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Dieses Thema hat 73 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

22.03.2015 14:25
#61 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



Der SDR zeigt eine Verfilmung des Dramas von Hedwig Courths-Mahler. Regie und Drehbuch: Bruno Voges. In den Hauptrollen: Silvia Reize, Clara Walbröhl, Alexander Kerst, Marilene von Bethmann, Michael Schwarzmaier, Susanne Barth, Else Quecke, Rainer Basedow, Hans Peter Thielen, Doris Mack-Jüngt u.a.

Die Bettelprinzess (1974)

Zitat von Gustav Sichelschmidt: Hedwig Courths-Mahler – Deutschlands erfolgreichste Autorin, Bouvier Verlag Bonn, 1985, S. 22
Zweifellos war Hedwig Courths-Mahler wie wenige zur Volksschriftstellerin prädestiniert. Jedenfalls besaß sie ein nun fast schon divinatorisches Flair für das Traumdenken der Massen, denen sie selbst entstammte und von denen sie sich eigentlich zeit ihres Lebens nie distanzierte. Nach ihrer eigenen Formulierung schrieb sie dann auch „harmlose Märchen“, um ihrem Publikum damit einige sorglose Stunden zu verschaffen. Um diese ihre literarische Mission erfüllen zu können, verfügte sie allerdings über ein probates Rezept: Sie simplifizierte das menschliche Geschehen und strebte nach vorübergehender Spannung immer wieder zu einer prästabilierten Harmonie, wie sie sonst nur das Märchen kennt.


Wer die Stoffe der Hedwig Courths-Mahler als bloßen Kitsch abtut, lässt der auflagenstärksten Autorin des deutschen Sprachraums Unrecht widerfahren: Wie gerade aus der Geschichte von der „Bettelprinzess“ – dem Titel und dem Verlauf der Handlung nach – abzuleiten ist, stehen hinter den Romanzen und Intrigen ihrer idealisierten Adelswelt märchenartige Konstruktionen, die sich nach Abzug aller Ausschmückungen auf das Grundbedürfnis nach Gerechtigkeit reduzieren lassen. Ähnlich der Volkserzählung „Aschenputtel“ gelingt einer leidgeprüften Waise der überraschende Aufstieg auf der sozialen Leiter, während die lasterhafte Adelsfamilie, in deren Obhut das Kind aufwuchs, umgekehrt durch Verschwendung ihre Existenz verspielt. Statt diese Entwicklung als Vergeltung für geschehenes Unrecht zu missbrauchen, wird in der „Bettelprinzess“ unter dem Deckmantel einer Liebe aus Kindstagen die Vergebung als eine vergessene Tugend regelrecht zelebriert. Die „Heldin“ Liselotte zeichnet sich durch Großherzigkeit und Milde aus, während der Zuschauer vor dem Fernseher seinen viel verdorbeneren, profaneren Wünschen Ausdruck verleiht.

Der Süddeutsche Rundfunk wählte mit Bruno Voges einen Regisseur, der den anderen Spielleitern der Serie bereits bei ihren Adaptionen als Assistent unter die Arme gegriffen hatte und auf diese Weise ihre verschiedenen Abtastungen der Autorin studieren konnte. Er führte die televisionäre Wiederauferstehung der historisierenden und doch artifiziellen Märchengeschichten formalistisch auf einen neuen Höhepunkt, indem er die Intentionen des SDR, der Courths-Mahler gegenüber nicht unkritisch zu arbeiten, auf-, sie aber nicht als Aufforderung zur Unhöflichkeit oder Uminterpretation begriff:

Zitat von Pressemitteilung des SDR nach Michael Wenk: Die Welt der Hedwig Courths-Mahler – Booklet, Pidax Film, 2012, S. 17
Es stellt sich die reizvolle Aufgabe, so nah wie möglich an der Autorin und der Künstlichkeit ihrer Welt zu bleiben, ohne einem naiven Illusionismus zu verfallen. Im Gegenteil, der Zuschauer soll sich stets bewusst bleiben, dass es sich hier nicht um die Schilderung der historischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit einer Epoche handelt, sondern um die Darstellung ihrer kollektiven Sehnsüchte.


Wie besser einer solchen Doktrin folgen, als die Märchenelemente in ihrem gesamten irrealen Prunk herauszustellen? Weite Panoramaaufnahmen menschenleerer Kornfelder, verträumte Schwenks durch unwirkliche Festsäle und Galerien, Heerscharen von Bediensteten, edle Kostüme und eine betont antiquierte Ausdrucksweise schaffen einen Kosmos, in dem Realität und Wunschdenken auf den gleichen Punkt fixiert werden, ohne dass man diese Beeinflussung als störend wahrnehmen könnte. Die alte Gräfin fungiert ähnlich der guten Fee, dem Waldgeist oder dem Dschinni aus der Wunderlampe als Schlüsselträgerin zu einer Pforte, die der Protagonistin eine ungeahnte Welt eröffnet – mit dem Unterschied, dass diese Welt von Liselotte in ihren kühnsten Träumen nicht herbeigesehnt wird, sondern wie aus heiterem Himmel über sie hineinbricht.

Unterstützung fand Voges in einer makellosen Darstellerriege, aus der vor allem Silvia Reize Erwähnung verdient. Noch recht am Anfang ihrer Karriere, zeichnet sie eine lupenreine Lichtgestalt, deren größter Verdienst ihre Sympathie erweckende Unaufdringlichkeit ist. Wo eine Griseldis von Ronach ein wenig zu auffällig um die Gunst des Publikums ringt, erzeugt Liselotte Hochberg mit zurückhaltender Güte und unterwürfiger Freundlichkeit das Porträt einer Frau, die in der paternalistischen Gesellschaft fest verwurzelt ist und zugleich eine absolute Ausnahmeerscheinung darstellt. Mit Alexander Kerst ist der Herr von Bodenhausen demzufolge stark, aber nicht unantastbar besetzt worden – Kerst weist Strenge und Rückgrat, aber auch die uneitle Fähigkeit auf, sich die totale Niederlage einzugestehen. Als sein Sohn setzt Michael Schwarzmaier angenehme Akzente.

Fernsehspiele bringen im besten Fall die Traumwelt des Zuschauers in seine eigenen vier Wände. In „Die Bettelprinzess“ schafft Bruno Voges eine Illusion so perfekter Qualität, dass die Außenwelt einer märchenhaften Posse weicht, in der das Redliche über alle Laster und auch über alle modernen Zweifel siegt. Von dezenten Schauspielern und einer treffsicheren Regie unterstützt, kann diese Hedwig-Courths-Mahler-Verfilmung für sich beanspruchen, Sehnsüchte an eine Welt wachzurufen, die so jemals nur in der Fantasie einer wilhelminischen Optimistin existiert haben kann. 5 von 5 Punkten.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

22.03.2015 14:56
#62 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



BEWERTET: "Die Bettelprinzess" (Süddeutscher Rundfunk, 24.11.1974)

mit: Silvia Reize, Alexander Kerst, Marilene von Bethmann, Michael Schwarzmaier, Susanne Barth, Clara Walbröhl, Else Quecke, Rainer Basedow, Hans-Peter Thielen u.a. | nach einem Roman Hedwig Courths-Mahler | Buch und Regie: Bruno Voges


Liselotte verliert ihre Mutter bei einem Unfall und wird fortan vom Baron von Bodenhausen erzogen. Sie freundet sich mit Junker Hans, dem Sohn des Barons an, weiß jedoch, dass diese Liebe keine Zukunft hat. Vor allem seine Schwester Lori setzt der jungen Frau zu, die sich nach einer zweijährigen Ausbildung als Gesellschafterin ihr Brot verdienen soll. Als die alte Gräfin von Hochberg-Lindeck sich ihrer annimmt, verändert ein lang gehütetes Familiengeheimnis schlagartig das Leben von Liselotte und auch jenes des Baronats Bodenhausen....

Die luftige Atmosphäre des ländlich-herrschaftlichen Raums, in dem sich Liselotte Hochberg bewegt, zeichnet sich durch die Erhebung des einfachen, aber herzlichen Lebensstils aus. Die freundliche Aufnahme durch die Wirtin der "Weißen Taube" und ihres Schankburschen, das ungezwungene Spielen auf dem Hof und die lautere Gesinnung des jungen Hans geben der Waise Halt und betonen die Werte, auf die es der Autorin ankommt. Sie sucht nach dem Guten in ihren Figuren, zeigt aber gleichzeitig auf schonungslose Weise charakterliche Schwächen und böse Absichten auf. In jedem ihrer Romane gibt es eine Persönlichkeit, die moralisch über den anderen steht und sich durch Eigenschaften auszeichnet, die für einen vorausschauenden Charakter mustergültig sind: Geduld und eine gewisse Duldsamkeit, Mitgefühl, Bescheidenheit und eine Unabhängigkeit des Geistes. Untugend drückt sich bei Hedwig Courths-Mahler meist in Redundanz, Maßlosigkeit und einer Verblendung, die unweigerlich in finanziellen oder gesellschaftlichen Ruin führt, aus.



Silvia Reize absolviert im Laufe der Spielzeit sowohl eine optische, als auch eine emotionale Wandlung. Es gelingt ihr auf einnehmende Weise, das Wesen ihrer Figur in den einzelnen Entwicklungsschritten zu zeigen. Sie blüht im wahrsten Sinn des Wortes durch wohlmeinende Menschen und die Wiederherstellung einer familiären Bindung auf. Ihre Rehabilitation als Mitglied der Adelsgemeinschaft lässt sie souverän, temperamentvoll und seelisch befreit wirken. Gleichzeitig werden ihre Güte und Wärme noch einmal betont, um zu zeigen, dass der unerwartete Reichtum ihrer Persönlichkeit nicht schaden wird. Michael Schwarzmaier erwirbt sich das Recht, an Reizes Seite sein Glück zu finden durch sein Gerechtigkeitsempfinden und die Zuneigung, die er bereits dem verwaisten Kind entgegen brachte. Allerdings ist er nicht frei von Fehlern, wie sein unüberlegtes Vorgehen beim Kartenspiel zeigt. Dieses Scheitern gibt ihm die Überlegenheit über das junge Mädchen aus der Hand und ebnet den Weg zu einer Beziehung, die von gleichen Voraussetzungen ausgehen kann. Hier liegt der Reiz der Liebesgeschichte, die in "Die Bettelprinzess" die gesellschaftliche Ordnung durcheinanderwirbelt und mit einem Augenzwinkern aufzeigt, wie rasch sich vermeintlich unumstößliche Hierarchien auflösen können.

In gewisser Hinsicht kann man über Courths-Mahler dasselbe sagen wie über ihr literarisches Vorbild Eugenie Marlitt:

Zitat von Stefan Bollmann: Frauen und Bücher - Eine Leidenschaft mit Folgen, DVA 2013, Seite 244
Selbst wenn sie ihnen letztlich Märchen erzählte, nahm E. Marlitt ihre Leserinnen ernst - in ihren Lebensnöten und Herzenswünschen, in ihrer Bildungsbeflissenheit und Sentimentalität, in ihrem Ehrgeiz und ihrer Sehnsucht nach Geborgenheit, in ihrem Streben nach Unabhängigkeit und ihrem Verlangen nach Glück, kurz in ihrer Widersprüchlichkeit.


Ein wahrhaft reizendes Rührstück, das selbst gestrengen Herren die eine oder andere Träne in die Augen treibt. 5 von 5 Punkten

Georg Offline




Beiträge: 3.263

09.09.2015 19:44
#63 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Ein hochinteressantes Interview mit dem Plüschkrimierfinder, Regisseur Wilhelm Semmelroth, aus dem Jahre 1976 ist hier nachzuhören:

http://www.ardmediathek.de/radio/Zeitrei...castId=24407300

Clifton Morris Offline



Beiträge: 116

11.09.2015 16:46
#64 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Danke für den Hinweis! Ein sehr interessanter Audio-Interview-Beitrag. Man hört die Ernsthaftigkeit der damaligen Fernsehmacher-Generation heraus.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

11.09.2015 16:54
#65 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Auch ich möchte mich für den Link zum Interview bedanken. Ich habe es mir heruntergeladen und werde sicher darauf zurückkommen, wenn ich meinen nächsten Semmelroth-Plüschkrimi schaue. Da steht ja noch so einiges aus!

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

19.10.2015 13:32
#66 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



BEWERTET: "Der Monddiamant" (Kriminalspiel 1973), Teil 1

mit: Anneliese Uhlig, Paul Dahlke, Anita Lochner, Stefan Behrens, Ulli Philipp, Helmut Förnbacher, Jutta Kammann, Theo Lingen, Alf Marholm, Hans Schweikart, Herbert Steinmetz u.a. | Drehbuch: Herbert Asmodi nach dem Roman von Wilkie Collins | Regie: Wilhelm Semmelroth


Jane Verinder erhält an ihrem achtzehnten Geburtstag den berühmten Monddiamanten, den ihr Onkel - ein britischer Kolonialoffizier von schlechtem Leumund - aus Indien mitgebracht hat. Franklin Blake, Janes Vetter, überbringt den Stein, der jahrelang in einem Banksafe gelegen hat, um ihn dem Zugriff der Inder zu entziehen, die ihr Heiligtum zurückfordern. Noch in der selben Nacht wird der Diamant aus Janes Zimmer entwendet. Janes Verlobter Godfrey Ablewhite, Parlamentsabgeordneter, fordert die Hilfe von Scotland Yard an. Der feinsinnige Sergeant Cuff nimmt die Ermittlungen im Herrenhaus in Yorkshire auf....

Die Erstausstrahlung der ersten Hälfte dieses Zweiteilers erfolgte am 1. Weihnachtstag des Jahres 1973, als alle Geschenke ausgepackt waren und man es sich mit einem guten Buch oder einem gediegenen Fernsehspiel im Wohnzimmer gemütlich machen konnte. Die festlich gekleideten Protagonisten, ihre vornehme Konversation und die dezent angedeuteten Gefühle, die hinter steifen Krägen und Rüschenblusen aufwallten, sorgten für angenehmen Zeitvertreib. Freilich gilt hier, was Literaturfachmann Rudolf Nissen in seinem Leitfaden erwähnt:

Zitat von Nissens neuer Almanach - Notizen & Ansichten zur englischsprachigen Literatur unserer Zeit, Petersen Verlag Hamburg, 1995, Seite 52
"Eine Spannung, die nicht aufs Verschlingen oder Überspringen aus ist, sondern einlädt, darin zu versinken, beansprucht - auch innerlich - Raum."


Die Kombination aus altgedienter Schauspielgarde, deren Würde und Weisheit wie ein richtungsweisender Leuchtturm für Verlässlichkeit sorgen, trifft auf engagierte Jungschauspieler, deren Beziehungen zueinander ein breites Spektrum von Schwärmerei, Eifersucht, Verachtung und Liebe abdecken. Der Monddiamant als Vermächtnis der Rachsucht und der Bosheit, wie sich Lady Julia Verinder ausdrückt, ist der Auslöser für Spekulationen und beeinflusst die versammelte Gesellschaft nachhaltig. Neben dem Rätselfaktor um die Frage, wer den Stein genommen hat, geht es vor allem um die Zukunft der Jugend, die mit dem Dreigestirn Lochner/Behrens/Förnbacher eine interessante Note erhält.



Anita Lochner beschäftigt sich als Jane Verinder mit Landschaftsmalerei und der Innendekoration ihrer Räume. Sie hat ihren eigenen Kopf und spielte als Kind lieber mit Jungs als brav eine Puppenteegesellschaft abzuhalten. Ihre Verehrer schätzen ihre Freimütigkeit und Loyalität. Helmut Förnbacher mag zwar bescheiden und äußerlich unbewegt daherkommen, das Blitzen in seinen Augen verrät doch seinen unruhigen Geist und seine Zielstrebigkeit. Stefan Behrens lässt als Gast des Hauses das Publikum an jeder Gefühlsregung teilhaben, was ihn zur Schlüsselfigur der Geschichte werden lässt. Seine rege Teilnahme an den Ereignissen und die ungekünstelte Art seines Auftretens sichern ihm Sympathie und Aufmerksamkeit.

Der Ermittler in Gestalt von Theo Lingen ist zumindest unkonventionell, fügt sich aber bestens in die Atmosphäre der Handlung ein. Im Zusammenspiel mit Paul Dahlke erhalten seine Überlegungen neue Nahrung und lassen verschiedene Schlussfolgerungen offen. "Lingens Humor ist mit Geist und Menschenkenntnis veredelt", stellte Friederike Mat bereits 1956 in ihrem Buch fest und dies gilt auch für den leisen Scotland-Yard-Beamten. Die Verhöre und die Untersuchungen lassen den Verdacht zwischen mehreren Personen hin-und herpendeln, sodass die Spannung auf konstant gleicher Flamme gehalten wird. Die klassischen Elemente der Geschichte (Indizien, Uhrzeiten und Motive) vermischen sich dabei mit Einzelschicksalen, die für Tragik und Mitgefühl sorgen. Ein schönes Beispiel ist die Rolle der Rosanna, die in Ulli Philipp ihre Meisterin findet.

Das Herrenhaus und die wilde Küstenlandschaft von Yorkshire bilden den Rahmen für den ersten Teil der Handlung, in dem der Glanz des Monddiamanten kurz aufflackert, bevor er unauffindbar verschwindet und den Frieden des Hauses wie ein schleichendes Gift zerstört. Bedächtige Ermittlungen von Sergeant Cuff sorgen für mehrere mögliche Lösungen, versanden aber vorerst auf Wunsch der Dame des Hauses.

PS: Georg schreibt im Booklet zur "Straßenfeger"-Box Nr. 11, dass in der Verfilmung von Collins' Roman innerhalb der SWF-Reihe "Die Galerie der großen Detektive" in der entsprechenden Folge ('Sergeant Cuff konnte den Mondstein nicht finden') Harry Meyen die Rolle des Franklin Blake übernahm. Die Ausstrahlung der Episode erfolgte am 30. April 1955. Nun würde mich diese Folge besonders interessieren, eine entsprechende Anfrage beim Sender ergab jedoch vor Jahren, dass die Bänder nicht auffindbar wären. Haben sich mittlerweile neue Gesichtspunkte ergeben?

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

25.10.2015 13:44
#67 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



BEWERTET: "Der Monddiamant" (Kriminalspiel 1973), Teil 2

mit: Anita Lochner, Stefan Behrens, Anneliese Uhlig, Paul Dahlke, Hans-Hermann Schaufuß, Helmut Förnbacher, Jutta Kammann, Theo Lingen, Werner Kreindl, Martina Mayne, Iska Geri, Harry Kahlenberg, Jochen Stern u.a. | Drehbuch: Herbert Asmodi nach einem Roman von Wilkie Collins | Regie: Wilhelm Semmelroth


Der ungeklärte Diebstahl des Monddiamanten traf Lady Julia Verinder so schwer, dass sie erkrankte. Zusammen mit ihrer Tochter Jane und dem Diener Betteredge und Tochter reist sie nach London, wo sie Abstand gewinnen und die Heilkunst von Fachärzten nutzen will. Rechtsanwalt Bruff hat inzwischen erfahren, dass sich Janes Verlobter Godfrey Ablewhite nach den Vermögensverhältnissen seiner künftigen Braut erkundigt hat. Anscheinend benötigt er dringend Geld, denn als er erfährt, dass es im Testament von Lady Julia eine Klausel gibt, die ihrer Tochter das Erbe erst an deren 21. Geburtstag überantwortet, willigt er in eine Lösung des Eheversprechens ein. Anwalt Bruff nimmt unterdessen mit dem aus dem Ausland zurückgekehrten Franklin Blake die Ermittlungen wieder auf....



Spielte der erste Teil noch im beschaulich-wildromantischen Yorkshire, so haben sich die Ereignisse mittlerweile nach London verlagert, wo in Gestalt des gewitzten Anwalts Bruff neuer Schwung in die Nachforschungen zum Diebstahl des wertvollen Juwels kommt. Hans-Hermann Schaufuß zieht alle Register, um die Lebendigkeit und Beweglichkeit des Geistes seines Fuchses von einem Rechtsgelehrten auszuspielen. Es ist ein Vergnügen, zuzusehen, wie er Stefan Behrens Mut macht und ihn zu Handlungen animiert. Parallel verschwindet Helmut Förnbacher aus dem Blickfeld des Publikums und hinterlässt offene Fragen und eine ratlose Anita Lochner. Den Fährten, die im ersten Teil gelegt wurden, wird nun Schritt für Schritt nachgegangen. Details, denen keine große Bedeutung beigemessen wurde, verdichten sich zu einer Erklärung, die vieles begreiflich macht und den Weg zur Auflösung ebnet.

"Der Monddiamant" ist ein maßvoll gezügeltes Vergnügen, für das man Zeit und Muße mitbringen muss. Die Charaktere benötigen Geduld und Aufmerksamkeit, um sich vor den Augen ihres Publikums zu entfalten. Wie in einem Puzzlespiel überlegt man, wer wohin passt und wie das Gesamtbild stimmig aufgelöst werden kann. Die Sorgfalt, mit der nach Erklärungen gesucht wird und die Gewissenhaftigkeit, mit der Handlungen reflektiert werden, zeugen von einer Welt, in der Antworten nicht in Sekundenbruchteilen per Mausklick, sondern nach reiflicher Überlegung und Recherche gegeben werden. Vorurteile, die aufgrund mangelnder Information entstanden sind, lösen sich nach Abwägen aller Fakten auf oder werden bestätigt. Die Frage nach dem Unrecht, welches die eigenen Leute in der Ferne anderen zugefügt haben, wird nicht gestellt. Der Verzicht auf etwas, das einem nicht gehört, wird nicht aus freien Stücken entschieden, sondern aufgrund der Geschehnisse umständehalber hingenommen. Das Ende erfolgt deshalb nicht im Triumphzug, sondern in der Rückbesinnung auf bescheidenere Ziele.

"An jedem großen Stein klebt Blut" - dieser Ausspruch des Meisterdetektivs Sherlock Holmes sorgt für angenehmes Gruseln zwischen Polstermöbeln und frischer Ölfarbe. Das Porträt einer privilegierten Familie erhält durch die Mischung aus etablierten Kinostars und beliebten Fernsehdarstellern eine besondere Note. Die formidable Musik von Hans Jönsson und die bewährte Regie von Wilhelm Semmelroth runden den guten Gesamteindruck ab. Nach der mittlerweile dritten Sichtung vergebe ich 5 von 5 Punkten.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

25.10.2015 14:10
#68 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Der Monddiamant hat sicherlich seine Meriten, vor allem durch die formidable Besetzung. Semmelroths Einfall, die Hauptrollen mit Paul Dahlke und Theo Lingen zu besetzen, war absolut genial! Vor allem Lingen hätte ich gerne öfter in ernsteren Rollen gesehen, als Detektiv hatte er doch was!
Insgesamt finde ich persönlich, dass Der Monddiamant vor allem im 2. Teil einige Längen hat. Für mich bleibt vor allem Die Frau in Weiß aber auch Der rote Schal in Führung ... insgeheim mag ich aber alle Filme der Reihe sehr, auch Lucilla trotz des geringen kriminalistischen Inhalts.

Zitat von Percy Lister im Beitrag #66
Georg schreibt im Booklet zur "Straßenfeger"-Box Nr. 11, dass in der Verfilmung von Collins' Roman innerhalb der SWF-Reihe "Die Galerie der großen Detektive" in der entsprechenden Folge ('Sergeant Cuff konnte den Mondstein nicht finden') Harry Meyen die Rolle des Franklin Blake übernahm. Die Ausstrahlung der Episode erfolgte am 30. April 1955. Nun würde mich diese Folge besonders interessieren, eine entsprechende Anfrage beim Sender ergab jedoch vor Jahren, dass die Bänder nicht auffindbar wären. Haben sich mittlerweile neue Gesichtspunkte ergeben?

Leider nein. Das wäre natürlich schon längst auf DVD erschienen, wenn das auffindbar wäre.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

25.10.2015 14:17
#69 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Schade! Ich stelle es mir recht schwierig vor, eine Momentaufnahme aus dem umfangreichen Roman in 34 Minuten zufriedenstellend umzusetzen. Man hätte so schön vergleichen können.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

25.10.2015 14:30
#70 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



BEWERTET: "Die Kriegsbraut"

mit: Volker Kraeft, Donata Höffer, Eva Christian, Wolfgang Preiss, Alice Treff, Thomas Stroux, Claudia Rieschel, Hans Dieter Jendreyko u.a. | Drehbuch: Tom Toelle nach dem gleichnamigen Roman von Hedwig Courths-Mahler | Regie: Tom Toelle


Hasso von Falkenried arbeitet an einer wichtigen Erfindung für seine Fliegertruppe in Berlin. Alle Anzeichen deuten auf einen baldigen Krieg hin, weswegen besondere Vorsicht geboten ist. Natascha von Kowalski, eine Russin, verdreht Hasso den Kopf und nutzt einen unbeobachteten Moment in seiner Wohnung, um die Konstruktionspläne zu kopieren. Rose von Lossow, eine verarmte Verwandte von Hasso, verhindert durch ihre Anwesenheit, dass Natascha die Skizze aus dem Haus schaffen kann. Von nun an sieht Hasso seine Cousine mit neuen Augen und merkt, wie viel Zuneigung ihm die junge Frau entgegen bringt. Kurz darauf erhält der Offizier seine Einberufung zu den Kampfhandlungen und muss sich entscheiden, wie er Rose für den Fall seines Soldatentodes absichern kann....



Tom Toelle nähert sich dem Stoff auf ungewöhnliche Weise: Er unterteilt den umfangreichen Roman von Hedwig Courths-Mahler in siebzehn Kapitel, die Momentaufnahmen aus dem Alltag der handelnden Personen wiedergeben und die Handlung straffen. Den Pathos und die Begeisterung, die Ereignissen beiwohnen, die der heutige Betrachter selbstredend mit anderen Augen sieht, lassen viele Szenen gerade zu Beginn unfreiwillig komisch wirken. Die Überzeichnung der falschen Liebe von Natascha, nach der sich der steife Hasso in flammender Leidenschaft vergeblich windet, wird von Toelle nachhaltig inszeniert, um den Kontrast zwischen der berechnenden Spionin und der bescheidenen Rose von Lossow aufzuzeigen. Als Hasso aus dem Zimmer getreten ist, entlarvt sich Natascha durch eine Geste, die einer tugendhaften Frau nicht zugebilligt wird: sie zündet sich eine Zigarette an.

Der Regisseur zeigt die Moral-und Ehrvorstellungen der damaligen Zeit präzise auf und findet in seinem Hauptdarsteller Kraeft den perfekten Mann. Geboren im norddeutschen Timmendorfer Strand eignet er sich besonders gut für militärisch-strenge Rollen, die Haltung erfordern. Wohl deshalb - und nicht vordergründig wegen der aufwendigen Außenaufnahmen, bei der Flugzeuge aus dem Ersten Weltkrieg zum Einsatz kamen - unterscheidet sich "Die Kriegsbraut" von den romantisch durchwebten anderen HCM-Verfilmungen. Kraeft und Höffer lassen keinen Zweifel, dass sie zum Wohl des Anwesens derer von Falkenried ihr Bestes geben werden. Ihre Verpflichtung gegenüber dem Vaterland lässt sie privates Glück jedoch erst einmal hintenan stellen.

Zitat von Judith und Rita Breuer: Von wegen Heilige Nacht! Das Weihnachtsfest in der politischen Propaganda, Verlag an der Ruhr, Seite 17
"Wie schon zuvor in den Kriegen des 19. Jahrhunderts wurde auch der Erste Weltkrieg in Deutschland von einer Welle patriotisch-religiöser Begeisterung begleitet. (...) Der Waffendienst für das Vaterland galt quer durch alle Konfessionen als selbstverständliche Christenpflicht."


Immer wieder streut Toelle Zweifel an dem hehren Glauben der Personen, der Krieg sei eine unabdingbare Lösung aufgestauter politischer Probleme, z.B. als die Mutter von Hasso mitteilt, sie werde ihren einzigen Sohn nicht frohen Herzens einer fragwürdigen Sache opfern oder wenn der Sohn des Verwalters sich wie ein kleiner Junge darüber freut, an die Front ziehen zu dürfen. Die Bitte an den "gütigen Gott", er möge die Kampfhandlungen - die schließlich nicht er, sondern die Menschen begonnen haben - beenden und für Frieden sorgen, sprechen in diesem Zusammenhang für die Duldsamkeit, Demut und Selbstverleugnung der weiblichen Hauptdarstellerin.

Stets stehen das Glück und die Zufriedenheit der anderen im Vordergrund. Rose wünscht dem Geliebten alles Gute dieser Welt, unterstützt seine Pläne, fürchtet aber gleichzeitig die Folgen. Während er aus der Luft gegen den Feind kämpft, wartet sie auf dem Gut und auf seine Briefe. Diese Diskrepanz in der Wahrnehmung des Krieges, der Männer und Frauen temporär oder für immer trennt, sorgt für weitere Schwierigkeiten in der Erfüllung des romantischen Versprechens, das Hedwig Courths-Mahler ihren Lesern (und vor allem Leserinnen) gibt. Swetlana Alexijewitsch, Literaturnobelpreisträgerin des Jahres 2015, zieht folgendes Fazit:

Zitat von Swetlana Alexijewitsch: Der Krieg hat kein weibliches Gesicht, Suhrkamp Taschenbuch 2015, Seite 22
"Männer verstecken sich hinter der Geschichte, hinter Fakten; der Krieg fasziniert sie als Ereignis und als Kampf der Ideen und Interessen. Frauen dagegen sind von Gefühlen beherrscht. Und noch etwas: Männern wird von Kindheit an gesagt, dass sie eines Tages vielleicht schießen müssen. Frauen bringt man das nicht bei... sie hatten nicht vor, diese Arbeit zu tun... Und sie erinnern sich an anderes und anders."


Eva Christian in der Rolle der feindlichen Spionin sorgt für den besonderen Nervenkitzel und die Frage, ob man Gnade vor Recht walten soll. Im Rahmen einer kurzen, aber prägnanten Darstellung wandelt sie sich von der mondänen Angebeteten über die nüchterne Rot-Kreuz-Schwester bis zur entlarvten Todgeweihten. Die Rolle der Natascha ist ein kleines Juwel, da man mehr über die Geschichte dieser Frau erfahren möchte, deren Leben mehr Stoff für eine Erzählung hergibt als jenes der ruhigen Rose.

Die Überzeichnung der Charaktere greift dort, wo Pathos über das Leben siegt. Dank überzeugender Darsteller gelingt es der Handlung, das Interesse am Schicksal der Personen aufrecht zu erhalten. In ihrem Verhalten siegt die Natürlichkeit erst in der zweiten Hälfte des Films, weswegen ich eine Wertung zwischen 3,5 und 4 Punkten vergebe.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

25.10.2015 20:48
#71 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Damit hast du nun alle Hedwig-Courths-Mahler-Filme unter deine Fittiche genommen, Mister Lister. Ich muss sagen, dass mich der Bericht bezüglich der bei mir noch anstehenden "Kriegsbraut" zwar eher skeptisch gemacht als frohe Erwartungen geweckt hat, aber insgesamt sind die HCM-Mehrteiler sicher durchaus empfehlenswert.

Deshalb eine Frage an @Georg: Nicht nur die dritten Programme der ARD versuchten sich an plüschigen Historienfilmen. Auch das ZDF mischte damals dem Semmelroth'schen Trend folgend kräftig mit, indem man auf dem Lerchenberg fünf TV-Filme nach Vorlagen von Eugenie Marlitt in Auftrag gab, die Courths-Mahler wesentlich zu ihren Büchern inspiriert hatte. Konkret handelt es sich um folgende Produktionen:

Das Geheimnis der alten Mamsell (1972) (Regie: Herbert Ballmann)
mit Brigitte Horney, Dieter Borsche, Inge Langen, Volkert Kraeft, Ingeborg Schöner u.a.

Im Schillingshof (1973) (Regie: Herbert Ballmann)
mit Anneliese Römer, Rolf Henniger, Evelyn Opela, Joachim Ansorge, Ursela Monn u.a.

Im Hause des Kommerzienrates (1975) (Regie: Herbert Ballmann)
mit Karlheinz Böhm, Wolfgang Arps, Marianne Hoppe, Judy Winter, Christine Diersch u.a.

Die zweite Frau (1983) (Regie: Herbert Ballmann)
mit Friedrich W. Bauschulte, Hartmut Becker, Paul Dahlke, Rainer Hunold, Luitgard Im u.a.

Die Frau mit den Karfunkelsteinen (1985) (Regie: Dagmar Damek)
mit Agnes Fink, Sigfrit Steiner, Irina Wanka, Christoph Eichhorn, Barbara Valentin u.a.

Besteht eine Chance, dass auch diese Filme eine DVD-Veröffentlichung erfahren, nachdem Semmelroths Mehrteiler und Hedwig Courths-Mahler bereits komplett auf DVD erschienen sind? Umfang und anzunehmender Machart nach würde sich eine ähnliche VÖ-Praxis wie bei HCM ja geradezu anbieten.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

27.10.2015 19:48
#72 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Das ist rechtlich leider schwierig.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

27.10.2016 16:45
#73 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Wie ich sehe, sind die oben genannten Eugenie-Marlitt-Verfilmungen mittlerweile von Studio Hamburg auf DVD veröffentlicht worden. Der Erscheinungstermin war der 30. September.


Zitat von Eugenie Marlitt
Eugenie Marlitt - Fünf Verfilmungen der Erfolgsautorin des 19. Jahrhunderts

Fünf hochkarätig besetzte Verfilmungen von Romanen der im 19. Jahrhundert ausgesprochen populären Erfolgsautorin Eugenie Marlitt. Themen der Filme sind das Leben bei Hofe in Thüringen im 19. Jahrhundert, in denen ungewöhnlich starke und unabhängige Frauen im Vordergrund stehen.

Ankündigung bei Studio Hamburg Enterprises / DVD bei Bücher.de

TV-1967 Offline



Beiträge: 652

27.10.2016 23:46
#74 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Also Freunde diese Filme sind schon wirklich Hardcore. Ich gehe dann in dieser Zeit (wie Ihr wohl eher nicht....) ein Bierchen trinken...

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