Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden Impressum 
Forum Edgar Wallace ,...



Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 73 Antworten
und wurde 11.076 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Seiten 1 | 2 | 3 | 4 | 5
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

16.08.2011 13:10
#31 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



Die Affäre Lerouge (1976) – Zweiter Teil

Nach dem Mord der Witwe Lerouge entwickelte sich in Teil 1 eine verworrene Geschichte um eine vermutliche Kindsvertauschung im Hause des Grafen von Commarin. Teil 2 klärt die wahren Umstände der Tat geradlinig, ohne Umschweife, aber auch ohne großes Überraschungsmoment auf. Nach und nach wird immer deutlicher sichtbar, wer den Mord an der alten Frau begangen hat – was für die kontinuierliche Ermittlungsarbeit spricht, wird Freunde einer Knall- und Falllösung in den letzten fünf Filmminuten trotz Hetzjagd aufs Dach mit jenem unvermeidlichen Ende, das auch der junge Lord Lebanon fand, wohl eher enttäuschen.

Nachdem er bislang nur recht wenige Auftritte erhalten hatte, kommt Peter Pasetti immer mehr zu der ihm gebührenden Aufmerksamkeit. Fraglich ist, ob man die Wendung seiner Rolle vom kühlen Strategen zum reuigen Sünder gerade vor dem Hintergrund der besonders betonten Adelstradition und -starrsinnigkeit für glaubhaft halten kann; exzellent und über jeden Zweifel erhaben gespielt ist sie auf jeden Fall. Die markanteste und vielschichtigste Rolle, mithin den geheimen Hauptpart, indes erhielt Joachim Ansorge. Der Berliner Mime, der nur vier Jahre später im Alter von 40 Jahren aus unbekannten Gründen Selbstmord beging, konnte sich in einigen Szenen dieses zweiten Teils so richtig ausspielen, ohne auf einengende historische Einschränkungen Acht geben zu müssen. Generell kann man erneut von überzeugenden Leistungen der Akteure sprechen, muss aber in zwei Punkten Abstriche machen: Sowohl der Trunkenbold mit dem Ohrring als auch Jutta Kammann als Juliette Chaffour hinterlassen den Eindruck, als habe man die Frage der Gage oder Familienbande vor schauspielerisches Können gestellt. Glücklicherweise kann man das von René Deltgen nicht behaupten, dessen Tabaret sich im zweiten Teil einen massiven Irrtum eingestehen und verarbeiten muss. Ist er doch nicht mit Sherlock Holmes ebenbürtig oder nun gerade erst recht, weil er zwar Fakten zu Schlüssen formen und einen Schlussstrich unter den Fall setzen kann, dabei aber zeitweise blind für die charakterliche Komponente der Beteiligten wird?

Während die getragene Musikuntermalung in ihrer Melodieführung an den „kalten Herz“-Score von Herbert Trantow erinnert, spricht die Handlung trotz lang vergangener Zeiten nach wie vor auch die Spannungsfreunde unter uns Krimiguckern an. Leichte Abzüge in der B-Note sorgen dafür, dass ich, müsste ich mich entscheiden, dem „Strick“ den Vorzug geben würde, was die „Affäre Lerouge“ mit ihren noblen 4,5 von 5 Punkten aber nicht abwerten soll. Eine Frage bleibt auch nach der Aufklärung: Wurde das Kerkerset aus dem „Strick“ hier aus anderem Blickwinkel zweitverwendet?

Georg Offline




Beiträge: 3.263

20.08.2011 10:21
#32 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov
Eigentlich wäre es interessant gewesen, mit Lecoq (oder eben mit Tabaret) eine verbindende Figur zwischen den beiden Gaboriau-Verfilmungen zu schaffen.


Ich muss diesen Gedanken hier nochmals aufgreifen, da ich z. Zt. das überschaubare, aber umso richtungsweisendere Werk von Émile Gaboriau nochmals lese. Dabei hat man immer wieder Déjà-Vus, weil die Ermittler in Sherlock-Holmes-Manier kombinieren. Man sieht teilweise sehr deutlich, dass Conan Doyle hier "abgeschaut" hat.
Interessant ist die Figur des Monsieur Lecoq, dem sogar ein eigener Roman gewidmet ist (Monsieur Lecoq). Für die Verfilmungen wäre seine Person umso interessanter gewesen, da niemand sein wahres Gesicht kennt und er sich stets durch Verkleidung verfremdet, um unerkannt zu bleiben. So hätte man eine Art "Wer ist Mr. Lecoq" in die Filme einbauen können, was ein zusätzliches Spannungsmoment abgegeben hätte.

Im Roman Le Dossier 113 (éd. Labyrinthes 2003, p. 82) heißt es nämlich in einer Szene, in der der Gefängniswärter mit dem unschuldig Verurteilten Prosper spricht, über Lecoq:

Zitat
[...] personne ne peut se vanter de connaître la vraie figure de monsieur Lecoq. Il est ceci aujourd'hui et cela demain; tantôt brun, tantôt blond, parfois jeune, d'autres fois si vieux qu'on lui donnerait 100 ans. [...] Je cause avec un inconnu, paf! c'est lui. N'importe qui peut être lui. On m'aurait dit que vous étiez lui, j'aurais répondu: "C'est bien possible" Ah! il peut se vanter, celui-là, de faire tout ce qu'il veut de son corps.

Meine deutsche Übersetzung:
Niemand kann sich rühmen, das wahre Gesicht des Monsieur Lecoq zu kennen. Er ist heute der und morgen jener; mal braunhaarig, mal blond, manchmal jung, dann wieder so alt, dass man ihn auf 100 Jahre schätzen würde. [...] Ich spreche mit einem Unbekannten - paff! - (und) es ist er! Er kann jedermann sein. Hätte man mir gesagt, dass sie er wären, so hätte ich geantwortet: "Das ist gut möglich!" Ach! Er kann sich rühmen, aus seinem Körper zu machen, was er will.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

10.01.2013 09:29
#33 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Die Frau in Weiß vs. Der rote Schal vs. Die Affäre Lerouge

Ich habe die Feiertage genutzt, um nochmals mit großer Freude drei der Plüschkrimis wiederzusehen. Vorweg: bei diesen Produktionen, die alle über eine überdurchschnittliche schauspielerische Leistung jedes Einzelnen verfügen, entdeckt man bei jedem Wiedersehen etwas Neues. Unglaublich, wie liebevoll die Details gestaltet sind, die Kostüme, die Requisite, die Szenenbilder und die Wahl der Außenmotive.
Nach dem Wiedersehen mit Die Frau in Weiß, Der rote Schal und Die Affäre Lerouge ist für mich neuerlich klar geworden, dass Wilhelm Semmelroth mit dem ersten seiner Plüschkrimis mit Sicherheit auch die beste Arbeit abgeliefert hat. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass literarisch der Woman-in-White-Stoff mit Sicherheit der gelungenste und spannendste ist, dicht gefolgt von Armadale (Der rote Schal), den ich auch als Roman verschlungen habe.
Das viktorianische Gruselfeeling in dem Film rund um die junge Laura und ihre ins Irrenhaus eingewiesene Doppelgängerin ist grandios inszeniert, dazu tragen nicht nur die teilweise recht unheimlich anmutenden alten Gemäuer bei, die auch sehr detailverliebt in den Studios nachgebaut wurden, sondern neben den perfekt sitzenden Kostümen vor allem die Leute, die Collins' Figuren Leben einhauchen: neben den zahlreichen Darstellern, von denen jeder für sich schon ein Erlebnis ist, stechen dabei natürlich Eric Pohlmann als freundlicher, aber bitterböser und gefährlicher Conte Fosco mit sonoriger Stimme und intelligentem kriminellen Gemüt und Pinkas Braun als ekliger, perfider, spielsüchtiger und hasserfüllter Sir Percival hervor. Beide zusammen als kriminelles Paar, das die Ermordung der jungen Irren und den Raub der Identität der Ehefrau in Kauf nimmt, sind genial. Daneben glänzt Christoph Bantzer als Walter Hartright, der vor allem im aufwendig inszenierten dritten Teil (super Landschaftsaufnahmen und Szenenbilder, unglaublich: die brennende Kirche!) in den Vordergrund rückt, um Lauras Identität wieder herzustellen. Heidelinde Weis, die nicht die Erstbesetzung für diese Rolle war, glänzt in einer Doppelrolle als Irre und als reiche Laura und Helmut Käutner als tuntig anmutender, hypochondrischer Onkel ist ohnehin ein Kabinettstückchen für sich. Bis in die kleinsten Nebenrollen sind da herrliche Typen ausgewählt worden, egal ob Jenny Thelen als Mutter der Irren, Hans Hinrich als Anwalt Gilmoore oder auch der bei Semmelroth häufig verpflichtete Wolfgang Unterzaucher als Pesca. Eva Christian als Lauras Schwester macht einen sehr graziösen Eindruck und passt perfekt in diese Rolle, die ihr - wenn ich mich recht erinnere - durch Vermittlung von Semmelroths Lebensgefährtin Jutta Kammann zukam.
Nicht weniger eindrucksvoll ist Der rote Schal. Bemerkenswert, wie Herbert Asmodi und Wilhelm Semmelroth den kompliziert strukturierten, großteils nur aus Briefen und Briefwechsel verschiedener Personen bestehenden fast 1000 Seiten umfassenden Fortsetzungsroman in eine sehr akzeptable, ja herausragende Drehbuchfassung gebracht haben. Das war nicht einfach, wenn man den Roman liest, jedoch findet sich alles, jedes Detail in irgendeiner Form im Film wieder. Hierfür hätte Herbert Asmodi, der schon bei Die Frau in Weiß diesbezüglich hervorragend gearbeitet hatte, eigentlich einen Preis erhalten müssen. Die Charaktere im Film sind überdurschnittlich besetzt. Ellen Schwiers als Lydia Gwilt, die es immer wieder versteht, alle Menschen für sich einzunehmen, an sich zu fesseln und mit schauspielerischem Geschick die Dinge immer so wenden kann, wie sie sie braucht und doch als Unschuldige da steht, ist unglaublich glaubhaft in ihrer Rolle. Den etwas leichtgläubigen Einfaltspinsel Alan Armadale, der es mit dem Leben recht leicht und fröhlich nimmt, spielt Heinz Ehrenfreund, wiederum eine ausgezeichnete Wahl. Fred Haltiner spielt den depressiven, nicht weltgewandten Freund Ozias Midwinter extrem glaubhaft. So muss sich Wilkie Collins seine drei Hauptfiguren auch vorgestellt haben. Daneben glänzen wieder herrlich perfide Charaktere: Ida Ehre als eiskalte, berechnende und geldgierige Bordellmutter Oldershaw, Arno Assmann als Arzt, der den hypokratischen Eid anscheinend nicht kennt oder Karl Lieffen als listiger Privatdetektiv, der sogar seinen Vater hereinlegt. Dieser sein Erzeuger wird von Walter Bluhm gespielt. Es ist unglaublich, wie dieser Mann den ewig getretenen, von allen ausgenutzten Alten, der sich ihn die schöne Lydia verliebt, spielt und sich jedesmal von ihr erneut um den Finger wickeln lässt, solange, bis er über ihrem Tod den Sinn für die Realität verliert. Neben den vorzüglich ausgewählten Kostümen und Schauplätzen und den schönen Inneneinrichtungen ist hier vor allem das passende Musikthema von Hans Jönsson hervorzuheben, der das Leitmotiv immer wieder variiert und dessen Untermalung sich stimmig in die Bilder mischt.
Weniger angetan war ich diesmal von Die Affäre Lerouge. Hier gibt es selbstverständlich eine erstklassige Besetzung mit René Deltgen und Günter Strack. Sogar ein Whodunit ist vorhanden. Was ich diesmal jedoch extrem bemängeln muss - vor allem, wenn man sich die beiden erstgenannten Plüschkrimis ansieht - ist das Szenenbild in Verbindung mit den Kostümen. Waren die Innendekorationen bei den ersten beiden Semmelroth-Krimis herausragend, detailverliebt und originell (Ausstattung: Paul Haferung), so wirken die Szenenbilder (von Lothar Kirchem) im bereits 5. Film dieser Art wenig beeindruckend, dunkel, großteils unpassend und wenig stimmig. Auch die Kostüme sitzen nicht so richtig, sind manchmal zu groß und legen Falten (z.B. René Deltgens Jacke). Hier waren zweifellos weniger begabte Leute am Werk. Das ist mir aber auch erst diesmal aufgefallen. Inhaltlich gibt der Film den Roman in großen Zügen recht treu wieder, auch wenn die Rolle René Deltgens im Buch etwas anders war. Schließlich merkt man auch, dass für die Bildgestaltung nicht mehr Dieter Naujeck, sondern Hans Braun verantwortlich war, der durch seine Aufnahmen, die fast immer das ganze Zimmer zeigen, die Studiodekorationen recht billig wirken lässt und die Studioatmosphäre zu sehr unterstreicht.
Schließlich sei noch bemerkt, mit wieviel Liebe sich der Regisseur in all seinen Filmen eine kleine Rolle gegeben hat. In Die Frau in Weiß spielt er den Irrenarzt Dr. Masters (darüber hatte er sich selbst lustig gemacht, der Regisseur als Irrenarzt *g*), in Die Affäre Lerouge fast unkenntlich den Hausarzt der Madame Gevry (man muss schon sehr gut hinsehen, um ihn mit dem Bart zu erkennen!) und ganz besonders herrlich ist sein Auftritt in Der rote Schal, wo er gar zweimal als Rezeptionist des Hotels "King William" (wie passend zum Vornamen des Regisseurs, mit Sicherheit kein Zufall!) zu sehen ist.
Insgesamt machen die Plüschkrimis immer wieder Freude, nicht nur wegen der Schauspieler, die auch das Telefonbuch vorlesen könnten, sondern auch wegen der großteils detailverliebten Ausstattung und der herrlich langsamen, entspannenden aber trotzdem spannenden Erzählweise!

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

21.03.2014 22:20
#34 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



Der WDR zeigt eine Verfilmung des Kriminalromans von Mary Elizabeth Braddon. Regie: Wilhelm Semmelroth. Drehbuch: Herbert Asmodi. In den Hauptrollen: Susanne Uhlen, Hans Caninenberg, Christian Wolff, Katerina Jacob, Michael Schwarzmaier, Claudia Amm, Siegfried Wischnewski, Willy Semmelrogge, Hans Helmut Dickow, Lilly Towska u.a.

Lady Audleys Geheimnis (1978) – Erster Teil

Rasch – schneller als die in ihren viktorianischen Denkmustern gefangenen Charaktere – steigt der aktuelle Zuschauer hinter die Zusammenhänge, die das Geheimnis um Lady Lucy Audley auszeichnen. Die Geschichte erscheint aber gleichzeitig vom heutigen Gesichtspunkt aus weniger aufrüttelnd, als sie den Zeitgenossen der Autorin Mary Elizabeth Braddon vorgekommen sein muss: eine Frau, die für ihr eigenes egoistisches Glück die Grenzen des Erlaubten und Moralischen überschreitet und die Männer reihenweise aufs Kreuz legt.

Nach seiner Rückkehr aus Australien, wo er hart für ein Vermögen schuftete, gilt der erste Weg des treuen Ehemannes George Talboy seiner Familie – Frau und Kind musste er vor sechs Jahren in England zurücklassen und will sie nun wiedersehen. Was zunächst wie eine Geschichte vom Verschwinden einer Frau beginnt, wandelt sich schnell in die doppelbödige Leidensgeschichte zweier gehörnter Ehemänner. Ein dritter, der mit beiden Parteien freundschaftlich verbunden ist, macht sich auf die Suche, herauszufinden, was mit Mrs. Talboy geschehen ist. Christian Wolff eignet sich hervorragend nicht nur für die Rolle des vertrauenswürdigen Detektivs, sondern auch als Besetzung in Plüschkrimis im Allgemeinen: Durch seine unverbrüchliche Sonnyboy-Ausstrahlung füllt er hoffnungsvolle, rechtschaffene Rollen oder auch Kämpfer gegen Unrecht bestens aus.

Für Susanne Uhlen bietet „Lady Audleys Geheimnis“ die seltene Gelegenheit, eine negative Rolle zu verkörpern. Üblicherweise wurden Uhlen stets als Sympathieträgerin verpflichtet, als Mädchen in Gefahr oder als patente junge Frau. Auch wenn sie ihre Krallen erst im zweiten Teil des Mehrteilers richtig ausfahren wird, so ahnt man doch bereits, welche Intrigen Lady Audley zu ihren eigenen Gunsten gesponnen hat. Sie führt den Menschen in ihrer Umgebung ein einziges Theaterstück vor, was fraglich macht, ob ihre erschwindelte Position in gehobener Gesellschaft nicht in erster Linie eine Belastung für sie ist.

Interessant ist, dass der Roman „Lady Audley’s Secret“ bereits in grauer (pardon: schwarzweißer) Vorzeit als Vorlage für drei weitere Verfilmungen diente, zwei us-amerikanische Versionen von 1912 bzw. 1915 sowie eine britische von 1920. Uhlens Titelrolle wurde in diesen Adaptionen von Jane Fearnley, Theda Bara und Margaret Bannerman gespielt.

Clifton Morris Offline



Beiträge: 116

21.03.2014 23:50
#35 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Regisseur Wilhelm Semmelroth und Autor Herbert Asmodi gewährleisten die hohe Qualität, die man z.B. auch von ihren Wilkie Collins-Adapationen kennt. Die ARD-DVD bezeichnet als Produktionsjahr 1978. Die Auflösung des Falles hat mich überrascht. Michael Schwarmaier habe ich zuletzt als Hörspielsprecher des Titania-Gruselkabinetts gehört (vgl., auch zu seinen Synchronaufgaben: http://www.titania-medien.de/cms/spreche...el-schwarzmaier). Christian Wolff spielt mit aristokratischer Ausstrahlung und starker Präsenz. Susanne Uhlen überzeugt in dieser unterkühlten, herzlosen Rolle. Auch Helga Anders ist mit von der Partie. Wer die deutschen Wilkie Collins-Verfilmungen schätzt oder z.B. auch die "Affäre Lerouge", wird diesen Zweiteiler nach Mary E. Braddon mit Gewinn sehen. Die Bezeichnung "Plüschkrimis" finde ich treffend, im besten Sinne. Für mich erhalten die laut DVD-Cover 141 Minuten stolze 5 von 5 Punkten!

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

22.03.2014 09:15
#36 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Die Erstausstrahlung der „Lady Audley“ fand im Juni 1978 statt. Im Abspann findet sich die Anmerkung „© Westdeutscher Rundfunk 1977“, die davon ausgehen lässt, dass die Aufnahmen für „Lady Audleys Geheimnis“ im (Spät-)Sommer 1977 angefertigt wurden. Ich habe das Produktionsjahr im oberen Beitrag aber nun ebenfalls auf 1978 angepasst, um mit den Datierungen für die anderen Mehrteiler nicht zu kollidieren. Danke für den Hinweis.



Lady Audleys Geheimnis (1978) – Zweiter Teil

Die Besprechung enthält leichte Spoiler.
Die wie üblich etwas langsame Erzählweise des Zweiteilers steigert sich in dessen zweiter Hälfte deutlich, weil die Ereignisse insgesamt weniger vorhersehbar erscheinen und stärkere kriminelle Züge annehmen. Trotzdem kann man unterm Strich feststellen, dass es in „Lady Audleys Geheimnis“ insgesamt recht harmlos zugeht, sprich über die gesamte Laufzeit hinweg kein Mord geschieht. Das ist insofern ein wenig schade, als die Vorstellung von einer Leiche im Alten Brunnen für Krimifreunde sehr reizvoll erscheint, wird aber dafür durch die Möglichkeit, ein lupenreines Happy End anbieten zu können, ausgeglichen.

Während Susanne Uhlen ihre perfide Ausstrahlung gegenüber der im ersten Teil noch einmal deutlich steigern kann, gerät Christian Wolff dadurch ein wenig ins Hintertreffen, dass der Part des treibenden Ermittlers immer stärker von Nebendarsteller Willy Semmelrogge übernommen wird. Diese Änderung kommt der Produktion nur bedingt zugute, weil dadurch die Strahlkraft des Helden Einbußen erleidet, während Semmelrogges Figur durch die Kombination aus bescheidener Cleverness und versoffenem, teilweise unangebrachtem Humor ein wenig unausgegoren wirkt. Was die Konstellation dann doch interessant macht: In „Lady Audleys Geheimnis“ taucht damit nicht die übliche Holmes-Watson-Rollenverteilung auf, sondern es kommt zu einer seltenen Gleichberechtigung und Gleichbegabung zweier Ermittler.

Ein wenig unpassend fand ich auch die Tatsache, dass Christian Wolff – nachdem er im ersten Teil auffällig mit Katerina Jacob flirtet – sich nun Claudia Amm zuwendet, die wie ein blutleerer Ersatz für die Audley-Tochter wirkt und deshalb in der Gunst des Zuschauers ins Hintertreffen gerät. Vielleicht wurde diese Wendung durch das Drehbuch von Herbert Asmodi begründet, das gegenüber dem kürzlich im Dryas-Verlag neu aufgelegten Originalroman in den letzten Entwicklungen der Geschichte einige Änderungen vorgenommen haben soll.

Die Geschichte weiß den kleinen Mängeln zum Trotz bestens zu unterhalten und versetzt das Publikum exzellent in die viktorianische Epoche – einschließlich schöner Schlösser, aufwändiger Kostüme, ansehnlicher Innen- und Außenaufnahmen sowie guter Schauspieler. In Teil 2 tut sich diesbezüglich auch der verlässliche Hans Caninenberg hervor, der seinem Zorn freien Lauf lassen und sehr bedrohlich wirken darf. Ein Helga-Anders-Freund bin ich dagegen bekanntlich überhaupt nicht, aber ihre recht kleine Rolle sorgt wenigstens durch die konsequent falsche Aussprache ihres Namens für unfreiwilliges Amüsement.

Die verklärend anheimelnde Atmosphäre einer „guten alten Zeit“ vermittelt „Lady Audleys Geheimnis“ in eingeübter Semmelroth-Manier. An dem von einer solchen Produktion zu erwartenden Aufwand wurde nicht gespart und die Darsteller verkörpern ihre Rollen glaubhaft. Einige dramaturgische Schnitzer im zweiten Teil führen in meinen Augen zu einem kleinen Punktabzug: 4 von 5 Punkten.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

22.03.2014 12:00
#37 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Der Film (den ich auch sehr mag) wurde natürlich schon im Sommer 1977 gedreht.

Hier noch passend dazu ein Interview mit Herbert Asmodi zur Erstausstrahlung (aus dem Hamburger Abendblatt, 3.6.1978, S. 12):

"Ab und zu spucke ich eine Perle aus"
Zu Herbert Asmodis Plüschkrimi "Lady Audleys Geheimnis"

- Herr Asmodi, am Sonntag beginnt die ARD mit der Ausstrahlung des zweiteiligen Films "Lady Audleys Geheimnis" nach dem Roman von Mary Elizabeth Bradden, einem Ihrer bewährten Plüsch krimis...
Ja, die Leute können von den Seelenqualen und Herzschmerzen der Kutschenzeit nicht genug bekommen. Wir liegen mit den Einschaltquoten gleich hinter Beckenbauers Waden und Peter Alexander. Braddens Roman ist schwächer als etwa Collins, lässt sich aber vom Stoff her gut umsetzen. Eingriffe, Veränderungen sind immer nötig.
- In welcher Hinsicht?
Nun, es muß eine enorme Stoffülle gebändigt werden. Vieles muß einfach wegfallen.
- Ziehen Sie Kostümstücke und Literaturbearbeitungen Gegenwartsstoffen vor?
Ich habe auch etliche Gegenwartsstücke geschrieben, "Moorenwäsche', "Du Land der Liebe". Ich versteh' mich eigentlich nicht als Fossil. Jedoch sehe ich das Aktuelle nicht als das einzig Wahre. Ich habe eine Vorliebe für gute Stoffe, die geeignet sind, ein großes Publikum zu fesseln. Man sollte Unterhaltung nicht mit Zerstreuung verwechseln. Shakespeare, Molière und Nestroy, die Größten meiner Zunft, waren Privattheater-Direktoren, die ein Publikum vom Fischhändler bis zur Königin zufriedenstellen mußten. Das geht nur, wenn man unterhält.

Mit "Botschaften, Visionen" kann Herbert Asmodi nichts anfangen. Er versteht sich als Unterhaltungsautor. Im Fernsehen sieht Asmodi die ideale Möglichkeit, "meinen Neigungen, meinem Spieltrieb zu folgen". Und dabei gut von seiner Arbeit zu leben. Wobei er sehr fleißig ist: Er steht meist um fünf oder sechs schon auf. Bis 13 Uhr arbeitet er. Der Nachmittag ist "tote Zeit", die mit Spazierengehen gefüllt wird, von 18 Uhr bis Mitternacht, oft auch noch später, arbeitet er wieder. Wann lebt er, erlebt er, was er schreibt?

Man muß sich ais Autor möglichst früh einen Schatz an stürmischer Vergangenheit zulegen. Den sollte man geleigentlich auf den neuesten Stand bringen. Wobei man von der Erfahrung profitiert: Heute, genügen Kostproben. Ich muss nicht mehr das ganze Menü essen, um zu wissen, ob die Küche gut ist...


Herbert Asmodi arbeitet als Autor völlig frei. Er nennt das "Söldnerstatus".

In dieser selbstgewählten Form funktioniere ich am besten. Mein Glück besteht darin, nur so viele Leute zu sehen, wie ich es möchte. Es ist eine Austern- Existenz. Ich sitze alleine auf meinem Felsen und spucke von Zeit zu Zeit eine Perle aus ...

Clifton Morris Offline



Beiträge: 116

22.03.2014 14:41
#38 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Ein tolles Interview-Zitat, vielen Dank! Interessant, dass Herr Asmodi den Roman in der Öffentlichkeit gegenüber Wilkie Colins als "schwächer" bezeichnet. Auf DVD hat ARD-DVD ja aus dieser TV-Epoche "Camilla", "Der Strick um den Hals" und "Onkel Silas" veröffentlicht.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

23.03.2014 20:42
#39 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Es gibt durchaus bedeutsame Unterschiede zwischen dem Roman "Lady Audley's Secret" von Mary Elizabeth Braddon und der Bearbeitung fürs Fernsehen durch Herbert Asmodi. Dies wird vor allem in den Stimmungen deutlich, die Buch und Fernsehfilm vermitteln. Durch die klare, helle Atmosphäre des Exterieurs werden die düsteren Gedanken und die finsteren Pläne der Protagonisten abgemildert und ihrer Schwermut beraubt. Ereignisse, die im Roman großen Raum einnehmen, z.B. die Trauer des Witwers George nach seiner Rückkehr aus Australien, können in der filmischen Umsetzung nicht übermäßig betont werden, um sie nicht unfreiwillig komisch wirken zu lassen ("Helen, my Helen! my wife, my darling, my only love! Dead! dead!")

Der nachfolgende Absatz enthält Spoiler.

Nach der Aufklärung des Falles sehen wir in der letzten Einstellung (über die der Abspann gelegt wurde) George Talboy, Robert Audley, Clara Talboy, sowie den alten Talboy und seinen Enkelsohn beim Blinde-Kuh-Spiel. Die Szene wirkt heiter, die Familie ist versöhnt und sieht einer glücklichen Zukunft entgegen. Im Roman fügt die Autorin allerdings noch Erläuterungen an, die im Film ausgespart werden.

Zitat von Mary Elizabeth Braddon: Lady Audley's Secret, Oxford University Press, Seite 446
Audley Court is shut up, and a grim old housekeeper reigns paramount in the mansion which my lady's ringing laughter once made musical. A curtain hangs before the pre-Raphaelite portrait. (...) The house is often shown to inquisitive visitors, though the baronet is not informed of that fact, and people admire my lady's room, and ask many questions about the pretty, fair-haired woman, who died abroad.


Um Gubanovs Frage zu beantworten: Robert Audley und Clara Talboy werden auch in der Romanvorlage ein Paar ("Shall we go as man and wife? Shall we go together, my dear love, and bring our brother back between us?") Auch für Alicia Audley ist gesorgt: (Sir Michael remains in London until Alicia shall be Lady Towers, when he is to remove to a house he has lately bought in Hertfordshire, on the borders of his son-in-law's estate.)

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

27.04.2014 14:29
#40 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



BEWERTET: "Der Scheingemahl" (Süddeutscher Rundfunk, 1974)

mit: Christian Wolff, Herlinde Latzko, Horst Niendorf, Walter Kohut, Anne-Marie Blanc, Alexander Hegarth, Tilo von Berlepsch, Ludwig Anschütz, Gertrud Northborn, Maria Locatelli, Benno von Cramm und als Erzähler: Gert Westphal | nach einem Roman von Hedwig Courths-Mahler | Buch und Regie: Gert Westphal


Baron Horst von Oldenau verliert durch den Tod seines Vaters nicht nur seine Stellung als Dragoneroffizier, sondern seinen ganzen Besitz und das Familiengut. Auf Veranlassung des Kommerzienrates Preis nimmt er den Posten eines persönlichen Sekretärs bei dem aus Amerika heimgekehrten Millionär Karl Hartmann an, der zwar schwerreich ist, dem es jedoch an höfischen Umgangsformen fehlt und der seine Tochter gern in die höchsten Kreise verheiraten möchte. Der Auserwählte für Margot Hartmann ist der österreichische Fürst Edgar Nordheim, der sich von der Ehe mit der Berliner Bürgerlichen eine dringend benötigte Finanzspritze erhofft, um seinen dekadenten Lebensstil beibehalten zu können. Baron Oldenau verliebt sich in Margot. Da er um den schlechten Ruf des Fürsten weiß, beunruhigt ihn der Gedanke an die geplante Hochzeit umso mehr. Wie kann er seinem Arbeitgeber zeigen, an welchen Schurken er die geliebte Tochter verheiraten will?



Christian Wolff in der Rolle des Barons Oldenau ist wie geschaffen für historische Stücke. So spielt er des öfteren in diesem Fach, so auch in "Lady Audleys Geheimnis" und "Eine ungeliebte Frau". Sein feierlicher Ernst, die Würde in Auftreten und Haltung und die Fähigkeit, Anschuldigungen und Beleidigungen die (edle) Stirn bieten zu können, machen ihn zu einem Ruhepol inmitten finsteren Intrigen, Komplotte und Verleumdungen. Seine Selbstbeherrschung verhindert nicht, dass er am Schicksal ihm nahe stehender Personen Anteil nimmt und lässt ihn Ungerechtigkeiten beharrlich und konsequent verfolgen, ohne sich zu vergessen oder die Nerven zu verlieren. Herlinde Latzko bringt durch ihre erfrischende Unvoreingenommenheit Wärme und Zuneigung ins Spiel und erhellt den Alltag der Bewohner des geschmackvollen Anwesens. Horst Niendorf als jovialer, unprätentiöser Mann aus einfachen Verhältnissen ist stolz auf das Erreichte, das ihm durch harte Arbeit ermöglicht wurde und übersieht in seinem Bestreben, das Beste für seine Tochter zu wollen, dass gesellschaftliches Ansehen nicht gleichbedeutend mit einer vornehmen Gesinnung ist. Walter Kohut ist der beste Beweis dafür. Aus altem Adel stammend, nimmt er eine Stellung ein, die ihre Berechtigung in der Vergangenheit, mit dem Leben und Benehmen des jetzigen Fürsten jedoch nichts mehr zu tun hat. Seine Privilegien fußen nicht auf den goldenen Säulen Tradition, Ehre, Disziplin und Leistung, sondern auf einer Selbstverständlichkeit, die durch den österreichischen Schlendrian in Sprache und Gebahren betont wird. Er trägt nichts zum Vermögen seiner Familie bei, sondern hält sich an den Ausspruch "Tu felix Austria, nube!" und blickt auf den Baron, der einer redlichen Arbeit nachgeht, verächtlich herab. Er ist der Ansicht, ein Leben in Berlin müsse einem sehr rückständig vorkommen: "Wien ist im Vergleich zu Berlin wie eine reizende Gavotte zu einem lauten Militärmarsch."



Das Geschick, das die beiden jungen Hauptfiguren anwenden müssen, um ihr Ziel (unabhängig voneinander) zu erreichen, sorgt für Spannung und angenehmes Prickeln. Dabei handelt es sich gar nicht um einen hartherzigen Vater, der unter Entbehrungen seinen Wohlstand errungen hat und nun seine Tochter verschachern möchte, sondern um einen wohlmeinenden Mann, der wirklich glaubt, seine Tochter fände in der Rolle einer geachteten Fürstin den Lohn, den er ihr von Herzen gönnt. Gerade deshalb ist es für Margot so schwierig, eigensinnig über seine Wünsche hinwegzugehen. Sie lässt ihn zunächst weiter seine Verbindungen zu dem Fürsten ausbauen und bildet sich selbst ein Urteil. Sie verfügt über einen klaren Verstand und ein lebhaftes Naturell und erkennt bald den wahren Charakter des Gastes aus Wien. Nun liegt es an ihr und dem Baron, die Situation zu entschärfen und dabei mit Takt vorzugehen. Hier wird noch einmal das herzliche Verhältnis zwischen Vater und Tochter betont, das nun eine weitere Person in diesen Kreis miteinbezieht.

Die Dreharbeiten fanden vom 14. Januar bis 1. März 1974 in den SDR-Studios in Stuttgart, sowie in Baden-Baden und Saulgau statt. Diese Orte fungieren als Berliner Tiergarten und Grunewald und beherbergen die prächtigen Anwesen, in denen die Oldenaus und Hartmanns wohnen.

Eine Romanze par excellence, die auf der Gefühlsklaviatur spielt und humorige und ernste Szenen gekonnt kombiniert. Über allem scheint der Duft der Pfingstrose zu liegen, der Latzko und Wolff noch liebenswerter macht, Kohut in seinem aufdringlichen Pomp brüskiert und dem gütigen, aber naiven Niendorf eine weitere Lektion fürs Leben erteilt - am Arm von Anne-Marie Blanc keine schlechte Aussicht. 5 von 5 Punkten

Georg Offline




Beiträge: 3.263

27.04.2014 21:00
#41 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister im Beitrag #40
Eine Romanze par excellence

... so sehe ich das auch, weshalb es mir doch recht gewagt erscheint, diesen Film als Krimi zu bezeichnen. Der kriminalistische Gehalt dürfte doch deutlich unter 5% liegen (im Gegensatz zu anderen Stoffen der Autorin wie etwa Griseldis, wo es einen handfesten Giftmord gibt). Schauspielerisch und inszenatorisch sicherlich gelungen, aber selbst wer mit der Erwartung "Plüschkrimi" heran geht, wird enttäuscht.
Bemerkenswert an dieser Produktion ist übrigens das Aufnahmeverfahren: es ist wohl einer der allerersten Fernsehfilme, bei denen auch bei den Außenaufnahmen Video und nicht Film verwendet wurde. Westphal setzt außerdem sehr häufig Kamerafahrten ein, was damals auch eher ungewöhnlich war und höchstens eine Spezialität von Regisseur Erich Neureuther gewesen ist.

Interessant übrigens zur Geschichte des Begriffs 'Plüschkrimi': dieser wurde zunächst ausschließlich für die Semmelroth-Verfilmungen von der TV-Presse verwendet, ehe er dann auch auf Serien wie Mit Rose und Revolver ausgebreitet und manchmal für andere Fernsehfilme, die kriminalistisch angehaucht waren und Ende des 19. Jahrhunderts spielten, verwendet.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

27.04.2014 21:08
#42 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Ich hatte zunächst Zweifel, ob ich meinen Bericht hier posten sollte, aber da zum Beispiel auch "Lucilla" kein richtiger Krimi ist und Walter Kohut immerhin einen Mitgiftjäger spielt, fügte ich den Historienfilm in eine vertraute Umgebung ein.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

27.04.2014 21:12
#43 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Das sehe ich genauso. Betrachtet man die Entwicklung der von Georg im Ausgangspost aufgelisteten Semmelroth-Mehrteiler und der Hedwig-Courths-Mahler-Reihe, so erkennt man, dass beide eigentlich die gleiche Dynamik hatten: Zunächst fixten sie die Zuschauer mit Krimiplots an, weil die gerade in Mode waren, und nachdem man sich dann eine treue Gefolgschaft aufgebaut hatte, wechselte man zum reinen Kostüm-Fach über, um noch mehr Stoffe umsetzen zu können. Wenn der Begriff Plüschkrimis also auf alle Semmelroth-Mehrteiler angewendet werden kann, kann er auch auf alle Courths-Mahler-Verfilmungen angewendet werden.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

27.04.2014 22:10
#44 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov
und nachdem man sich dann eine treue Gefolgschaft aufgebaut hatte, wechselte man zum reinen Kostüm-Fach über, um noch mehr Stoffe umsetzen zu können.


Das trifft für die Semmelroth-Filme nicht zu oder nur ganz bedingt, denn lediglich der letzte Film, Lucilla, ist im eigentlichen Sinne kein Krimi, auch wenn es einen Mordversuch gibt, der sich aus der Handlung im ersten und in der ersten Hälfte des zweiten Teils logisch erklärt und ergibt. Von den acht Semmelroth-Filmen sind die ersten sieben jedoch eindeutig Verfilmungen klassischer Kriminalromane.
Mit der Verfilmung von Lucilla musste Semmelroth auch bis zu seiner Pensionierung warten, er wollte ihn gleich nach Die Frau in Weiß umsetzen, dann "musste" er jedoch Der rote Schal drehen. Die Realisierung dieses Stoffes dürfte wohl ein Geschenk des WDR an den zu pensionierenden Chefregisseur gewesen sein, auch wenn er nicht ganz in die Reihe passt.
Ob Deine Beobachtung auf die Courths-Maler-Filme zutrifft, kann ich nicht beurteilen, da ich noch nicht alle gesehen habe.
@Percy Lister: "Der Scheingemahl" fühlt sich sicherlich in der Umgebung der anderen Filme in diesem Thread am wohlsten ;-).

Mark Paxton Offline




Beiträge: 347

27.05.2014 17:03
#45 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Der Vorläufer der Plüschkrimis
Der Vetter Basilio
2 Teile, BRD 1969
nach dem Roman von Eca de Queiroz
Regie: Wilhelm Semmelroth
mit Diana Körner, Erich Hermann Schleyer, Hans von Borsody, Günter Lamprecht, Ingeborg Lapsien, Max Mairich, Ernst Stankovski u. v. a.

Lissabon im 19. Jahrhundert: die Ehe von Jorge und Luiza kommt durcheinander, als Luizas Vetter Basilio auftaucht. Mit Geschick umwirbt dieser seine Cousine und kann sie schließlich für sich gewinnen. Die Liebesbriefe, die sich die beiden einander schreiben, nutzt das alte, verbitterte Hausmädchen Juliana für eine Erpressung. Sie fordert immer mehr und mehr und Luiza gibt bereitwillig nach, da sie Angst hat, dass ihre Liaison öffentlich wird. Es geht bis zum Äußersten ...

"Der Vetter Basilio" kann sicherlich als Vorläufer der Plüschkrimis gesehen werden und es würde mich nicht wundern, wenn der Regisseur Wilhelm Semmelroth dadurch auf den Geschmack gekommen wäre und die Idee zu der schönen Reihe hatte.
Der Film ist sehr gut besetzt. Sehr gutes Szenenbild, guter Weichzeichner, interessante Geschichte: ein spannendes Psychoduell bahnt sich an! Unglaublich, aber die katholische Kirche verfolgte im 19. Jahrhundert Leser des Romans, sah man das Ganze doch als Sünde an! Dabei wird er doch heute als wichtigster Roman Portugals bezeichnet.

Diana Körner ist wunderschön und Erich Hermann Schleyer fügt sich gut an ihrer Seite als Gemahl. Ihr Zusammenspiel ist sehr harmonisch. Hans von Borsody als Vetter kann man als Glücksfall ansehen. Dies kann man übrigens auch von Ingeborg Lapsien sagen, welche die Rolle der verbitterten alten Frau grandios verkörpert.

Mein Urteil: Wer die langsamen Geschichten der Plüschkrimis mag, wird auch bei "Der Vetter Basilio" auf seine Kosten kommen! Auch hier überwiegt die langsame Erzählweise. Allerdings haben die Dialoge Gerd Angermanns sprachlich noch nicht die Qualität Herbert Asmodis. EIN TIPP!

Der Film ist von Pidax erschienen (und wie gestern an anderer Stelle hier im Forum gepostet gerade im Angebot!!). Auf 2 DVDs befinden sich die zwei Teile, zudem ein zweiteiliges Interview mit Erich Hermann Schleyer, der darin die unglaubliche Geschichte seiner Besetzung erzählt und allerhand interessantes von den Dreharbeiten berichtet.

Seiten 1 | 2 | 3 | 4 | 5
 Sprung  
Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz