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Dieses Thema hat 73 Antworten
und wurde 11.081 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
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Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

05.10.2014 11:00
#46 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



Der WDR zeigt eine Verfilmung des Kriminalromans von Wilkie Collins. Regie: Wilhelm Semmelroth. Drehbuch: Herbert Asmodi. In den Hauptrollen: Heidelinde Weis, Eva Christian, Christoph Bantzer, Pinkas Braun, Eric Pohlmann, Edith Lechtape, Helmut Käutner, Hans Hinrich, Alf Marholm, Wolfgang Unterzaucher u.a.

Die Frau in Weiß (1971) – Erster Teil

Als erster Plüschkrimi aus der Semmelroth-Asmodi-Schmiede des WDR begründete „Die Frau in Weiß“ eine ganze Reihe aufwändiger Historienproduktionen. Üblicherweise heißt es, dass diese als Adaptionen klassischer Krimis begannen und sich später immer mehr in Richtung Liebesdrama wandelten. Nach der Sichtung des ersten Teils möchte ich meinen, dass diese Wilkie-Collins-Verfilmung bisher mehr von einer Romanze als von einem Krimi hat. Ähnlich ging es ja auch der etwas schwächelnden US-Kinoversion von 1948, doch im Vergleich zum Film von Peter Godfrey lässt sich die deutsche Umsetzung schonmal packender sowie weniger langatmig und gekünstelt an. Die Atmosphäre, die sich durch Aufnahmen an Originalschauplätzen auszeichnet, ist stimmig, auch wenn kleine Details wie der auf Deutsch beschriftete Grabstein inmitten eines englischen Friedhofs ein wenig ablenkend wirken.

Heidelinde Weis zeichnet die geheimnisumwobene „Frau in Weiß“ sowie zu einem gewissen Grade auch ihre Lady Laura – sicher romannah – in einer Art und Weise, die verständlich macht, warum Frauen im viktorianischen Zeitalter häufig als nervöses oder gar hysterisches Geschlecht galten. Man wünscht ihr entweder die Bekanntschaft mit der Disziplin des Dorfschulmeisters oder mit der Couch von Siegmund Freud. Vernünftiger und verlässlicher stellt sich Eva Christian dar, die zu einer Kumpanin des Helden Walter Hardright avanciert, obwohl dieser sich aus bisher unerfindlichen Gründen eher zu Weis hingezogen fühlt. Das heißt: Irgendwie passt es doch zu Christoph Bantzer, der auch in seinem „Kommissar“-Auftritt in „Toter gesucht“ lieber Luftschlösser baute, als der Realität ins Auge zu sehen ...

Während Helmut Käutners komödiantische Auflockerungen arg überstrapaziert werden und die Rolle Eric Pohlmanns im ersten Teil noch nach einer Funktion sucht, zeigt Pinkas Braun bereits erste Kostproben jener Diabolik, mit der er gern seine Schurken ausstattet. Auch wenn ein Wallace-Fan vielleicht vermuten würde, dass sein Sir Percival Glyde Laura Fairlie nur heiraten will, um ihr Gehirn in den Körper eines Schimpansen umzutransplantieren, so wird die Ehe zwischen ihm und der gut situierten Adeligen wohl auf die herkömmliche urviktiorianische Form der „gaslichtigen“ Unterdrückung und Gelderschleichung hinauslaufen ...

Georg Offline




Beiträge: 3.263

05.10.2014 11:08
#47 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #46
Üblicherweise heißt es, dass diese als Adaptionen klassischer Krimis begannen und sich später immer mehr in Richtung Liebesdrama wandelten.
Wo steht das? Das ist nicht richtig, wenn man den letzten Film "Lucilla" ausklammert.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

05.10.2014 12:55
#48 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Die Theorie trifft nicht zu, wenn man alle Fälle, in denen die Theorie zutrifft, weglässt. Nein, ernsthaft: Generell dürfte es nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt sein, den frühen Semmelroths (Collins und Gaboriau) einen höheren Kriminalistikanteil zuzugestehen als den späteren. Die Diskussion auf der letzten Seite, die überdies auch die HCM-Filme einschloss, ging ja auch schon in diese Richtung. "Lady Audley" ist zum Beispiel trotz Krimibasis überaus stark romantisch geprägt. "Lucilla" setzt dem Trend dann noch einmal die Krone auf. Deshalb kam es für mich überraschend, dass sich im ersten Teil der "Frau in Weiß" die Abläufe eher wie in einem Liebesfilm als wie in einem Krimi gestalten. Aber das ändert sich ja noch in den kommenden Teilen ...

Was ich übrigens zum Zeitpunkt, als ich die Kritik zum ersten Teil schrieb, noch nicht im Hinterkopf hatte und was deinen Einspruch rechtfertigt, war das verhältnismäßig frühe Entstehungsdatum der meist doch etwas herzschmerzlastigeren Courths-Mahler-Adaptionen. Die hätte ich aus dem Gefühl heraus nicht schon alle 1974, also kurz nach der Erstsendung des "Monddiamanten", angesiedelt.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

05.10.2014 14:31
#49 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

In Bezug auf "Liebesfilm" hast Du beim ersten Teil der Frau in Weiß sicherlich nicht unrecht. Das ändert sich dann aber Gott sei Dank, wenn die perfiden Verbrechen Sir Percivals und des Conte Fosco in Teil 2 und Teil 3 immer mehr an den Tag treten. Das diabolische Spiel Pinkas Brauns lässt das zwar schon im ersten Teil vermuten, dass der eigentliche Verbrecher aber Conte Fosco ist, der in puncto Intelligenz und Kaltblütigkeit Percival bei weitem übertrifft, wird dem Zuseher erst nach und nach klar. Das ist vor allem auch dem vorzüglichen Spiels Eric Pohlmanns zu verdanken.

Zum Thema Liebe: diese ist aus gesellschaftskonventionellen Gründen in Romanen des 19. Jahrhunderts wohl kaum wegzudenken. Selbst bei Edgar Wallace gibt es ja eine Reihe von Romanen, bei denen eine Liebesgeschichte eine Rolle spielt.

Weiterhin viel Spaß und Spannung mit meinem Lieblings-Plüschkrimi!

Havi17 Offline




Beiträge: 3.763

05.10.2014 19:35
#50 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Schön daß auch die Plüschkrimis inzwischen ihre Würdigung erfahren. Die Frau in Weiß
ist für mich neben dem Monddiamant am stärksten seit der Erstsendung in Erinnerung
geblieben. Ich habe es meiner Großmutter zu verdanken, die sich diese mit stoischer
Ruhe ansah und mich als junger Mensch in diesen Bann mit hineinzog.

Gruss
Havi17

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

06.10.2014 15:15
#51 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



Die Frau in Weiß (1971) – Zweiter Teil

Nach der wildromantischen Note des ersten Teils macht das Verschwinden des Schmusemalers Bantzer von der Bildfläche das Geschehen deutlich spannender, weil nun der Fokus auf die Figuren von Pinkas Braun und Eric Pohlmann übergeht. Sir Percival Glyde dominiert die erste Hälfte des zweiten Teils mit seinem aufbrausenden Gemüt, das zu unangenehmen Situationen für alle Beteiligten führt. Da aber die Hochzeitsreise ausgespart wird und nur Szenen vom Landsitz gezeigt werden, hat Lady Laura Glyde stets genügend Helfer um sich, um den geifernden Gatten in die Schranken zu weisen, sodass nie eine wirklich gefährliche Lage entsteht. Erst als Conte Fosco sein wahres Gesicht zeigt, stellt sich das anders dar: Mehr als die laute Stimme und lose Hand Glydes sorgen Foscos bösartige Ränkespiele für teilweise ausweglos erscheinende Momente.

Pinkas Brauns starke Darstellung erhält also nur einen kurzen Höhepunkt zugesprochen, während er zuvor unnatürlich freundlich auftreten muss und später als ausrangierte Schachfigur einfach beiseite gepackt wird. Eric Pohlmann steht der Wandel von freundlich zu durchtrieben besser zu Gesicht, weil er ihn mit kluger Note versehen kann. So gerät sein Conte Fosco zu einer Mischung aus Kerkie Minelli (wieder mit einer eigenwilligen Gattin an seiner Seite) und einem moriartyesken Überschurken.

Was an „Die Frau in Weiß“ etwas stört, ist das etwas willkürlich erscheinende und die eigentlichen Spannungshöhepunkte nicht ausnutzende Setzen der Cliffhanger. Für das Unterbrechen der Folgen hätten jeweils deutlich interessantere Schlussstriche gefunden werden können: In Teil 1 wurde das Treffen zwischen Hartright und der Frau in Weiß auf dem Friedhof als mögliches Episodenende übergangen, während in Teil 2 der Satz „Ich bin gekommen, um dich zu holen, Ann Catherick“ ein würdigeres Ende geboten hätte als die Szene am offensichtlich nicht ganz wahrheitsgemäß beschrifteten Grab Lauras.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

06.10.2014 21:20
#52 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #51
Was an „Die Frau in Weiß“ etwas stört, ist das etwas willkürlich erscheinende und die eigentlichen Spannungshöhepunkte nicht ausnutzende Setzen der Cliffhanger.
Stimmt, Cliffhanger gibt es leider keine (wie auch in den meisten anderen Semmelroth-Filmen). Hätte ich mir auch gewünscht - und das ist für uns Krimifans natürlich enttäuschend. Ganz willkürlich sind die Enden jedoch nicht, halten sie sich doch - wie der Rest des Films auch - relativ genau an die Romanvorlage, die in drei Epochen gegliedert ist.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

07.10.2014 08:20
#53 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Ja, "willkürlich" mag etwas viel gesagt sein. Gerade die Pause zwischen erstem und zweitem Teil überbrückt immerhin den größten Zeitsprung in der Handlung.



Die Frau in Weiß (1971) – Dritter Teil

Dadurch dass sich die gehegten Vermutungen vom vorgetäuschten „Ableben“ Laura Fairlies ohne jede Umschweife bewahrheiten und die Konzentration nach den Aktionen von Pohlmann und Braun wieder auf die Seite der Guten zurückwandert, erscheint Teil 3 der „Frau in Weiß“ zunächst weniger spektakulär als sein Vorgänger. Anstatt kontinuierlich die Spannung zu steigern, befasst er sich zunächst mit einer Untersuchung Hartrights, die eher von juristischem Interesse als von besonderem Schauwert für die Zuschauer ist. Glücklicherweise wendet sich das Blatt bald mit vielen düster und geschickt eingefangenen Außenaufnahmen und dem bis zum Letzten ausgenutzten Tod des ersten der beiden Fieslinge.

Interessanterweise scheint die Behandlung Lauras durch Glyde und Fosco ihrer Willenskraft und ihrem Verstand nicht geschadet zu haben, zeigt sich die aus dem Irrenhaus gerettete Frau doch auf einmal sogar im Vergleich zu ihrem Auftreten in Episode 1 als absolut bodenständig und vernünftig. Darin liegt ein kleiner Bruch in der Rolle der Laura Fairlie, der aber nicht unbedingt stört, weil er die Figur greifbarer und verständlicher macht als zuvor und sich auch positiv auf die Liebesgeschichte zwischen Laura und Walter Hartright auswirkt, während Marian nach und nach in den Hintergrund tritt. Auch eine andere Figur erhält ein überraschend anderes Gesicht: Der joviale Italiener Pesca schwenkt in Richtung politischer Fanatiker um (ja ja, immer diese leicht erregbaren Südländer ...), was Walter aber nicht daran hindert, ihn mit seinen beiden Schützlingen allein in einer Wohnung zu lassen.

Der Clou, mit dem Conte Fosco das Handwerk gelegt wird, zeugt von Erfindergeist, wirkt aber etwas unvorbereitet und hängt am Ende in der Luft, weil er aufgrund des Zeitmangels nicht vollständig erklärt werden kann. Aus dramaturgischer Sicht muss es wahrscheinlich sogar als ungeschickt gelten, Fosco nicht wegen der hier im Mehrteiler begangenen Verbrechen, sondern wegen irgendwelcher politischer Verfehlungen abgestraft zu sehen, die für „Die Frau in Weiß“ ja eigentlich nicht relevant sind. Man kaschierte dieses nach „Der Zweck heiligt die Mittel“-Manier vorgehende Ende erneut mit angenehm gruseligen Szenen, die von vagen Andeutungen bis hin zu explizitem Horror (z.B. die abschließende Einstellung vom Ende Foscos) reichen.

Dass mir „Die Frau in Weiß“ als der beste aller Plüschkrimis aufgefallen wäre, kann ich nach der Erstsichtung noch nicht unbedingt behaupten. Eine charismatischere Besetzung der männlichen Hauptrolle sowie ein konsistenteres Spiel von Heidelinde Weis hätten dem Mehrteiler gut getan. Auch die Rolle von Pinkas Braun entpuppt sich als nicht recht wirkungsstark, weil sie marionettenhafter wirkt als andere Tyrannen in ähnlich gelagerten Stoffen. Als erster Produktion auf dem Gebiet des Kostümkrimis mag man dem Film diese kleinen Ungeschicktheiten nachsehen, denn die Spannung bewegt sich auf einem angenehmen, wenngleich nicht immer maximalen Niveau. Insgesamt weniger Krimi und mehr Romanze als z.B. die Gaboriau-Verfilmungen. 4 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

19.10.2014 20:30
#54 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



Der WDR zeigt eine Verfilmung des Kriminalromans von Joseph Sheridan LeFanu. Regie: Wilhelm Semmelroth. Drehbuch: Herbert Asmodi. In den Hauptrollen: Hannes Messemer, Cornelia Köndgen, Gerlinde Döberl, Giovanni Früh, Dagmar Altrichter, Ellen Schwiers, Rainer Rudolph, Hans Jaray, Wolfgang Unterzaucher, Alfons Höckmann u.a.

Onkel Silas (1977) – Erster Teil

Aufblende zum Vorspann: Die Kamera fährt langsam von einer graubraunen Mauer zurück und aus undeutlichen Schatten kristallisiert sich der Umriss eines Erhängten heraus. Dergestalt auf gruselige Vorkommnisse vorbereitet, startet der Zuschauer in „Onkel Silas“, den sechsten Beitrag zur Plüschkrimireihe des WDR. Dabei enttäuscht der erste Teil die Erwartungen zu keinem Zeitpunkt: Das aus seinen Vorgängern bekannte Gemisch aus Kriminalistik, Romantik und 19.-Jahrhundert-Flair kommt flott inszeniert und mit einem ganzen Strauß an interessanten Geheimnissen daher. Der Einstieg in die Geschichte während der Beerdigung des Lord Nollys wird von einem Off-Sprecher begleitet, um die Figuren vorzustellen, und ermöglicht folglich einen Start ohne lange Vorbereitungen: In nur 75 Minuten Spielzeit zaubert Wilhelm Semmelroth die Charaktere aus der Romanvorlage authentisch auf den Bildschirm, wobei viele Unsympathen Feld und Landsitze bevölkern und selbst zwischen freundlichen Zeitgenossen Spannungen und Zurückhaltungen zu bemerken sind.

Im Zentrum des Geschehens steht die junge Maud, die vor allem ihres Erbes wegen für jeden interessant ist. Dementsprechend viele Leute kümmern sich um sie – die warnende Tante, der übel verleumundete Onkel Silas, dessen leichtherzige Tochter Milly und ein aufrichtiger Soldat. Cornelia Köndgen stellt Maud mit großer Überzeugungskraft dar. Sie gehört zu den unbekannteren leading ladies der Plüschkrimis, was ihr aber keinesfalls zu einem Nachteil gereicht. Eindrucksvoll gebärdet sich darüber hinaus Ellen Schwiers als scheinbar strenger Moralapostel, der sich, ehe man sich’s versieht, als gar nicht so weißbewestet herausstellt. Gerlinde Döberl entfaltet eine für Historienproduktionen ungewohnte Offen- und Schlichtheit, bleibt aber trotzdem im Bereich des Glaubwürdigen – auch weil sie mit ihrem Humor manchmal die Grenze zur Aufmüpfigkeit oder Beleidigung überschreitet.

Mit einer eines natürlichen Todes verstorbenen Person, einem noch genauer zu definierenden Mord in der Vergangenheit, der Erbschleicherei und einem Duell um Ehre und Leben weist „Onkel Silas, Teil 1“ eine vielfältige Story auf. Dies ergänzen Szenen auf dem Moor (diesmal wurde offensichtlich nicht in England gedreht, stimmig eingefangen wurden die Außenaufnahmen dennoch) und nächtliche Szenen mit einer Geheimtür im Bibliotheksregal. Auch die Drogensucht Silas’ kommt gut zum Tragen: Hannes Messemer hält sich in seiner Schurkerei zwar noch zurück, doch allein seine sinistre Präsenz lässt erahnen, dass Teil 2 mit noch weiteren Bösartigkeiten aufwarten wird. Ein lobenswerter Höhepunkt im sonst immer eher nüchteren Semmelroth’schen Inszenierungsstil: Die Schilderungen des Dieners über die Vergangenheit des Schlosses, die herrlich verquer wirkt und mit der jetzt völlig abgewrackten Gestalt ihres Besitzers kontrastiert wird.

Gefällt mir – vielleicht mit Ausnahme des anfänglichen Überfalls auf die Kutsche, der sich später allerdings noch als handlungsrelevant erweist – ausgesprochen gut, bin sehr gespannt auf Teil 2.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

22.10.2014 13:40
#55 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



Onkel Silas (1977) – Zweiter Teil

Die Überraschung, dass Captain Oakley beim Duell nur verwundet und nicht tödlich getroffen wurde, ist den Machern durchaus geglückt. Auf diese Weise steht er als love interest und Retter aus der Not weiterhin zur Verfügung – auch wenn er am Ende einen eher untergeordneten Part spielt, weil viele Leute um Mauds Wohl besorgt sind (ihre Tante, der Anwalt Brenton und der Stallbursche Tom). Das ist sogar ein Vorteil, weil ich Rainer Rudolphs Auftritt als Oakley als etwas hölzern bezeichnen möchte – wahrscheinlich das einzige nicht ganz so starke Glied in der Silas-Kette. Wie bereits erwartet, treibt Onkel Silas dagegen in Teil 2 noch üblere Täuschungen mit seinen reichen Verwandten und verliert völlig die Fassung, wenn etwas nicht nach seinem Plan verläuft, was ihn zu einem brandgefährlichen Gegner macht.

Tatsächlich kommt der gleich auf Seite 1 dieses Themas versprochene Gruselfaktor

Zitat von Georg im Beitrag #8
Unheimlich gruselig spielt sich das Geschehen in einem Schloss in „Onkel Silas“ ab.

hervorragend zur Geltung: Das Schloss spielt eine zentrale Rolle und versprüht einen klassischen Gothic-Grusel-Charme mit seinem unheimlichen Hausherrn, den durch die Geldnot leeren Regalen, dem Geheimgang und der Unmöglichkeit, aus Silas’ Fängen zu entkommen. Cornelia Köndgen berichtet von den Dreharbeiten, dass sie selbst nach Drehschluss noch Angst hatte, weil einige der Szenen so gruselig waren. Das mag für einen heutigen Zuschauer vielleicht etwas übertrieben wirken, aber ein paar wohlig-warme Schauer jagt einem der Mehrteiler auf jeden Fall über den Rücken und erreicht ein Spannungsniveau, mit dem kaum ein anderer Plüschkrimi mithalten kann.

Abschließend möchte ich noch Giovanni Frühs Darstellung von Silas’ Sohn Dudley hervorheben, die kernig und denkwürdig ausfällt: Als Grobian und Dummkopf durchkreuzt er unwissentlich die meisten Pläne seines Vaters, wirkt aber deshalb nicht unbedingt mehr vertrauenserweckend. Seine stärksten Momente hat er in der Szenenfolge rund um den Mord und die Entsorgung der Leiche im Moor in Teil 2.

In Abwandlung eines bekannten Werbespruchs kann ich vermelden, dass es „unmöglich ist, von Onkel Silas nicht gefesselt zu sein“. Dieser Plüschkrimi hat mir bisher am besten gefallen, geizt er doch nicht mit unheimlichen Flair und Paraderollen für starke, wenn auch nicht unbedingt super-prominente Darsteller (v.a. Hannes Messemer, Cornelia Köndgen, Ellen Schwiers, Giovanni Früh fallen sehr positiv auf). Klare 5 von 5 Punkten.

PS: Andere Verfilmungen dieses Stoffes entstanden in Großbritannien mit einem Schwarzweiß-Klassiker 1947 (mit Jean Simmons und Derrick de Marney) und einem TV-Mehrteiler 1989 (mit Peter O’Toole und Beatie Edney). Kennt jemand diese Versionen? Sind sie auch lohnenswert?

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

26.10.2014 14:31
#56 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



BEWERTET: "Eine ungeliebte Frau" (Süddeutscher Rundfunk, 1974)

mit: Christian Wolff, Ulli Philipp, Edda Seippel, Wolfgang Preiss, Helmut Förnbacher, Diana Körner, Eva Christian, Günther Jerschke, Dorothea Gervenux u.a. | nach einem Roman Hedwig Courths-Mahler | Buch und Regie: Tom Toelle


Ria Rottmanns Vater hat einst eine bedeutende Erfindung gemacht, wurde dann jedoch von seinem Freund und Geschäftspartner Rolf Matern betrogen, der Rottmanns Erfindung als seine eigene ausgab und dadurch zu großem Vermögen gelangte. Nun sind Rias Eltern tot und Rolf Matern fühlt sich verpflichtet, die junge Frau in sein Haus aufzunehmen und sie für den Verlust zu entschädigen. Sein Sohn Heinz ist damit nicht einverstanden, zumal Ria heimliche Gefühle für ihn hegt. Doch dann sterben Rolf und Malwine Matern kurz hintereinander und die beiden jungen Leute stehen vor der Frage, ob es nicht das Beste sei, eine Vernunftehe einzugehen, um den Verbleib Rias im Hause Matern zu sichern. Plötzlich meldet sich ein Mann namens Krause, der Ria mit Unterlagen ihres verstorbenen Vaters erpresst.....



Im Winter 1972 fanden in Baden-Baden die Filmaufnahmen zu "Eine ungeliebte Frau" statt, einem Roman der Schriftstellerin Hedwig Courths-Mahler. Bereits Mitte der Fünfziger Jahre wurden Pläne geschmiedet, die Erfolgsgeschichten filmisch umzusetzen und Anfang der Siebziger Jahre war es dann soweit.
Unter der Regie von Tom Toelle werden die gesellschaftlichen Konventionen und die daraus resultierenden Alltagsschwierigkeiten in Szene gesetzt. Die Stimmung wird überschattet von einer Reihe von Todesfällen, deren unvermeidliche Konsequenzen in Pflichterfüllung und Bewahrung der familiären Einheit münden. Bewusst distanziert sich der Regisseur von der steifen Gefühlswelt der damaligen Zeit und zeigt dies immer wieder durch eingefrorene Standbilder, in denen seine handelnden Personen im Augenblick einer wichtigen Begegnung verharren. Unter der kühlen Beherrschtheit regen sich Gefühle von Schuld, Mitleid, Eifersucht und Zuneigung und werden nach und nach entblättert, wobei die Hauptdarsteller eine Ausnahme bilden. Entgegen der landläufigen Meinung, ein liebendes Paar müsse jung und schön sein, finden wir in Edda Seippel und Wolfgang Preiss ein Beispiel einer Beziehung, deren Gefühle im Laufe der Jahre von Arbeit und Alltag verschüttet wurden und deren Schönheit und Kraft wieder zum Leben erweckt wird. Ebenso verhält es sich mit dem lebhaften Helmut Förnbacher, der um die kapriziöse Diana Körner wirbt, dies jedoch trotz schmalziger Komplimente natürlich und lebenszugewandt tut. Seine Heiterkeit läutet den Wandel der Emotionen ein. Den Höhepunkt der harmonischen Annäherung innerhalb des Haushaltes bildet das Weihnachtsfest, das musikalisch umrahmt wird und alle Personen nach und nach in die feierliche Atmosphäre miteinbindet.

Zitat von Es ist ein Ros' entsprungen - Weihnachtslied aus dem 16. Jahrhundert
Es ist ein Ros' entsprungen aus einer Wurzel zart. Wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art. Und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht.


Ulli Philipp stimmt das Lied an, das seine Bedeutung in der sich anbahnenden Liebe zu Christian Wolff findet. Die Darstellerin scheint auf tragische Rollen abonniert, wenn man an „Black Coffee“ und „Der Monddiamant“ denkt, wo sie ebenfalls Frauen mit Geheimnis und tiefen Gefühlen verkörpert. Ihre großen, fragenden Augen blicken ins Leere, ihre fragile Stimme erregt die Aufmerksamkeit ihrer Umgebung wie eine Stimmgabel zwischen Pauken und Trompeten. Erwartet man sich eine romantische Liebe wie in „Der Scheingemahl“, so wird man enttäuscht. „Eine ungeliebte Frau“ wird nicht nur dem Titel gerecht, sondern betont die Einsamkeit des Individuums in einer arrangierten Verbindung. Doch sind es „nicht nur angeborene, sondern auch erworbene Verdienste, die der vom Leben benachteiligten jungen Frau schließlich die Erhebung über alle anderen ermöglichen, die ihr das Leben schwer gemacht haben. Die Heirat ist dann in der Regel nicht mehr als die Sanktionierung dieses Aufstiegs,“ wie Stefan Bollmann in seinem Buch „Frauen und Bücher – Eine Leidenschaft mit Folgen“ (DVA 2013) zum Thema der Trivialromane des 18./19. Jahrhunderts ausführt. Während Ulli Philipp ihre Geduld und Leidensfähigkeit bis zum Anschlag strapazieren muss, zeigt sich Christian Wolff teils brüsk und ungewöhnlich abweisend.



Eva Christian als femme fatale spielt zwar mit den Reizen der erfahrenen Frau, kann ihn jedoch ebensowenig aus der Reserve locken wie es seine eigenen Empfindungen können. Die Restriktion, die er sich selbst auferlegt, lässt ihn trocken und hart wirken. Er ist auf dem besten Weg, die Fehler der Väter zu wiederholen. Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, quälen sich die Personen unnütz und legen eine übertriebene Protektion an den Tag. Aus falscher Rücksichtnahme und mangelnder Offenheit entstehen Missverständnisse und Entfremdung. Die Selbstvorwürfe, unausgesprochenen Warnungen und Geständnisse verhindern, dass das zentrale Paar am Ende gelöst und befreit aus dem Konflikt hervorgeht. Die gedämpfte Winterstimmung unterstreicht diesen Mangel an Leichtigkeit und Optimismus auf nicht unbedeutende Weise, ebenso, wie die Trauerkleidung auf unter Verschluss gehaltene Gedanken hinweist.

Des Menschen Leides Schmied ist er selbst allein: Unter diesem Motto ringen Verstand und Gefühl miteinander, wobei besonders das verhaltene Spiel von Ulli Philipp, das sich in Demut und Fürsorge ausdrückt, hervorsticht. 4 von 5 Punkten

Jomei2810 Offline



Beiträge: 49

11.11.2014 11:44
#57 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Zitat von Jomei2810 im Beitrag #17

Zitat von Percy Lister
SPOILER zu "Der rote Schal":
Die Gerüchte um den Selbstmord des Darstellers Fred Haltiner verleihen dem Dreiteiler eine melancholische Note. ...Die Tatsache, dass sein Selbstmord erst Monate nach Abschluss der Dreharbeiten stattfand, mag gar nichts bedeuten. Unglückliche Lieben beschäftigen die Menschen länger als es Außenstehende wahrhaben möchten. Besonders, wenn ein starkes Gefühl nicht erwidert wird oder dennoch ein loser Kontakt zwischen den Betreffenden besteht, zieht die Hoffnung, die immer noch anhält, den endgültigen Bruch hinaus. Es wäre in dieser Hinsicht interessant, die Meinung von Frau Schwiers zu diesem Thema zu hören, doch vermutlich hat man sie nie dazu befragt.


Als Herr Haltiner am 7. Dezember 1973 verstarb, lag der letzte Drehtag zu DER ROTE SCHAL bereits mehr als ein Jahr zurück. Sollte er wirklich tiefere Gefühle für Ellen Schwiers gehabt haben wußte er sehr wohl, das diese von Frau Schwiers nicht erwidert werden. Auch war ihm klar, das Frau Schwiers zu diesem Zeitpunkt sehr glücklich mit Peter Jacob verheiratet und stolze Mutter von zwei Kindern war...
Im letzten Jahr seines Lebens war Herr Haltiner beruflich sehr ausgelastet.
Für einen losen Kontakt zu Frau Schwiers (den ich bezweifle) wäre wohl kaum Zeit gewesen u. a. weil auch Frau Schwiers etlichen Verpflichtungen nachkommen mußte.



Hier muß ich neinen damaligen Post korrigieren...

Walter Matthias Diggelmann, der Halbbruder von Fred Haltiner, hat am 3. September 1973 folgenden Brief an Fred geschrieben (hier nur Auzüge zum Thema):

"... Ellen hat mich gestern aus Zürich angerufen... durfte ich aus Ellens Erzählungen heraushören, auch wenn sie sich hütete, allzu direkt davon zu sprechen, dass sie eine sehr tiefe und echte Liebe für Dich empfindet, und zwar eine totale...
Ellen, so glaube ich es wenigstens sagen zu dürfen, liebt dich nicht nur sondern akzeptiert dich total, ohne Erwartungen zu stellen...
Hoffentlich geschieht nun wieder nicht das Unglück, dass dir mit anderen Frauen widerfahren ist: Das Du zurückschrickst, Dich vor einem umfassenden menschlichen Engagement fürchtest..."

Laut Klara Obermüller, der Witwe von Walter Matthias Diggelmann, wolle Fred Haltiner Ellen Schwiers zu Beginn des Jahres 1974 heiraten.

Quelle:
Walter Matthias Diggelmann
DA, DAS BIN ICH
Selbstzeugnisse und Briefe
Werkausgabe Band 6 aus der edition 8

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

26.02.2015 09:15
#58 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



Der SDR zeigt eine Verfilmung des Dramas von Hedwig Courths-Mahler. Regie und Drehbuch: Gerd Westphal. In den Hauptrollen: Christian Wolff, Anne-Marie Blanc, Horst Niendorf, Herlinde Latzko, Walter Kohut, Alexander Hegarth, Ludwig Anschütz, Tilo von Berlepsch, Maria Locatelli, Gertrud Nothhorn u.a.

Der Scheingemahl (1974)

Auf einem Landsitz, der eigentlich im Grunewald stehen soll, tatsächlich jedoch eher im Sendegebiet des Süddeutschen Rundfunks zu verorten ist, spielt sich ein raffiniert gestricktes Liebesdrama ab. Margot Hartmann, die Tochter eines in den USA zu Vermögen gekommenen einfachen Mannes, soll, um die gesellschaftliche Rolle der Familie zu verbessern, in eine Adelsfamilie einheiraten. Die Suche nach ihrem Zukünftigen wird nicht dem Zufall überlassen, sondern durch einen professionellen Kuppler abgewickelt – Margot hat jedenfalls nicht zu bestimmen, mit wem sie in den Stand der Ehe eintreten wird. Diese klassische Ausgangssituation wird insofern spannend angereichert, als einerseits der Gatte in spe ein unverhohlener Tunichtgut und Grobian ist (Assoziationen an die bevorstehende Heirat zwischen Heidelinde Weis und Pinkas Braun in „Die Frau in Weiß“ sind unvermeidlich) und andererseits die Charaktere zu fest in ihren zurückhaltenden und vornehmen Rollenbildern aus der Jahrhundertwendezeit stecken, um einander die Wahrheit über ihre Gefühle zu beichten. So ist jede der Figuren in ihren Handlungen auf sich allein gestellt, weil die Schicklichkeit verbietet, Probleme wie das vorliegende offen anzusprechen.

Was den „Scheingemahl“ ähnlich wie die Plüschkrimis des WDR so überzeugend und lohnenswert macht, ist die authentische und durch und durch ernsthafte Herangehensweise, die die Stoffe trotz ihrer seichten Herkunft in jedem Moment für voll nimmt. Zu keinem Zeitpunkt wird versucht, die heute veraltet scheinende Rollenkonstellation oder den Handlungsverlauf durch unangebrachten Humor oder durch „peppige“ Inszenierungsideen zu verwässern. Der Zuschauer bekommt also nicht nur eine formvollendete Romanze, die sich alle Zeit der Welt lässt, den Plot zu entwickeln und auch die Nebenschauplätze mit Detailverliebtheit zu beackern, sondern gleichzeitig eine 1:1-Adaption des Erfolgsromans von Hedwig Courths-Mahler. Wie alle anderen Filme der 1974 hergestellten Reihe wurde ...

Zitat von Fernsehen: Oh, von Hedwig!, Der Spiegel, 15/1974, S. 169
– ohne parodistische Häme – genüsslich, fast feierlich inszeniert. Sogar die schwülstigen Passagen [...] werden würdevoll wie hohe Literatur gesprochen. Nur einmal weichen die CM-Filmer vom Original ab – für ein Requisit, das Frau Hedwigs Tochter Friede Birkner, 83, im Nachlass der Mutter gefunden und dem Fernsehen geliehen hat. Im „Scheingemahl“ taucht eine echt Pariser Federboa auf, die respektvoll bewundert wird: „Oh, von Hedwig!“


Die wenig distanzierte Umsetzung steifer Historiendialoge erforderte von den Machern kreative und dennoch diskrete Ideen, die den Fluss der Geschichte auflockern. Hierbei wählte man einen sehr präsenten Erzähler, dessen Aufgabe nicht etwa mit der Einführung der Figuren erledigt ist, sondern der sich immer wieder zu Wort meldet, sogar mitten in Gesprächen Erläuterungen gibt und unausgesprochenen Gedanken Gehör verleiht. Stellenweise wurde diese Technik so weit betrieben, blitzartige Wechseldialoge mit Erzählereinsprengseln so zu vermischen, dass allein durch diese rhetorische Maßnahme eine Temposteigerung abgeleitet werden kann.

Selbstverständlich, dass als Kostümfilm „Der Scheingemahl“ stark schauspielerzentriert arbeitet, was metaphorisch durch einige Kameraeinstellungen unterstrichen wird, in denen alles um die Gesichter der Mimen herum ins Unscharfe verschwimmt. Auf die Besetzung ist ausnahmslos Verlass, wobei vier Schauspieler besonders ins Auge stechen: Christian Wolff spielt den aufrechten, verarmten Baron, der in jeder Hinsicht edel handelt, dem sein ausgeprägter Sinn für Manier jedoch bei den einfachsten Erwägungen Hürden in den Weg stellt. Herlinde Latzko straft jeden Lügen, der bei der Tochter des Neureichen Hartmann an eine eingebildete Dollarprinzessin denkt – ihre Interpretation der Rolle steckt voller Leben, die Gesichtszüge projizieren Freudestrahlen und Besorgnis klar und natürlich aus den Buchseiten auf den Bildschirm. Horst Niendorf als ihr Vater handelt aus Unwissenheit, nicht Böswilligkeit, was schließlich den feschen Edgar, Walter Kohut, zum einzig wahren Antagonisten der Produktion macht. Dass er vor allem durch die negativen Klischees seiner österreichischen Herkunft zum Filou und Quertreiber gestempelt wird, ist vielleicht nicht politisch korrekt, vor allem für die im Norden geborenen Zuschauer aber sehr unterhaltsam.

Vom Spieltrieb der Regie und der Darsteller profitiert die Hedwig-Courths-Mahler-Adaption „Der Scheingemahl“ in großem Maße: Vor eleganter Kulisse wird ein harter Kampf ausgetragen, der deshalb so stilvoll und standesgemäß erscheint, weil er im Verborgenen stattfindet. Der kluge Einsatz eines Off-Sprechers bringt die weitreichende Problematik des Konflikts effizient zur Geltung. Wenn nur die Aufnahmen an Originalschauplätzen stattgefunden hätten, wäre an diesem Film nicht das Geringste auszusetzen. So sind es 4,5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

03.03.2015 08:05
#59 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



Der SDR zeigt eine Verfilmung des Dramas von Hedwig Courths-Mahler. Regie und Drehbuch: Peter Beauvais. In den Hauptrollen: Sabine Sinjen, Klaus Barner, Tatjana Iwanow, Marlene Riphan, Heinz Ulrich, Katrin Schaake, Andrea Schober, Claudia Rieschel, Friedrich von Thun, Betina Kalka u.a.

Griseldis (1974)

Der Titelgestalt dieser Plüschproduktion obliegt es, als „rettender Engel“ die Bewohner des Schlosses Treuenfels aufzurütteln, die nach einem ungeklärten Mordfall in Lethargie versinken und von der Öffentlichkeit geschnitten werden. Die als Erzieherin der Tochter des Grafen Harro von Treuenfels angestellte Griseldis versucht zugleich, die Umstände um den Tod der Gräfin aufzuklären, was sich in dem entlegenen Gemäuer als gefährliche Aufgabe erweist ... Vier Personen stehen im Mittelpunkt der Handlung: zunächst der vom Leben enttäuschte Graf von Treuenfels, der unter den Launen seiner toten Frau noch nach deren Tod zu leiden hat, weil ihn das Gericht nur aus Mangel an Beweisen vom Verdacht, selbst Hand an ihr Ableben angelegt zu haben, freisprechen konnte. Klaus Barner verkörpert den gebrochenen Mann realistisch, aber nicht weinerlich. Dass sich gesellschaftlich gestrauchelte Männer von starken Frauen helfen lassen müssen, zählt in den Courths-Mahler-Geschichten zum guten Ton, sodass gerade die Paarung Barner-Sinjen ein klassisches Beispiel für die Funktionsweise der kaiserzeitlichen Romanzen darstellt. Sinjen ist als Griseldis strahlend und freundlich zu sehen; nachdenklich oder zurückhaltend zeichnet sie ihre Figur nur dann, wenn sie sich als „Detektivin“ auf die Suche nach der Wahrheit über den Giftmord auf Schloss Treuenfels macht – ein Mord freilich, den der Zuschauer ungleich schneller als die Protagonisten durchschaut haben wird. Ergänzend treten Tatjana Iwanow, die mit ihrer düsteren Strenge noch jeder Mrs. Danvers Konkurrenz machen könnte, als tragisch verliebte Komtess Beate und Andrea Schober als eigenwillige, unkonventionelle Tochter des Grafen auf.

Die Worte der kleinen Gilda und die nicht ganz standesgemäße Interpretation der Sinjen-Rolle sind allerdings nicht die einzigen Gelegenheiten, zu denen in „Griseldis“ ungewohnt lapidare Töne angeschlagen werden: Die Fernsehbearbeitung lag – wie in der Courths-Mahler-Reihe üblich – direkt in den Händen des Regisseurs. So ist der gröbste Makel, den man an der Produktion ausmachen kann, der Hand Peter Beauvais’ zuzuschreiben, die über die historische Korrektheit der Vorlage allzu lax hinwegwischt. Die steife Noblesse, die die Besonderheit anderer CM-Verfilmungen ausmacht, wurde für „Griseldis“ zugunsten ungezwungenerer Umgangsformen über Bord geworfen, die dem heutigen Zuschauer vielleicht entgegenkommen mögen, das Flair dieser Schlossgeschichte aber merklich verwässern. Man vergleiche nur einmal die Dialoge in „Griseldis“ mit denen aus „Die Bettelprinzess“. Man spürt sogleich, dass es einfach nicht stimmig ist, wenn sich in adeligem Hause ungeniert beim Vornamen angesprochen oder einfach gerade heraus die große Liebe zu einer besseren Hausangestellten offengelegt wird. Gleiches gilt für die offensichtlich nicht immer ganz ernst gemeinten Rückblenden und Nebenrollen. Die Trickeffekte und Blenden erweisen sich im Gegensatz dazu als ein erfolgreich angewandtes Stilmittel.

Zum kriminalistischen Gehalt der Courths-Mahler-Geschichten kann gesagt werden, dass er selbst in einem Stoff wie „Griseldis“, in dem ein Giftmord thematisiert wird, merklich unter dem anderer Plüschkrimis liegt. Courths-Mahler verwendete illegale Kniffe ebenso wie die gesellschaftlich erforderliche Geheimhaltung wichtiger Informationen und deren schlussendliche spektakuläre Enthüllung am ehesten als Mittel zum Zweck, um mit ihrer Hilfe dramatische Liebesgeschichten zu erzählen, die andernfalls nicht den nötigen Reiz des Verbotenen auf Leserschaft bzw. Fernsehpublikum ausgeübt hätten. In „Griseldis“ tauchen im Speziellen verschiedene Kniffe auf, die aus der Transitionsphase zwischen viktorianischem Gruselroman und früher Kriminalerzählung übernommen worden zu sein scheinen: der verschlossene Turm, die unentdeckten Geheimfächer, die Aufdeckung des Verbrechens durch einen hellseherischen Traum und das unwirtliche Gewitter zur Untermaltung der Szenerie.

Inszenatorisch seiner Verantwortung nicht vollauf bewusst, enttäuscht Peter Beauvais’ „Griseldis“ das Vertrauen in die Aufrichtigkeit einer Hedwig-Courths-Mahler-Adaptionsreihe mit einigen Schlampereien an der historischen Adelsfassade, die vermutlich bewusst gesetzt wurden, um einen zeitgemäßen Bruch mit der sich sehr ernst nehmenden Handlung zu erzielen. Eine typische Selbstüberschätzung moderner Regisseure, die so in anderen Plüschkrimis glücklicherweise keinen Platz fand. Auch schleichen sich durch die Überlänge der Adaption einige Längen ein, die in anderen Titeln der Serie nicht vorhanden sind. Da Drehorte, Ausstattung und die Leistungen von Klaus Barner und Tatjana Iwanow dennoch auf einem überdurchschnittlichen Niveau liegen und die Produktion einen so anheimelnden Eindruck vermittelt, wie man es sich von einem Plüschklassiker nur wünschen kann, komme ich zu einem Urteil von 3,5 von 5 Punkten.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

08.03.2015 14:58
#60 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Hedwig Courths-Mahler und Eugenie Marlitt versorgten seit 1866 die Familien- und Unterhaltungszeitschift "Die Gartenlaube" (Gründung 1853) mit Liebesgeschichten, die im adeligen Milieu angesiedelt waren. Das Motto des liberal-demokratischen Buchhändlers und Verlegers Ernst Keil, der die Wochenzeitschrift herausgab, trifft in einfachen Worten auch auf "Griseldis" zu:

"Ein Blatt soll's werden für's Haus und für die Familie, ein Buch für Groß und Klein, für Jeden, dem ein warmes Herz an den Rippen pocht, der noch Lust hat am Guten und Edlen....fern von aller raisonnirenden Politik und allem Meinungsstreit in Religions- und andern Sachen...."

Die Programmzeitschrift "GONG" vergibt vier von sechs Punkten und urteilt "Setzt ganz auf Gefühle".

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