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Dieses Thema hat 56 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Georg Offline




Beiträge: 3.263

27.11.2011 12:26
Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Nur sieben Einsätze mit prägnantem Kurztitel hat Klaus Schwarzkopf als Kommissar Finke von der Kieler Mordkommission gehabt und dennoch avancierte er zum Kultermittler. Das hängt einerseits mit den geschickt konstruierten Herbert-Lichtenfeld-Geschichten zusammen, die mehr als einmal an Tabus rührten (siehe Folge 6: Reifezeugnis) und andererseits mit der Inszenierung eines Mannes, der später mit dem Boot nach Hollywood kam: Wolfgang Petersen. Er inszenierte 6 der 7 Fälle.

1 | Tatort Nr. 08 | Blechschaden, 13.06.1971, Regie: Wolfgang Petersen
2 | Tatort Nr. 19 | Strandgut, 25.06.1972, Regie: Wolfgang Petersen
3 | Tatort Nr. 29 | Jagdrevier, 13.05.1973, Regie: Wolfgang Petersen
4 | Tatort Nr. 36 | Nachtfrost, 20.01.1974, Regie: Wolfgang Petersen
5 | Tatort Nr. 58 | Kurzschluss, 07.12.1975, Regie: Wolfgang Petersen
6 | Tatort Nr. 73 | Reifezeugnis, 27.03.1977, Regie: Wolfgang Petersen
7 | Tatort Nr. 90 | Himmelfahrt, 13.08.1978, Regie: Rainer Wolffhardt

Georg Offline




Beiträge: 3.263

27.11.2011 12:26
#2 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

TATORT KIEL – Finkes Fälle (1):
Blechschaden

Erstsendung (ARD): 13.06.1971
Buch: Herbert Lichtenfeld
Regie: Wolfgang Petersen
Darsteller: Klaus Schwarzkopf, Ruth-Maria Kubitschek, Friedrich Schütter, Götz George, Wolf Roth, Volker Eckstein, Horst Stark, Dieter Traier, Horst Beck, Eva Astor, Monica Kaufmann, Herbert A. E. Böhme, Günther Jerschke, Rudolf Beiswanger, Giulia Follina, Jens Weisser, Jo Wegener, Volker Bogdan und Walter Richter u. v. a.

Herr Breuke verursacht nachts, als er mit seiner Geliebten unterwegs ist, einen tödlichen Verkehrsunfall und begeht Fahrerflucht. Der Verdacht fällt zunächst auf den Sohn eines Tankstellenpächters. Doch dann wird Breuke plötzlich von einem Unbekannten erpresst und es kommt zu einem Mord. Das Opfer ist der Liebhaber seiner Frau. Wer ist der Erpresser? Wer der Mörder?

Bereits im ersten Fall wird klar, was die Finke-Fälle so besonders macht: geschickt und spannend konstruierte Mordgeschichten mit Überraschungen, schönes norddeutsches Flair (mit entsprechenden Gastdarstellern in Nebenrollen) und ein überaus leiser, menschlicher, nachdenklicher, ja unscheinbar wirkender Kommissar, der es trotzdem faustdick hinter den Ohren hat. Die Geschichte rund um den Unfall mit Fahrerflucht ist trotz seiner Banalität zunächst sehr flott inszeniert, Petersen setzt auf Handkamera und schnelle Schnitte sowie eine tolle Musikuntermalung von Nils Sustrate. Das Buch baut dann geschickt neue, unerwartete Wendungen ein: die Erpressung durch eine(n) Unbekannte(n) und einen weiteren Mord, mit dem der unfallflüchtige Breuke (Friedrich Schütter) wohl nichts zu tun haben kann. Interessant sind auch die Nebenfiguren, so etwa jene Rolle, die von Horst Beck gespielt wird, der mit seinen Aufzeichnungen nicht unwesentlich zur Überführung des Täters beiträgt. Apropos: wie Finke kombiniert und darlegt, warum der Täter der Täter ist, ist sehr ge"finke"lt erdacht. Die etwas streberische Assistentenfigur ist mit Wolf Roth sehr gut besetzt, aber schnell zeigt sich, dass Finke (trotz Notenschnitts 3,1 beim Kommissarslehrgang) der bessere Handwerker ist, als der Neue mit Schnitt 1,7. Überhaupt wollte Finke den ersten Fall, der gar nicht in Kiel spielt, nicht annehmen, es war ein Dienstauftrag vom Chef. Vorort ermittelt er und ist Chefermittler, Sekretär, Spurensicherer in einem. Wir erfahren zudem, dass er einen Sohn hat, der die gleiche Musik hört, wie Volker Eckstein als Peter Reichert und dass er diese Musik auch mag - neben Walzerklängen.
Sehr gut passt übrigens auch die kalte herbstliche Atmosphäre. Abschließend noch ein Blick auf die Besetzung: hier ist jede Figur vorzüglich getroffen, Ruth-Maria Kubitschek als Ehefrau, Götz George als Liebhaber (als was denn sonst!), Günter Jerschke als Vertreter, Herbert A. E. Böhme als Tankstellenpächter und Rudolf Beiswanger als Gärtner. Als Gastkommissar ist diesmal Trimmel (Walter Richter) mit an Bord, der in Hamburg für Finke einige Ermittlungen anstellt.
Fazit: Fall 1 sitzt und fesselt und es ist beruhigend, dass es in den kommenden Fällen so weiter geht.
P.S.: Zum Wiedersehen holte ich meine letzte Aufnahme von der letzten NDR-Wiederholung hervor, die jedoch irrsinniger Weise im 16:9(!!!)-Format ausgestrahlt wurde. Nach fünf Minuten holte ich meine alte N3-Aufnahme, um den Film in vollen Zügen (um nicht zu sagen in vollen Bildern) genießen zu können.

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

27.11.2011 13:15
#3 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Danke für die schöne Rezension, Georg! Ich stimme in allem vollständig zu.

Klaus Schwarzkopf als Kommissar Finke (der vielleicht sanfteste und menschlichste aller "Tatort"-Kommissare hat unverständlicherweise niemals einen Vornamen von seinem Schöpfer erhalten) ist ein Beispiel für große Darstellungskunst, die blutige Effekte und hirnlose Action um ihrer selbst willen nicht nötig hat - und gerade deswegen umso nachhaltiger im Gedächtnis bleibt.

Man hat Kommissar Finke manchmal den "Columbo aus Kiel" genannt, nicht zuletzt, weil Klaus Schwarzkopf in einigen Episoden der besagten Serie Peter Falk - ganz wunderbar, wie ich finde - die Stimme geliehen hat.
Der deutsche Beamte hat natürlich nichts von der scheinbaren Zerstreutheit seines amerikanischen Kollegen, aber auch er ist klein, tritt meist sehr sanft auf und wird deshalb - völlig zu Unrecht - unterschätzt. Dabei teilen beide Ermittler die Hartnäckigkeit, mit der sie sich in ihre Fälle "verbeißen" - bis sie "ihre" Täter dingfest machen können.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

27.11.2011 19:15
#4 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

In der Tat musste ich bei Finke an Columbo denken - nicht nur deshalb, weil Schwarzkopf Falk synchronisiert hat. Wie Du es richtig erwähnst, ist die Figurenanlage doch recht ähnlich.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

03.12.2011 08:35
#5 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

TATORT KIEL - Finkes Fälle (2):
Strandgut

Erstsendung (ARD): 25.06.1972
Buch: Herbert Lichtenfeld
Regie: Wolfgang Petersen
Darsteller: Klaus Schwarzkopf, Wolf Roth, Ingeborg Schöner, Wolfgang Kieling, Dieter Kirchlechner, Rolf Zacher, Heidy Bohlen, Ulrich Matschoss, Wika Krautz, Volker Bogdan, Karl-Heinz von Hassel, Fritz Hollenbeck, Georg Eilert und Klaus Höhne.

Auf der Ferieninsel Sylt "verdienen" sich zwei Ganoven ihr Geld damit, indem sie hübsche Frauen auf reiche Männer ansetzen und diese dann in eindeutigen Situationen fotografieren, um sie damit zu erpressen. Kommissar Finke wird samt Assistent Jessner auf die Insel geschickt, um den Übeltätern als Lockvogel das Handwerk zu legen. Doch dann gibt es eine Tote ... und später eine weitere...

Mit einem der ältesten und am häufigsten verwendeten Krimimotive der 70er, 80er und 90er-Jahre (in etlichen Derrick-, Der Alte- und Siska-Folgen kam es vor) beginnt Herbert Lichtenfeld seinen 2. Finke-Fall. Die Geschichte ist also nicht besonders originell, was sie sehenswert macht, ist die Wendung mit den beiden Toten und die Auflösung (an die ich mich nicht mehr erinnern konnte, die mir aber nach der 2. Leiche sofort klar war). Wolfgang Petersen lässt sich viel Zeit, um die Handlung zu entwickeln und so dauert die Folge 1 Stunde und 45 Minuten. Am Anfang ist das fast etwas zuviel, zumal man an einen banalen Fall glaubt. Positiv hervorzuheben sind natürlich die toll besetzten Rollen mit Wolfgang Kieling als Arzt und der hübschen Ingeborg Schöner in einer Doppelrolle. Des weiteren fungieren Dieter Kirchlechner und Rolf Zacher als Ganovenpärchen und Ulrich Matschoss als erpresster Mitarbeiter des Innenministers. Finke agiert erneut ruhig und konsequent, lässt sich nicht einmal von den Drohungen des hohen Ministerialbeamten abschrecken, als dieser sagt: "Noch ein Wort und ich melde dem Innenminister ..." - worauf ihn Finke unterbricht: "was? Das ich meine Pflicht tue?". Assistent Jessner alias Wolf Roth ist erneut die passende Kontrastfarbe zu Finke und diesmal schon viel reifer, weil er seinen Chef nicht mehr belehrt.
Was mich verwundert hat, ist, dass es damals nicht mehr Theater um die Folge gab, sind doch - für 1972 - ziemlich freizügige Szenen zu sehen, die Petersen auch diskreter inszenieren hätte können. Man hat manchmal das Gefühl, Petersen spielt bewusst an diese Art dubioser Report-Filme aus jener Zeit an. Schließlich: ein schöner Gastauftritt des Frankfurter Kommissars Konrad alias Klaus Höhne, der hier noch mit seiner für die ersten Fälle typischen Fliege statt Krawatte zu sehen ist!
Insgesamt kann Strandgut den ersten Fall nicht toppen, ist aber auf Grund von Schauspielern und der langen und sorgfältigen Auflösung (fast 20 Minuten!) samt Rückblenden doch sehenswert!

Georg Offline




Beiträge: 3.263

03.12.2011 11:10
#6 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

TATORT KIEL - Finkes Fälle (3):
Jagdrevier

Erstsendung (ARD): 13.05.1973
Buch: Herbert Lichtenfeld
Regie: Wolfgang Petersen
Darsteller: Klaus Schwarzkopf, Wolf Roth, Jürgen Prochnow, Walter Buschhoff, Vera Gruber, Karl-Heinz von Hassel, Annette Kluge, Volkert Matzen, Klaus Helm, Karen Hüttmann, Uwe Dallmeier, Gabriele Sharon, Regine Lamster, Werner Nippen, Heinrich Kunst, Gerhard Hartig, Charlie Rinn und Sieghardt Rupp u. v. a.

Brodschella bricht aus, um den Tod seiner Schwester zu rächen. Diese kam am Silvesterabend im Park des reichen Herrn Kresch‘ um. Kresch wurde freigesprochen, ist aber wahrscheinlich der Täter. Kommissar Finke soll im Alleingang den Ausbrecher finden und den Mord verhindern ...

Diesem Fall von Kommissar Finke steht seine eigene Geschichte im Weg: da bricht ein gefährlicher Mann aus, um den Tod seiner Schwester zu rächen. Man weiß, wo er hin will, man weiß, wo er sich ungefähr versteckt, man kennt sein zukünftiges Opfer – und was macht die Polizei? Sie schickt einen (sic!!!!) Mann in das Drei-Seelen-Dorf, um die Tat zu verhindern und Brodschella (Jürgen Prochnow) zu suchen. Keine Hundertschaft an Männern, mit der man den Täter innerhalb kurzer Zeit stellen hätte können, nein, Kommissar Finke im Alleingang als einsamer Sheriff! Wie unglaubwürdig! Und was macht Finke? Er meldet nicht, dass der einzige Dorfpolizist der Stiefbruder des Täters ist, er nimmt keinen der Dorfbewohner in die Zange, obwohl alle etwas wissen. Als er zu wissen glaubt, dass der entflohene Brodschella in der Kiesgrube ist, fährt er alleine hin und wird dabei natürlich schwer verletzt. Aber auch jetzt, wo man weiß, dass der Killer da ist, holt man keine Verstärkung. Nach Minute 50 taucht immerhin Assistent Jessner auf, doch auch bei der zweiten Konfrontation Finke:Brodschella ist der Kommissar alleine. Das einfachste wäre gewesen, dem mutmaßlichen Schwesternmörder Kresch (Walter Buschhoff) zu überwachen. Eines Tages wäre der Entflohene aufgetaucht und man hätte ihn gehabt. Aber nein. Statt dessen macht Herbert Lichtenfeld aus Kresch auch einen Jäger, der Fortan Brodschella jagt. So haben wir im Jagdrevier drei Männer, die auf der Jagd sind und dabei selbst zu Gejagten werden: Finke jagt Brodschella, Brodschella jagt Kresch und Kresch jagt Brodschella, dieser wiederum zeitweise Finke. Erst nach 85 Minuten und acht Handlungstagen, nachdem es einen Toten gegeben hat, ist man plötzlich bereit eine Hundertschaft einzusetzen. Da ist es aber nicht mehr nötig. Unvorstellbar, wie man eine derartig unglaubwürdige Wild-West-Geschichte drehen konnte. Auf der anderen Seite stehen natürlich die großartigen schauspielerischen Leistungen von Klaus Schwarzkopf und Jürgen Prochnow sowie von Uwe Dallmeier, der später ja sogar selbst mal in dem originellen Tatort: Wat Recht is, mutt Recht blieben als Kommissar Schnoor ermittelte. Einen originellen Einfall für einen Gastauftritt hatte man, indem man Sieghardt Rupp als Kressin im Fernsehen auftreten ließ: alle - einschließlich Finke - sitzen in der Kneipe rund um den s/w-Fernseher versammelt und verfolgen einen Einsatz des Zollfahnders. Der Tatort im Tatort sozusagen.
Fazit: Unglaubwürdige Story, aber stark gespielt und ein faszinierend cooler Soundtrack von Nils Sustrate.

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

03.12.2011 11:30
#7 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Hätte man die Hundertschaft Polizei gleich zu Beginn geschickt, wäre der Film schon nach einer halben Stunde zu Ende gewesen, weil man Brodschella beizeiten dingfest gemacht hätte, was wohl auch nicht der Weisheit letzter Schluß gewesen wäre...

Herbert Lichtenfeld ging es mit seinem Duell in Wildwestmanier ganz offensichtlich darum zu zeigen, wie anstrengend und mühsam die Arbeit eines ganz normalen, menschlischen Kriminalkommissars (wer würde sich besser dazu eignen als der sanfte Finke?) sein kann - im Gegensatz zu einem märchenhaft idealisierten Superhelden à la Kressin (und genau deshalb erscheint dieser im Dorfkrug auf der Fernsehmattscheibe)

Georg Offline




Beiträge: 3.263

03.12.2011 12:25
#8 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Zitat
Hätte man die Hundertschaft Polizei gleich zu Beginn geschickt, wäre der Film schon nach einer halben Stunde zu Ende gewesen


Richtig ;-), deshalb ja der Einzelkämpfer Finke, der trotzdem in einer realistischen Umwelt bleibt und nicht - wie du richtig analysierst - märchenhafter Superheld wird. Die Folge hat ein schönes Lokalcolorit und auch die Figurencharakterisierungen sind glaubhaft und menschlich. Lichtenfeld hätte aber eine glaubhaftere Story basteln können.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

03.12.2011 16:03
#9 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

TATORT KIEL - Finkes Fälle (4):
Nachtfrost

Erstsendung (ARD): 20.01.1974
Buch: Herbert Lichtenfeld
Regie: Wolfgang Petersen
Darsteller: Klaus Schwarzkopf, Hans-Peter Korff, Ursula Sieg, Marcel Werner, John van Dreelen, Ulla Jacobsson, Peter Lakenmacher, Wolf von Gersum, Sabine Zimmermann, Herbert Mensching, Uwe Dallmeier, Helga Bammert, Jürgen Mikol, Jochen Schmidt, Peter Frank, Günter Heising, Rudolf Beiswanger und Werner Schumacher u. v. a.

Eine junge Dame wird ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden. Schnell ergeben die Ermittlungen, dass die Verkäuferin in der Wohnung Herrenbesuche gegen Entgelt empfing. Kommissar Finke ermittelt ...

Diese Folge sitzt! Von Anfang an ermittelt Kommissar Finke in einem spannenden Whodunit-Fall und tut dabei so manche Abgründe auf. Dass ausgerechnet der Frost in der Nacht vor dem Mord ihm ein Licht aufgehen lässt, ist genial und zeigt, wie wunderbar Herbert Lichtenfeld scheinbar unwichtige Details, die am Ende zur Aufklärung beitragen, schon von Anfang an immer wieder einstreut. Nur geschulte Krimiseher merken früh, dass der laufende Wasserhahn, die Toilette etc. später zur Eingrenzung der Tatzeit führen werden. Klaus Schwarzkopf spielt erneut verständnisvoll und menschlich, ist ein unscheinbarer Beamter, wie es sie damals auch in Wirklichkeit gegeben hat. Interessant sind die Figuren, unter den Besetzungen möchte ich vor allem Sonderdezernat K1-Ermittler Peter Lakenmacher als Zuhälter hervorheben, Rudolf Beiswanger als Kioskbesitzer und Günter Heising als Herrn Metz, der glaubt, eine Prostituierte aufzusuchen, jedoch bei der Polizei landet. Wunderbar komisch ist die Szene, in der er sich bei der vermeintlich leichten Dame einschmeicheln versucht ("Ich bin kein Adonis, habe aber andere Qualitäten!" :-)). Nils Sustrate verwendet immer wieder (auch im Abspann) sein Thema aus Folge 1 Blechschaden, kreiert ansonsten aber auch einen wunderbar schaurigen Soundtrack, der auch gut in einen Gruselfilm gepasst hätte. Werner Schumachers Gastauftritt als Kommissar Lutz hingegen ist völlig redundant, zumal sein Auftreten diesmal nicht dramaturgisch notwendig war und auch nichts mit dem Fall zu tun hatte. Außerdem ist er viel zu kurz! Schließlich wurde dieser Anfang 1974 ausgestrahlte Film anscheinend schon 1972 produziert, denn im Personalausweis der Toten ist als Geburtsdatum 1952 angegeben und Finkes Assistent (Hans-Peter Korff, übrigens fast nicht zu erkennen mit Haaren und Schnauzart!) meint, sie war erst 20 Jahre alt. Korff löst in dieser Folge zudem Wolf Roth ab, der als Jessner in den ersten drei Fällen als Assistent dabei war. Erstmals ist auch Kiel direkt Schauplatz der Handlung.
Ansonsten: eine packende und spannende Episode mit einem dramatischen Ende!

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

03.12.2011 16:12
#10 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Eine Konservendose als Mordwaffe ist auch noch so ein kleines Detail ...

Georg Offline




Beiträge: 3.263

03.12.2011 16:24
#11 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Stimmt, das Detail mit den fehlenden 1,98 DM auf der Rechnung. Danke für die Ergänzung, Cora Ann ;-)!

Georg Offline




Beiträge: 3.263

04.12.2011 12:17
#12 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

TATORT KIEL - Finkes Fälle (5):
Kurzschluss

Erstsendung (ARD): 07.12.1975
Buch: Herbert Lichtenfeld
Regie: Wolfgang Petersen
Darsteller: Klaus Schwarzkopf, Günter Lamprecht, Dieter Laser, Georg Lehn, Ingeburg Kanstein, Wolf Roth, Johanna Liebeneiner, Henry Kielmann, Horst Stark, Charlie Rinn, Jochen Köppel, Ilse Seemann, Sylvia Dudek, Hans Fitze, Fritz Hollenbeck, Bruno Vahl-Berg u. v. a.

Polizist Freitag verfolgt einen Bankräuber. Dieser kann entkommen, verliert aber seine Beute. Kurzerhand beschließt Freitag, das Geld zu behalten. Damit begibt er sich in einen gefährlichen Teufelskreis, der mit einem Toten endet. Kommissar Finke ermittelt ...

Mit Kurzschluss beweist Herbert Lichtenfeld erneut, welcher Könner er auf dem Gebiete der spannenden Kriminalgeschichten war. Ihn interessieren nicht vordergründig billige Effekte und falsche Spuren, sondern bestimmte menschliche Dilemmata. Dazu braucht er nicht unbedingt ein Whodunit, erzeugt aber eben durch die menschlichen Beziehungen, durch den Sumpf, in dem die handelnden Personen versinken, absolute Hochspannung. So auch hier: der Streifenbeamte Freitag beschließt in einer Kurzschlusshandlung, das gefundene Geld des Bankräubers nicht abzuliefern, sondern dieses auf Grund von Schulden, nachts selbst abzuholen. Dass das nicht gut gehen kann, ist klar, denn er lässt sich dadurch immer mehr in eine krumme Sache hineinziehen, die mit einem Mord endet. Nach rund 62 Minuten gibt es erst einen Toten, den hätte es aber auch gar nicht gebraucht, um diese Folge weiterhin spannend zu halten. Vorzüglich sind die schauspielerischen Leistungen. Man kann immer nur mehrfach betonen, welch großer Gewinn Klaus Schwarzkopf war, der hier seine Rolle als leiser, intelligenter und menschlicher Ermittler konsequent fortsetzt. Ihm zur Seite gesellt sich erneut Wolf Roth als Assistent Jessner, der im vorigen Fall Nachtfrost nicht dabei war, sich nun aber auch als kluger Denker erweist (so erinnert er sich nach dem Tod des Vertreters an dessen Kennzeichen) und seine anfängliche Rolle (wie in Blechschaden) als besserwisserischer Musterpolizeischüler abgelegt hat.
Günter Lamprecht als verzweifelter Polizist spielt menschlich und hat die ganze Zeit die Sympathie des Zuschauers, hervorragend auch Dieter Laser als Ganove, der ebenso zwischendurch menschliche Züge aufweist. Erneut erklingt das Titelthema von Nils Sustrate im Abspann, der damit wohl eine eigene Finke-Titelmusik geschaffen hat. Wolfgang Petersen setzt wieder auf eine dichte Inszenierung und erweist sich hier auch als toller Actionregisseur, die Verfolgungsjagd ist genial - und aus ungewöhnlichen Kameraperspektiven - fotografiert. Auf einen Gastkommissar hat man bei Folge 5 übrigens bereits verzichtet.
Fazit: Kurzschluss ist eine absolute Topfolge, vielleicht die beste (obwohl das angesichts der anderen Fälle, die auch alle sehr gut sind, schwer zu sagen ist).

Georg Offline




Beiträge: 3.263

04.12.2011 16:03
#13 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

TATORT KIEL - Finkes Fälle (6):
Reifezeugnis

Erstsendung (ARD): 27.03.1977
Buch: Herbert Lichtenfeld
Regie: Wolfgang Petersen
Darsteller: Klaus Schwarzkopf, Nastassja Kinski, Christian Quadflieg, Judy Winter, Marcus Boysen, Petra Verena Milchert, Rebecca Völz, Sabine Burgert, Friedrich Schütter, Hans Timmermann, Rüdiger Kirschstein u. v. a.

Die 17jährige Sina Wolf hat ein Verhältnis mit ihrem um 15 Jahre älteren Lehrer Fichte. Als Michael Harms, der in sie verliebt ist, dahinter kommt, stellt er ihr ein Ultimatum. Bei einem Treffen im Wald erschlägt Sina Michael ...

Das ist er also, der wohl bekannteste Tatort! Ich selbst habe ihn 15 Jahre nicht mehr gesehen, war aber trotzdem wieder davon gefesselt. Eine ruhige Story, bei der das Kriminalistische fast in den Hintergrund rückt, aber dennoch sehr spannend! Die Geschichte allerdings kann es nicht gewesen sein, die diesen Film so berühmt machte. Es war vielmehr das lasziv-unschuldige Spiel von Nastassja Kinski und das Thema, das von Wolfgang Petersen gekonnt umgesetzt wurde. Alle Figuren in dem Film erscheinen sympathisch, die Mörderin, der Lehrer, der seine Frau mit der Schülerin betrügt und natürlich der Ermittler. Einzig das Opfer gefällt nicht. Das ist zwar selten, trifft aber auf Reifezeugnis zu. Finke agiert gewohnt ruhig und konsequent, hat die Schülerin Sina schon sehr früh in Verdacht und lockt sie bewusst in einer Falle. Sein Assistent Jessner (Wolf Roth) wurde diesmal durch Franke (Rüdiger Kirschstein) ersetzt. Jessner war sehr gut, aber auch Franke ist sympathisch.
Das junge Fräulein Kinski ist wie geschaffen für ihre Rolle, körperlich schon Frau, im Geiste aber noch mit kindlichen oder jugendlichen – also eingeschränkten (scil. naiven)– Ansichten. Mit der Schüler-Lehrer-Beziehung wurde damals ein heißes Eisen angefasst, das sicherlich erregte, aber auch damals schon nichts Neues gewesen sein dürfte. Christian Quadflieg als Englisch-, Deutsch- und Sportlehrer agiert überzeugend (wieso drei Fächer?), das Handeln seiner Frau – grandios gespielt von Judy Winter – verstehe ich aber ehrlich gesagt nicht. Sie ist nicht einmal böse, nicht eifersüchtig, nicht beleidigt, als sie hinter die Beziehung kommt. Ist sie so devot, dass sie ihrem Mann alles verzeiht?
Im Übrigen geistern durch den Film zwei Fehler: 1) verheiratete Lehrer dürfen nicht dieselbe Klasse unterrichten und 2) Lehrer dürfen eigenen Schülern und Schülern von der eigenen Schule keinen Nachhilfeunterreicht erteilen!
Ingesamt aber ein sehr sehenswerter Film (der von seiner Problematik sicherlich heute auch nichts verloren hat!), ein schöner, softer Soundtrack von Nils Sustrate rundet das Ganze ab. Sustrate verwendet nebenbei auch wieder das Finke-Thema, somit dürfte dieser Kommissar der einzige (?) jener Jahre sein, der ein eigenes Titelthema in jeder Folge hatte.

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

04.12.2011 16:23
#14 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Zitat von Georg
das Handeln seiner Frau – grandios gespielt von Judy Winter – verstehe ich aber ehrlich gesagt nicht. Sie ist nicht einmal böse, nicht eifersüchtig, nicht beleidigt, als sie hinter die Beziehung kommt. Ist sie so devot, dass sie ihrem Mann alles verzeiht?



Ich kann ihr Verhalten auch nicht nachvollziehen. Mir erscheint sie allerdings in keiner Weise als devot - ganz im Gegenteil. Sie ist stark und trifft Entscheidungen, während ihr Mann sich überall nur durchlaviert. Was diese emanzipierte Frau an solch einem Schwächling findet, wird wohl immer ihr Geheimnis bleiben...

Hätte der Mann mehr Charisma, könnte man noch verstehen, dass sie unter allen Umständen versucht, ihre Ehe aufrecht zu erhalten - aber so?

Ansonsten ein wirklich gelungener Film mit ausgezeichneten Darstellern.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

04.12.2011 17:10
#15 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Devot war sicherlich nicht der richtige Ausdruck von mir, denn auf der anderen Seite erscheint sie ja stark. Trotzdem ist ihr Handeln irrational. Im Übrigen finde ich nicht, dass ihr Mann kein Charisma hat. Aber er ist schon irgendwie ein Waschlappen, weil er es nicht fertigbringt, mit seiner Frau ausführlich zu reden, noch mit Sina ein klärendes Gespräch zu führen.

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