Ich bin noch nicht ganz durch mit "Valentine" (mit der Arbeit und kleinem Kind zuhause fehlt oft leider die Zeit), muss aber schon jetzt ein stückweit Abbitte leisten.
Fand ich den Beginn noch sehr holprig (vielleicht auch, weil eine Szene ohne Temple und Steve als Einstieg ungewohnt war), besserte es sich schnell und ich hatte mich nach spätestens zwei Folgen an die Stimmen gewöhnt.
Abseits der Titelmusik (die ich nach wie vor zu penetrant finde - was sich noch verstärkt, weil man sie jede halbe Stunde wieder auf's Ohr gedrückt bekommt) finde ich die musikalische Untermalung äußerst gelungen und stimmungsvoll. Die Instrumentierung und Produktion wirkt auch wesentlich geschmackvoller und weniger synthetisch als die Eröffnung befürchten lässt. Da nehme ich meinen anfänglichen Vergleich zu Maritim und Co gern zurück. Nur das Lied mit Gesang, was in einer Spelunke im Hintergrund spielt, wirkte mir etwas zu modern, aber das ist eine Kleinigkeit.
Auch das Sounddesign ist weit besser, als die Teaser vermuten ließen, allerdings fehlen mir hier und da weiterhin ein paar Geräusche um es wirklich "lebendig" zu machen und auf der anderen Seite gibt es aus meiner Sicht unglückliche Entscheidungen (das "Zerplatzen" der Selbstmörderin zu Beginn oder später der Fund eines Messers, der mit "Matsch"-Geräuschen vermittelt wird), die leider sehr trashig wirken und vor allem unnötig sind. Es führt außerdem zu Brüchen, weil inhaltlich doch Alles sehr altmodisch ist (Wen schockiert das Thema Drogenhandel denn noch? Die Beziehung von Paul und Steve ist abseits kleiner Anspielungen auch sehr zahm), aber dann solche modernen (oder doch eher 80er?) "Splatterffekte" hereinplatzen.
Die Besetzung ist im Großen und Ganzen Klasse - gerade Nebenrollen sind passend und markant besetzt. Die neue Steve macht ihre Sache besonders gut, auch mit Sir Graham werde ich (trotz einiger Lispler, gerade zu Beginn "Daff ift ein Fall für Paul Temple") schnell warm. Charlie ist nahe am Original, aber das muss ja nicht schlecht sein. Paul Temple selbst ist mir leider sehr unsympathisch, wie er angelegt, bzw. gespielt wird. Teils ist das sicherlich inhaltlicher Natur, dass man seine "Britishness" mehr betonen wollte, teils beabsichtigtes "als erfolreicher Krimiautor Über den Dingen stehen", oft aber eben leider in meinen Augen unsympathisch. Das war bei Deltgen auch manchmal so, aber mit mehr akustischem Augenzwinkern gespielt. Dort hatte er auch mehr "weiche" Seiten oder machte Fehler, bzw. zeigte Schwächen, den Eindruck hat man hier eigentlich nie.
An der Umsetzung habe ich also im Großen und Ganzen weniger auszusetzen, als nach den ersten Teasern. Ich würde mir nach wie vor wünschen, dass die Sprecher Entfernungen und Bewegungen auch mal im Bezug auf den Mikrofonstandpunkt wirklich spielen und nicht nur über Pegel und EQ gearbeitet wird, aber das wäre vielleicht ja zukünftig möglich? Aber Timing und Rhythmus funktionieren doch sehr gut und es gibt Atempausen, was mich sehr beruhigt. Folge 4 hörte ich laut im Arbeitszimmer, als meine Freundin auch zwischendurch mal an ihrem Schreibtisch saß und ihr Kommentar war "Oh, da hört man schon, dass das eine aufwändige, hochwertige Produktion ist" ohne zu wissen, was ich da gerade höre. Wie gesagt, für die meisten Ohren werden meine Kritikpunkte nicht ins Gewicht fallen. Und ich muss mittlerweile auch sagen, dass das Alles sehr kompetent gemacht ist. Definitiv qualitativ über dem anzusiedeln, was andere (kleine) Privatlabels auf die Beine stellen.
Mein Zwischenfazit fällt also durchaus positiv aus. Das Ganze lässt sich kurzweilig hören, vielleicht legt sich mein Gefühl gegenüber dem "neuen Paul Temple" auch noch. Inhaltlich gibt es ein paar Einschränkungen, die teils aber wohl bereits auf Durbridge zurückgehen: Gerade die Einstiegsszene als Ganzes dient offenkundig nur als möglichst eindrucksvoller Start (viele Stimmen, dramatische Situation), erzählt im Grunde aber Nichts, was der Zuhörer nicht ohnehin anschließend durch die typische "Sir Graham sucht die Temples auf und erzählt, was Scotland Yard gerade in Atem hält"-Szene vermittelt bekommt. Es bricht vor allem mit der grundlegenden Erzählweise, dass wir im Grunde immer nur bei Paul und Steve sind. War das bei Durbridge schon im Skript so oder wurde hier "ausgeschmückt"? Auch wird einmal mehr deutlich, dass Durbridge immer wieder mit den selben bzw. ähnlichen Situationen, Figuren und Abläufen hantiert. Es ist in soweit schon ein so bekannter Ablauf, dass Sir Graham nicht einmal mehr begründen muss, warum er eine riesige Verbrechenswelle befürchtet. Es ist ein geheimnisvoller Hintermann aktiv, das muss für den Zuhörer genügen.
Meine Liebe zu Durbridge ist im Laufe der Jahre etwas erloschen - die Mehrteiler nach "Melissa" habe ich bis heute nicht gesehen und auch die alten Temples höre ich eher selten, weil sich mir da zu viel wiederholt und ich im Grunde nur die Sprecher gern höre. Der Humor ist bei "Gestatten, mein Name ist Cox" stärker, die Abwechslung und Qualität der Fälle aus meiner Sicht bei Lester Powells "Dame"-Hörspielen höher. Gerade letztere höre ich noch immer recht häufig. So gelingt es auch "Valentine" nicht so etwas wie "Begeisterung" bei mir auszulösen. Auch die "neuen" Elemente, wie etwas mehr "Kribbeln" zwischen Paul und Steve ändern daran nicht viel - auch das hat bei Lester Powell schon in den 50ern besser funktioniert, bzw. wirkte seltsamerweise sogar moderner und frecher. Aber kurzweilig ist der "neue alte Temple", wie gesagt und auch die weiteren Fälle werde ich wahrscheinlich hören. Der angekündigte "Fall McRoy" ist mit 70 Minuten ja auch mal etwas Anderes.
Dass Pidax mit dem Fall Valentine startet, ergibt natürlich in sofern Sinn, weil so quasi die anfängliche Lücke in der alten NWDR-Reihe geschlossen wird - handelt es sich doch um den Stoff, der dem möglicherweise ersten und leider verschollenen Temple-Mehrteiler "Ein Fall für Paul Temple" zu Grunde lag. Allerdings war der Stoff ja bei der BBC bereits einer der etwas späteren Fälle - so eint ihn mit "Paul Temple und der Fall Curzon", dem ersten heute verfügbaren Deltgen-Temple, dass Sir Graham, Paul, Steve und andere ständig die Namen von vorigen Fällen erwähnen, die der Hörer jedoch noch nicht kennt (/kennen kann). Insofern freue ich mich, wenn auch diese Fälle noch deutschsprachig das Licht der Welt erblicken - "Dr. Belasco" beispielsweise. Wenn dann noch die Kleinigkeiten beim Sounddesign verbessert werden und man etwas mutiger mit Mikrofonierung, bzw. Bewegungen vom Sprecherpult weg arbeitet, hat man mir nach anfänglichem Grundumschlag jeden Wind aus den Segeln genommen.
Danke vielmals für die ausführliche Rückmeldung, auf die ich noch näher eingehen werde. Nur soviel: Interessanterweise war die Eröffnungsszene mit der Frau, die vom Dach springt, dem Reporter und der Szene in der Leichenhalle genau so im Originalskript. Ungewöhnlich für Durbridge, in der Tat!
Ich habe mir das Hörspiel angehört und es hat mir soweit sehr gut gefallen. Von der Handlung sind die alle was ähnlich, hab schon auf den Angriff auf das Auto der Temples gewartet. Oder auch das mit dem einsamen Haus, das die Temples oft erkunden. Ohne jetzt zu spoilern, ob die beiden Sachen auch wirklich vorkommen. Es ist schon was länger her, das ich die 12 Hörspiele da mal gehört habe. Zuletzt im Radio noch das von Bastian Pastewka. Natürlich die Geschichte total aus der Zeit gefallen. Aber wem das gefällt, bekommt das, was er erwartet. Man kann froh sein, das das vertont wird und es gibt sicherlich noch genug Fans. Freu mich schon auf die anderen.
PAUL TEMPLE UND DER FALL McROY - Dieser Fall war bisher überhaupt noch nie auf Deutsch zu hören und auch die englische Version der BBC ist verschollen.
Hier die Prätitelsequenz des ungewöhnlichen Abenteuers:
Außerdem ist auch der komplette Soundtrack von Antonio Fernandes Lopes zum Fall Valentine bei allen gängigen Plattformen zu hören, so auch hier: