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Dieses Thema hat 52 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker international
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Gubanov ( gelöscht )
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19.07.2016 22:00
#31 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Return of Sherlock Holmes: Wisteria Lodge

Episode 24 der TV-Kriminalserie, GB 1988. Regie: Peter Hammond. Drehbuch: Jeremy Paul (Vorlage, September / Oktober 1908: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke. In Gastrollen: Freddie Jones (Inspector Baynes), Kika Markham (Miss Burnet), Donald Churchill (Scott Eccles), Basil Hoskins (Henderson), Trader Faulkner (Lucas), Arturo Venegas (Garcia), Guido Adorni (Luis), Sonny Caldinez (Mulatte) u.a. Uraufführung (GB): 20. April 1988. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von Wisteria Lodge
Mr. Scott Eccles’ Problem ist wahrlich einmalig: Von einem ihm nur vage bekannten Spanier in dessen Landhaus nahe Esher eingeladen, findet Eccles das Haus nach der ersten Nacht seines Aufenthalts verlassen vor. Er glaubt an einen bösen Scherz, doch bald steht ihm Inspector Baynes von der örtlichen Polizei gegenüber und beschuldigt ihn des Mordes an seinem Gastgeber, der erschlagen aus dem Dorfteich gefischt wurde. Um Mr. Eccles’ Unschuld zu beweisen, liefert sich Holmes ein detektivisches Duell mit dem eitlen Inspector ...


Als „London im Nebel“ kennt man in Deutschland die Erzählung „The Bruce Partington Plans“, doch Granada trumpft mit dem perfekten Krimiwetter schon in der Episode vor „Partington“ auf: Nicht Londons Vorzeigestraßen, sondern die Umrisse eines Dörfchens nahe Esher lösen sich im wabernden Dunst auf, der die düstere Atmosphäre der Folge bestimmt und begleitet. Bedauerlicherweise kann es in diesem Fall nicht als uneingeschränktes Kompliment verstanden werden, dass „Wisteria Lodge“ seine Stärke aus den stimmungshaften Landschaftsaufnahmen und abstoßenden Charakteren zieht. Sie bieten schließlich nur Ersatz für das zentrale Element jeder Holmes-Geschichte, einen kniffligen Fall, der hier zunächst nichts zu wünschen übrig lässt, sich in Laufe der 50 Spielminuten dann aber zusehends ebenfalls im Nebel zu verlieren scheint.

Wer sich wundert, dass ausgerechnet einem versierten Autoren wie Jeremy Paul, der für so herausragende Adaptionen wie „The Naval Treaty“ und „The Musgrave Ritual“ verantwortlich zeichnete, zahlreiche Unterlassungsfehler unterliefen, tut Paul Unrecht, denn Produzent Michael Cox bestätigt, dass viele klärende Passagen in seinem Script durchaus enthalten waren und auch gedreht wurden, dann jedoch wegen Überlänge dem Schnitt zum Opfer fielen. Der Umstand, dass dadurch mehrere klaffende Lücken bleiben – etwa die Frage, wie der Widerspruch zwischen Garcias Todeszeitpunkt und seinem nächtlichen Besuch in Mr. Eccles’ Schlafzimmer zu lösen sei, oder auch das Rätsel des in der vorliegenden Fassung völlig unnötigen Mulatten –, stimmt nachdenklich, da Peter Hammond sich für optische Spielereien durchaus Zeit herausnimmt und damit nicht nur die Folge entschleunigt, sondern auch den Eindruck erweckt, es ginge ihm mehr um Stil als um Substanz. Dadurch kommt zwar die Bedrohlichkeit der Vorgänge von Wisteria Lodge und High Gables bestens zur Geltung; Hammond frönt aber gleichsam seinen Unarten in Form andauernder, gezwungen wirkender Spiegelungen und häufiger extremer Nahaufnahmen.

Als besonders herausragend erweist sich der behäbige, aber dafür umso ambitioniertere Inspector Baynes, den Freddie Jones mit so irritierendem Eigensinn spielt, dass er damit sogar schon ein Stück weit aus dem Rahmen fällt. Sehr viel müheloser gibt Basil Hoskins den imposanten Schurken mit illustrer Historie, der in seinem Haus wie ein Schreckensherrscher über sein Umfeld zu regieren scheint. Diesen Oppressionen unterliegt Kika Markham, die in „Agatha Christie’s Poirot“ als Poirots „Irene Adler“, die russische Gräfin Vera Rossakoff, eine sehr viel aktivere Rolle spielt als hier als malträtierte Frau, welche in dem Moment, in dem sie ihre Pflicht getan und die Hintergründe der Verbrechen erläutert hat, wie auf Kommando in die Kissen sinkt und nicht mehr aufwacht ...

Gubanov ( gelöscht )
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23.07.2016 20:45
#32 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Return of Sherlock Holmes: The Bruce Partington Plans

Episode 25 der TV-Kriminalserie, GB 1988. Regie: John Gorrie. Drehbuch: John Hawkesworth (Vorlage, Dezember 1908: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke, Rosalie Williams, Charles Gray. In Gastrollen: Dennis Lill (Inspector Bradstreet), Jonathan Newth (Colonel Valentine Walter), Geoffrey Bayldon (Sidney Johnson), Amanda Waring (Violet Westbury), Sebastian Stride (Cadogan West), Robert Fyfe (Schalterbeamter in Woolwich), John Rapley (U-Bahn-Beamter), Simon Carter (Butler) u.a. Uraufführung (GB): 27. April 1988. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Bruce Partington Plans
Nahe des U-Bahnhofs Aldgate wird die Leiche eines Mannes auf den Gleisen gefunden. Das wäre kein Fall für Sherlock Holmes, wenn der Tote nicht streng geheime Konstruktionspläne für ein Unterseeboot in der Tasche hätte. Mycroft bittet im Auftrag der Regierung seinen Bruder um Mithilfe. Holmes stellt fest, dass der Ministeriumsangestellte nicht aus dem Zug gestoßen, sondern schon vorher ermordet und aufs Dach des Zuges gelegt wurde. Er verfolgt die Gleise bis zum eigentlichen Tatort – der Wohnung eines Agenten, unter deren Fenstern die Metropolitan Line verläuft ...


In einem von Doyles atmosphärischsten Werken glänzt London als Metropole des unaufhaltsamen Fortschritts. Die futuristische Idee, Züge unter die Erde zu verlegen, wurde zwar schon 1863 umgesetzt, war aber so erfolgreich, dass London bald von Linien verschiedenster Betreibergesellschaften durchzogen war und damit ein Vorbild für die Großstädte anderer Länder darstellte. Auch die U-Boot-Pläne zur militärischen Stärkung des Landes und das Pfund, das die Regierung mit der Verpflichtung von Mycroft und Sherlock Holmes in die Waagschale wirft, machen den Fall zu einem der schillerndsten im gesamten Kanon. Umso bedauerlicher erscheint es, dass ausgerechnet diese Geschichte innerhalb der Granada-Serie eine unwürdige Umsetzung erfuhr.

„The Bruce Partington Plans“ hält sich inhaltlich zwar recht eng an die Vorlage, raubt ihr aber jedes Gespür fürs Spektakuläre. Die U-Boot-Pläne könnten in John Hawkesworths Bearbeitung ebenso gut geheime chemische Formeln oder non-materielle Druckmittel sein, denn sie scheinen so unvorstellbar revolutionär zu sein, dass man den Zuschauer nicht mit Details oder gar Zeichnungen der neuen Patente behelligt. Ebensowenig bekommt man eine echte U-Bahn zu sehen. Wenn eine Geschichte dringend authentischer London-Aufnahmen bedurft hätte, dann diese. Stattdessen blieb man – gebeutelt von den Extravaganzen des „Silver Blaze“-Drehs – in Manchester, wo der Tunnelmund einer Volleisenbahn als notdürftiger Ersatz für die Metropolitan Line herhalten muss, ohne dabei die glaubwürdigen Aufnahmen am Fundort der Leiche oder der Rückfront der Oberstein-Wohnung zu bieten, von denen die Episode eigentlich leben müsste. John Gorries Regie wirkt narkotisch, das Tempo ist extrem gemächlich, die zentralen Schauplätze kommen kaum zur Geltung. Als besonders enttäuschend entpuppt sich schließlich das doppelte Finale, das mit seiner Kaffeekränzchen-Mentalität die verhängnisvollen Implikationen des Diebstahls völlig aus dem Fokus geraten lässt.

Während Brett die schlechte Laune von Holmes über die Abwechslungslosigkeit des Detektivlebens glaubwürdig verbreitet, überschreitet er hier und da die Linie zwischen kanonisch korrekter Darstellung und eigenmächtiger Ver„brett“ung des Detektivs. Gerade im Zusammenspiel mit dessen Bruder oder der hier besonders leidgeprüften Mrs. Hudson entdeckt der aufmerksame Zuschauer einige unpassende Details, während sich Edward Hardwicke um Schadensbegrenzung bemüht. Auch Sebastian Stride als Cadogan West und Amanda Waring in der Rolle seiner niedergeschlagenen Verlobten überzeugen, wohingegen die Schurkenrollen eher blass bleiben und sich durch unpassenden Humor schneller als gewünscht als solche zu erkennen geben.

Gubanov ( gelöscht )
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05.11.2016 17:10
#33 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



Specials: The Great Cases of Sherlock Holmes (1987-1993)

Große Veränderungen wälzten die Herangehensweise der Macher an die Sherlock-Holmes-Serie und die Wahrnehmung derselben durch das Publikum um. Hatte man zuvor allseitig auf das Prinzip „Doyle geht vor“ gepocht, so nahm man sich mit der Produktion der jeweils über 100-minütigen Specials zunehmend Freiheiten in Bezug auf die Gestaltung der Drehbücher, die Porträtierung der Hauptfigur und die Art der Inszenierung heraus. Der Prozess einer zunehmenden Gleichgültigkeit, den sowohl Jeremy Brett als auch die Beteiligten hinter den Kulissen durchliefen, wird besonders deutlich, wenn man die sklavisch ans Buch angelehnte Adaption „The Sign of Four“ mit den kaum mehr mit Doyle zu vergleichenden Neuinterpretationen der Geschichten „The Sussex Vampire“ und „The Noble Bachelor“ vergleicht.

Da die Specials verteilt über einen Zeitraum von sechs Jahren entstanden, wird bei ihrer Betrachtung besonders deutlich, wie Brett (mit zwischenzeitlichen kleinen Besserungen) zwischen 1987 und 1993 nicht nur sein rollentypisches Aussehen, sondern auch die psychische Stärke verlor, vor der Kamera nur das zu tun, was ihm im gesunden Zustand angemessen erschienen wäre. Holmes-Forscher David Stuart Davies bringt ganz richtig auf den Punkt, dass die neuen Dimensionen, die der Holmes-Figur mit den späteren Specials hinzugefügt wurden, die Glaubwürdigkeit des Charakters zerstörten. Das bittere Urteil, das man über diese Langfolgen fällen muss, ist, dass ein Großteil besser niemals in dieser Form entstanden wäre, um den Mythos von Jeremy Brett als ultimativem Holmes-Darsteller von Makeln frei zu halten.

Specials in Spielfilmlänge:

Gubanov ( gelöscht )
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06.11.2016 18:00
#34 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Sign of Four (Das Zeichen 4)

Episode 21 der TV-Kriminalserie, GB 1987. Regie: Peter Hammond. Drehbuch: John Hawkesworth (Vorlage, Oktober 1890: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke, Rosalie Williams. In Gastrollen: Jenny Seagrove (Miss Mary Morstan), Ronald Lacey (Thaddeus Sholto / Bartholomew Sholto), Emrys James (Inspector Athelney Jones), John Thaw (Jonathan Small), Robin Hunter (Major Sholto), Terence Skelton (Captain Morstan), Kiran Shah (Tonga), Marjorie Sudell (Mrs. Bernstone) u.a. Uraufführung (GB): 29. November 1987. Uraufführung (BRD): 22. April 1994. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Sign of Four (Das Zeichen 4)
Mary Morstan bittet Sherlock Holmes und Dr. Watson um Begleitschutz bei einem heiklen Rendezvous. Ein unbekannter Gönner, der ihr jedes Jahr eine wertvolle Perle zukommen ließ, bittet sie zu einer Unterredung. Vor Miss Morstan und den Detektiven erzählt er die merkwürdige Geschichte eines indischen Schatzes, der im Haus seines Vaters Major Sholto versteckt war und an dem Sholtos Kollege, der verstorbene Captain Morstan, ebenfalls einen vereinbarten Anteil hatte. Im Hause Sholto angekommen, gibt es keine Spur mehr von dem Schatz, dafür aber eine Leiche ...


Sir Arthur Conan Doyles zweiter Roman erschien 1890 und stellt damit die früheste verfilmte Buchvorlage der Serie dar. Weil die Geschichte mit einem rätselhaften Mord, einem verschwundenen Schatz und viel Exotik über alle Komponenten eines veritablen viktorianischen Rätsels verfügt, wurde sie im Laufe der Jahrzehnte häufig verfilmt und auch von Granada als ersten 100-Minuten-Special ausgewählt. In seiner besten Serienleistung überbrückt Peter Hammond zwar nicht alle Längen, die einem John-Hawkesworth-Script wie üblich anhängen, lässt den Erzählfluss aber ausgewogen und die Inszenierung edler als in seinen anderen Arbeiten erscheinen. Dazu tragen Sets und Drehorte exzellenter Qualität ebenso bei wie der Umstand, dass der Zuschauer hier zum letzten Mal Jeremy Brett im richtigen, authentischen Sherlock-Holmes-Look begegnet („Sign of Four“ entstand zwischen den beiden „Return“-Halbstaffeln).

Die Geschichte verdeutlicht Holmes’ ungewöhnliche Arbeitsweise mit vielen Elementen, die seither Kultstatus erreicht haben und in dieser Version hervorragend zur Geltung kommen – von akrobatischen Einlagen im Hause der Sholtos über die Verfolgung der Kreosotfährte mithilfe des Spürhunds Toby bis hin zur Verpflichtung der Baker Street Boys für Arbeiten, die für einen Ermittler allein zu viel Laufarbeit bedeuten würden. Mit diesem Strauß an Maßnahmen und der glaubhaften Abenteuerlust der beiden Gentleman-Detektive ist Holmes Inspector Athelney Jones weit voraus – leider auch in darstellerischer Hinsicht, denn Emrys James’ Verkörperung des Ermittlers wirkt eher irritierend. Nicht nur treibt er die von Colin Jeavons deutlich dezenter getroffene Tölpelhaftigkeit eines Scotland-Yard-Mannes auf die Spitze, auch verwundert die inkonsequente Besetzungsentscheidung: In „The Red Headed League“ trat (versehentlich) schon einmal ein Athelney Jones auf (der im Original eigentlich ein Peter Jones ist), sodass die Glaubwürdigkeit gebieten müsste, John Labanowski, der eine einprägsame Leistung geliefert hatte, vor die Kameras zurückzuholen oder den Part des „Sign of Four“-Inspektors wenigstens umzubenennen, sodass er sich nicht mehr mit der anderen Figur überschneidet.

Emrys James’ Darstellung ist typisch für die Besetzungsprobleme von „The Sign of Four“. Die Produktion büßt durch die Entscheidung, aus dem märchenhaften Abenteuer eine realitätsfremdes Kuriositätenkabinett zu machen, immens an Charme und Ernsthaftigkeit ein. Vor allem Ronald Lacey gibt seine Doppelrolle der völligen Lächerlichkeit preis und geht damit als eine der unpassendsten Besetzungsentscheidungen in die Geschichte der Serie ein. Neben ihm und dem Inspektor scheint auch die Haushälterin Mrs. Bernstone nicht die hellste zu sein, wodurch die Szenen auf dem stattlichen Anwesen in Norwood nicht ernstgenommen werden können und besonders unangenehm aus der sonst so eleganten Machart der Episode herausragen. Jenny Seagroves sensible Mary Morstan stellt unter den überkandidelten Gastdarstellern eine erholsam „normale“ Abwechslung dar, weshalb es keine Wunder nimmt, dass Watson eine stille Zuneigung zu ihr hegt, auch wenn es nicht wie im Buch zu einer Hochzeit kommt.

Abschließend eine ungewöhnliche Nebenbeobachtung: Die Einbringung von London-Aufnahmen gilt eigentlich als Qualitätsmerkmal für „Sherlock Holmes“-Episoden. Hierbei ist jedoch auf historische Korrektheit zu achten. Der Roman spielt im Jahr 1888, weshalb man die Tower Bridge, die erst 1894 fertiggestellt wurde, nicht im heutigen Zustand hätte zeigen dürfen.

Gubanov ( gelöscht )
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08.11.2016 18:45
#35 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Hound of the Baskervilles (Der Hund von Baskerville)

Episode 26 der TV-Kriminalserie, GB 1988. Regie: Brian Mills. Drehbuch: T.R. Bowen (Vorlage, März 1902: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke. In Gastrollen: Kristoffer Tabori (Sir Henry Baskerville), Neil Duncan (Dr. Mortimer), James Faulkner (Stapleton), Fiona Gillies (Beryl Stapleton), Ronald Pickup (Barrymore), Rosemary McHale (Mrs. Barrymore), Bernard Horsfall (Frankland), Elizabeth Spender (Laura Lyons) u.a. Uraufführung (GB): 31. August 1988. Uraufführung (BRD): 15. April 1994. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Hound of the Baskervilles (Der Hund von Baskerville)
Die Legende eines todbringenden Höllenhunds schwebt über dem Geschlecht derer von Baskerville. Nach dem mysteriösen Tod von Sir Charles tritt der junge Sir Henry das Erbe an. Familienarzt Dr. Mortimer hält es jedoch für angebracht, Sherlock Holmes mit der Überwachung des in der Gegend unerfahrenen Landjunkers zu beauftragen. Weil dieser in London unabkömmlich ist, reist Dr. Watson mit Sir Henry nach Dartmoor, von wo aus er seinem Freund Bericht über das düstere Schloss, das gefährliche Moor und die undurchschaubaren Dorfbewohner erstattet ...


Das Dasein dieser Produktion erschweren vor allem die hohen Erwartungen, die einerseits durch den hohen Standard der Granada-Serie geweckt werden, welcher uneingeschränkt bis 1986 und teilweise sogar bis 1991 aufrechterhalten werden konnte, andererseits durch den überlebensgroßen Ruhm der Buchvorlage und ihrer anderen Verfilmungen, wobei vor allem die 1939er-Fassung mit Basil Rathbone und Hammers Anlauf von 1959 dem Publikum bis heute vertraut geblieben sind. Dass man sich nun ausgerechnet in einer schwierigen Phase der Serie wagte, diesen anspruchsvollen Stoff umzusetzen, mag Verzweiflung ob des Fehlens anderweitigen Ausgangsmaterials oder auch reine Selbstüberschätzung gewesen sein. In beiden Fällen kann das Projekt nur als die größte vergebene Chance der gesamten Reihe betrachtet werden.

Im Gegensatz zu „The Sign of Four“ sind zwei merkliche Verschlechterungen zu konstatieren: Jeremy Bretts erbärmlicher physischer Zustand, in dem er der Figur des Sherlock Holmes keine rechte Ehre mehr erweisen kann, und die offensichtliche monetäre Sparflamme, die die überschwängliche Optik des ersten Specials gegen ein unambitioniertes Fernsehflair zweiter oder dritter Kategorie eintauscht. Beide Umstände lassen das Ausmaß erkennen, in dem der Anspruch aller Beteiligten, dem Publikum ein ungetrübtes holmesianisches Vergnügen zu bieten, seit 1984 geschrumpft war – wäre „The Hound of the Baskervilles“ der Pilotfilm der Jeremy-Brett-Serie gewesen, hätte er ganz anders ausgesehen (bzw. wenn er so ausgesehen hätte, wie er letztlich zustande kam, hätte es keine Serie gegeben). Dartmoor wird zwar ausführlich gezeigt, der nüchternen Regie von Brian Mills geht allerdings jede Bedrohung ab, die die rauhe Umgebung und die beiden Gefahrenquellen – der Hund und der Sträfling – eigentlich verbreiten sollten. Zu keinem Zeitpunkt wird glaubhaft gemacht, dass der Familienfluch eventuell tatsächlich übernatürlichen Ursprungs sein könnte, zumal sich durch die knappen Kassen eine Nachstellung der Baskerville-Legende ohnehin verbot. Spannung kommt selbst im Finale kaum auf, obwohl der Hund an sich recht bedrohlich wirkt.

Kristoffer Tabori, der als Sir Henry Baskerville einen glaubhaften Bogen zwischen amerikanischer Leichtigkeit und standesgemäßem Anstand schlägt, und der wie gewohnt solide Edward Hardwicke verleihen dem überlangen Mittelteil einen gewissen Reiz, wobei die Einbindung von Sherlock Holmes, der als Schatten auf dem Thor, geheimnisvoller Kunde auf dem Postamt und im Zug nach London sein Quartier nur allzu klar schon nach Grimpen verlegt hat, eher ungeschickt wirkt und Watsons Alleingang den letzten Rest an Spannung raubt. Gerade der Gedanke, dass Holmes, der alles unter Kontrolle hätte, nicht zur Stelle ist, falls Sir Henry etwas passiert, macht doch eigentlich die besondere Unsicherheit der Ermittlungsphase aus. Kurioserweise nimmt diese Fassung erst an Fahrt auf, nachdem Holmes sich in seinem Versteck zu erkennen gegeben hat – zu diesem Zeitpunkt sind allerdings bereits 75 teils lähmende Minuten verstrichen.

So muss man zur Schlussfolgerung kommen, dass die optisch und atmosphärisch allzu zahme Version des „Hound“ dem bisherigen Niveau der Serie einfach nicht würdig ist und man Jeremy Brett eine bessere und vor allem zeitigere Gelegenheit gewünscht hätte, sein mittlerweile verblasstes Können an diesem gothic tale zu demonstrieren.

Gubanov ( gelöscht )
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10.11.2016 15:00
#36 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Master Blackmailer (Der König der Erpresser)

Episode 33 der TV-Kriminalserie, GB 1992. Regie: Peter Hammond. Drehbuch: Jeremy Paul (Vorlage „Charles Augustus Milverton“, April 1904: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke, Rosalie Williams, Colin Jeavons. In Gastrollen: Robert Hardy (Charles Augustus Milverton), Norma West (Lady Diana Swinstead), Serena Gordon (Lady Eva Blackwell), David Mallinson (Colonel Dorking), Brian Mitchell (Harry, Graf von Dovercourt), Sarah McVicar (die Ehrenwerte Charlotte Miles), Hans Meyer (Hebworth), Sophie Thompson (Agatha) u.a. Uraufführung (GB): 2. Januar 1992. Uraufführung (BRD): 17. April 1993. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Master Blackmailer (Der König der Erpresser)
Weder in Paris noch in London sind die oberen Zehntausend vor einem schlangengleichen Erpresser in Sicherheit, der die ihm von Bediensteten angetragenen Geheimnisse und Skandale bei den Betroffenen in bare Münze verwandelt. Will oder kann eines der Erpressungsopfer nicht zahlen, zögert der Erpresser, den Holmes zunächst nur unter den Initialen C-A-M kennenlernt, nicht, die unschöne Wahrheit skrupellos auszuspielen und damit so manchen Schuldgeplagten in die Verzweiflung und den Selbstmord zu treiben ...


Mit seiner Konzentration auf die Verfehlungen und Affären der viktorianischen Upper Class wirkt „The Master Blackmailer“ statt wie ein echter Kriminalfilm eher wie einem Klatschjournal entsprungen. Ähnlich dem Serienpiloten „A Scandal in Bohemia“ konzentriert sich dieser Fall auf Erpressungen und die unangenehmen gesellschaftlichen Konsequenzen einer skandalträchtigen Enthüllung. Dieses Katz-und-Maus-Spiel des Erpressers mit seinen Opfern soll Spannung in die Episode bringen, da weder Morde noch ein Whodunit vorkommen. Was bei Irene Adlers Fall durch die edle Aufmachung und die starke Täter(-innen-)figur gut funktionierte, ist in „The Master Blackmailer“ von Vornherein zum Scheitern verurteilt: Ausgerechnet eine der besonders kurzen Erzählungen, die sich auf einen holmesianischen Kostümtrick und ein simples, aber spannendes Finale stützt, als Vorlage für einen über 100-minütigen Film auszuwählen, kann allein von einer rein logischen Warte aus nicht funktionieren.

So ist das Drehbuch des Veteranen Jeremy Paul vollgestopft mit Ergänzungen, die sich redundant und nicht besonders authentisch anfühlen, und vor allem mit einer Reihe schmalziger Szenen, die im besseren Fall aus einem Jane-Austen-Stoff zu stammen scheinen oder andernfalls offenkundig das Produktionsjahr verraten: Eine der Erpressungen dreht sich um die Homosexualität eines Soldaten und ebenso wenig durfte dem sensationslüsternen Publikum des Jahres 1992 die Romanze mit Milvertons Hausmädchen, die Holmes inszeniert, um an Informationen zu kommen, vorenthalten werden. Peter Hammond kostet Holmes’ eher peinliche Rolle als Klempner, der bei seiner Arbeit seiner Zweckliebschaft unter den Rock schaut und von Abwasser überschüttet wird, mit der verqueren Freude, dem Detektiv wieder eine neue (diesmal aber ganz und gar unpassende) Seite abzugewinnen, aus. Jeremy Brett bereute später, dass er sich sogar zu einer Kussszene hinreißen ließ.

Die Anweisung der Produktionsoberen – mittlerweile hatte Michael Cox nichts mehr mit der Holmes-Serie zu tun – bestanden offenbar darin, den Dialoganteil der Langfilme zu beschneiden. Diese Verfahrensweise zwingt „The Master Blackmailer“ und seine beiden Nachfolger endgültig in die Knie, denn den Machern hätte klar sein müssen, dass traditionelle Kriminalstoffe sich gerade über ihre Dialoge definieren. Das Ergebnis ist eine überkandidelte Zurschaustellung von Kulissen und Kostümen in einem faden und teilweise verwirrenden Handlungsablauf, der durch fehlende Akzente richtiggehend schlafwandlerisch wirkt. Obwohl wahrlich genug Zeit vorhanden gewesen wäre, sägte die Direktive zudem mögliche vertiefende Szenen zwischen Holmes und Watson bzw. den anderen Ermittlern ab. Der brillante Schlussmoment der zugrundeliegenden Geschichte „Charles Augustus Milverton“, in der Holmes Lestrades Anfrage nach Unterstützung beim Milverton-Mord abwiegelt, wurde komplett fallengelassen, sodass Colin Jeavons einen bloßen Einszenenauftritt hat. Nicht verbessert wird die Situation dadurch, dass Edward Hardwicke und Rosalie Williams ebenfalls nur als unterbeschäftigte Stichwortgeber agieren und Holmes nicht besonders konsequent bei der Aufklärung eines vergleichsweise leichten Falles in Überlänge wirkt.

Robert Hardy begeht in der Verkörperung des Erpressers keine groben Fehler, entspricht der Buchbeschreibung sogar relativ eng, wird der übergroßen Bösartigkeit, die Milverton am laufenden Band unterstellt wird, allerdings nicht vollständig gerecht, da er keinen besonders bedrohlichen Eindruck hinterlässt und der Vergleich mit einer Schlange durch seine Gemütlichkeit und sein behäbiges Äußeres ins Leere verläuft. Die besten Darstellungen liefern die weiblichen Erpressungsopfer, wobei es eindeutig zu viel des Guten ist, wenn Norma West, Serena Gordon und Gwen Ffrangcon-Davies Holmes’ Dienste simultan in Anspruch nehmen.

Gubanov ( gelöscht )
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12.11.2016 21:15
#37 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Last Vampyre (Der letzte Vampir)

Episode 34 der TV-Kriminalserie, GB 1993. Regie: Tim Sullivan. Drehbuch: Jeremy Paul (Vorlage „The Sussex Vampire“, Januar 1924: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke. In Gastrollen: Roy Marsden (John Stockton), Keith Barron (Rob Ferguson), Yolanda Vasquez (Carlotta Ferguson), Maurice Denham (Reverend Merridew), Richard Dempsey (Jack), Juliet Aubrey (Dolores), Jason Hetherington (Michael), Elizabeth Spriggs (Mrs. Mason) u.a. Uraufführung (GB): 27. Januar 1993. Uraufführung (BRD): 24. April 1993. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Last Vampyre (Der letzte Vampir)
Der Pfarrer des verschlafenen Dörfchens Lamberley fürchtet einen Aufstand seiner Schäfchen: Der zugezogene Mr. Stockton, Nachkomme einer Familie, die bei den Dorfbewohnern einst als Vampire verschrien war und deren Haus gebrandschatzt wurde, löst in seiner Umgebung unerklärliche Krankheiten und Todesfälle aus. Den mit Dr. Watson bekannten Gutsbesitzer Ferguson bringt Stockton nicht nur um seinen jüngsten Sohn, sondern droht auch, Besitz von der schönen südamerikanischen Ehefrau zu ergreifen ...


An ihrem traurigen Tiefpunkt angekommen, war die Granada-Serie zu einem Selbstläufer geworden, der sich durch die Gleichgültigkeit seiner Beteiligten auszeichnete. Die Programmplaner verlangten weitere Zwei-Stunden-Specials und anstatt sie davon zu überzeugen, dass die verbleibenden Doyle-Geschichten sich für ein derartiges Format nicht mehr eignen, wie man mit „The Master Blackmailer“ unmissverständlich herausgefunden hatte, gab man ein neues Drehbuch im Schnellverfahren in Auftrag. Das Niveau der Scripts von Jeremy Paul sank dabei im gleichen Maße, in dem die Qualität der Serie abnahm – jenes zu „The Last Vampyre“, einer fast vollständig neu erfundenen (Fehl-)Interpretation der nicht uninteressanten Kanon-Story „The Sussex Vampire“, fertigte der Autor in einem Zeitraum von drei Wochen an, was man der Flickschusterei deutlich anmerkt. Dem fertigen Film fehlt nicht nur der rote Faden, sondern jeder Funken Logik und überhaupt eine Begründung für die Anwesenheit von Sherlock Holmes, der in einer übersinnlichen Geschichte von Vorurteilen und Legenden so deplatziert ist wie noch nie zuvor in der Serie. Fast schon tragikomisch wirkt Holmes’ Eingeständnis in der letzten Szene, als Watson ihn auf den Grund für den Tod des für die Adaption hinzugedichteten Schurken Stockton anspricht. Der allwissende Meisterdetektiv antwortet mit „Accident, fate, who knows“ und gibt seine Position als unfehlbarer Wahrheitsfinder damit der schieren Lächerlichkeit preis. Was man hier gesehen hat, ist kein Sherlock-Holmes-Film!

Jeremy Brett gestand in einem Interview, dass er sich Filmszenen, in denen er in Bewegung war, aufgrund seines zugelegten Gewichts gar nicht mehr ansehen möge. Auf den cleveren Rückschluss, dass es dem Publikum ähnlich ergehen könnte, kamen weder er noch June Wyndham-Davies. Als besonders leidig erweisen sich allerdings drei Szenen, die den Ermittler nicht nur in ein physiognomisch, sondern auch charakterlich unpassendes Bild rücken – seine Verkleidung als Vampir in der Baker Street mitsamt der selbst für dieses Script dümmlichen Schlussfolgerung, Watson müsse an die Existenz der Blutsauger glauben, nachdem er sich vor ihm erschrocken habe; die Szene, in der Holmes als eine Art Medium eine Friedhofsszene in der Zukunft vorausahnt; und jener Besuch der Ruinen der Sinclair-Villa, in der ihm von Stockton mithilfe von Spiegeltricks und angeblicher (natürlich nie erklärter) Hypnose Geistererscheinungen und Zaubereien vorgeführt werden.

Wenn dieser Episode ein verhaltenes Lob zusteht, so muss es sich auf den Umstand beziehen, dass die Baker-Street-Szenen mit Ausnahme des hanebüchenen Auftaktmoments recht gelungen sind – oder in anderen Worten: nicht weit unter dem Niveau der anderen zuletzt gedrehten Fälle liegen. Brett gelingt eine sehr gute Rezitation des berühmten Holmes-Ausspruchs „The world is big enough for us. No ghosts need apply“, auch wenn Jeremy Paul für ungefähr 95 der 101 Minuten den Zuschauer auf Teufel-komm-raus vom Gegenteil zu überzeugen versucht, ohne dafür am Ende glaubhafte Erklärungen bieten zu können. Maurice Denham versteht es, die Sorgen des Pfarrers glaubhaft in den skurrilen Bericht einzuflechten – hier obsiegt schauspielerisches Talent der alten Schule über die Lächerlichkeit des Versuchs, auf der Welle von Francis Ford Coppolas 1992er „Dracula“-Verfilmung mitzuschwimmen.

Der Rest entpuppt sich als wildes Gemisch aus halbherzigen Gruselversuchen, Plakativität, Sex und der oberflächlichen Einbildung, Holmes besser erzählen zu können als Doyle selbst. Das Problem ist, dass der Film nicht einmal ohne Sherlock Holmes funktionieren würde – mit ihm stellt er nur ein umso bedauernswerteres Machwerk dar, das die zwischenzeitliche Durststrecke für klassische Krimiverfilmungen im britischen Fernsehen in den 1990er Jahren besonders deutlich vorwegnimmt.

Gubanov ( gelöscht )
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14.11.2016 20:25
#38 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Eligible Bachelor (Der begehrte Junggeselle)

Episode 35 der TV-Kriminalserie, GB 1993. Regie: Peter Hammond. Drehbuch: T.R. Bowen (Vorlage „The Noble Bachelor“, April 1892: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke, Rosalie Williams. In Gastrollen: Simon Williams (Lord Robert St. Simon), Paris Jefferson (Henrietta Doran), Anna Calder-Marshall (Agnes Northcote), Joana McCallum (Flora Miller), Geoffrey Beevers (Inspector Montgomery), Bob Sessions (Aloysius Doran), Myles Hoyle (Thomas Floutier), Peter Graves (George Tidy) u.a. Uraufführung (GB): 3. Februar 1993. Uraufführung (BRD): 1. Mai 1993. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Eligible Bachelor (Der begehrte Junggeselle)
Unter den Junggesellen der Londoner High Society nimmt der reiche und gutaussehende Lord Robert St. Simon eine besonders attraktive Position ein. So stört sich seine Braut in spe, die amerikanische Goldschürfertochter Henrietta, nicht einmal an den vorherigen, gescheiterten Ehen des Aristokraten. Zumindest bis zur Hochzeit, denn kurz nach der Zeremonie verschwindet Henrietta spurlos. Ist sie geflohen oder wurde sie entführt? Eine der früheren Frauen von Lord St. Simon kann Licht ins Dunkel bringen ...


„The Noble Bachelor“ ist eine der unspektakuläreren und nicht besonders bekannten Fortsetzungsfolgen aus Doyles erstem Geschichtenkorpus der „Adventures“, der es in erster Linie an einem aufsehenerregenden Verbrechen mangelt. Selbst wenn man eingestehen muss, dass Granada in die Falle getappt war, viele der besseren Erzählungen zu Beginn im Block verfilmt zu haben und nun vor den weniger attraktiven Überresten zu stehen, so hätte T.R. Bowen kaum eine weniger geeignete Story für den fünften und letzten Langfilm auswählen können als diese. Man fragt sich vor allem, warum niemand auf die Idee kam, „The Valley of Fear“ zu verfilmen. In dem Stadium, in dem die Serie angekommen war, hätte eine umfangreichere Vorlage in Romanform viele Übel beheben können und die Drehbuchautoren wären sicher nicht um einen Trick verlegen gewesen, den im Roman vorkommenden Professor Moriarty unter irgendeinem Vorwand wieder unter die Lebenden zurückzubringen.

Transzendental geht es schließlich auch im aus Distanzierungsgründen leicht umbenannten „The Eligible Bachelor“ zu: Sherlock Holmes befindet sich in einem zerrütteten Zustand, der sich mit Jeremy Bretts mittlerweile geistergleichem Auftreten deckt, und wird in seinen regelmäßigen Alpträumen von Wahnvorstellungen heimgesucht, die sich als Prophezeiungen im Fall St. Simon erweisen. Ob Bowen mit diesem Trick einen Nicker in Richtung von Arthur Conan Doyles bekannter Neigung zum Spiritismus geben oder sich einfach um solide Ermittlungsarbeit drücken wollte? Jedenfalls hat das Ergebnis erneut wenig mit Sherlock Holmes, dem Verteidiger des Rationalen, zu tun, wenngleich sich die düsteren Puzzlestücke dieser Verfilmung etwas besser zusammenfügen als bei „The Last Vampyre“.

Peter Hammond gelingt die Verbildlichung einiger Ängste, die tatsächlich eng mit dem viktorianischen Horror verbunden sind: der übermächtige männliche Schurke, der Gewalt an seinen schutzlosen Frauen ausübt; das geheimnisumwobene Schloss; die Frau, die zum Stillschweigen gebracht wird, indem man sie für wahnsinnig erklären lässt; und die den Bestrebungen des britischen Imperialismus zu verdankenden, konkret aber dankenswert von Grimesby Roylott aus „The Speckled Band“ abgekupferten Wildkatzen und Affen, die St. Simon auf dem Familienanwesen hält. Diese Elemente schützen allerdings auch diese Verfilmung nicht vor gähnender Langeweile und einer konfusen, bis ins Unnachvollziehbare gesteigerten Plotführung. Am kuriosesten gestalten sich die letzten Minuten, in denen eine der Exfrauen von St. Simon wieder auftaucht ... in einem Zustand, der eher an Mogli als an eine Adlige erinnert.

In einem Punkt baute man nochmals deutlich ab: Erwies sich in „The Last Vampyre“ immerhin die Baker Street 221B als letzter Rückzugsort zu vernünftiger Holmes-Atmosphäre, so wird selbst diese in „The Eligible Bachelor“ von Depression und unschicklichen Momenten heimgesucht – so etwa, als Holmes bei der Verfolgung der verschleierten Frau vor dem Haus in seinem Nachhemd in einen Rinnstein stürzt oder sich im Dunkeln gemeinsam mit der ebenfalls schlaflosen und nur leicht bekleideten Mrs. Hudson zu einer Beratung über gesundheitliche Probleme auf den Fußboden des Treppenhauses setzt.

Gubanov ( gelöscht )
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20.11.2016 21:10
#39 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



Staffel 5: The Case-Book of Sherlock Holmes (1991)

War die Hochphase der Serie nach Teil 1 des „Return of Sherlock Holmes“ eigentlich beendet, so überraschten Michael Cox und Jeremy Brett 1991 noch einmal mit der sechs Episoden umfassenden Staffel „The Case-Book of Sherlock Holmes“. Eingebettet in ein Umfeld eher zweifelhafter Vergnügen in Form unausgewogener Langfolgen und optisch wenig überzeugender Holmes-Auftritte brauchen sich die erfrischenden und sich auf die ursprünglichen Tugenden der Reihe zurückbesinnenden „Case-Book“-Fälle nicht vor ihren frühen Gegenstücken zu verbergen. Cox fand zwar kaum mehr einen Stein auf dem anderen, als er 1990 zur Vorbereitung dieses neuen Serienabschnitts als freier Produzent in die Granada-Studios zurückkehrte; seine wohltuende Entscheidungskraft ohne den sherlockianisch wenig zuträglichen Einfluss von June Wyndham-Davies und Peter Hammond verleiht den Folgen 27 bis 32 allerdings ein authentisches und nostalgisches Flair, mit dem sonst nur die ersten 20 Outings aufwarten können.

Die Tage der ganz großen Luxusprojekte waren allerdings gezählt, sodass die oberste Devise für alle Beteiligten knappes Haushalten mit den verfügbaren Ressourcen lautete. Einige Episoden wirken deshalb edler als andere, wobei alle den Ton ihrer Vorlagen treffen und zumeist auf bekannten und beliebten Kurzgeschichten basieren.

Episoden der fünften Staffel:

Gubanov ( gelöscht )
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21.11.2016 22:10
#40 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Case-Book of Sherlock Holmes: The Disappearance of Lady Frances Carfax (Das Verschwinden der Lady Frances Carfax)

Episode 27 der TV-Kriminalserie, GB 1991. Regie: John Madden. Drehbuch: T.R. Bowen (Vorlage, Dezember 1911: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke, Rosalie Williams. In Gastrollen: Cheryl Campbell (Lady Frances Carfax), Julian Curry (Albert Schlessinger), Mary Cunningham (Miss Calder), Jack Klaff (der Ehrenwerte Philip Green), Nicholas Fry (Hoteldirektor), Michael Jayston (Graf von Rufton), Anthony Benson (Vikar), Anthony Schaeffer (Bankangestellter) u.a. Uraufführung (GB): 21. Februar 1991. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Disappearance of Lady Frances Carfax (Das Verschwinden der Lady Frances Carfax)
Auf Urlaub im Lake District lernt Dr. Watson die faszinierende, freidenkerische Lady Frances Carfax kennen, die von mehreren Personen bedrängt zu werden scheint, bevor sie spurlos aus dem Hotel verschwindet. Gemeinsam mit Holmes verfolgt der Doktor Lady Frances bis zu ihrer Bank in London, doch dort nimmt sie erneut Reißaus und gelangt in eine lebensgefährliche Situation. Es ist eine Frage von Minuten, ob es Holmes und Watson gelingen wird, die Frau, die Mitwisserin der verschleierten Identität eines Verbrechers geworden ist, noch lebendig zu retten ...


Trotz ihres hochspannenden und ikonischen Finales musste „The Disappearance of Lady Frances Carfax“ lange auf eine Umsetzung durch Granada warten. Ähnlich wie beim Pferderennen in „Silver Blaze“ war hier bereits im Vornherein abzusehen, dass die Reiseszenen einen bedeutenden Teil des Budgets in Beschlag nehmen würden. Eine clevere Lösung wäre zwar vielleicht gewesen, die Folge vorzuziehen und die zentraleuropäischen Aufnahmen, die laut Vorlage in Lausanne, Baden Baden und Montpellier angestanden hätten, in der ersten Staffel mit den Alpendrehs zu „The Final Problem“ in Meiringen und Umgebung zu verbinden – mit hohen Kosten wäre aber dennoch zu rechnen gewesen. Für die Staffeleröffnung des „Case-Book“ schlug man einen anderen Weg ein und verlegte die Handlung in den Manchester deutlich näher gelegenen Lake District, wobei man sich löblicherweise nicht scheute, dies auch offen zuzugeben, anstatt die dortigen Berge als (kaum glaubwürdige) Alpenpanoramen auszugeben.

Obwohl Trevor Bowen auch auf weiteres Wildern nicht verzichtet und darüber hinaus einige Änderungen einführt, die sich dem strengen Puristen erst beim zweiten Sehen erschließen, bewahrt die Episode unterm Strich doch vorbildlich den Geist, wenn auch nicht jedes Wort der Doyle’schen Vorlage. Dies betrifft in erster Linie den titelgebenden Charakter der Lady Frances, die in der Kurzgeschichte als fromme und stille Frau vorgestellt wird, die aber kaum selbst in Erscheinung tritt. Dem gewandelten Zeitgeist gestand man der Adaption eine aktivere und aufmüpfigere Dame zu, die von Cheryl Campbell mit Inbrunst verkörpert wird und stellenweise an die Eigenständigkeit einer Irene Adler erinnert, ohne über deren kriminelles Potenzial oder Argwohn zu verfügen. Campbell wird zu einer starken Identifikationsfigur, die den Plot noch zwingender und die folgerichtig auf den Friedhof verlegte Aufklärung noch ergreifender erscheinen lässt.

Nicht nur am Schluss liefert „The Disappearance of Lady Frances Carfax“ gelungene Beispiele für die Verbildlichung des geschriebenen Worts. Gerade zu Beginn werden die Parallelmontagen zwischen den Beobachtungen von Watson und der Lektüre seiner Briefe durch Holmes in der häuslichen Baker Street kunstvoll miteinander verwoben. Hierbei hilft, dass Jeremy Brett zu Beginn des „Case-Book“ gut erholt und fast gesund aussieht, was kaum glauben lässt, dass der sowohl physisch als auch inhaltlich bedenklich aufgedunsene „Hound of the Baskervilles“ zweieinhalb Jahre früher entstanden war.

Gubanov ( gelöscht )
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23.11.2016 22:30
#41 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Case-Book of Sherlock Holmes: The Problem of Thor Bridge (Das Problem der Thor-Brücke)

Episode 28 der TV-Kriminalserie, GB 1991. Regie: Michael Simpson. Drehbuch: Jeremy Paul (Vorlage, Februar / März 1922: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke. In Gastrollen: Daniel Massey (J. Neil Gibson), Celia Gregory (Maria Gibson), Catherine Russell (Grace Dunbar), Niven Boyd (Marlow Bates), Andrew Wilde (Sergeant Coventry), Stephen MacDonald (Mr. Ferguson), Philip Bretherton (Anwalt Joyce Cummings), Dean Magri (Billy) u.a. Uraufführung (GB): 28. Februar 1991. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Problem of Thor Bridge (Das Problem der Thor-Brücke)
Die Hauslehrerin Grace Dunbar steht unter der Anklage, die Frau ihres Arbeitgebers, des ehemaligen amerikanischen Senators und Goldmillionärs Gibson, erschossen zu haben. Man hatte die Mordwaffe in ihrem Kleiderschrank und einen inkriminierenden Zettel in der Hand der Toten gefunden. Sherlock Holmes versucht ausgerechnet im Auftrag Gibsons, Grace Dunbars Namen reinzuwaschen, denn der einflussreiche Mann kann eine Zuneigung zu seiner Angestellten nicht verleugnen. Am Tatort auf der alten Thor-Brücke entdeckt Holmes den entscheidenen Hinweis – ein abgesprengtes Stück des steinernen Geländers ...


Auch wenn man Doyles letzten zwei Sammelbänden nachsagt, die Qualität der Geschichten in den immer wieder unternommenen, eher durch die anhaltende Begierde des Publikums als durch Doyles freien künstlerischen Willen verursachten Wiederbelebungsversuchen Holmes’ wäre nicht mehr mit den bis 1904 veröffentlichten Storys vergleichbar, so wählte Granada auch die Spätfolgen hin und wieder weise. „The Problem of Thor Bridge“ ist ein einnehmendes Rätsel, bei dem sich ein Kenner der Vorlage manchmal fragt, warum man beim ersten Lesen, Hören oder Sehen nicht selbst auf die Lösung kam. Jeremy Paul, der in den Langfolgen auf Ab- bzw. Irrwegen wandelte, honorierte die Güte der Geschichte mit einem originalgetreuen Drehbuch, dessen einzige Kehrseite sein etwas zu moderner Umgang mit Holmes’ moralischer Überlegenheit über seinen reichen, aber aufbrausenden Klienten ist. Von diesem Detail abgesehen, ist es ein ungetrübtes und frühlingshaftes Vergnügen, Holmes, Watson und Sergeant Coventry die Thor-Brücke untersuchen und mit dem Fahrrad durch die saftig grüne Landschaft radeln zu sehen.

Bevor es soweit ist, beginnt der Fall wie üblich in der Baker Street, wo zwei Neuerungen Abwechslung in die Serienroutine bringen: Erstens räumt Mrs. Hudsons urlaubsbedingte Abwesenheit den Weg für den Pagen Billy frei, der in einigen der späteren Holmes-Geschichten Erwähnung findet, seine große Popularität aber vor allem dem William-Gillette-Theaterstück verdankt. Zweitens reist Neil Gibson statt wie üblich in der Serie per Pferdekutsche mit einem hochmodernen Automobil an – kein Ding der Unmöglichkeit, da sich Holmes-Forscher einig sind, die Geschichte müsse in den Jahren 1900 oder 1901 angesiedelt sein.

Neben dem Pagen (der seinen Namen in Albert änderte) stellt auch die emotionale Aufgekratztheit südamerikanischer Ehefrauen mitsamt den Problemen, die sich daraus für eine Ehe mit einem anglo-amerikanischen „Gentleman“ ergeben, eine markante Parallele zwischen „The Problem of Thor Bridge“ und dem späteren Langfilm „The Last Vampyre“ dar, wobei „Thor Bridge“ in jeder Hinsicht stil- und respektvoller umgesetzt wurde. Daniel Massey trägt die physische und psychische Stärke des Senators vielleicht etwas zu dick auf, die beiden zentralen Frauenrollen entschädigen dafür allerdings ebenso wie die überzeugende und packende Steigerung der Ereignisse bis zur schlussendlichen Enthüllung einer bitteren Wahrheit.

Gubanov ( gelöscht )
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26.11.2016 22:15
#42 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Case-Book of Sherlock Holmes: Shoscombe Old Place (Shoscombe Old Place)

Episode 29 der TV-Kriminalserie, GB 1991. Regie: Patrick Lau. Drehbuch: Gary Hopkins (Vorlage, April 1927: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke, Rosalie Williams. In Gastrollen: Robin Ellis (Sir Robert Norberton), Elizabeth Weaver (Lady Beatrice Falder), Frank Grimes (John Mason), Denise Black (Carrie Evans), Michael Bilton (Stephens), Martin Stone (Sandy Bain), Michael Wynne (Josiah Barnes), James Coyle (Samuel Brewer) u.a. Uraufführung (GB): 7. März 1991. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von Shoscombe Old Place (Shoscombe Old Place)
Welche unheimlichen Vorgänge treiben Sir Robert in die Ruinen der angeblich von Geistern bespukten alten Kapelle? Der Leiter seines Reitstalls wundert sich zunächst nur über das Verhalten seines Herrn, bevor sich in der Zentralheizung verbrannte Knochenfragmente finden und alles plötzlich auf ein schweres Verbrechen auf Shoscombe Old Place hindeutet. Es könnte mit dem anstehenden Pferderennen zu tun haben, in dem Shoscombe Prince als Favorit geführt wird. Doch warum gab Sir Robert dann den geliebten Hund seiner Schwester fort?


Im April 1927 im Strand Magazine erstmals der britischen Leserschaft vorgestellt, ist „Shoscombe Old Place“ der letzte Sherlock-Holmes-Fall aus der Feder Sir Arthur Conan Doyles und dabei doch so gelungen wie die erste Kurzgeschichte, der fast 36 Jahre früher verlegte „Scandal in Bohemia“. Doyles Erzählung zeichnet sich durch jenen prickelnden Grusel aus, den verkohlte Skelettüberreste zu provozieren pflegen, und überzeugt auch durch die zentrale Frage, ob Holmes und Watson es schaffen werden, die wie eine Gefangene bewachte Lady Beatrice zu sprechen. Wer die Geschichte kennt, wird von den zusätzlichen Einfällen des Gary-Hopkins-Drehbuchs verblüfft sein, die den Szenen mit Lady Beatrice Personenkonstellationen erlauben, welche im Original nicht möglich gewesen wären. Die Adaption bietet hier und in anderen Punkten Erweiterungen, die dem Stoff allerdings keineswegs schaden, sondern ihn noch facettenreicher erscheinen lassen.

Holmes scheint besonders gut aufgelegt zu sein, gibt er sich doch nicht nur glaubwürdig als Hundeliebhaber aus – ebenso stellt Brett trockenen Humor feiner englischer Prägung zur Schau, als er Mr. Mason, der berichtet, Sir Robert sei wahnsinnig geworden, ermahnt, er befände sich hier in der Baker und nicht in der Harley Street, oder auf dem Spaziergang durch die Wälder von Shoscombe seinen vier- bzw. zweibeinigen Begleitern zuruft: „Come Jasper, come Watson!“ – Man beachte die Reihenfolge. Übertrieben erscheint hingegen die unfreiwillige Sprechstunde, die Dr. Watson dem Butler von Shoscombe erteilt und die sich von dessen rheumatischen Knochen bis zu seinen Potenzproblemen erstreckt.

Die desaströsen organisatorischen Erfahrungen aus „Silver Blaze“ bewahrten Michael Cox davor, das Pferderennen mit Shoscombe Prince auf die Bildschirme zu bringen, was der Geschichte jedoch gut tut, weil der Nachklapp zur großen Enthüllung, die die filmische Umsetzung im Gegensatz zu ihrem literarischen Vorbild so lange wie möglich hinauszögert, auf diese Weise kompakt und griffig wirkt. Da die Sorgen aller Beteiligten gut nachzuvollziehen sind, tat man ebenfalls gut daran, den im Kanon äußerst wüst auftretenden Sir Robert ein Stückweit zu humanisieren, ohne dabei die bedrohliche Komponente der Geschichte zu kompromittieren.

Gubanov ( gelöscht )
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28.11.2016 22:00
#43 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Case-Book of Sherlock Holmes: The Boscombe Valley Mystery (Das Rätsel von Boscombe Valley)

Episode 30 der TV-Kriminalserie, GB 1991. Regie: June Howson. Drehbuch: John Hawkesworth (Vorlage, Oktober 1891: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke. In Gastrollen: Peter Vaughan (John Turner), Jonathan Barlow (Inspector Summerby), Joanna Roth (Alice Turner), Leslie Schofield (William McCarthy), James Purefoy (James McCarthy), Cliff Howells (Crowder, Wildhüter), Mark Jordon (George), Will Tacey (Untersuchungsrichter) u.a. Uraufführung (GB): 14. März 1991. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Boscombe Valley Mystery (Das Rätsel von Boscombe Valley)
Bauer McCarthy liegt erschlagen am Ufer eines Waldteichs. Die Polizei hat bereits seinen Sohn verhaftet, der am Tatort einen Streit mit seinem Vater hatte, als Sherlock Holmes auf Wunsch einer guten Freundin des Beschuldigten in die Affäre eingreift. Auf der Suche nach Anhaltspunkten, die über das Offensichtliche hinausgehen, findet Holmes heraus, dass der Mord nicht von ländlicher Abgeschiedenheit ist, sondern seine Kreise bis nach Australien zieht ...


Namentlich mag die Wahl der Sendereihenfolge, auf „Shoscombe“ unmittelbar „Boscombe“ folgen zu lassen, ein wenig unbeholfen wirken. Es ist allerdings erstaunlich, wie gut der „Case-Book“-Staffel gelang, ihre verschiedenen ländlichen Episoden atmosphärisch voneinander abzugrenzen. Es darf angenommen werden, dass der hauptsächliche Rückgriff auf Drehorte außerhalb Manchesters oder sogar Londons auf die Budgetrestriktionen zurückzuführen ist, mit denen Michael Cox zu kämpfen hatte. „The Boscombe Valley Mystery“ verzichtet sogar gänzlich auf Baker-Street-Aufnahmen, was in Anbetracht der Tatsache, dass die Nutzung dieses Sets mittlerweile teuer bezahlt werden musste, kaum verwunderlich erscheint – nachdem es originär für die Holmes-Serie entworfen wurde, hatten bis 1991 Touristenführungen das Zepter auf der Kulissenstraße übernommen. Ein kurioser Nebeneffekt besteht darin, dass Holmes seinen Kumpanen Watson bei dessen Angelurlaub stört, um die gemeinsamen Ermittlungen anzukurbeln – schon zum zweiten Mal nach „The Disappearance of Lady Frances Carfax“ war der Doktor also ohne seinen Freund in die Sommerfrische gereist.

Der Sherlock-Holmes-Kenner hält „The Boscombe Valley Mystery“ für einen typischen Fall des Meisterdetektivs – um nicht zu sagen, einen eher stereotypischen. Der fälschlich Verurteilte fehlt ebenso wenig wie seine geliebte junge Braut, das außereuropäische Mordmotiv und der reuige Schuldige. In seinem typischen Stil bewahrte John Hawkesworth die meisten Details der Vorlage, wobei er sie etwas simplifizierte (man vermisst beispielsweise den „Cooee“-Ruf), was der Spannung zwischenzeitlich eher abträglich ist. Dementsprechend erweist sich „Boscombe“ als eine im Groben wohlgeratene, aber in mancher Weise etwas blutarme Episode, die sich auf die rechtliche und romantische Zwangslage des jungen McCarthy konzentriert und darüber die Schurkerei der Elterngeneration vernachlässigt.

Der groß angekündigte Peter Vaughan taucht erst in einer der letzten Szenen auf, wobei man den bis 2015 aktiven Schauspieler mit Hingabe todkrank schminkte und so eine mögliche Vergrößerung der Rolle, wie sie in der Peter-Cushing-Version von 1968 angelegt war, durchkreuzte. Auch die Wutausbrüche Leslie Schofields als McCarthy-Senior erscheinen fragwürdig, wenn man ihn nur in zwei kurzen Rückblenden zu Gesicht bekommt und wenig über seine konkreten Beweggründe erfährt. Diese Schwäche wird durch die insgesamt harmonische Ausstrahlung der Episode und ihrer wohl überlegten Schauplätze gemildert, wobei interessant anzusehen ist, wie die letzten drei Episoden einen wilden Galopp durch die Jahreszeiten (von „Thor Bridge“ im Frühling über „Shoscombe“ im Herbst bis „Boscombe“ im Frühsommer) unternahmen.

Gubanov ( gelöscht )
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30.11.2016 22:30
#44 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Case-Book of Sherlock Holmes: The Illustrious Client (Der illustre Klient)

Episode 31 der TV-Kriminalserie, GB 1991. Regie: Tim Sullivan. Drehbuch: Robin Chapman (Vorlage, Februar / März 1925: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke, Rosalie Williams. In Gastrollen: Anthony Valentine (Baron Gruner), David Langton (Sir James Damery), Abigail Cruttenden (Miss Violet Merville), Kim Thomson (Kitty Winter), Roy Holder (Shinwell Johnson), John Pickles (Jarvis), Carol Noakes (Baronin Gruner), Andy Bradford (Schläger) u.a. Uraufführung (GB): 21. März 1991. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Illustrious Client (Der illustre Klient)
Wer sein Auftraggeber ist, möchte Sir James Damery nicht verraten, als er Sherlock Holmes über die neueste Affäre des österreichischen Mörders Baron Gruner in Kenntnis setzt. Gruner ist ein berüchtigter Bonvivant der finsteren Sorte, der seine Weibergeschichten entweder aus finanziellen Gründen mit geschickt inszenierten „Unfällen“ beendet oder sie aus Rache mit Schwefelsäure entstellt. Zugleich versteht sich der Baron darauf, sich vor seiner neuen Liebschaft so glaubhaft als Verleumdungsopfer zu gebärden, dass er in den Augen der bedenkenlosen Violet Merville über alle Zweifel erhaben ist ...


Die Beschreibung Baron Gruners als „the most dangerous man in Europe“ lässt Sherlock Holmes sogleich Parallelen zum seligen Professor Moriarty ziehen, der in seiner Darstellung durch Eric Porter allerdings wesentlich einschüchternder geriet als die hier von Anthony Valentine gegebene Interpretation des polygamen Superschurken. Der gerissene Gruner zeichnet sich sehr wohl durch seine Rücksichtslosigkeit und Brutalität aus – Eigenschaften, die ungeschönt gezeigt werden –, zugleich aber auch durch besondere Schläue, die in der groben Verkörperung eine Spur zu kurz kommt. Man hätte sich zudem gerade bei den hohen Standards der Serie wünschen können, einen deutschen Muttersprachler, idealerweise einen Österreicher, in der Rolle zu sehen, was dem Part eine zusätzliche sinistre Note verliehen hätte.

Davon abgesehen, trifft „The Illustrious Client“ die Erwartungen, die der Leser der Kurzgeschichte geformt hat. Sowohl die Verschleierung des Auftraggebers mit Holmes’ amüsantem Kommentar, er sei daran gewöhnt, nur an einem Ende seiner Fälle ein Rätsel stehen zu haben, als auch die Sturheit der von ihrer Liebe geblendeten Violet Merville setzen die Handlung, bei der es sich eher um einen Howcatchem als um einen Whodunit handelt, in das richtige Licht. Der Mittelteil wurde mit der geschädigten Kitty Winter und dem Attentat auf Sherlock Holmes schon von Doyle überaus sensationell aufbereitet, sodass der Drehbuchautor keine Kniffe mehr dazuerfinden musste, um einen abwechslungs- und für holmesianische Verhältnisse richtiggehend actionreichen Plot zu erzielen.

Während Tim Sullivans Inszenierung in der Prätitelsequenz etwas holprig wirkt, weidet sie sich bald kunstvoll an den Hürden, die Holmes in den Weg gelegt werden. Die Idee, mit Auszügen aus der Oper „Don Giovanni“ zu arbeiten, erweist sich sowohl in Bezug auf des Barons Herkunft als auch seinen sündigen Lebenswandel als überaus treffend und zugleich als Erleichterung für Patrick Gowers, dem in dieser Staffel die zwingend zündenden Ideen zur Variation seiner berühmten Titelmelodie ausgegangen zu sein scheinen.

Gubanov ( gelöscht )
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03.12.2016 15:30
#45 RE: The game is afoot: Jeremy Brett als Sherlock Holmes Zitat · Antworten



The Case-Book of Sherlock Holmes: The Creeping Man (Der Mann mit dem geduckten Gang)

Episode 32 der TV-Kriminalserie, GB 1991. Regie: Tim Sullivan. Drehbuch: Robin Chapman (Vorlage, März 1923: Sir Arthur Conan Doyle). Mit: Jeremy Brett, Edward Hardwicke, Colin Jeavons. In Gastrollen: Charles Kay (Professor Presbury), Adrian Lukis (Jack Bennett), Sarah Woodward (Edith Presbury), Anna Mazzotti (Alice Morphy), James Tomlinson (MacPhail), Peter Guinness (Wilcox), Steve Swinscoe (Jenkins), Anthony Havering (Sekretär der zoologischen Gesellschaft) u.a. Uraufführung (GB): 28. März 1991. Eine Produktion von Granada Television und Independent Television.

Zitat von The Creeping Man (Der Mann mit dem geduckten Gang)
Dass seit einiger Zeit in verschiedenen englischen Zoos Affen gestohlen werden, könnte in Zusammenhang mit jenem nächtlichen Besucher stehen, den Edith Presbury, Tochter des berühmten Biologen, vor ihrem Schlafzimmerfenster sah. Denn das Fenster befindet sich im zweiten Stock und ein Mensch könnte wohl kaum an der Fassade hochklettern. Doch warum spricht sich ihr Vater dann so energisch gegen eine Einmischung von Sherlock Holmes aus? Dieser fürchtet Schlimmes für die Presburys ...


Aus der letzten von populären Kanonbeiträgen dominierten Staffel ragt „The Creeping Man“ als Kuriosum heraus, denn die Geschichte des Mannes im Affengang gilt gemeinhin als eine der obskursten Abenteuer von Holmes und Watson und wurde bisher entsprechend selten audiovisuell umgesetzt. Einen der Hauptgründe eliminierte Robin Chapman, indem er das Rätsel um die Identität des nächtlichen Störenfrieds möglichst lang aufrecht erhält, anstatt es schon vor Holmes’ Involvierung zu lüften. Der zweite bleibt bestehen, denn man liest in Bezug auf „The Creeping Man“ immer wieder, wie sehr diese Erzählung doch gegen wissenschaftliche Realitäten verstieße – ein Punkt, an dem sich in Bezug auf andere Storys wie „The Speckled Band“ oder die beliebte Erwähnung der Riesenratte von Sumatra niemand ernsthaft zu stören scheint.

Ähnlich wie bei „Band“ beugt Doyle die Realität zugunsten eines unheimlichen Verbrechens, das in der Episode stimmungs- und eindrucksvoll umgesetzt wird, sodass „The Creeping Man“ zu den aufregendsten Episoden der „Case-Book“-Staffel zählt. Dazu tragen sowohl die Beunruhigung der beiden jungen Damen als auch Charles Kays gallige Interpretation des Professor Presbury bei, der vom Idealbild eines humanitären Wissenschaftlers nicht weiter entfernt sein könnte. Die Gefahr, die man durch Scheiben oder in Form sich rasch bewegender Schatten erhascht, materialisiert sich schließlich in einer beeindruckenden Enthüllung, die bei weniger behutsamer Umsetzung albern hätte wirken können.

Die Parallelhandlung mit den Affendiebstählen kann zwar nicht verbergen, dass es sich um nachträgliche Ergänzungen handelt, die so bei Doyle nicht zu finden sind; sie passt jedoch zur Atmosphäre des eigentlichen Falls und fügt diesem geschickt eine falsche Fährte hinzu. Sie ermöglicht zudem einen Auftritt von Inspector Lestrade, wobei es schon ein wenig pervers erscheint, dass Lestrade in eine Geschichte hineingeschrieben wird, in der er ursprünglich nicht vorkam, wohingegen man ihn z.B. aus „The Boscombe Valley Mystery“ eliminierte. – Für Jeremy Brett war es ausgemachte Sache, nach den sechs „Case-Book“-Folgen den Holmes-Zylinder an den Nagel zu hängen. Leider ließ er sich letztlich doch noch umstimmen.

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