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Dieses Thema hat 56 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Prisma Offline




Beiträge: 7.591

11.12.2015 22:54
#31 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Zitat von Klaus1959 im Beitrag #23
wobei die höchst attraktive Heidy Bohlen im Gegensatz zur kindlichen Nastassja Kinski meinen Blutdruck in schwindelerregende Höhen ansteigen ließ!

Das kann ich verstehen!
Eines der aufregendsten, wenn auch leider kurzlebigsten Geschöpfe aus dieser Zeit.


Komischerweise bezeichne ich mich ja nicht gerade als "Tatort"-Fan, aber jedes Mal wenn ich mir eine Folge insbesondere aus den früheren Jahren anscheue, stellt sich dann die Frage, wieso ich eigentlich nicht so richtig ziehe, denn ich fühle mich ja so gut wie immer sehr gut unterhalten. Manchmal sogar noch mehr als nur das. Das Problem ist wohl, mich einfach dranzusetzen. Klar, mein Haupt-Auswahlkriterium bei "Strandgut" ist selbstverständlich Heidy Bohlen gewesen, deren Filmografie ich momentan weiter am abarbeiten bin, und leider fehlt da auch nicht mehr sehr viel. Die meisten anderen Beiträge der Reihe habe ich ebenfalls nur wegen einigen der beteiligten Gastdarsteller angeschaut, aber auch hier will ich sagen, dass es da noch sehr viel zu entdecken gibt. Ein bisschen bin ich jedenfalls gerade wieder auf den Geschmack gekommen.

Jan Offline




Beiträge: 1.753

11.12.2015 22:56
#32 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

In der Tat ist "Blechschaden" auch in meinen Augen der beste Schwarzkopf-Tatort und damit einer - wenn nicht der! - beste mir bekannte Tatort. "Reifezeugnis" rangiert bei mir am anderen Ende der Schwarzkopf-Skala. Er hat zwar Flair, ist aber aus meiner Sicht aufgrund des seinerzeitigen Skandals um das nackte Kinski-Brüstchen überbewertet. Und dennoch handelt es sich um einen vorzüglichen Tatort, was viel über die Güte des Gespanns Lichtenfeld/Petersen (bzw. einmal auch Wolffhardt) aussagt. Noch der (bei mir) letztplatzierte Schwarkopf-Tatort taugt dazu, zu den besten Tatorten zu zählen. Das trifft ansonsten m.E. auf keinen weiteren Ermittler im Tatort zu. Auch nicht auf Felmy oder George.

Gruß
Jan

Havi17 Offline




Beiträge: 3.764

12.12.2015 12:55
#33 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Einer der Gründe für diese gelungenen Tatorte sind die an die Szenen angepasste Musik
von Professor Nils Sustrate, den Petersen persönlich kannte. Im übrigen gilt das mit
der Musik auch für die Wallace-Filme, bzw. ist es m.E. ein Fakt für einen gelungenen
Film.

Gruss
Havi17

Jan Offline




Beiträge: 1.753

12.12.2015 19:26
#34 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Zitat von Havi17 im Beitrag #33
Einer der Gründe für diese gelungenen Tatorte sind die an die Szenen angepasste Musik
von Professor Nils Sustrate, den Petersen persönlich kannte. Im übrigen gilt das mit
der Musik auch für die Wallace-Filme, bzw. ist es m.E. ein Fakt für einen gelungenen
Film.

Absolut! Nils Sustrate hat gebührenden Anteil an der Wirkung der Filme. Petersen verwendete einzelne Stücke auch immer wieder. Ganze Einstellungen wiederholen sich wie beispielsweise die immer wiederkehrende Kameraeinstellung einer Autofahrt. Petersen ließ die Kamera im Inneren des Wagens knapp oberhalb des Armaturenbrettes montieren, sodass Armaturenbrett, Scheibenwischer und Motorhaube teilweise im Bild zu sehen sind. Der Wagen fährt dann über eine kurvige norddeutsche Straße oder durch ein kleines Dörfchen. Die hier unterlegte Musik ist immer die gleiche.

Wieviel Anteil eine gute Musik hat, sieht man, wenn man länger keine aktuellen TV-Filme mehr gesehen hat. Das Gedudel bzw. die Laute (mehr ist es ja nicht mehr), die in diesen aktuellen Filmen heute zu hören sind, haben mit musikalischer Wirkung nichts mehr zu tun. Und geht dann einmal ein Filmemacher einen ganz anderen Weg, wirkt das regelrecht verstörend zunächst. Als Beispiel sei das Tatort-Meisterwerk "Im Schmerz geboren" genannt. Regisseur Florian Schwarz ließ gleich das Synfonieorchester des Hessischen Rundfunks auffahren. Da fragt man sich dann unweigerlich, warum so viele andere Filmschaffende immer wieder sagen, dass sowas aus Kostengründen nicht mehr ginge...

Gruß
Jan

Havi17 Offline




Beiträge: 3.764

12.12.2015 22:47
#35 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Danke für den Tipp, "im Schmerz geboren" habe ich aufgrund einer Empfehlung von Francois Werner
vor kurzem aufgezeichnet und werde mir diesen demnächst anschauen

Gruss
Havi17

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

27.12.2016 22:17
#36 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten





● Folge 08: TATORT - BLECHSCHADEN (D|1971)
mit Klaus Schwarzkopf, Wolf Roth und Walter Richter
Gäste: Ruth Maria Kubitschek, Friedrich Schütter, Götz George, Volker Eckstein, Eva Astor,
Monica Kaufmann, Herbert A. E. Böhme, Günther Jerschke, Horst Beck, Volker Bogdan, u.a.
eine Gemeinschaftsproduktion der ARD | mit dem ORF | eine Sendung des NDR
Regie: Wolfgang Petersen




Der Bauunternehmer Alwin Breuke (Friedrich Schütter) und seine Freundin Monica (Eva Astor) haben einen Wochenendausflug in Travemünde verbracht. Auf dem Weg zurück überfährt Breuke einen Radfahrer in einem unkonzentrierten Moment und begeht Fahrerflucht. Um den tödlichen Unfall zu verschleiern, fährt er mit seinem Wagen absichtlich gegen die Hauseinfahrt, doch seine Frau (Ruth Maria Kubitschek) beobachtet diesen Vorfall vom Fenster aus. Am nächsten Tag berichtet sie dem in der Firma ihres Mannes angestellten Ingenieur Joachim Seidel (Götz George), der auch ihr Liebhaber ist, von dieser seltsamen nächtlichen Beobachtung und man will die Gunst der Stunde nutzen, um die Ehe in lukrativer Art und Weise beenden zu können. Wenig später meldet sich ein Erpresser bei Alwin Breuke, der offensichtlich Bescheid über den Unfall weiß. In der Zwischenzeit treffen Kriminalhauptkommissar Finke (Klaus Schwarzkopf) und sein neuer Assistent Jessner (Wolf Roth) ein und beginnen mit den Ermittlungen, doch schon bald sehen sie sich mit der nächsten Leiche konfrontiert...

Die achte "Tatort"-Folge "Blechschaden" beinhaltet zwei nennenswerte Premieren. Nicht nur dass diese Folge der erste Beitrag Wolfgang Petersens für die erfolgreich angelaufene Reihe war, sie führte auch die Figuren des Kriminalhauptkommissars Finke und dessen Assistenten Jessner ein. Bei der Erstausstrahlung am 13. Juni 1971 wurde mit einer Quote von etwa 60,0 % ein sehr guter Wert erzielt und die Episode offenbart trotz der überdurchschnittlichen Länge von über 100 Minuten kaum Längen. Petersens strukturierte Regie und die präzise gestaltete Figur des Kommissar Finke durch Klaus Schwarzkopf prägt diesen Fall in sehr nachhaltiger Weise und es ist für den Zuschauer ein Leichtes, sich uneingeschränkt darauf einzulassen, denn von erwartungsgemäßen Startschwierigkeiten ist hier nichts zu merken. Der Kriminalfall behandelt ein bekanntes Hauptthema, das sehr sehenswerte Erweiterungen im Bereich mehrerer Nebenhandlungen erfährt und der klare Aufbau geht interessante Allianzen mit überraschenden Kehrtwendungen und nicht vorhersehbaren Ereignissen ein. Selbstverständlichkeiten innerhalb einer Kriminalgeschichte, sollte man meinen, doch schon oft wurde der Zuschauer insbesondere in laufenden Serien eines schlechteren belehrt. Thematisiert wird das uralte Thema Seitensprung eines gut situierten Herren, der Gefahr läuft, seine besten Jahre demnächst gesehen zu haben. Sein attraktiver Jungbrunnen stellt so gut wie alles dar, was seine eigene Ehefrau längst nicht mehr herzugeben weiß und durch die latente Angst entlarvt zu werden, kommt es zu einer tödlichen Sekunde der Unachtsamkeit, was die Basis für diesen intelligent konstruierten Verlauf darstellt. Das Opfer des Verkehrsunfalls wird zugunsten der Diskretion und gesellschaftlichen Reputation einfach auf offener Straße liegen gelassen und es bäumt sich eine gute Portion Tragik auf, da sich kurze Zeit später herausstellt, dass der junge Mann bei adäquater Hilfe nicht hätte sterben müssen.

Interessant ist erneut das weitere Vorgehen des Täters, der trotz Zuständen von Hektik und Angst dennoch auf Verschleierungstaktiken kommt, und diese auch auszuführen weiß. Wie das Leben und der Film es jedoch wollen, kann es das perfekte Verbrechen, oder jenes, das durch unterlassene Hilfeleistung dazu werden soll, einfach nicht geben, da hier stumme Zeugen und kleine Erpresser im Hintergrund lauern. Die Riege der Gastdarsteller ist in "Blechschaden" als durchaus prominent zu beschreiben, vor allem da hier Götz George in einer der Episoden-Hauptrollen zu sehen ist, der zehn Jahre später selbst zum beliebten "Tatort"-Kommissar Horst Schimanski avancieren sollte. Als Ingenieur Seidel, eine Art Provinz-Casanova, ist der gebürtige Berliner in einer seiner überzeugendsten Rollen-Profile zu sehen, das man ihm zu jeder Zeit abnimmt. Sein Pokerspiel mit zu hohen Einsätzen bringt einige Personen aus seinem Umfeld in arge Bedrängnis, sodass er schnell als einer derjenigen identifiziert wird, der möglicherweise Opfer werden, oder Täter sein könnte. Eine hervorragende Präzisionsleistung liefert wie zu erwarten Ruth Maria Kubitschek, die ebenfalls das zu absolvieren hatte, was insbesondere in Kriminalserien oder derartigen Frauenrollen von ihr verlangt wurde. Die brüskierte Ehefrau, die ihrem Mann ihre komplette Tatkraft jahrelang zur Verfügung gestellt und dementsprechend nur zurückgesteckt hat, steht aufgrund eines jüngeren Modells plötzlich vor den Scherben ihrer Ehe. Hier gibt es den Zusatz, dass sie selbst einen Liebhaber hat, der die Kuh allerdings auch nur solange melken will, wie es sich für ihn lohnt. Kubitschek wendet erneut ihre schauspielerischen Waffen in Form sparsamer Regungen und stumpf wirkender Emotionen an und sie zeichnet das lückenlose Bild einer Frau, die mittlerweile vielleicht schon zu allem bereit wäre, nur um ihre selbst konstruierten Luftschlösser aufrecht zu erhalten.

Weitere ansprechende Darbietungen zeigen Friedrich Schütter, der zusehends nervösere, beziehungsweise manische Tendenzen annimmt, weil sich die Schlinge immer weiter zuzieht, oder Eva Astor als amouröser Zeitvertreib sowie Volker Eckstein, der als Halbstarker mit reaktionärem Gehabe negativ bei der Polizei auffällt. Das Gespann Klaus Schwarzkopf und Wolf Roth wirkt zunächst ungleich, sodass man zunächst eher von einem Arrangement ausgehen darf. Der Kommissar stutzt seinen teils über-ambitionierten Kollegen gerne zurecht und degradiert ihn offen zu einem Untergebenen, der Wasserträger-Arbeiten übernehmen muss. Dennoch lässt sich eine gute Zusammenarbeit herausfiltern und letztlich ist ein Duo zu begleiten, dass zu den vielleicht besten und greifbarsten der frühen Phase gehört. Wolfgang Petersen bietet mit "Blechschaden" eine gut ausgearbeitete Kettenreaktion an, die sich zum Ende hin vielleicht als etwas vorhersehbar herausstellt, aber viele Finessen im Bereich der Kriminalhandlung und der Charakterzeichnungen aufzeigt. Da der Fall mit nackten, respektive toten Tatsachen beginnt, ist der Zuschauer über alles orientiert und wird zum Komplizen gemacht. Im späteren Verlauf mündet die Geschichte in nebulöse Konturen, in denen sich die Personen nicht mehr auf einem Silbertablett servieren, was Kommissar Finkes eigentlich ruhige Herangehensweise forciert. Ohnehin ist es interessant dabei zuzusehen, wie er eben aufgrund seiner einfach wirkenden Methoden von seinem jeweiligen Gegenüber unterschätzt wird. Petersens erste von sechs Arbeiten innerhalb der "Tatort"-Reihe überzeugt wegen der inszenatorischen Sicherheit, der optimalen Verstrickung der Handlungsstränge und nicht zuletzt im Bereich der Schauspieler-Führung. Weniger Effekte, aber dafür originelle Kniffe, beispielsweise mit der Kamera, sorgen für Tempo und eine solide Grundspannung, sodass man diesem achten Fall bestimmt nicht nur als Fan der Serie etwas abgewinnen kann.

Ray Offline



Beiträge: 1.931

28.05.2018 23:05
#37 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Fall Nr. 1: Blechschaden (Tatort-Folge 8, BRD 1971)

Regie: Wolfgang Petersen

Darsteller: Klaus Schwarzkopf, Ruth Maria Kubitschek, Friedrich Schütter, Götz George, Wolf Roth, Volker Eckstein, Walter Richter u.a.



Auf der Rückkehr von einem Rendezvous mit seiner Geliebten fährt Bauunternehmer Breuke einen Jugendlichen auf einem Fahrrad an. In Panik begeht er Fahrerflucht und versucht die Spuren am Fahrzeiug dadurch zu überdecken, dass er absichtlich beim Abbiegen in die Hofeinfahrt seines Hauses einen Poller rammt. Doch das Ganze bleibt nicht unbemerkt. Breuke wird erpresst und wenig später geschieht ein zweiter Mord...

In den ersten Minuten der Premieren-Tatort-Folge mit Klaus Schwarzkopf als Kommissar Finke werden dermaßen viele Figuren eingeführt, dass sich kaum erahnen lässt, wer als Mordopfer wird herhalten müssen und wie diese vorgestellten Personen zueinander in Verbindung stehen. Da sind zunächst die Jugendlichen, die eine Party feiern. Weiterhin sieht man Götz George sich mit einer jungen blonden Frau vergnügen, auch Friedrich Schütter scheint außerehelichen Aktivitäten nachzugehen. Nach dem Unfalltod des Jugendlichen und dem Aufschlagen Finkes in der norddeutschen Provinz werden die Beziehungen klarer. Vom Krimi-Typ hat der Zuseher es zunächst nicht mit einem Whodunit zu tun. Er ist Zeuge, wie der von Schütter verkörperte Breuke den Jugendlichen versehentlich angefahren und sich dann vom Unfallort entfernt hat. Spannungssteigernd wirkt sich im weiteren Verlauf die Frage nach der Identität von Breukes Erpresser aus. In einer Phase, in der man sich fragt, wozu es für diese Folge einer „Überlänge“ von etwa 15 Minuten bedurfte, wird eine zweite Leiche gefunden. Anders als beim ersten Toten ist der Betrachter diesmal nicht zugegen, weshalb der Film hinten raus doch noch zum Whodunit wird und in der Auflösung durchaus zu überraschen weiß.

Weiterer Pluspunkt dieses ersten Falles für Kommissar Finke ist die z.T. sehr experimentelle und dynamische Inszenierung Petersens. Klaus Schwarzkopf führt sich als Tatort-Ermittler gut ein und bildet mit dem frisch von der Polizeischule kommenden und mit einem wesentlich besseren Abschluss als Finke ausgestatteten Wolf Roth einen gelungenen Kontrast. Die Gaststars Friedrich Schütter als Breuke, Ruth Maria Kubitschek als dessen betrogene undzugleich selbst betrügende Ehefrau sowie Götz George als junger Schwerenöter bieten ansprechende darstellerische Leistungen. Ungewohnt ist der lange Abspann, in dem Roth und Schütter durch den Ort gehen, der stimmiger erscheint als das später abrupte Ende mit der typischen Tatort-Melodie. Alles in allem trotz gewisser Längen im Mittelteil eine gute Einstiegs-Folge, die Lust auf mehr macht.


Gut inszenierter, im Laufe der Handlung von „Nicht-Whodunit“ auf „Whodunit“ umschwenkender Einstiegsfall für Klaus Schwarzkopf als Kommissar Finke. 4 von 5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.931

31.05.2018 14:35
#38 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Fall Nr. 2: Strandgut (Tatort-Folge 19, BRD 1972)

Regie: Wolfgang Petersen

Darsteller: Klaus Schwarzkopf, Wolf Roth, Wolfgang Kieling, Rolf Zacher, Dieter Kichlechner, Ingeborg Schöner, Heidy Bohlen, Klaus Höhne u.a.



Die Brüder Possky setzen auf der Insel Sylt zwei schöne junge Damen auf "ehrenwerte", wohlhabende Männer an und fotografieren diese mit den Damen beim Liebesspiel in den Dünen, um sie anschließend zu erpressen. Als eine der Damen, Christa, mit einem der potentiellen Erpressungsopfer ausreißen will, wird der Mann von den Posskys niedergeschlagen und Christa massiv unter Druck gesetzt. Am nächsten Tag wird Christa tot im Wasser aufgefunden. Wenig später geschieht das Gleiche mit dem anderen "Lockvogel" Manuela...

Der Schauplatz Sylt weckt in mir wohlige Erinnerungen an die gelungene Haferkamp-Episode „Wodka Bitter-Lemon“, die auch teilweise auf der Insel spielte und u.a. den Bahnhof sowie die Dünen als Schauplatz hatte. Generell verströmt der Film eine wunderbare (Urlaubs-)Atmosphäre und man begleitet Kommissar Finke nur zu gerne auf seinem zweiten (Außen-)Einsatz. Die Chemie mit Wolf Roth wächst weiter und gerade Roth kommt in der zweiten Episode schon deutlich sympathischer herüber. Die Szene, wie die beiden freudetrunken aus dem Wasser laufen, hat in Anbetracht von Schwarzkopfs Vita einen gewissen homoerotischen Touch und man fragt sich, ob dies so beabsichtigt war oder die Szene nur im Nachinein im Wissen um Schwarzkopfs sexuelle Orientierung diesen Eindruck hervorruft. Generell zeigt der Film u.a. durch einige Szenen am FKK-Strand sehr viel (unnötige) nackte Haut, was ihn als typisches Produkt der 1970er identifizieren lässt. Inhaltlich geht es zunächst um Erpressung. Rolf Zacher und Dieter Kirchlechner gefallen als diesbezügliche Täter außerordentlich gut, Heidy Bohlen darf als im Laufe der Zeit unfreiwillige Komplizin einmalmehr ihre mehr als vorzeigbaren Kurven zur Schau stellen. Anders als in der ersten Folge ist im weiteren Verlauf hinsichtlich beider Wasserleichen die Tatfrage ungeklärt. Verdächtig sind die Erpresser, da sie sowohl Heidy Bohlen als auch das zweite Opfer, gespielt von der attraktiven Ingeborg Schöner, schwer unter Druck setzten, sich weiter am einträglichen Geschäft zu beteiligen und ihr Vorstrafenregister tief blicken lässt.

Ohne allzu viel zu verraten: es kommt anders und das Finale entpuppt sich als hochdramtisch. Wenn hier der Täter mit leerem Blick und von Rückblenden begleitet seine Motive und den Tathergang schildert, kann man eine Stecknadel fallen hören. Diese Eindrücke und die mit der Auflösung verbundenen Twists lassen über Längen im Mittelteil der wiederum überlangen Folge hinwegsehen. Insgesamt ist „Strandgut“ sogar einen Ticken besser als der bereits gelungene Erstling. Zu erwähnen ist noch die extrem stimmige Musik von Nils Sustrate und der einmalmehr passende Ausklang der Folge, der die Ermittler auf ihrer Rückfahrt zeigt.


Hochatmosphärische Episode mit eindrücklichem Finale. 4,5 von 5 Punkten.

Ray Offline



Beiträge: 1.931

01.06.2018 23:36
#39 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Fall Nr. 3: Jagdrevier (Tatort-Folge 29, BRD 1973)

Regie: Wolfgang Petersen

Darsteller: Klaus Schwarzkopf, Wolf Roth, Jürgen Prochnow, Walter Buschhoff, Vera Gruber, Karl-Heinz von Hassel, Sieghardt Rupp u.a.



Dem Sträfling Brodschella gelingt die Flucht. Sein Ziel: die Tötung Kreschs, den er für den Mörder seiner Freundin hält. Finke wird dazu berufen, Kresch, der in dem kleinen Dorf Niederau wohnt und dort einige Grundstücke besitzt, zu beschützen und Brodschella zu fassen. Problem: Kresch will gar nicht beschützt werden und die Ergreifung Brodschellas gestaltet sich ebenfalls mehr als schwierig...

Nach den ersten beiden gelungen Folgen der Ära Finke nimmt das Niveau in „Jagdrevier“ leider merklich ab. Die Story taugt kaum für einen 95-minütigen Krimi, wenn man daraus keinen schnörkellosen Action-Reißer machen möchte. Diese Intention hatten die Macher trotz merklicher Action-Anteile dann aber doch nicht. Der Zuseher begleitet Kommissar Finke in ein norddeutsches Dorf, in dem nach Aussage eines Einwohner „irgendwie ja jeder voneinander abstammt“, um Brodschella zu stellen, bevor dieser Kresch aus Rache zur Strecke bringt. Wie schon oben in einer Bewertung geschrieben wurde, hätte in so einem Fall eine gesteigerte Quantität an Polizeikraft zur schnelleren Abwicklung des Falles beigetragen. Kommissar Finke ist für eine solche Aufgabe nur bedingt geeignet, zumal er mit seiner regulären Ermittlungsarbeit in dem Dorf kaum voran kommt, da jeder glaubt, im Falle einer Aussage sich oder einer nahestehenden Person zu Schaden. So dreht sich das Geschehehen weithin im Kreis, unterbrochen von kleineren oder auch größeren Scharmützeln zwischen Brodschella, Finke und Kresch. Wolf Roth taucht erst im letzten Drittel auf, weshalb die Chemie zwischen ihm und Finke anders als in „Strandgut“ nicht nennenswert ausgebaut werden kann. Prochnow nimmt man den rachesüchtigen Sträfling zwar ohne weiteres ab, doch das tröstet über die schwache und wenig glaubwürdige Story nur sehr bedingt hinweg. Auch Petersen gelingt es mit seiner Inszenierung kaum, Akzente zu setzen. Ein netter Einfall ist es, zur Abwechslung statt eines regulären Gastauftritts eines anderen Tatort-Kommissars, Sieghardt Rupp als Kressin über den Bildschirm flimmern zu lassen, während Finke und andere Dorfbewohner im Gasthaus sitzen. Die Musik von Nils Sustrate erinnert in dynamischen Momenten bisweilen an Musiken älterer Wallace-Filme.


Nach den clever konstruierten beiden ersten Fällen überrascht „Jagdrevier“ negativ mit einer vergleichsweise stumpfen und unglaubwürdigen Story, die eher für einen Western taugen würde als für einen „Tatort“ mit Klaus Schwarzkopf. Obgleich sich Gaststar Jürgen Prochnow redlich bemüht, vergebe ich nur 2,5 von 5 Punkten.

Matze K. Offline



Beiträge: 1.060

02.06.2018 08:06
#40 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Frage an Ray: kann man "mit ermitteln" oder wird der Mörder, wie bei den paar Tatorten, die ich mal gesehen habe, am Anfang gezeigt?

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Immer wenn du lügst, muss Jesus Blut weinen.
(Todd Flanders)
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(meine Frau)

Jan Offline




Beiträge: 1.753

02.06.2018 08:54
#41 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

"Jagdrevier" ist kein Whodunit, letztlich nicht einmal ein lupenreiner Kriminalfilm, sondern mehrheitlich die Spielwiese des Autors Herbert Lichtenfeld und des Regisseurs Wolfgang Petersen, in der norddeutschen Tiefebene einen Westernfilm ablaufen zu lassen. Die Stilmittel dieser Episode nehmen Anleihen an große US-amerikanische Vorbilder wie "12 Uhr mittags", und sie sind streckenweise nicht frei von einem gewissen Sergio-Leone-Touch. Das alles ist nicht unansehnlich drappiert, weiß durchaus zu unterhalten und vollzieht den Hofknicks vor den großen Vorbildern weder anbiedernd noch unfreiwillig komisch. Dennoch rangiert "Jagdrevier" - vielleicht mit Ausnahme von "Reifezeugnis" - auch in meiner Gunst hinter den übrigen Finke-Tatorten, letztlich im Wesentlichen deswegen, weil die Handlung gegenüber den übrigen Lichtenfeld-Büchern zu eindimensional bleibt und von dem Gespann Lichtenfeld/Petersen schlicht mehr erwartet werden darf. Rays Kritik indes halte ich für zu überzogen. Selbst wenn "Jagdrevier" ein nur mittelmäßiger Finke ist, ist er immer noch ein "Tatort" aus der oberen Liga.

Gruß
Jan

Giacco Offline



Beiträge: 2.520

02.06.2018 12:07
#42 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Für mich ist "Jagdrevier" einer der besten "Finke"-Tatorte überhaupt.

Ray Offline



Beiträge: 1.931

02.06.2018 15:56
#43 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

@Matze K.: Für den Fall, dass deine Frage sich allgemein auf die Finke-"Tatorte" und nicht nur auf die Folge "Jagdrevier" bezog: Mitraten kann man bei den sieben Folgen überwiegend nicht. Bei "Nachtfrost" ist das der Fall, bei "Strandgut" im Grunde auch, bei "Blechschaden" ist zumindest beim zweiten Mord die Identität unbekannt. Ansonsten sind die Täter i.d.R. sofort bekannt oder man kann sie jedenfalls sehr früh erahnen. Wenn du Krimis also in erster Linie guckst, um mitraten zu können, wer der Täter ist, sind die "Finke"-Tatorte für dich wahrscheinlich weniger interessant als andere Produktionen aus der Zeit.

Ansonsten freue ich mich über die anderen (abweichenden) Stimmen zu "Jagdrevier".

Matze K. Offline



Beiträge: 1.060

03.06.2018 15:19
#44 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Hallo Ray - vielen Dank für die Info! - Jep ich schau höchstens noch Columbo als Krimi´s wo man nicht mit raten kann. Das ist das Problem bei mir mit Tatorten... die neuen Weimare gehen - humorvoll und zum Mitraten...

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Ray Offline



Beiträge: 1.931

06.06.2018 22:53
#45 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Finke (Klaus Schwarzkopf) Zitat · Antworten

Fall Nr. 4: Nachtfrost (Tatort-Folge 36, BRD 1974)

Regie: Wolfgang Petersen

Darsteller: Klaus Schwarzkopf, Hans Peter Korff, Ursula Sieg, Marcel Werner, John van Dreelen, Ulla Jacobsson, Peter Lakenmacher u.a.



Die junge Renate Plikat wird tot in einem tristen Appartment aufgefunden. Dieses fungierte, wie sich bald herausstellt, als ihre Zweitwohnung. Denn neben ihrer Arbeit in einer Boutique betätigte sich Plikat als Callgirl. Kurz vor ihrem Tod hatte sie noch 20.000 DM von ihrer Bank abgehoben...

In Folge 4 ermittelt Finke erstmals in Kiel. An seiner Seite agiert diesmal an Stelle von Wolf Roth Hans-Peter Korff. Vom Sujet her erinnert das Ganze zunächst an frühe „Kommissar“-Folgen. Ein „anständiges“ Mädchen, das von den Eltern unbemerkt ein Doppelleben führt und in einer Zweitwohnung dem horizontalen Gewerbe nachgeht. Der Film konzentriert sich indes weniger auf die geschockten Eltern und wie sie den Tod ihrer Tochter verkraften, sondern auf die Famile Schaarf. Hier hat jeder ein Motiv. Sohnemann Bertram, der unsterblich in die Tote verliebt war, diese aber seine Gefühle nicht erwiderte. Der Vater, der, wie sich schnell andeutet, zum Kundenkreis des Opfers gehörte, sowie die von Ulla Jacobsson gespielte Frau Schaarf, die ihren Sohn arg bemuttert, ihn von „allem Schlechten“ fernhalten möchte und von den Affären des Mannes tief gekränkt ist.

Die Darsteller liefern durchaus eindrückliche Performances ab und der Mordfall ist mit ein paar netten Details für Rätselfreunde ausgestattet. Trotzdem hat man das in ähnlicher Form schon häufig in Kriminalfilmen mit weniger Laufzeit gesehen, 60 Minuten hätten für die Story wohl allemal ausgereicht. Dazu vermisst man ein wenig den Charme der bisherigen Folgen, der nicht zuletzt dadurch begründet wurde, dass sich Finke in für ihn fremden (Urlaubs-)Umgebungen zurechtfinden musste. Klaus Schwarzkopf macht seine Sache allerdings weiterin sehr gut. Bemerkenswert, wie er auf Ulla Jacobssons Äußerung, sie habe der Toten ihr Doppelleben schon von Anfang an angesehen, sie beglückwünscht, sie sei immerhin die einzige gewesen, der dies aufgefallen sei.


„Nachtfrost“ bietet eine mit für Rätselfreunden netten Details ausgestaltete Story, die in ähnlicher Form jedoch schon in kürzeren Krimi-Formaten abgearbeitet wurde. Solide 3,5 von 5 Punkten.

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