausspielt: Käthe Haack überzeugt als kummervolle Mitwisserin mit eigenen Motiven, während Georg Alexander und Dagny Servaes den von Truschkowitzes einen vornehmen, snobistischen Charakter verleihen. Ganz anders agiert die blutjunge Geraldine Katt in einer Rolle zwischen später Pubertät und früher Reife – sie glaubt an den Angeklagten, obwohl sie sich dadurch mit ihrer Mutter überwirft. Besonders attraktiv erscheint freilich die Besetzung der Prozessfunktionäre vor Gericht. Wie gut die Produktion besetzt ist, sieht man schon an der Wahl, Hans Leibelt als Verteidiger und Walter Franck als Staatsanwalt zu besetzen und damit den Zuschauer indirekt weiter für Deruga einzunehmen. Paul Bildt gibt als neutraler Richter ein zurückhaltendes Meisterstück ab, während sich Erich Fiedler an Walter Francks Seite mächtig ins Zeug legt.

Im Gegensatz zu vielen anderen Filmen, in denen Gerichtsprozesse eine Rolle spielen, diese aber nur am Rande oder für dramatische Finalszenen genutzt werden, kostet „Der Fall Deruga“ das Milieu, für das Fritz Peter Buch mit dem großen Saal und dem Treppenhaus des Kriminalgerichts Moabit einen würdigen Rahmen fand, ganz und gar aus. Die Zeugenbefragungen versetzen den Zuschauer in ein Wechselbad der Gefühle, sodass der Prozess, der gerade durch seine Detailverliebtheit und die sukzessive zu Tage tretenden Informationsbrocken besticht, nie langweilig wird, obwohl die Auflösung durch die erste Filmszene fast schon vorweggenommen wird.

„Der Fall Deruga“ atmet Stil und Charme alter Tage und führt den Zuschauer interessiert durch einen Mordprozess, in dem sich punktgenaue Leistungen der erlesenen Darstellerriege als Schlüssel zu anhaltendem Filmvergnügen herausstellen. 5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
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08.06.2017 20:45
#62 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

PS zum „Fall Deruga“: Eine zweite Verfilmung des Ricarda-Huch-Romans lieferte Franz-Peter Wirth zwanzig Jahre später, im Jahr 1958, unter dem Titel „... und nichts als die Wahrheit“. Dr. Deruga wurde in Donat umbenannt und statt Willy Birgel spielte O.W. Fischer die Rolle. Ebenfalls in der Bavaria-Filmkunst-Produktion zu sehen sind Marianne Koch, Ingrid Andree, Friedrich Domin, Walter Rilla und Paul Verhoeven. Leider ist bisher keine Version des Films offiziell auf DVD erschienen (vielleicht würde sich für die Zukunft ein Doppelpack anbieten?).

PPS: Wenn schon die Filme nicht erhältlich sind, so wird immerhin die Buchvorlage noch immer vom Insel-Taschenbuchverlag vertrieben. Mit einem passend nostalgischen Cover ausgestattet, ist sie im Buch- und Onlinehandel für 7,99 Euro zu beziehen.

Gubanov ( gelöscht )
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09.06.2017 20:00
#63 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten



UFA-Stars auf dem Friedhof Heerstraße: Erich Fiedler

Die alte Weisheit, dass es für gute Schauspieler keine zu kleinen Rollen gibt, gilt auch für Erich Fiedler. Der im März 1901 geborene Berliner debüttierte am Deutschen Theater und war ab 1933 immer wieder in kleineren Rollen im Film zu sehen. Bedingt durch die kurzen Auftritte, umfasst seine Filmografie insbesondere in den Jahren bis 1945 eine immense Anzahl an Filmen, u.a. konnte er Krimis wie „Savoy-Hotel 217“, „Eskapade“, „Der Fall Deruga“, „Sensationsprozess Casilla“, „Der grüne Kaiser“ und „Peter Voss, der Millionendieb“ mit seiner süffisanten Eleganz bereichern. Fiedler drückte auch Nebenrollen seinen sofort wiedererkennbaren Stempel auf – Der Spiegel bezeichnete Fiedler 1948 als einen „Bühnen- und Filmdarsteller leicht blasierter Männer“ (Quelle) und als „modisch[en] und selbstsicher[en ...] Film-Bonvivant“ (Quelle).

Wer zu Fiedler nicht sofort ein Gesicht im Kopf hat, wird sich zumindest unweigerlich an seine Stimme erinnern: Regelmäßig in der Synchronbranche tätig, wurde Fiedler zur deutschen Stammbesetzung auf Robert Morley – sowohl in „Der Wachsblumenstrauß“ und „Die Morde des Herrn ABC“ als auch in „Das Geheimnis der weißen Nonne“. Seine Stimme kam in „Vier Frauen und ein Mord“ ebenfalls aus dem Mund von Ron Moody. In deutschen Nachkriegsproduktionen war er ebenfalls zu sehen, u.a. in Alfred Vohrers „Meine 99 Bräute“, dem Heinz-Rühmann-Film „Der Jugendrichter“, der Rialto-Komödie „Die Herren mit der weißen Weste“ oder dem Lümmel-Ulk „Betragen ungenügend!“.

Erich Fiedler, der fast sein ganzes Leben über in Berlin arbeitete, wurde nach seinem Tod im Mai 1981 auf dem Waldfriedhof Heerstraße in dessen zweiter Abteilung nahe der Olympischen Straße beigesetzt. Die Grabstelle ist mit Efeu überwachsen, auf dessen Blättern frische Regentropfen in der Sonne schimmerten, als @Percy Lister und ich nach unserer gemeinsamen Sichtung von „Der Fall Deruga“ Fiedler besuchten. Um wen es sich bei den beiden Frauen (Margarete Prölß, 1881-1953, und Ursula Breisig, 1907-1983) in seiner Gesellschaft handelt, konnten wir leider nicht herausfinden.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

10.06.2017 13:50
#64 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten



BEWERTET: "Der Fall Deruga" (Deutschland 1938)
mit: Willy Birgel, Geraldine Katt, Käthe Haack, Georg Alexander, Dagny Servaes, Hans Leibelt, Erich Fiedler, Paul Bildt, Claire Winter, Walter Franck, Roma Bahn, Fritz Odemar, Ernst Karchow, Erika von Thellmann, Leo Peukert, Erich Ziegel, Beppo Brem u.a. | Drehbuch: Hans Neumann, Fritz Peter Buch, L.A.C. Müller nach dem gleichnamigen Roman von Ricarda Huch | Regie: Fritz Peter Buch

Maria Swieter, geschiedene Deruga, wird von ihrer Freundin tot aufgefunden. Die kränkliche Frau ist anscheinend ihrem Herzleiden erlegen. Als die Testamentseröffnung ergibt, dass Stephan Deruga der Alleinerbe seiner Exfrau ist, werden Ermittlungen gegen ihn angestellt. Die Exhumierung und Obduktion der Leiche belegen, dass Maria an einer Curare-Vergiftung gestorben ist....

Am letzten Mittwochnachmittag im Mai zeigte das Kino "Eva-Lichtspiele" in Berlin-Wilmersdorf den alten deutschen Kriminalfilm "Der Fall Deruga". Das Publikum schwatzte vor Beginn der Aufführung lebhaft miteinander, während im Hintergrund dezent Gassenhauer der Dreißiger Jahre erklangen. Da sich der Vorhang wegen eines technischen Defekts nicht schließen ließ, ebbte die Unruhe erst ab, als die erste Filmrolle abgespielt wurde. Dabei mag der eine oder andere Zuschauer das verräterische Detail zur Aufklärung des Falls übersehen haben. Willy Birgel spielt die Rolle des tatverdächtigen Arztes, dem zur Last gelegt wird, seine geschiedene Frau an ihrem Sterbetag zu einer Testamentsänderung veranlasst und anschließend für ihr Ableben gesorgt zu haben. Sein leichtfüßiges Auftreten und der dunkle Charme seiner Ausstrahlung prädestinieren ihn für die Rolle des Stephan Sigismondo Enea Deruga, der laut Romanvorlage aus Bologna stammt und somit dem Bild des "verschlagenen, heimtückischen, rachsüchtigen Welschen, wie er seit dem frühen Mittelalter in der Vorstellung der Deutschen gelebt hatte", entspricht (Huch, S. 10). Im Film wird auf diesen Hintergrund nie eingegangen und der einzige Italiener, der Restaurantbesitzer Verzielli, wird von Leo Peukert in der typischen (grammatikalisch falschen) Weise porträtiert, die auch das Publikum bei "Eva" zu Gelächter veranlasste. Freilich mag es ein Zufall sein, dass der Vorname des Barons von Truschkowitz Adolf lautet und er in der Schlussszene auf einem imposanten Flugzeug prangt. Die Allianz der beiden Diktatoren könnte jedoch für diese moderaten Änderungen Pate gestanden haben. Achselzuckend und anscheinend unbeteiligt nimmt Deruga am Mordprozess gegen ihn teil, was Willy Birgel einmal mehr als überaus selbstsicheren Charakter präsentiert. Das Publikum fragt sich mehr als einmal, ob er die Gefahr nicht unterschätzt, die seiner Freiheit und seinem Leben drohen.

Die österreichische Schauspielerin Geraldine Katt stemmt erst siebzehnjährig die weibliche Hauptrolle und zeichnet ihre Baroness Mingo als zielstrebige, manchmal sogar starrsinnige Kindfrau, deren romantische Schwärmerei für Dr. Deruga dazu führt, alle Beweise für seine Schuld zu hinterfragen und gegen die Interessen ihrer Familie zu handeln. Es rührt, ihre Unverdorbenheit und Hingabe zu sehen; Eigenschaften, denen ein Mann wie Deruga lange nicht mehr in einem Menschen begegnet ist. Verhaltener zeigt sich Käthe Haack in der Schlüsselrolle der Marta Schwertfeger.

Zitat von Ricarda Huch. Der Fall Deruga. Berlin: Insel Taschenbücher, 2014. S. 77f
Sie war einfach und nicht nach der Mode gekleidet, eine unauffällige Erscheinung, die nur, wenn man sie eingehend betrachtete, Besonderheit und Reiz verriet. (...) Sie wappnete sich unter Fremden gern mit Vorsicht und Verschwiegenheit, was ihr, verbunden mit der Scheu vor der Öffentlichkeit, den Ausdruck eines kleinen Tieres im Käfig gab.


Ihre Fantasie sprudelt nicht so ergiebig wie jene der Gerichtsbarkeit, die mit Vertretern der alten Schule aufwartet. So sehen wir als Verteidiger von Deruga den bewährten Hans Leibelt, während der spitzfindige Erich Fiedler auf der gegnerischen Seite zu finden ist. Beppo Brem sieht man in seiner Paraderolle als typischer Bayer, wie auch die anderen Vertreter der "einfachen Leute" die Klischeevorstellungen der Oberklasse bedienen. Der heitere Unterton, der die Zeugenvernehmungen begleitet, nimmt dem Prozess ein wenig seinen Ernst, besonders wenn man den Gleichmut des Angeklagten mit einbezieht. Die Sammlung von Indizien durch Mingo von Truschkowitz bestätigt das, was der aufmerksame Zuseher bereits weiß, macht den Film aber nicht weniger spannend. Dem Altersunterschied zwischen den beiden Hauptdarstellern geschuldet, aber sich auch an der Romanvorlage orientierend, gibt es am Ende kein neues Liebespaar:

Zitat von Ricarda Huch. Der Fall Deruga. Berlin: Insel Taschenbücher, 2014. S. 211
Ja, für Mingo war es gut so, das fühlte sie mit jedem Augenblick deutlicher. Eine kurze Zeit leidenschaftlicher Wonne hätte sie vermutlich, wenn sie Deruga geheiratet hätte, mit einem Leben voll Enttäuschungen und mannigfacher Bitterkeit erkauft; denn was für Schätze sein Herz auch bergen mochte, ihr gegenüber wäre er bald der alternde, launenhafte, überdrüssige, erloschene Mann geworden.


Wohliges Kinoerlebnis mit allen Zutaten, die ein stilsicherer Kriminalfilm braucht: ein mysteriöser Tod durch Gift, ein charismatischer Hauptverdächtiger, eine engagierte Privatermittlerin und eine ausführliche Gerichtsverhandlung. 4,5 von 5 Punkten

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

10.06.2017 21:00
#65 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

Ein stimmiger Bericht.

Zitat von Percy Lister im Beitrag #64
Freilich mag es ein Zufall sein, dass der Vorname des Barons von Truschkowitz Adolf lautet und er in der Schlussszene auf einem imposanten Flugzeug prangt.

Wie so oft bei Filmen, die zwischen 1933 und 1945 entstanden, kann man sich nicht sicher sein, welche scheinbaren Zufälle wirklich unbeabsichtigt waren und hinter welchen sich gezielte Propaganda oder zumindest vorrauseilender Gehorsam verbirgt. Obwohl „Der Fall Deruga“ auf den ersten Blick wie ein völlig harm- und zeitloser Krimi wirkt, finden sich doch verschiedene Spuren seiner Entstehungszeit sowohl im Film als auch in seiner Rezeption. So weist z.B. Carsten Würmann darauf hin, dass Hitler und Goebbels die Produktion sehr geschätzt hätten:

Zitat von Carsten Würmann. Zwischen Unterhaltung und Propaganda: Das Krimigenre im Dritten Reich. Berlin: Freie Universität, 2013. S. 78
Wenngleich retrospektiv die Zuschauerresonanz kaum zu erheben ist, so sind zumindest von den beiden obersten Filminstanzen des Nationalsozialismus, Goebbels und Hitler selbst, positive Reaktionen zum deutschen Krimi überliefert. Hitler, der bei Filmvorführungen anscheinend rasch ermüdete, bevorzugte spannende Handlungen und sah aus diesem Grund gern Kriminalfilme. Der Hund von Baskerville, ein deutsches Sherlock-Holmes-Abenteuer von 1937, und der Gerichtsfilm Der Fall Deruga mit Willy Birgel zählten zu den Lieblingsfilmen des Diktators. [... Goebbels] gefällt [...] Der Fall Deruga: „ein spannender Gerichtsfilm mit Birgel und Geraldine Katt. Regie Buch. Großartig in der Milieuschilderung, glänzend in der Psychologie. Wieder mal etwas Erfreuliches.“


Abgesehen von den latenten Anbiederungen an Mussolinis Italien und dem Adolf-Flieger in der Abschlussszene wird die Geschichte um eine gestorbene Kranke und einen Arzt auf der Anklagebank dazu genutzt, um die für die Programmatik der Nazis typische Euthanasiefrage anzusprechen. Dies geschieht nur im Vorbeigehen und keinesfalls so explizit wie in „Ich klage an“ von Wolfgang Liebeneiner, ließ mich aber inmitten der angenehmen Nostalgiestimmung während der Kinovorführung aufhorchen.

Zitat von Peter Drexler. Der deutsche Gerichtsfilm 1930-1960. In: Joachim Lindner (Hrsg.). Verbrechen – Justiz – Medien. Berlin: De Gruyter, 1999. S. 397
Wenn man Ich klage an mit dem drei Jahre zuvor entstandenen Film Der Fall Deruga von Fritz Peter Buch vergleicht, der gleichfalls die „Euthanasie“-Problematik thematisiert, wird die zunehmende Brisanz des Problems (und der gewachsene Bedarf an propagandistischer Rechtfertigung) evident. In dem älteren Film wird ein Arzt wegen des Mordes an seiner schwerkranken Gattin vor Gericht gestellt und durch Indizien schwer belastet. Erst durch eine überraschende Zeugenaussage [...] wird er schließlich entlastet und daraufhin freigesprochen. Die „Euthanasie“-Thematik wird dabei nur angedeutet, etwa in der Aussage einer Zeugin über Dr. Derugas mögliche Motive: Wenn er seine Frau wirklich getötet habe, dann habe er es „aus Liebe getan. Weil er sie von ihren Schmerzen erlösen wollte, weil er es nicht ertragen konnte, wie sie litt.“


Interessant ist, dass dieses Spannungsfeld weder in zeitgenössischen (selbstredend) noch in später geschriebenen Kritiken eine Rolle spielt, sondern diese hauptsächlich die gleichen Punkte würdigen wie seinerzeit Goebbels. Man könnte dies natürlich als Bestätigung werten, dass man es beim „Fall Deruga“ mit einem hochwertigen, stimmigen und zu Recht wertgeschätzten Film zu tun hat. Realistisch betrachtet, steht jedoch zu vermuten, dass das Fingerspitzengefühl gegenüber dem Namen der Autorin, die sich schon im April 1933 explizit gegen das Treiben der Nationalsozialisten aussprach, einfach den sonstigen (film-)journalistischen Reflex, überall böse Einflussnahme zu vermuten, aussticht.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

11.06.2017 21:12
#66 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

Nicht erst seit der Lektüre der spannenden Biografie "Kommissar Gennat ermittelt" von Regina Stürickow war es mein Wunsch, dem berühmten Kriminalkommissar vom Alexanderplatz die Ehre zu erweisen. Ernst Gennat (1880-1939) reformierte die Arbeit der Polizei und sorgte durch bahnbrechende Methoden für ein professionelles Vorgehen bei der Aufklärung von Verbrechen. Seine "Inspektion M" schaffte es sogar zu Filmruhm und wurde 1931 in Fritz Langs Klassiker "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" auf Zelluloid verewigt. Seine letzte Ruhestätte fand "der Dicke", wie er wegen seiner Vorliebe für Kuchen genannt wurde, auf dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf, Nähe Potsdam. Er liegt im Bereich Reformation, Gartenblock II in der Nähe der Verwaltung. Auf weichem Waldboden näherten Gubanov und ich uns der geschützten Stelle, deren Pflege die Kriminalpolizei übernommen hat, wie wir gleich eindrucksvoll an einer einzelnen weißen Rose erkennen konnten, die fachmännisch mit einer Wasserampulle versorgt worden war. Es gab wenig mehr zu tun, als ein paar welke Blätter von einem Strauch zu zupfen oder die Buchstaben auf dem Grabstein mit einem feuchten Tuch aufzufrischen. Der zeitlose, schlichte Stein passt zu dem Mann, für den die Kriminalistik Beruf und Leidenschaft zugleich war.



Seine Bestimmung war ihm geradezu in die Wiege gelegt worden, wie der Mann mit dem sozialen Gewissen und dem psychologischen Blick einmal selbst bekannte:

Zitat von Regina Stürickow: Kommissar Gennat ermittelt - Die Erfindung der Mordinspektion, Elsengold Verlag, Berlin 2016
Die Verbrecher, mit denen ich zu tun habe, bleiben sozusagen in der Familie. Ich fange sie ein, mein Bruder, der Staatsanwalt, verknackt sie, und schließlich heißt sie mein Vater in Plötzensee willkommen.


Der Kriminalkommissar pflegte bei seinen Verhören einen freundlichen Umgangston und vertrat die Ansicht, unvoreingenommen und mit einwandfreiem Beweismaterial an einen Fall herangehen zu müssen, weil er zwei negative Konsequenzen der Ermittlungen unbedingt vermeiden wollte: einerseits die Nichtaufklärung einer Tat, andererseits die Beschuldigung eines Unschuldigen. Einige seiner Fälle gingen ihm besonders nahe, weil sie beispielhaft für das Elend in breiten Teilen der Berliner Bevölkerung waren. Durch die Kriminalromane von Volker Kutscher erlebt der humane Ermittler derzeit ein literarisches und bald auch ein filmisches Revival.

Gubanov ( gelöscht )
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15.08.2017 19:50
#67 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten




Reisebekanntschaft

Kriminalkomödie, D 1943. Regie: E.W. Emo. Drehbuch: Curt Wesse, Fritz Gottwald (Vorlage: Fritz Gottwald). Mit: Hans Moser (Fridolin Specht), Elfriede Datzig (Elli Werner), Wolf Albach-Retty (Walter Falke), Lizzi Holzschuh (Fräulein Schenz), Richard Eybner (Herr Gillberg), Lotte Lang (Dame mit Hund), Josef Menschik (Fred), Annie Rosar (Frau Niederleitner), Fritz Imhoff (Gentleman), Alfred Neugebauer (Polizeibeamter) u.a. Uraufführung: 7. Oktober 1943. Eine Produktion der Wien-Film GmbH.

Zitat von Reisebekanntschaft
Fridolin Specht fällt aus allen Wolken, als er erfährt, dass er in der Lotterie 10’000 Mark gewonnen hat. Leider ist die Freude von kurzer Dauer, denn der Beauftragten der Lottogesellschaft, Elli Werner, wird der Koffer mit dem Geld auf der Bahnfahrt in die entlegene Steiermark entwendet. Da trifft es sich gut, dass Fridolin Specht von Beruf Privatdetektiv ist. Eiskalt folgert er: Nur die drei Personen, die mit Fräulein Werner im Abteil saßen, kommen als Täter in Frage. Nachdem er einen Vertreter und eine Dame mit Hund überprüft hat, verdichten sich die Verdachtsmomente gegen Fräulein Werners nette Reisebekanntschaft, einen großen, schlanken Mann im karierten Anzug. Specht ahnt nicht, dass es sich dabei um seinen eigenen Chef handelt ...


Die Mitwirkung von Hans Moser lässt es vermuten und bestätigt es bei der Sichtung schon in der ersten Minute: Bei „Reisebekanntschaft“ bekommt man es mit einem ausgewachsenen volksnahen Austria-Schwank zu tun, dem Moser-Hausregisseur E.W. Emo lediglich deshalb einige harmlose Krimianleihen angedeihen ließ, um die im Stil einer Verwechslungskomödie aufgezäumte Handlung von den anderen 21 Kollaborationen abzugrenzen. Der gestohlene Koffer – trotz beachtlichen Inhalts alles andere als ein Kapitalverbrechen – bildet den Auftakt zu einer Reihe skurriler Ermittlungen, in denen der kopflose Fridolin Specht jeden Verdächtigen angeht, als habe er es mit einem Schwerverbrecher zu tun. Hans Moser in bester Spiellaune also ... wer jedoch nach einem ernsthaften Krimi sucht, wird in diesem Fall eher nicht fündig werden.

Dabei gibt es durchaus einige überzeugende Elemente: Zunächst einmal berührt die altmodische Vertrauensseligkeit, mit der Lottogewinne im Kreise loser Bekannter bedenkenlos herumerzählt oder in bar in der Gegend herumgetragen werden. Die Weise, auf die Specht sich sein unvorstellbares Glück zu materialisieren versucht, verrät die Herkunft der Produktion („10’000 Mark, das sind ja 20’000 Palatschinken!“) ebenso wie die Zugfahrten in Holz- und Polsterklasse durch Bergpanoramen und Eisenbahntunnel. Schließlich ist es auch die hindernisreiche Romanze zwischen Elfriede Datzig und Wolf Albach-Retty, die den Zuschauer trotz des immer lauter und fahriger werdenden Hauptdarstellers und des vorhersehbaren Ausgangs der Geschichte bei der Stange hält.

Wie ein Großteil der Filme, die zwischen dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich und dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Donaumetropole entstanden, handelt es sich bei „Reisebekanntschaft“ übrigens um eine Produktion der Wien-Film, die 1938 aus der Tobis-Sascha-Film hervorging. Dass das überbordende Lokalkolorit der Kriminalkomödie und ihr nicht nur heiterer, sondern geradezu euphorischer Grundtenor, nicht ganz zufällig waren, liegt insofern nah, als ...

Zitat von Wien-Film bei Wikipedia.org, Quelle
[d]as von Berlin auferlegte Programm der [Wien-]Filmproduktion war, Filme zu drehen, die im Boden der „Ostmark“ wurzelten und ablenkend wirken sollten – nach dem Motto „Kraft durch Freude“.


Mit wenig Krimi, dafür aber viel Komik, einer Prise Romantik und viel steirischem und Wiener „Charme“ erweist sich „Reisebekanntschaft“ als ein typisches Beispiel für ablenkendes Unterhaltungskino der frühen 1940er Jahre, das damals seinen Zweck erfüllte, das sich der heutige Zuschauer aber durchaus eine Spur gemäßigter wünschen würde. 3 von 5 Punkten für Mosers Privatdetektiv Specht, der sich zurecht von seinem Vorgesetzten sagen lassen muss: „Wissen Sie, Herr Specht, manchmal habe ich das Gefühl, als ob es bei Ihnen hier oben nicht mehr ganz stimmt.“

Gubanov ( gelöscht )
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20.08.2017 21:00
#68 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten




Alarm

Kriminalfilm, D 1940. Regie: Herbert B. Fredersdorf. Drehbuch: Kurt E. Walter (Romanvorlage: C.V. Rock (d.i. Kurt Walter Roecken)). Mit: Paul Klinger (Werkpilot Herbert Flügger), Rolf Weih (Werkpilot Werner Blennemann), Hilde Sessak (Helene Hoesch), Maria von Tasnady (Vera Kaufmann), Karl Martell (Kriminalkommissar Petersen), Gerhard Bienert (Kriminalkommissar Dr. Dittmann), Hilde Hildebrandt (Frau Anders), Theodor Loos (Ophagen), Fritz Rasp (Stülken), Rudolf Platte (Schielauge) u.a. Uraufführung: 31. Januar 1941. Eine Produktion der Aco-Film GmbH.

Zitat von Alarm
Die beiden Piloten Herbert Flügger und Werner Blennemann wetteifern um die Gunst der hübschen Helene. Diese macht sich gerade aus Herberts aufrichtiger Zuneigung einen Scherz und hält ihn immer wieder hin, bis es zum großen Streit zwischen den drei jungen Leuten kommt. In der gleichen Nacht wird Helene in ihrer Pension erwürgt. Bevor ihre Mitbewohner die Leiche entdecken, sind Herbert und Werner schon wieder in der Luft, sodass die Kriminalpolizei die Ermittlungen zunächst ohne die Hauptverdächtigen vorantreiben muss. Aber auch so bleibt genug zu tun, denn ein anderer Pensionsgast entpuppt sich als Verbrecher und flüchtet ...


Den meisten Kriminalfilmen, die während der NS-Zeit entstanden, haftet ein gewisser realitätsflüchtiger Anstrich an, der sie zu perfekten Zeitzeugen des Unterhaltungskinos jener Tage macht. Einige wenige Filme entstanden jedoch in so enger Zusammenarbeit mit den Behörden, dass von ihnen eine gewisse Demonstrations-, wenn nicht gar Propagandawirkung ausgeht. Dazu zählen in ganz besonderem Maße zum Beispiel „Im Namen des Volkes“ (1938/39), „Ich klage an“ (1941) oder „Die goldene Spinne“ (1943), durchaus aber auch der hier vorliegende Film, mit dem eine Visitenkarte für die angeblich effektive, besonnene und vorurteilsfreie Arbeit der Kriminalpolizei in der unmittelbaren Nach-Gennat-Ära ausgestellt werden sollte. Zu diesem Zweck stattet Karl Martell den leitenden Polizisten mit natürlicher Autorität, aber vor allem auch mit Nach- und Weitsicht aus, sichert den Tatort mustergültig, kooperiert mit einem herbeigerufenen Arzt binnen Sekundenbruchteilen, führt strategisch ausgefeilte Verhöre und diskutiert Ergebnisse und Ermittlungsstände im Kollegium – das Abziehbild eines mustergültigen Gerechtigkeitshelfers und mithin das genaue Gegenteil der totalitären Agenda. Das Vertrauen der gutgläubigen Bevölkerung in die Polizei vor Ort sollte aber eben auch während der Kriegsjahre hochgehalten werden.

Erwähnung finden auch die (wie wir heute wissen) dunkelsten Realitäten der Justiz im Nationalsozialismus. Von „Besserungslagern“ ist die Rede und dem Berufsverbrecher „Schielauge“ wird unter Androhung eines solchen, also der Endstation K.Z., ein Geständnis wider den ganovischen Ehrenkodex aus dem Kreuz geleiert. Zudem ist es ein sehr durchschaubares Manöver, den integren Hauptcharakter, von dem das Publikum nicht nur wegen seiner Besetzung mit Schwiegermutterliebling Paul Klinger sofort weiß, dass er unschuldig ist, zum Piloten und als solchen zum Hauptdarsteller in einem Dokumentar-„Film-im-Film“ zu machen, mit dem während der ersten Hälfte, in der die Kriminalpolizei noch nicht auf den Plan getreten ist, die Propagandaquote in Form von deutschen Werkfliegern, die bitter benötigte deutsche Medikamente über Schwarzafrika abwerfen, erfüllt wird.

Es ist offensichtlich, dass sich eine derartige dramaturgische Schieflage auf die Qualität und den Fluss des Kriminalfalles, um den es eigentlich gehen sollte, negativ auswirkt. Zusammen mit der unwahrscheinlichen Paarung des bodenständigen Paul Klinger mit der schreckschraubig-leichtsinnigen Hilde Sessak sorgt es dafür, dass gerade der Einstieg in den Film recht holprig daherkommt und auch spätere Spannungshöhepunkte wie die Verfolgung des geflohenen Fritz Rasp über die Dachterrasse des Karstadts am Hermannplatz oder der Kampf des Kommissars mit dem Hauptverbrecher auf einem fahrenden Zug die zwangsläufigen Misslichkeiten und selbstzweckhaften Figurenzeichnungen eines „volksbildenden“ Films nicht ausgleichen können. Das ist schade, denn es gibt doch immer wieder Stellen, an denen durchschimmert, dass C.V. Rocks (im Vorspann leider nicht namentlich genannte) Romanvorlage ohne das markige NS-Gepräge des Films stimmungsvoller und kriminalistisch interessanter gewesen sein muss.

In Nebenrollen überzeugen vor allem Hilde Hildebrandt als Pensionswirtin mit Hang zur Dramatik, Theodor Loos als harmloser Rentner und Fritz Rasp als in die Enge getriebener Biedermanngauner. Maria von Tasnady darf Paul Klinger stets zwei Schritte hinterherhecheln und damit das Klischee des aufopferungsvollen Frauchens erfüllen, das still mit dem zu Unrecht in Verruf gekommenen Pilotenhelden leidet.

Was ein sehr ausgewogener Krimi hätte werden können, verkehrten politische Eingriffe in ein bitter schmeckendes, nicht immer wirklich interessantes Lehrstück über Flieger und Polizisten im Dritten Reich. Der Film gaukelt zwar Aktualität vor, spart den Krieg aber völlig aus; die Schauspieler bemühen sich um Schadensbegrenzung bezüglich ihrer teilweise etwas verkorksten Rollen. Dem nach Spannung dürstenden Publikum werden einige effektive, aber irgendwie formelhafte Actionsequenzen geboten, während ganz nebenbei ein nicht reizloser Whodunit abläuft. 3,5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
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21.08.2017 00:45
#69 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

Ausblick: Krimiklassiker im Murnau-Filmtheater

Ich habe den „Fehler“ begangen, mir die Website der Murnau-Stiftung einmal etwas genauer anzusehen. Dort sind auch die Kinoaufführungen des Murnau-Filmtheaters gelistet, die sich ausnehmend verlockend lesen, leider aber wegen der räumlichen Distanz nach Frankfurt am Main Wunschträume für mich bleiben (vielleicht zeigen EVA oder Zeughauskino sie auch einmal in Berlin). Ich möchte hier trotzdem ein paar Tipps einstellen – vielleicht passen die Termine ja dem einen oder anderen Mitleser aus Hessen und Umgebung. Krimitechnisch gibt allein der September Folgendes her:

03.09., 15:30 Uhr, und 13.09., 18:00 Uhr: Verdacht auf Ursula (1939)
mit Luli Hohenberg, Anneliese Uhlig, Viktor Staal, Heinz von Cleve, Fritz Kampers u.a. Regie: Karlheinz Martin – Als die Leiche des Sägewerksbesitzers Ramin gefunden wird, sieht sich Kommissar Weigelt bei den Ermittlungen einer Reihe von Verdächtigen gegenüber.

13.09., 15:30 Uhr, und 17.09., 13:30 Uhr: Die Nacht der Zwölf (1944/48)
mit Ferdinand Marian, Elsa Wagner, Dagny Servaes, Mady Rahl, Rudolf Fernau u.a. Regie: Hans Schweikart – Der gewissenlose Hochstapler und Heiratsschwindler Leo Lanski hat dank seines charmanten Auftretens schon viele Frauen um ihr Geld gebracht. Nun plant Lanski einen ganz großen Coup. Aber Kriminalrat Rohrbach ist ihm bereits auf den Fersen ...

24.09., 13:30 Uhr, und 27.09., 18:00 Uhr: Kriminalkommissar Eyck (1939/40)
mit Anneliese Uhlig, Paul Klinger, Herbert Wilk, Hans-Joachim Büttner, Alexander Engel u.a. Regie: Milo Harbich – Ein Schuss hinter verschlossenen Hoteltüren schreckt Kommissar Eyck jäh aus seiner Entspannung im Wintersporturlaub. Er beginnt umgehend mit den Ermittlungen, verliebt sich dabei aber in die Sängerin und Zeugin Barbara, was den ganzen Fall gefährdet.

24.09., 15:30 Uhr: Ruf an das Gewissen (1944/45)
mit Karl Ludwig Diehl, Werner Hinz, Gustav Diessl, Käthe Haack, Marina von Ditmar u.a. Regie: Karl Anton – Volkmar Hölberg ist ein erfolgreicher Autor von Kriminalhörspielen, doch von der jüngsten Idee für ein Stück, die ihm sein Freund Husfeld unterbreitet, ist er nicht begeistert. Husfeld, ein Kriminalbeamter, will, dass Hölberg einen realen, zehn Jahre zurückliegenden Mordfall an einer Sängerin aufbereitet.

Nur „Kriminalkommissar Eyck“ ist im Rahmen der „Brüche und Kontinuitäten“-Reihe auch auf DVD erhältlich. Die anderen Aufführungen wären ziemlich einmalige Gelegenheiten für Interessierte.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

17.09.2017 21:05
#70 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten



Gleisdreieck (Alarm auf Gleis B / Männer im Dunkel)

Kriminalfilm, D 1936. Regie: Robert A. Stemmle. Drehbuch: Rolf E. Vanloo, Robert A. Stemmle (Buchvorlage: Rolf E. Vanloo). Mit: Gustav Fröhlich (U-Bahnfahrdienstleiter Hans Scheffler), Heli Finkenzeller (Gerda Volkmann), Paul Hoffmann (Max Volkmann), Otto Wernicke (Aufsichtsbeamter Scheffler), Hilde Sessak (Lotte Krüger), Fritz Genschow (Zugbegleiter Fritz Buchholz), Toni von Bukovics (Frau Scheffler), Eduard Wenck (Gehrke, entlassener U-Bahner), Albert Hörrmann (Ganove Hobby), Oscar Sabo (Taxifahrer) u.a. Uraufführung: 27. Januar 1937. Eine Produktion der Fabrikation deutscher Filme und der Ufa-Filmkunst GmbH.

Zitat von Gleisdreieck
Fahrdienstleiter Hans Scheffler rettet im letzten Moment die Modistin Gerda Volkmann, die sich aus Kummer über die Verhaftung ihres Bruders am U-Bahnhof Gleisdreieck vor einen Zug zu stürzen versucht. Aus der Bekanntschaft erwächst bald eine innige Zuneigung, doch Hansʼ Vater will die Beziehung der jungen Leute nicht dulden. Als Gerdas Bruder Max – mittlerweile wieder aus dem Gefängnis entlassen – einen Geldbetrag entwendet, den Hans für seinen Verein aufbewahren soll, geraten die Liebenden in eine verzweifelte Situation, in der sie sich erpressbar machen. Werden sie soweit gehen, den Einbruch in eine Bank zu unterstützen?


Wie in einem Stummfilm fängt Robert A. Stemmle das emsige Geschehen auf dem Umsteigebahnhof Gleisdreieck der Berliner U-Bahn ein. Züge fahren auf zwei Ebenen ein, spucken Menschen aus und nehmen neue auf, werden abgefertigt, fahren wieder aus. Eilige Passagiere, beflissene Bahnbeamte, wartende Verkäuferinnen und die eine oder andere lichtscheue Gestalt bestimmen das nostalgisch-gemütliche Bild, bis der Zwischenfall – der versuchte Selbstmord vor dem Zug – alle Anwesenden aufschrecken und entweder innehalten oder beherzt zur Hilfe eilen lässt. Stark konzentriert sich Stemmle darauf, die Verzweiflung von Gerda Volkmann in ihren Gesichtszügen und die eingespielte Maschinerie der U-Bahner allein aus den Betriebsabläufen heraus kenntlich zu machen, ohne ein Wort dabei zu verlieren. Auch später im Film wird sich seine Spielleitung noch zuvorderst durch das Heraufbeschwören von Stimmungen mithilfe der Gefühlsregungen der Protagonisten oder durch elaborate Ausleuchtung (Alternativtitel: „Männer im Dunkel“) auszeichnen.

Zunächst steht die Romanze zwischen Hans und Gerda im Mittelpunkt. Gustav Fröhlich und Heli Finkenzeller sammeln hier unzählige Sympathiepunkte – insbesondere dann, wenn sie gegen ihre übermächtig erscheinenden Gegner – den von Paul Hoffmann mit düsterer Gerissenheit gespielten „bösen Bruder“ oder den gestrengen Vater vom Typ preußischer Beamter (eine Idealrolle für Otto Wernicke) – anspielen müssen. Effektiv bringt die Geschichte, die auf der gleichnamigen Novelle von Rolf E. Vanloo basiert, die Protagonisten in die Situation, zwischen Herz und Kopf entscheiden zu müssen, was in immer wieder neue Verwicklungen, die schließlich auch kriminelle Konsequenzen nach sich ziehen, mündet. Die Spirale weitet sich geschickt von einfachem Diebstahl über Bankraub bis hin zu einer hochspannenden Konfrontation der Konfliktparteien im nächtlichen U-Bahnschacht auf.

Zitat von Manfred Hobsch. Film im „Dritten Reich“. Alle deutschen Spielfilme von 1933 bis 1945. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2010. Band 2, S. 318
Durch differenzierte Motivierung der Figuren und die realistische Darstellung des optisch ergiebigen Arbeitsbereichs U-Bahn fasziniert diese Milieustudie, die als Kriminalfilm daherkommt. Stemmles Bemühen, das übliche Klischieren der Protagonisten zu vermeiden, kam stets seinen Schauspielern zugute, wie die überzeugende Rollengestaltung Gustav Fröhlichs und Heli Finkenzellers zeigt.


Der Film ist zu gleichen Teilen ein Zeitfilm, ein Gesellschaftsdrama und ein Großstadtabenteuer, das es schafft, eine dokumentarische Seite (die Produktion markiert den zehnten Jahrestag der Umgestaltung des Bahnhofes im Zuge des Baus der Entlastungsstrecke) mit dramatischen Qualitäten zu verbinden. Damit deckt die Ufa mit „Gleisdreieck“ alles ab, was Besucher in die Kinos lockt. Einerseits erscheint der Film, gerade im Handwerklichen, alles andere als anspruchslos – man denke nur an die Aussprache zwischen Gerda und Max nach dessen Entlassung aus dem Gefängnis, an die beklemmenden Echtzeit-Szenen von der versuchten Versöhnung zwischen Gerda und Vater Scheffler über den Gelddiebstahl bis hin zu Hans’ vorwurfsvollen Worten oder an das hochatmosphärische Setting, das sich Stemmle in den Tunneln am Ende bot). Andererseits wird „Gleisdreieck“ seinen Zuschauern vor allem durch seine wohlig unterhaltsame Machart im Gedächtnis bleiben, bei der ein Rädchen ins andere greift wie bei einem guten U-Bahnbetrieb.

Berliner Lokalkolorit in Schauplatz, Sprache und Mentalität kombiniert „Gleisdreieck“ mit Herzeleid und den Schrecken krimineller Energie. Aufgrund der wirklich exzellenten Schauspielerleistungen bereitet das Ankämpfen der jungen Davids gegen den Goliath in ihrer jeweiligen Familie immenses Vergnügen. 5 von 5 Punkten.

lasher1965 Offline




Beiträge: 419

22.09.2017 11:59
#71 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #28
Die Dürerin wuchs in Köln auf, erhielt ihr erstes Theaterengagement jedoch in Berlin unter Max Reinhardt. Sie kam schnell zum Film, wo sie die Umstellung von der Stumm- zur Tonproduktion hautnah miterlebte.

Als jemand, der neun Jahre in Düren zur Schule gegangen ist, erlaube ich mir den Hinweis, dass Sybille Schmitz natürlich keine "Dürerin", sondern eine Dürenerin war.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

22.09.2017 16:03
#72 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

Ist mir durchgerutscht und schon korrigiert. Sorry!

Gibt es vor Ort in Düren eine Erinnerung an Sybille Schmitz, z.B. eine Gedenktafel?

lasher1965 Offline




Beiträge: 419

22.09.2017 16:55
#73 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

Gute Frage. Düren wurde am 16. November 1944 dem Erdboden gleich gemacht, das Geburtshaus ist dem wohl zum Opfer gefallen. Auf dieser Seite ist gleich oben ein Foto des Geburtshauses:

http://sybilleschmitz.beepworld.de/privat.htm

Das Geburtshaus befand sich nach meinen Ermittlungen gegenüber "Courtenbachshof", der schon auf einem alten Dürener Stadtplan eingezeichnet ist:

https://de.wikipedia.org/wiki/Courtenbac...e:Plan_1634.jpg

Courtenbachshof gibt es auch nicht mehr, allerdings nicht durch Kriegseinwirkung: Im Januar 1981 wurde der Hof, der als letzter landwirtschaftlicher Betrieb innerhalb der Altstadt stand, abgebrochen und durch Wohnbauten ersetzt.

Ich gucke gerne bei meinem nächsten Besuch in Düren einmal nach, ob an der Stelle des Geburtshauses vielleicht eine Tafel angebracht ist. Veranstaltungen, in denen an Sybille Schmitz erinnert wurde, gab es in den letzten Jahren mehrere in Düren.

lasher1965 Offline




Beiträge: 419

23.09.2017 23:05
#74 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

Ich muss mich korrigieren: Das Geburtshaus von Sybille Schmitz in Düren lag nicht gegenüber Courtenbachshof, sondern gegenüber der Villa Hoesch, die sich ebenfalls in der Oberstraße befand, allerdings etwas näher zur Innenstadt hin. Da war ich leider einer Falschinformation aufgesessen. Sorry.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

08.10.2017 11:40
#75 RE: Der deutsche Kriminalfilm vor 1945 Zitat · Antworten

Gestern gesehen:

PARKSTRASSE 13
Deutschland 1939

Mit Olga Tschechowa, Hilde Hildebrand, Ivan Petrovich, Theodor Loos, Alexander Engel, Kurt Vespermann, Rudolf Klein-Rogge, Hermann Pfeiffer

Drehbuch: Erwin Kreker
nach dem Theaterstück von Axel Ivers
Kamera: Eduard Hoesch
Musik: Fritz Wenneis
Regie: Jürgen von Alten

Ein Whodunit-Krimi mit vielen Verdächtigen, der sich in der Berliner Parkstraße 13 abspielt. Handlungsort ist eine mondäne Villa, in der ein Fest gegeben wird. Es kommt zu einem Mord und die Ermittlungen beginnen unmittelbar (daher auch der Untertitel Verhör um Mitternacht). Es gibt viele Verdächtige und was mir besonders gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass der Täter erst in den letzten 30 Sekunden entlarvt wird. Sehr schön auch die Bilder des nächtlichen Berlins unmittelbar vor dem Kriegsausbruch.

"Filmwelt", das Film- und Foto-Magazin, schrieb in seiner Ausgabe 19 vom 12.05.1939: "'Parkstraße 13' nach Axel Ivers' erfolgreichem und oft gespieltem Theaterstück für den Film bearbeitet, ist ein handfester Reißer geworden, der uns eine seltsame Abendgesellschaft in einem geheimnisvollen Haus schildert. Hier sind sie, mit verschwindend geringen Ausnahmen, alle verdächtig. Ein ausgekochter Kriminalromanleser, der die Technik kennt, wird vielleicht schon sehr früh deswegen auf den richtigen Täter tippen, weil er genau weiß, welche es nach altem und bewährtem Brauch nicht gewesen sind, und während er so einen nach dem anderen ausscheidet, bleibt dann nur noch einer übrig. [...]"

Das Kriminalstück von Axel Ivers scheint ziemlich erfolgreich, beliebt und bekannt gewesen zu sein. Denn auch im Nachkriegsdeutschland entstanden noch zwei weitere Adaptionen des Stoffes:

  1. Parkstraße 13. Ein TV-Vierteiler des WDR aus dem Jahre 1960, Regie: Rolf Hädrich, mit Gisela Trowe, Hilde Sessack, Peter Schütte, Siegfried Schürenberg, Konrad Georg, Hermann Lenschau, Konrad Mayerhoff, Ralf Wolter. - Das Material war verschollen, ist aber wieder aufgetaucht und wurde digitalisiert.
  2. Parkstraße 13. Ein TV-Krimi des Deutschen Fernsehfunks aus dem Jahre 1965, Regie: Werner Schulz-Wittan, mit Irma Münch, Erich S. Klein, Peter Sturm, Marion van de Kamp, Norbert Christian, Christoph Engel, Gerhard Lau, Dieter Franke. - Hier ist das Filmmaterial laut DRA leider verschollen, nur noch das Drehbuch (Fernsehbearbeitung: Aenne Keller) ist vorhanden.

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