Da ich Durbridges Originaldrehbuch nicht kenne, Harry Brent aber im Buch und in der italienischen Fassung stirbt, nehme ich an, dass für Deutschland eine "Soft"-Version geschrieben wurde. Auch in der italienischen Fassung bahnt sich zwischen dem Inspektor und seiner Ex wieder etwas an, sinngemäß sagt der Inspektor zu ihr, die im Auto sitzt: "Ich rufe dich an" und sie sagt: "Ja, ruf mich an, in ein paar Tagen".
Jetzt zur italienischen Verfilmung "UN CERTO HARRY BRENT". Gedreht 1970 in schwarz/weiß an Originalschauplätzen in England. Ausgestrahlt im November 1970 in sechs 60minütigen Folgen auf Rai. Regie: Leonardo Caprese Bearbeitung: Biago Proietti Übersetzung: Francesca Cancogni Produktion: Franco Gambarotta. Wie alle Durbridge-Mehrteiler in Italien mit einem sehr schönen Titelsong, hier "Un amico" (dt. "Ein Freund" von Donovan), der im Abspann zu hören ist, im Vorspann ist ein anderes Lied zu hören. Die Rollennamen wurden auch geändert, teilweise sind sie wie bei Durbidge im Buch:
Harry Brent: Alberto Lupo Alan Milton: Robert Herlitzka (Dt.: James Wallace) Albert Bates: Carlo Hintermann (Dt. George Conway) Susan Bates: Claudia Giannotti (Dt. Jane Conway) Vera Stone: Marzia Ubaldi (Dt. Phyllis Brother) Peter Stone: Ferruccio de Ceresa (Dt. William Brother) Roy Philips: Enzo Garinei Barbara Smith: Stefanella Giovannini Sam Fielding: Carlo Bagno Reg Bryer: Ennio Balbo
Da im Vorspann die Schauspieler mit ihren Rollennamen genannt werden, kann ich hier einige Screenshots zum Vergleich mit den deutschen Schauspielern posten. Interessant ist, dass einige Rollen ganz anders besetzt wurden:
Harry Brent wird als hochgewachsener junger Mann beschrieben, der sich gern die Zeit damit vertrieb, über Herkunft und Beruf der Menschen zu rätseln, die ihm zum erstenmal begegneten. Er hatte jene Art von Gedächtnis entwickelt, das automatisch jede Einzelheit seiner Wahrnehmung aufzeichnet und im Gehirn speichert, bis sie gebraucht wird.
Eric Vyner (alias George Conway) war Anfang Vierzig, man sah ihm sofort an, dass er mit Traktoren, Vieh und Feldern zu tun hatte.
Sam Fielding war ein stets gut gelaunter, wenn es um Geschäfte ging, hartgesottener Mann Mitte Fünfzig. Er war breitschultrig und muskulös und nur sein graues Haar verriet sein Alter. Eine vor vierzig Jahren gebrochene und schlecht eingerichtete Nase verlieh seinem Gesicht eine eigene Note. Seine Frau war früh gestorben. Er hatte nie zugelassen, dass sich Carol Vyner (alias Jane Conway) über seine wahren Gefühle klar wurde. Es tat im gut, dass sie ihn als wohlwollenden Beschützer betrachtete, beinahe als Vaterfigur, und er tarnte seine geheime Sehnsucht durch Heiterkeit und Humor.
Kriminalinspektor Alan Milton (alias James Wallace) war ein ernsthaft, etwas phantasielos aussehender Mann Anfang Dreißig, auf ziemlich konventionelle Weise gut aussehend, der erst mit einiger Überwindung lächelte oder seine Förmlichkeit ablegte. Er besaß einen präzisen, methodischen Verstand und hielt sein Büro pedantisch sauber. Von Vyner und Fielding wird er als "selbstgerecht und hochmütig" bezeichnet. An anderer Stelle heißt er, dass er Carol immer noch "wie zu Beginn liebte".
Kriminalsergeant Roy Philipps war älter als der Inspektor, neigte zur Beleibtheit und zeigte Ansätze einer Glatze. Seit er sich vor ein paar Jahren beim Hochwuchten eines Autos - er wollte einem verletzten Fahrer helfen - einen Bruch gehoben hatte, war er in seinen Bewegungen langsam und schwerfällig geworden.
Eric Vyners Landgut Becklehurst wir als schöner grauer Steinbau aus georgianischer Zeit, der durch die Witterung eine freundliche Farbe erhalten hatte, beschrieben. Er war als Wohnsitz eines Landedelmannes gedacht gewesen, mit großen Räumen, eleganten Türen und Fenstern und sorgfältig gepflegten Rasenflächen. Eric Vyner hatte es weitsichtig mit schönen Antiquitäten ausgestattet, bevor die Preise ins Unermessliche zu steigen begannen.
Ich versuche hiermit einmal, Gubanovs Abneigung gegen den Dreiteiler auf den Grund zu gehen. Er beklagt vor allem die teilweise fehlende Spannung und die Flüchtigkeit, mit der Erklärungen abgegeben werden. Meines Erachtens verspielt Harry Brent seine letzten Sympathien, als er Jane Conway in der Wohnung von Jacqueline Dawson einsperrt. Das Vortäuschen ihres Todes (durch Selbstmord) durch das Deponieren ihrer Schuhe und Handtasche an der Themse; Janes Flucht aus der Wohnung mit anschließender verzweifelter Rückkehr und seine Gespräche mit Wallace machen Brent zu einem Mann, der einem Schauspieler wie Günther Ungeheuer gut zu Gesicht steht. Er ist kaltblütig genug, um alle Anweisungen auszuführen und beweist in seinen Gesprächen mit Sir Gordon Towns und Insp. Wallace, wie wichtig ihm sein Auftrag ist. Einen großen Fehler beging man allerdings mit der Verfolgungsjagd im Mittelteil. Kevin Jason - im Grunde ein kleiner Fisch - wird zuviel Zeit eingeräumt. Seine Flucht aus der Polizeistation und die Schießerei im Hof des abbruchreifen Hauses lassen den Zuseher kalt, da sich daran nur die Handlanger des unbekannten Haupttäters beteiligen.
SPOILER
William Brother ist ein schwacher Drahtzieher der Verbrechen. Sein Darsteller Gert Haucke ist schwer- fällig und gerade darin liegt vermutlich der Grund für die nachlassende Begeisterung Gubanovs. Ich selbst mag die ersten beiden Teile sehr, habe aber immer noch Schwierigkeiten mit dem dritten Teil. Ein starker Schurke ist für den Erfolg eines Kriminalstückes unumgänglich. Dies zeigt sich bereits bei "Es ist soweit", wo wir mit Peter Pasetti einen gewandten und intelligenten Verbrecher haben. Die Erläuterungen des Mordmotivs von Barbara Smith werden während einer rasanten Autofahrt in der Innenstadt gegeben, was mir zu beiläufig und wenig überzeugend scheint. Immerhin wird der Person von Barbara Smith in den ersten beiden Teilen eine große Bedeutung beigemessen. Man hätte diesen Punkt deshalb genauer beleuchten sollen. Auch die geheimnisvolle Rolle von George Conway, der ein Verhältnis mit Mrs. Brother hatte, hätte näher beleuchtet werden sollen. In Anbetracht der Tatsache, dass Harry Brent im Roman stirbt und auch in der italienischen Verfilmung seinen Verletzungen erliegt, fühlt der Zuseher am Ende mit Insp. Wallace, der sich Hoffnungen auf eine Wiederaufnahme seiner Beziehung zu Jane macht. Hier zeigt sich erneut, dass Joachim Fuchsberger nicht der richtige Darsteller für die Rolle des Harry Brent gewesen wäre. Das Publikum hätte IHM nämlich die Versöhnung mit Jane Conway gegönnt. Im Fall Ungeheuers sympathisiert man mit Ehrlich, der sich während des gesamten Dreiteilers mehr um Grothum gesorgt hat. Die letzten Szenen im Krankenhaus, als Ehrlich mit einer Tüte Süßigkeiten zurückbleibt, lassen auch den Zuschauer mit Wehmut zurück.
Gubanov
(
gelöscht
)
Beiträge:
18.01.2009 13:33
#20 RE: Bewertet: Francis Durbridge - Ein Mann namens Harry Brent (8)
Zitat von Percy ListerHier zeigt sich erneut, dass Joachim Fuchsberger nicht der richtige Darsteller für die Rolle des Harry Brent gewesen wäre. Das Publikum hätte IHM nämlich die Versöhnung mit Jane Conway gegönnt.
Hier zeigt sich erneut das Gegenteil. Wenn man schon den Schluss so radikal umschreibt, dann sollte diesem Punkt auch in der Besetzung Rechnung getragen werden. Für mich abermals ein Beweis für die Inkonsequenz dieses Mehrteilers.
Es soll doch ein bitterer Beigeschmack bei dem angeblichen glücklichen Ende für das Paar Conway-Brent sein. Eben die Tatsache, dass das Publikum auf der Seite des fleißigen Kriminalbeamten steht, der mit offenen Karten spielt und nicht auf der Seite des Agenten, der selbst seine künftige Frau belügt.
Auch meines Erachtens wäre die Besetzung mit einem wie auch immer gearteten Everybody's Darling schwer nach hinten losgegangen. Der Dreiteiler lebt ja geradezu davon, den Zuschauer bis zum Schluss im Unklaren über die wahren Motive Brents zu lassen. Wäre die Titelfigur mit Fuchsberger besetzt worden, so hätte es vermutlich zwei unterschiedliche, jedoch schlussendlich doch vergleichbare Szenarien gegeben:
1.) Der eine Teil der Zuschauer hätte Fuchsberger sofort in die Schublade des "Good Guy" gesetzt und die Spannung um seine Figur wäre zum Teufel gewesen. Meines Wissens gibt es nur einen einzigen Film aus den Anfangsjahren seiner Karriere (wenn ich nicht irre mit Hans Albers), in dem Fuchsberger einen negativen Charakter darstellt. Die kompletten 60er Jahre jedoch sind geprägt durch seine beinahe aalglatt positiven Rollen. Da gibt es keine einzige Ausnahme.
2.) Der andere Teil der Zuschauer hätte ihm evtl. die zwielichtige Figur abgekauft und sich über die Veränderung gefreut. Spätestens im dritten Teil jedoch wäre diese Gruppe bitter enttäuscht worden, da Fuchsberger doch wieder seinem Rollenschema entsprechend den Hüter von Gesetz und Ordnung gibt und somit wieder in die ihm eigene Schublade passt. Da wäre sich der eine oder andere Zuschauer ggf. doch veräppelt vorgekommen.
Ganz davon abgesehen, dass ich der Meinung bin, Gruppe 1.) wäre deutlich in der Überzahl gewesen, ist die Auswahl Günther Ungeheuers m.E. schon gelungen. Evtl. wäre ein noch neutralerer Darsteller wünschenswert gewesen, da Ungeheuers Rollenfach prinzipiell doch eher negativ war.
Zitat von JanAuch meines Erachtens wäre die Besetzung mit einem wie auch immer gearteten Everybody's Darling schwer nach hinten losgegangen. Der Dreiteiler lebt ja geradezu davon, den Zuschauer bis zum Schluss im Unklaren über die wahren Motive Brents zu lassen. Wäre die Titelfigur mit Fuchsberger besetzt worden, so hätte es vermutlich zwei unterschiedliche, jedoch schlussendlich doch vergleichbare Szenarien gegeben:
1.) Der eine Teil der Zuschauer hätte Fuchsberger sofort in die Schublade des "Good Guy" gesetzt und die Spannung um seine Figur wäre zum Teufel gewesen. Meines Wissens gibt es nur einen einzigen Film aus den Anfangsjahren seiner Karriere (wenn ich nicht irre mit Hans Albers), in dem Fuchsberger einen negativen Charakter darstellt. Die kompletten 60er Jahre jedoch sind geprägt durch seine beinahe aalglatt positiven Rollen. Da gibt es keine einzige Ausnahme.
2.) Der andere Teil der Zuschauer hätte ihm evtl. die zwielichtige Figur abgekauft und sich über die Veränderung gefreut. Spätestens im dritten Teil jedoch wäre diese Gruppe bitter enttäuscht worden, da Fuchsberger doch wieder seinem Rollenschema entsprechend den Hüter von Gesetz und Ordnung gibt und somit wieder in die ihm eigene Schublade passt. Da wäre sich der eine oder andere Zuschauer ggf. doch veräppelt vorgekommen.
Ganz davon abgesehen, dass ich der Meinung bin, Gruppe 1.) wäre deutlich in der Überzahl gewesen, ist die Auswahl Günther Ungeheuers m.E. schon gelungen. Evtl. wäre ein noch neutralerer Darsteller wünschenswert gewesen, da Ungeheuers Rollenfach prinzipiell doch eher negativ war.
Gruß Jan
Hallo Jan, Fuchsberger hatte in seinen Verträgen immer den Vermerk, dass die Rolle nicht negativ sein darf - hätte man ihm eh' nicht abgekauft. Gestorben ist er ja öfters. Wenn ich mich recht erinnere war die Rolle in SCHREI IN DER NACHT zumindest zwiespältig. Persönlich mag ich EIN MANN NAMENS HARRY BRENT vor allem wegen der Besetzung. Werde mal bei Gelegenheit nachlesen wie das Ende im O-Drehbbuch war. Persönlich wäre in meinen Augen ein Darsteller wie Horst Frank, Horst Tappert oder Harald Leipnitz als Harry Brent auch denkbar gewesen.
Zitat von Joachim Kramp Persönlich wäre in meinen Augen ein Darsteller wie Horst Frank, Horst Tappert oder Harald Leipnitz als Harry Brent auch denkbar gewesen.
Horst Frank wäre richtig interessant gewesen. Auch Harald Leipnitz. Tappert hätte man wahrscheinlich die Beziehung zur adretten Brigitte Grothum nicht abgenommen.
Auch ich hatte früher immer einen anderen möglichen Darsteller im Kopf und zwar Hanns Lothar. Einer meiner absoluten Lieblinge. Leider kurz vor Start der Dreharbeiten schon gestorben.
Habe gerade Günther Ungeheuer in einer Graf-Yoster-Episode wiedergesehen, in der er einen zwielichtigen Diener spielt und muss sagen, dass kein anderer die Rolle des Harry Brent so eiskalt und unberechenbar spielen hätte können wie er. Ungeheuer hatte genau das nötige "eiskalte" Image. Fuchsberger wäre da wohl die allerschlimmste Fehlbesetzung gewesenm, die eventuell nur noch durch die Besetzung von Harry Brent mit Peter Alexander übertroffen worden wäre. Man darf bei der Besetzung eben nicht immer nur auf Namen schauen, sondern schon auch auf die Charaktere. Im Übrigen habe ich auch gerade ein Fernsehspiel von 1966 von Peter Beauvais gesehen, in dem Verhoeven, Erlandsen, Dautzenberg mitspielen, somit dürften diese Personen wohl direkt von Beauvais vorgeschlagen worden und besetzt worden sein.
Beauvais war einer der gefragtesten TV-Regisseure seiner Zeit. Er verstand es, ernste Stoffe(Literaturverfilmungen) gekonnt umzusetzen, so etwa "Bernhard Lichtenberg" (1966) mit Klausjürgen Wussow, Paul Verhoeven, Paul Edwin Roth oder "Gespenster" (1966) nach Henrik Ibsen mit Martin Benrath, Martin Held, Karin Baal, Rudolf Platte (Produktion beider: Helmut Ringelmann). Alle seine Filme waren hochkarätig besetzt (später dann meist mit seiner Ehefrau Sabine Sinjen). Ich habe schon mehrere Darstellerportraits gesehen, in denen die Schauspieler alle in den höchsten Tönen von Beauvais und seiner Art zu inszenieren sprachen. Leider sind viele seiner Werke - weil TV-Filme - nicht zugänglich, aber so mancher deutscher (Kino-)Tsching-Bumm-Regisseur hätte sich ein Beispiel an seiner Arbeit nehmen können. Die Besetzung im HARRY BRENT finde ich erstklassig durchgeplant - und mich würde mal interessieren, was das genau für Schwierigkeiten waren, von denen JOachim über die Dreharbeiten berichtet hat.