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Dieses Thema hat 52 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
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Gubanov ( gelöscht )
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07.12.2016 17:15
#46 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



Staffel 6: The Memoirs of Sherlock Holmes (1994)

Nach den Langfilmen „The Last Vampyre“ und „The Eligible Bachelor“, zu denen Jeremy Brett selbst offen beschämte Kommentare abgab, strafte die Filmkritik Granada zurecht mit Missachtung. Die Reaktion der Produzentin June Wyndham Davies zeigt deren hoffnungslos verquere Denkweise, der es im Wesentlichen mitzuverdanken ist, dass die Serie seit ihrem Mitwirken konsequent an Qualität verlor: Anstatt die Fehler in der falschen Herangehensweise an die klassischen Geschichten oder einem nicht für sie geeigneten 2-Stunden-Sendeformat zu suchen, plante sie zunächst neue Langfilme, die, um den Kanonisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, statt auf Doyles Büchern lieber auf umfangreicheren Pastiches basieren sollten.

Jeremy Brett widersprach diesen Irrwegen in einem letzten Aufblitzen jener Konsequenz, mit der er in den Anfangsjahren der Reihe immer wieder Akkuratesse im Umgang mit den Originalen angemahnt hatte. Als sich dann kurzfristig ein neuer Sendeplatz für sechs Kurzfolgen auftat, griff Davies zu, ohne auf die schwierigen Bedingungen Rücksicht zu nehmen, unter denen diese Episoden nun entstehen würden: Ein extrem kurzer Zeitraum zwischen Produktionsvorbereitung und Erstsendung führte dazu, dass die Drehbücher im Eilverfahren geschrieben werden mussten, die Dreharbeiten unter andauerndem Zeitdruck standen, Edward Hardwicke während des Drehzeitraums teilweise schon andere Verpflichtungen hatte (weshalb er in einer Folge komplett abwesend sein würde) und Jeremy Bretts Gesundheit gerade wieder auf einem Tiefpunkt angekommen war.

Das Resultat ist ein halbes Dutzend beschämenswerter Produktionen, die nicht das Filmmaterial wert sind, auf dem sie gedreht wurden. Der ausschließliche Einsatz zweier schwacher Regisseure verstärkte noch den Eindruck, dass man die Fallstricke, mit denen man zu kämpfen hatte, mit möglichst viel Füllstoff und Stil über Substanz zu kaschieren gedachte. Glücklicherweise war es nach vielen künstlichen Wiederbelebungsversuchen der allerletzte Produktionsgang, nachdem die Serie ebenso wie ihr Hauptdarsteller „effektiv vor den Augen der Macher gestorben war“ (Alan Barnes).

Episoden der sechsten Staffel:

Gubanov ( gelöscht )
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08.12.2016 17:45
#47 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Memoirs of Sherlock Holmes: The Three Gables (Die Drei Giebel)

Episode 36 der TV-Kriminalserie, GB 1994. Regie: Peter Hammond. Drehbuch: Jeremy Paul (Vorlage, Oktober 1926: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke, Rosalie Williams. In Gastrollen: Claudine Auger (Isadora Klein), Gary Cady (Douglas Maberly), Benjamin Pullen (Herzog von Lomond), Caroline Blakiston (Herzoginwitwe), Mary Ellis (Mary Maberly), Peter Wyngarde (Langdale Pike), Michael Graham (Haines-Johnson), Steve Toussaint (Steve Dixie) u.a. Uraufführung (GB): 7. März 1994. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Three Gables (Die Drei Giebel)
Als Douglas Maberly erfährt, wie die Lebedame Isadora Klein wirklich für ihn empfindet, verwandelt sich seine Liebe zu ihr in blanken Hass. Von dem Verlangen angetrieben, Isadoras Stellung in der Londoner Gesellschaft zu ruinieren, beginnt Maberly, ein Buch über das wahre Gesicht der schönen Diva zu schreiben. Um nach Douglas’ Tod an das Manuskript zu kommen, bedient sich Isadora Klein einer ungewöhnlichen Methode – sie will es der Tante ihres ehemaligen Liebhabers mitsamt dem ganzen Haus abkaufen ...


Die Idee, dass ein gesamtes Anwesen nur um einiger Blätter Papier willen gekauft wird, ist ein reizvoller Grundgedanke, der das Motiv der versteckten Wertsache z.B. aus „The Six Napoleons“ aufgreift. Es ist deshalb nur folgerichtig, dass die Szenen auf Three Gables die stimmungsvollsten der Episode sind, weil das alte, mit Inventar schier überflutete Häuschen so viele Ansatzmöglichkeiten für Verstecke böte. Leider vergibt die Adaption durch Jeremy Paul jedes Geheimnis von Anfang an, da die Auftaktszene bereits jedes Detail vom Ende der Beziehung zwischen Douglas Maberly und Isadora Klein enthüllt und man in Konsequenz alle Bruchstücke, die bei Doyle erst nach und nach klargemacht werden, in Minutenschnelle zusammensetzen kann. Dazu kommt, dass Holmes auf seinen größten Hinweis, ein Medaillon mit dem zerstörten Bild Isadoras, aus purem Zufall stößt, was seiner Figur ebenso wie die kruden Szenen mit dem vorlauten Boxer Steve Dixie nicht angemessen erscheint.

Auf eine merkwürdige Art und Weise zelebriert „The Three Gables“ einerseits historische Korrektheit in der Form aufwändiger Ausstattungen und Außenaufnahmen, während Peter Hammonds mittlerweile völlig aus dem Ruder laufende Inszenierung (der Jess Franco des Sherlock-Holmes-Universums) Stilbrüche am laufenden Band einschiebt. Dies betrifft sowohl die teilweise enorm unviktorianischen Frisuren vor allem der männlichen Gastdarsteller als auch die kruden Beleuchtungen, die der Regisseur als sein zweites Markenzeichen neben den ebenfalls ständig eingesetzten Spiegelungen etabliert hat. Er beleuchtet Decke und Wände der Baker-Street-Wohnung – als würden sich Holmes und Watson in einer Disco der 1990er-Jahre-Gegenwart aufhalten – mit grellbunten Spotlights. Dass die enormen Weitwinkeleinstellungen, die in der „Memoirs“-Staffel generell häufig zum Einsatz kommen, ebenfalls eine postmoderne Sprache sprechen, sei nur am Rande anbemerkt.

Der extravagante Peter Wyngarde beschließt mit seiner Paradiesvogel-Interpretation des Informanten Langdale Pike ebenso seine Karriere wie die 96-jährige Mary Ellis, deren Porträt der Mrs. Maberly trotz Doppelbesetzung der Darstellerin in zwei aufeinanderfolgenden Episoden den sympathischsten Aspekt in einem sonst eher unleidlichen Fall darstellt (zumal die Rolle der Klientin ohnehin mehr hergibt als ihr Pro-Forma-Auftritt in „The Eligible Bachelor“). Hätte man einen von vielen Lesern ohnehin eher als unterdurchschnittlich erachteten Fall nicht durch die von Holmes so häufig gebranntmarkte Taktik, die Geschichte vom falschen Ende her zu erzählen, sowie unnötige moderne Einsprengsel zusätzlich geschwächt, hätte man den „Memoirs of Sherlock Holmes“ einen zufriedenstellenderen Auftakt bescheren können.

Gubanov ( gelöscht )
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12.12.2016 21:45
#48 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Memoirs of Sherlock Holmes: The Dying Detective (Der Detektiv auf dem Sterbebett)

Episode 37 der TV-Kriminalserie, GB 1994. Regie: Sarah Hellings. Drehbuch: T.R. Bowen (Vorlage, Dezember 1913: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke, Rosalie Williams. In Gastrollen: Jonathan Hyde (Culverton Smith), Susannah Harker (Adelaide Savage), Richard Bonneville (Victor Savage), Roy Hudd (John Gedgrave), T.R. Bowen (Charles Damant), John Labanowski (Inspector Morton), Rowland Davies (Colonel Carnac), Caroline John (Mrs. Carnac) u.a. Uraufführung (GB): 14. März 1994. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Dying Detective (Der Detektiv auf dem Sterbebett)
Nach seinen Dienststunden im Direktorium einer Londoner Bank fröhnt Victor Savage seinem gefährlichen Hang zum Opiumkonsum. Als er einer seltenen ostasiatischen Krankheit erliegt, läge die Vermutung nahe, dass er sich in der Opiumhöhle angesteckt hatte – wenn nicht Savages Frau das Zutun des Geschäftspartners Culverton Smith vermuten würde, der den Hauptteil des Savage-Vermögens erbt und der einzige ausgewiesene Experte auf dem Gebiet dieses speziellen Fiebers ist. Als Sherlock Holmes sich bei den Ermittlungen ebenfalls infiziert, wird Smith in die Baker Street gerufen ...


Hatte Granadas Sherlock-Holmes-Serie mit dem ausgesprochen lobenswerten Vorhaben begonnen, die Kriminalfälle aus Doyles Feder authentisch auf die Fernsehbildschirme zu bringen, so rückten neue Verantwortliche die Reihe anno 1994 in die Ecke des kitschigen Kostümdramas, das eben gerade nicht durch Authentizität besticht, sondern mit dem Zeigefinger auf die Mühen hinzuweisen scheint, mit denen historische Trugbilder erschaffen wurden, währenddessen die Rhetorik durch und durch dem modernen Zeitgeist entspricht. Das zeigt sich vor allem daran, dass Adapteur T.R. Bowen nicht gewillt war, Unausgesprochenes aus der Originalgeschichte im Reich der Fantasie zu belassen, sondern es partout vor die Kamera zerrte. Bei Doyle erfährt man kaum Details über den Mord, dessen sich Culverton Smith schuldig gemacht hat. Hier nimmt dieser Handlungsabschnitt den größten Teil der Laufzeit ein, wobei sich unverkennbar zeigt, dass ein Bowen eben kein Doyle ist und das Hinzugesponnene eher Stroh als Gold gleicht.

Die Idee mit dem Opiumkonsum erinnert, auch in ihrer filmischen Umsetzung, zu stark an „The Man with the Twisted Lip“, während man überhaupt bemerken muss, dass Holmes zu seinen besten Zeiten den von der Ehefrau des Süchtigen vorgetragenen Fall keiner Aufmerksamkeit gewürdigt hätte. Bowen lässt Holmes stattdessen aus dem Charakter fallen, indem er ihn allein freiwillig an einer Dinnergesellschaft inmitten einer Gruppe Fremder teilnehmen und, noch schlimmer, vor dem Fenster von Culverton Smith unartikulierte Drohungen aussprechen lässt, bei denen der enttäuschte Zuschauer bemerken muss, dass Jeremy Bretts imposante Stimme auch nicht mehr über ihre ursprüngliche Präzision verfügt.

Gerettet wird „The Dying Detective“ durch das auf die letzte Viertelstunde verlegte Täuschungsmanöver zur Überführung des Schurken, das im schummrigen Arbeitszimmer in der Baker Street wirkungsvoll eingefangen wird. Der todkranke Holmes veranlasst Watson und Mrs. Hudson zu großer Sorge, wobei Hardwicke und Williams ihre Freundschaftsbeweise sehr unterschiedlich und passend zu ihren jeweiligen Rollencharakteren ausformen. Leider sorgen die enorm verlängerte Vorhandlung und die fehlende Brillanz der Dialoge dafür, dass Holmes seinem Antagonisten das Geständnis sehr einfach abringen kann – dabei hätte auch dieses Aufeinandertreffen mehr diabolisches Potenzial freisetzen können ...

Gubanov ( gelöscht )
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14.12.2016 16:00
#49 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Memoirs of Sherlock Holmes: The Golden Pince-Nez (Das goldene Pince-Nez)

Episode 38 der TV-Kriminalserie, GB 1994. Regie: Peter Hammond. Drehbuch: Gary Hopkins (Vorlage, Juli 1904: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Rosalie Williams, Charles Gray. In Gastrollen: Frank Finlay (Professor Coram), Nigel Planer (Inspector Hopkins), Anna Carteret (Anna), Natalie Morse (Susan Tarlton), Patricia Kerrigan (Abigail Grosby), Christopher Guard (Willoughby Smith), Kathleen Byron (Mrs. Marker), Roger Ringrose (Alexis) u.a. Uraufführung (GB): 21. März 1994. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Golden Pince-Nez (Das goldene Pince-Nez)
Auf seiner Stippvisite in der Baker Street erzählt Inspector Hopkins von einem kuriosen Mordfall im Landhaus des Historikers Coram, dessen Sekretär im Arbeitszimmer erstochen wurde. Seine letzten Worte implizieren, dass die tödlichen Stöße von einer Frau geführt wurden – jener Frau, deren goldener Kneifer als Indiz in der Hand des Toten zurückblieb. Da der Kneifer über sehr starke Gläser verfügt, nimmt Holmes, der in diesem Fall gemeinsam mit seinem Bruder Mycroft ermittelt, an, dass die Täterin nicht allzu weit gekommen sein kann ...


Im Gegensatz zu Jeremy Paul und T.R. Bowen, deren Drehbücher in der späten Phase der Serie entweder die Vorlagen oder das Fernsehpublikum nicht ernst nahmen, zeichnen sich Gary Hopkins’ Arbeiten zur Serie bis kurz vor deren Schluss durch hohe Qualität und Respekt gegenüber Sir Arthur Conan Doyle aus. Auch „The Golden Pince-Nez“ bearbeitete der Autor mit Fingerspitzengefühl und beließ fast jedes Detail beim Alten. So verfügt die Geschichte über genug Kraft, das andauernde Bombardement mit Peter Hammonds Eigenwilligkeiten einigermaßen unbeschadet zu überstehen, zumal die unverkennbare Handschrift des Regisseurs diesmal nicht nur Ablenkung, sondern auch ein angenehm unheimliches Flair kreiert. Unaufhörlich gehen Regen, Blitz und Donner nieder, als würden sie mit ihrem Prasseln und Grollen die Täterin und ihren Komplizen zur Enthüllung der Wahrheit auffordern.

Befremdlich wirkt der Umstand, dass der geneigte Zuschauer auf Edward Hardwickes Dr. Watson verzichten muss. Dass Mycroft in Gestalt von Charles Gray an seiner Stelle einspringt, ist ein offenkundiger Notersatz, der mit Mycrofts eigentlichem Charakter, einer menschen- und bewegungsscheuen Natur, nur schwer vereinbar ist. Immerhin zieht die Episode daraus das unerwartete (und vollkommen unkanonische) Vergnügen, den erzkonservativen Regierungsmitarbeiter offenkundig irritiert und missgelaunt inmitten einer Suffragettenversammlung zu erleben.

Nigel Planer zeichnet seinen Inspector Hopkins auf überraschend verständnisvolle und reflektierte Art. Sein Hilfeersuchen bei Holmes ist nicht wie die Zusammenarbeit des Detektivs mit seinem Kollegen Lestrade von eitlem Konkurrenzdenken bestimmt, sondern eine offene und freundliche Symbiose. Weniger freundlich gebärdet sich der Professor, dem Frank Finlay eine gebührend zerzauste und qualmvernebelte Präsenz verleiht. Besonders lobenswert agiert allerdings die Darstellerin der Schlüsselrolle der Anna, die in ihr Spiel jene Tragik legt, die die russische Komponente der Geschichte verlangt und die Auflösung zu einer abgerundeten Angelegenheit macht.

Gubanov ( gelöscht )
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16.12.2016 22:00
#50 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Memoirs of Sherlock Holmes: The Red Circle (Der Rote Kreis)

Episode 39 der TV-Kriminalserie, GB 1994. Regie: Sarah Hellings. Drehbuch: Jeremy Paul (Vorlage, März / April 1911: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke, Rosalie Williams. In Gastrollen: Betty Marsden (Mrs. Warren), Kenneth Connor (Mr. Warren), John Hallam (Gorgiano), James Coombes (Gennaro Lucca), Sophia Diaz (Emilia Lucca), Tom Chadbon (Inspector Hawkings), Kerry Shale (Leverton), Joseph Long (Firmani) u.a. Uraufführung (GB): 28. März 1994. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Red Circle (Der Rote Kreis)
Ihr neuer Mieter versetzt Mrs. Warren in Angst: Seit seinem wortlosen Einzug in das Zimmer im ersten Stock verlässt der Mann das Zimmer nicht mehr, kommuniziert mit seiner Vermieterin nur schriftlich und holt sich seine Mahlzeiten in unbeobachteten Augenblicken von einem Tablett im Flur. Sherlock Holmes kombiniert, dass der ursprünglich vorstellig gewordene Mann nicht mehr unter Mrs. Warrens Dach lebt, sondern das Arrangement dem Schutz einer dritten Person dient. Da es sich um Italoamerikaner handelt, liegt der unheilvolle Einfluss einer mafiösen Organisation nahe ...


Gewiss: „The Red Circle“ zählt nicht zu den logischsten Rätseln, die Sir Arthur Conan Doyle jemals erschaffen hat, doch von der Geschichte des verfolgten Ehepaars, das in einer Londoner Allerweltswohnung Schutz vor einem Gangsterboss sucht, geht ein Suspense aus, der am ehesten mit den beliebten „Dancing Men“ vergleichbar ist und dieser Erzählung auch nur in wenigen Punkten nachsteht. Gleiches kann indes nicht von den Fernsehversionen behauptet werden, bei denen zwischen „Red Circle“ und „Dancing Men“ fast der gesamte tragische Werdegang Bretts in seiner Holmes-Rolle liegt. Von schwerer Krankheit geprägt, beschränkt sich der Hauptdarsteller mittlerweile auf eine Darstellung der verschrobenen Manierismen des Detektivs und demontiert auf diese Weise seinen eigenen Ruf als beste Besetzung der Rolle. Doch weder persönliche Berater noch die Mitbeteiligten der „Memoirs“ wiesen ihn in die Schranken: „The Red Circle“ endet mit einer der unangenehmsten Kameraeinstellungen der Serie, in der der durch seine Medikamente und eine dicke Schminkschicht fast völlig entstellte Jeremy Brett (dessen Äußeres sich, wie viele Beobachter schreiben, unterdessen zum Ebenbild von Bela Lugosis Dracula gewandelt hat) mit verzerrtem Gesicht einige Tränen verdrückt, die aus dem Nichts zu kommen scheinen.

Mit unnötigen Ausstaffierungen streckt Jeremy Paul die Geschichte und erweitert sie um den Mord an einem italienischen Mittelsmann in London, der hauptsächlich dem Schockeffekt dient, wenig Mitleid hervorruft und über den bei den eigentlichen Ermittlungen dann auch geflissentlich hinweggegangen wird. Wie ungeschickt die Umstrukturierung des Plots erfolgte, zeigt sich an einer unmotiviert aneinandergeschnittenen Abfolge von Spannungsszenen am Ende der Folge, bei denen die ständig hochbeschworene Gefahr vonseiten des Gangsterchefs Gorgiano nie wirklich aufkommen will. Um ein Mitfiebern zu bewirken, hätte der Ausgang des Duells zwischen Jäger und den Gejagten offen sein müssen – der Zuschauer indes zweifelt in keinem Moment daran, dass die betuliche Sarah-Hellings-Inszenierung auf ein gutes Ende zusteuert und ein so mutiger und vernichtender Schlag wie in „The Dancing Men“ nicht zu befürchten steht.

Realistischer hätte das Resultat bei der Verpflichtung tatsächlicher italienischer Schauspieler ausfallen können, wie man es teilweise bei „The Six Napoleons“ praktizierte. Allerdings stellen die Darsteller von Gorgiano, Gennaro und Emilia keinesfalls die hauptsächlichen Fallstricke dieser Adaption dar. Auf schauspielerischem Terrain verwundert vielmehr, weshalb man die beiden Gastermittler mit zwei Männern besetzte, die einander so verblüffend ähnlich sehen. Hawkins und Leverton lassen sich auf diese Weise höchstens am Akzent und dem Tweedanteil der Kleidung unterscheiden.

Gubanov ( gelöscht )
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18.12.2016 22:30
#51 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Memoirs of Sherlock Holmes: The Mazarin Stone (Der Mazarin-Stein)

Episode 40 der TV-Kriminalserie, GB 1994. Regie: Peter Hammond. Drehbuch: Gary Hopkins (Vorlagen „The Mazarin Stone“ und „The Three Garridebs“, Oktober 1921 und Januar 1925: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke, Rosalie Williams, Charles Gray. In Gastrollen: Phyllis Calvert (Agnes Garrideb), Barbara Hicks (Emily Garrideb), Jon Finch (Graf Sylvius), James Villiers (Lord Cantlemere), Denis Lill (Inspector Bradstreet), Gavan O’Herlihy (John Garrideb), Helen Ryan (Prinzessin von Wales), Richard Caldicot (Nathan Garrideb) u.a. Uraufführung (GB): 4. April 1994. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Mazarin Stone (Der Mazarin-Stein)
Sorgfältige Bewachung schützt den Mazarin-Stein, einen Diamanten größer als der Koh-i-Noor, nicht vor den geschickten Händen des Grafen Sylvius. Sherlock Holmes ist für die Regierung nicht erreichbar, sodass sein Bruder die Suche nach dem verschwundenen Juwel übernimmt, während Dr. Watson in seiner Praxis Besuch von zwei alten Damen erhält, die ihm von einer sonderbaren amerikanischen Erbschaft berichten. Ihrem Bruder sollen fünf Millionen Dollar zufallen, wenn sich drei Männer mit dem Nachnamen Garrideb finden lassen ...


Vielleicht ist es die Sichtweise einer modernen und technikverwöhnten Leserschaft, die dazu führt, dass „The Mazarin Stone“ häufig als Doyles schwächste Kurzgeschichte betitelt wird. Die kleine Studie von der Täuschung eines eingebildeten Diebs mag im Vergleich zu anderen Abenteuern des Detektivs zwar etwas mager ausfallen, basiert mit der heimlichen Aufnahme des Geständnisses aber auf einem Twist, den sich bis heute als effektives Element von Krimiauflösungen bewahrt hat und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung durchaus beeindruckt haben mag. Deshalb ist es allzu schade, dass Gary Hopkins, sonst ein vernünftiger Bearbeiter der Doyle’schen Vorlagen, außer den Namen von Edelstein und Räuber nicht die geringste Spur der Erzählung in sein Drehbuch übernahm.

Die Kreuzung des Falls mit „The Three Garridebs“ ist ein krudes Gemisch, das artifiziell und schlecht konstruiert wirkt und den Grafen Sylvius jeder Raffinesse, die von der Figur auf den Buchseiten ausgeht, beraubt. Jon Finch ist nicht mehr als ein Statist mit einem merkwürdigen Akzent und kann ebenso wie alle anderen Schurkenfiguren der letzten Staffel keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Umso mehr drängt sich der Garrideb-Clan dem Zuschauer auf, der humoristisch hoffnungslos überzeichnet auftritt. Am Ende hebt das Mischmasch die Schwächen beider Erzählungen hervor und stellt als Flickenteppich abscheulicher Machart die rote Laterne der ohnehin unwürdigen letzten Serienstaffel dar.

Da Jeremy Brett zu angeschlagen war, um noch die Hauptrolle spielen zu können, wird Holmes nur notdürftig zu Beginn und Ende eingebunden, wobei diese Dialoge wohl vom verwirrten Mimen selbst vorgeschlagen wurden, da sie sich in keiner Weise mit dem sachlichen Stil von Holmes’ üblichem Verhalten decken und eher an die übersinnlichen Ausflüge von „The Last Vampyre“ und „The Eligible Bachelor“ erinnern. So liegt die Hauptschuld für das Misslingen der Ermittlerkonstruktion weniger in der reinen krankheitsbedingten Abwesenheit von Brett, der mittlerweile ohnehin zu einem der vielen schwachen Glieder in Granadas Kette geworden war, sondern vielmehr an der Missachtung, die man den Charakteren zuteil werden ließ. Wie wenig man auf Doyles Maßgeben achtete, drückt sich besonders deutlich in Mycrofts unbekümmertem Schwatz im Diogenes-Club aus, wo doch jeder weiß, dass sich dessen Mitglieder zu Stillschweigen innerhalb der ehrwürdigen Mauern verpflichten. Der Unterschied zwischen dem anfänglichen und dem mittlerweile erreichten Niveau muss jedem Holmesianer an die Nieren gehen.

Gubanov ( gelöscht )
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20.12.2016 18:45
#52 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Memoirs of Sherlock Holmes: The Cardboard Box (Die Pappschachtel)

Episode 41 der TV-Kriminalserie, GB 1994. Regie: Sarah Hellings. Drehbuch: T.R. Bowen (Vorlage, Januar 1893: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke, Rosalie Williams. In Gastrollen: Ciarán Hinds (Jim Browner), Joanna David (Susan Cushing), Deborah Findlay (Sarah Cushing), Lucy Whybrow (Mary Browner), Tom Chadbon (Inspector Hawkins), Thierry Harcourt (Marcel Jacottet), Richard Dixon (Mr. Bradbrook), Renny Krupinski (Murdoch Gull) u.a. Uraufführung (GB): 11. April 1994. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Cardboard Box (Die Pappschachtel)
Unterm Weinachtsbaum liegt eine ungewöhnliche Überraschung für Susan Cushing: Eine harmlos aussehende Pappschachtel enthält zwei abgetrennte menschliche Ohren, die in Salz konserviert sind. Wer konnte sich diesen schrecklichen Scherz erlauben? Sherlock Holmes kommt zu dem Schluss, dass es sich nicht um einen Scherz, sondern um ein brutales Verbrechen handelt, da die Ohren nicht von einem konservierten Leichnam stammen und außerdem zu zwei verschiedenen Personen gehören ...


Die Veröffentlichungsgeschichte von „The Cardboard Box“ ist einigermaßen verwirrend, weil die Geschichte nach ihrem Erscheinen im Strand Magazine im Jahr 1893 aufgrund der heiklen Verstümmelungsthematik, die im Übrigen nicht so recht in eine Sherlock-Holmes-Geschichte passen möchte, zunächst in der Versenkung verschwand. Erst später für eine Buchveröffentlichung freigegeben, wurde sie in britischen Sammlungen dort eingegliedert, wo sie ursprünglich hingehört hätte – in den Sammelband der „Memoirs“ –, während sie in den USA einen neuen Kontext im späteren Buch „His Last Bow“ erhielt. Bei Brett heißen die letzten Fälle „Memoirs“, und im Bewusstsein der Tatsache, dass man Schwierigkeiten mit den nicht mehr ganz hochwertigen Vorlagen und den meist noch schwächeren Drehbuchadaptionen bekommen würde, versuchte man inhaltliche Schwächen offenbar mit übertriebenen Gewaltdarstellungen zu kompensieren. Insofern kam die Geschichte der abgeschnittenen Ohren gerade recht und steht in einer Reihe mit den unappetitlichen Stichwunden im Hals des Sekretärs in „The Golden Pince-Nez“.

T.R. Bowens Drehbuch bleibt näher an der Geschichte, als es für die Staffel im Allgemeinen üblich war, wobei es ihm dennoch nicht gelingt, den Geist der Vorlage in gleichem Maße einzufangen wie Gary Hopkins mit dem „Pince-Nez“. Dies liegt einerseits an den Figuren, die gekünstelt und überdramatisiert wirken, andererseits an der offensichtlichen Verschiebung der Handlungszeit. Dass eine Fernsehproduktion mit der Jahreszeit, in denen eine Kurzgeschichte angesiedelt ist, manchmal etwas kreativ umgehen muss, ist kein Beinbruch und erwies sich bei verschiedenen Jeremy-Brett-Folgen bereits als leicht überwindbares Hindernis. Hier jedoch zelebriert Bowen die Änderung regelrecht, indem er den heißen Augusttag in kunstschneeverzierte Weihnachtsfeiertage umwandelte. Der Sherlock-Holmes-Kanon besitzt mit „The Blue Carbuncle“ eine mustergültige Weihnachtsgeschichte, die in der ersten Staffel der Serie bereits solide umgesetzt wurde, sodass es wie ein persönliches Wetteifern erscheint, wenn Bowen meint, ein zweites Weihnachten in der Baker Street zeigen zu müssen, in dem die saisonalen Einsprengsel, wie Cox es ausdrückt, eher peinlich humoristischen Charakter haben. Sie stehen damit Pate für die typische Eigenheit der „Memoirs“-Staffel, das Umfeld der Fälle über Gebühr aufzubauschen und den Fall an sich dabei zu vernachlässigen.

In einem düsteren Finale zieht Brett in seinen letzten Worten als Holmes die Schlussfolgerung, dass der Mensch die Beweggründe für den ewigen Kreis aus Angst und Gewalt noch nicht gefunden hat. Gewiss, hinter diesem Monolog mag sich veritabler Doyle-Text verstecken, doch zugleich zeugen diese Zeilen vom Versagen des Darstellers in den letzten Jahren seiner Holmes-Auftritte, der Rolle jene selbstsichere und beruhigende Qualität zu verleihen, die den Detektiv bis heute so populär macht.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

21.12.2016 22:30
#53 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten

Von einsamer Spitze bis traurigem Totalausfall bietet Granadas Sherlock-Holmes-Serie dem geneigten Doyle-Fan Unterhaltung in den verschiedensten Facetten. Zurecht gelobt für Originaltreue, Liebe zum Detail und eine herausragende Besetzung, verdienen die ersten Staffeln jedes nur erdenkliche Lob, bevor eine ungünstige Kombination aus sich verschlechternden Bedingungen beim Privatfernsehen, einer Riege unmotivierter und holmesianisch ahnungsloser Mitarbeiter sowie der zunehmende Verfall der körperlichen und geistigen Gesundheit von Jeremy Brett die anfänglichen Verdienste immer weiter in den Hintergrund drängten. Die Frage, warum man nicht auf dem Höhepunkt der Reihe aufhörte, lässt sich im Nachhinein nur schwer beantworten. Man kann allerdings das traurige Gefühl nicht verdrängen, dass man trotz immer widrigerer Umstände den erprobten Krug nicht nur bis zum Brechen zum Brunnen tragen wollte, sondern die Scherben hinterher noch immer stolz vorzeigte.

Eine Rangliste aller Folgen zeigt trotz des kritischen Urteils, dass die gelungenen Episoden überwiegen. Sie sind hauptsächlich zu Beginn der Serie in den „Adventures“ (1984/85) und dem „Return“ (v.a. 1986) zu finden, die auch die besten und beliebtesten Vorlagen adaptierten. Allerdings verdient auch das später verfilmte „Case-Book“ (1991) ein ausdrückliches Lob. Auf alle Folgen ab 1992 hätte man besser verzichtet, auch 1988 ist ein zwiespältiges Jahr.

  • Platz 01: Episode 16 (1986) – The Musgrave Ritual (Das Ritual der Familie Musgrave)
  • Platz 02: Episode 08 (1985) – The Copper Beeches (Das Haus „Zu den Blutbuchen“)
  • Platz 03: Episode 03 (1984) – The Naval Treaty (Das Marineabkommen)
  • Platz 04: Episode 06 (1984) – The Speckled Band (Das gefleckte Band)
  • Platz 05: Episode 11 (1985) – The Resident Patient (Der Dauerpatient)
  • Platz 06: Episode 14 (1986) – The Empty House (Das leere Haus)
  • Platz 07: Episode 22 (1988) – The Devil’s Foot
  • Platz 08: Episode 02 (1984) – The Dancing Men (Die tanzenden Männchen)
  • Platz 09: Episode 18 (1986) – The Man with the Twisted Lip (Der Mann mit dem entstellten Mund)
  • Platz 10: Episode 29 (1991) – Shoscombe Old Place (Shoscombe Old Place)
  • Platz 11: Episode 01 (1984) – A Scandal in Bohemia (Ein Skandal in Bohemia)
  • Platz 12: Episode 13 (1985) – The Final Problem (Das letzte Problem)
  • Platz 13: Episode 27 (1991) – The Disappearance of Lady Frances Carfax (Das Verschwinden der Lady Frances Carfax)
  • Platz 14: Episode 04 (1984) – The Solitary Cyclist (Die einsame Radfahrerin)
  • Platz 15: Episode 28 (1991) – The Problem of Thor Bridge (Das Problem der Thor-Brücke)
  • Platz 16: Episode 20 (1986) – The Six Napoleons (Sechsmal Napoleon)
  • Platz 17: Episode 23 (1988) – Silver Blaze
  • Platz 18: Episode 12 (1985) – The Red Headed League (Die Liga der rothaarigen Männer)
  • Platz 19: Episode 32 (1991) – The Creeping Man (Der Mann mit dem geduckten Gang)
  • Platz 20: Episode 15 (1986) – The Abbey Grange (Abbey Grange)
  • Platz 21: Episode 07 (1984) – The Blue Carbuncle (Der blaue Karfunkel)
  • Platz 22: Episode 31 (1991) – The Illustrious Client (Der illustre Klient)
  • Platz 23: Episode 17 (1986) – The Second Stain (Der zweite Fleck)
  • Platz 24: Episode 10 (1985) – The Norwood Builder (Der Baumeister von Norwood)
  • Platz 25: Episode 30 (1991) – The Boscombe Valley Mystery (Das Rätsel von Boscombe Valley)
  • Platz 26: Episode 05 (1984) – The Crooked Man (Der verkrüppelte Mann)
  • Platz 27: Episode 21 (1987) – The Sign of Four (Das Zeichen 4)
  • Platz 28: Episode 38 (1994) – The Golden Pince-Nez (Das goldene Pince-Nez)
  • Platz 29: Episode 24 (1988) – Wisteria Lodge
  • Platz 30: Episode 09 (1985) – The Greek Interpreter (Der griechische Dolmetscher)
  • Platz 31: Episode 19 (1986) – The Priory School (Die Internatsschule)
  • Platz 32: Episode 25 (1988) – The Bruce Partington Plans
  • Platz 33: Episode 26 (1988) – The Hound of the Baskervilles (Der Hund von Baskerville)
  • Platz 34: Episode 36 (1994) – The Three Gables (Die Drei Giebel)
  • Platz 35: Episode 41 (1994) – The Cardboard Box (Die Pappschachtel)
  • Platz 36: Episode 39 (1994) – The Red Circle (Der Rote Kreis)
  • Platz 37: Episode 37 (1994) – The Dying Detective (Der Detektiv auf dem Sterbebett)
  • Platz 38: Episode 33 (1992) – The Master Blackmailer (Der König der Erpresser)
  • Platz 39: Episode 40 (1994) – The Mazarin Stone (Der Mazarin-Stein)
  • Platz 40: Episode 35 (1993) – The Eligible Bachelor (Der begehrte Junggeselle)
  • Platz 41: Episode 34 (1993) – The Last Vampyre (Der letzte Vampir)

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