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Dieses Thema hat 73 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

27.02.2011 13:54
#16 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

SPOILER zu "Der rote Schal":
Die Gerüchte um den Selbstmord des Darstellers Fred Haltiner verleihen dem Dreiteiler eine melancholische Note. Schon die erste Begegnung von Ozias Midwinter und Lydia Gwilt ist davon überschattet. Sie steht am anderen Ufer eines Gewässers und die beiden sehen sich an. Später steht Ozias unter Lydias Fenster -im Regen- und sieht hinauf. Er ist im Begriff fortzugehen. Die sich entwickelnde Beziehung zwischen der temperamentvollen Frau und dem zurückhaltenden Mann gibt dem Zuseher viele Möglichkeiten der Interpretation. Unwillkürlich versucht man an den Gesichtern, den Gesten und selbst der Art, wie die Dialoge vorgetragen werden, herauszulesen, ob der Schauspieler Haltiner seines Kollegin Schwiers verehrt oder gar liebt. Die Tatsache, dass sein Selbstmord erst Monate nach Abschluss der Dreharbeiten stattfand, mag gar nichts bedeuten. Unglückliche Lieben beschäftigen die Menschen länger als es Außenstehende wahrhaben möchten. Besonders, wenn ein starkes Gefühl nicht erwidert wird oder dennoch ein loser Kontakt zwischen den Betreffenden besteht, zieht die Hoffnung, die immer noch anhält, den endgültigen Bruch hinaus. Es wäre in dieser Hinsicht interessant, die Meinung von Frau Schwiers zu diesem Thema zu hören, doch vermutlich hat man sie nie dazu befragt. Dass sie es ist, die am Ende von "Der rote Schal" stirbt und den Mann allein zurück läßt, unterstreicht erneut die düstere Note des Kriminalspiels, das vor allem die seelischen Abgründe der Personen in den Mittelpunkt stellt und deren Handlungen nicht nur von Gier und Machtstreben, sondern vor allem von Eitelkeit, Sehnsucht, Neid und Hass angetrieben werden.

Jomei2810 Offline



Beiträge: 49

05.03.2011 13:56
#17 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister
SPOILER zu "Der rote Schal":
Die Gerüchte um den Selbstmord des Darstellers Fred Haltiner verleihen dem Dreiteiler eine melancholische Note. ...Die Tatsache, dass sein Selbstmord erst Monate nach Abschluss der Dreharbeiten stattfand, mag gar nichts bedeuten. Unglückliche Lieben beschäftigen die Menschen länger als es Außenstehende wahrhaben möchten. Besonders, wenn ein starkes Gefühl nicht erwidert wird oder dennoch ein loser Kontakt zwischen den Betreffenden besteht, zieht die Hoffnung, die immer noch anhält, den endgültigen Bruch hinaus. Es wäre in dieser Hinsicht interessant, die Meinung von Frau Schwiers zu diesem Thema zu hören, doch vermutlich hat man sie nie dazu befragt.



Die monatelangen Dreharbeiten zu DER ROTE SCHAL fanden bereits 1972 statt. Danach wurde die Post-Produktion vorgenommen (Filmschnitt, Musikeinspielung, Nachvertonung u.s.w.), die auch mehrere Monate in Anspruch genommen hat.
Der erste Teil wurde schließlich am 27. Mai 1973 uraufgeführt. Im Frühjahr/Sommer 1973 war Alfred Haltiner mit den Dreharbeiten zu DIE FABRIKANTEN beschäftigt. Danach wirkte er für den australischen ABC-Sender in der 13 teiligen Serie DIE ÜBERLEBENDEN DER MARY JANE mit...
Er war demnach ein vielbeschäftigter Schauspieler
Als Herr Haltiner am 7. Dezember 1973 verstarb, lag der letzte Drehtag zu DER ROTE SCHAL bereits mehr als ein Jahr zurück. Sollte er wirklich tiefere Gefühle für Ellen Schwiers gehabt haben wußte er sehr wohl, das diese von Frau Schwiers nicht erwidert werden. Auch war ihm klar, das Frau Schwiers zu diesem Zeitpunkt sehr glücklich mit Peter Jacob verheiratet und stolze Mutter von zwei Kindern war...
Im letzten Jahr seines Lebens war Herr Haltiner beruflich sehr ausgelastet.
Für einen losen Kontakt zu Frau Schwiers (den ich bezweifle) wäre wohl kaum Zeit gewesen u. a. weil auch Frau Schwiers etlichen Verpflichtungen nachkommen mußte.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

02.04.2011 22:00
#18 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

"Die Affäre Lerouge", "Lucilla" und "Onkel Silas" erscheinen am 29. April auch auf DVD.
Damit sind alle acht Plüschkrimis erhältlich!

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

02.04.2011 22:13
#19 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten
Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

10.04.2011 14:02
#20 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



Bewertet "Griseldis" (Süddeutscher Rundfunk, 1973/74)

mit: Sabine Sinjen (Griseldis von Ronach), Klaus Barner (Harro von Treuenfels), Tatjana Iwanow (Beate von Treuenfels), Marlene Riphan (Gräfin Anna Salitz-Halm), Kathrin Schaake (Alice von Treuenfels), Andrea Schober (Gilda), Heinz Ulrich (Grollmann), Claudia Rieschel (Tilly von Sarnow), Friedrich von Thun (Baron Fritz von Dalheim), Petra Gerhardt (Zofe Berta), Betina Kalka (Wärterin Henriette) und als Erzähler: Gert Westphal. Fernsehbearbeitung und Regie: Peter Beauvais (nach dem gleichnamigen Roman von Hedwig Courths-Mahler). Eine Produktion des Südfunks Stuttgart


Inhalt: In "Griseldis" sind Kriminal- und Liebesgeschichte kunstvoll verbunden. Die junge Griseldis von Ronach kommt als Erzieherin der jungen Gilda in das Schloss ihres Vaters, des Grafen Harro von Treuenfels. Dieser steht im Verdacht, seine Frau vergiftet zu haben und wird -obwohl mangels an Beweisen freigesprochen- von Standesgenossen geschnitten, von den Bauern hinter vorgehaltener Hand verhöhnt. Doch Griseldis, die sich leidenschaftlich in Harro verliebt, will um jeden Preis seine Unschuld beweisen. Der jungen tapferen Frau hilft unverhofft ein seltsamer Traum, der sie auf die Spuren der dunklen Tat führt. Mit ihrer Absicht, dem Grafen uneigennützig zu helfen, begibt sie sich in größte Gefahr, denn sie durchkreuzt die hinterlistigen Pläne der eifersüchtigen Komtesse Beate....
(Quelle: Datenbank KNV)

Hedwig Courths-Mahler, eine der meistgelesenen deutschen Autorinnen, hat über 200 Romane geschrieben. Ihre in adeligem Milieu angesiedelten Liebesgeschichten hat sie in der Familienzeitschrift "Die Gartenlaube" veröffentlicht, einem Blatt, das der liberal-demokratische Buchhändler und Publizist Ernst Keil im Jahr 1853 ins Leben gerufen hat. Bis zur Einstellung im Jahr 1944 trug die Zeitschrift "durch Unterhaltung und Belehrung zur Stärkung des bürgerlichen Selbstwertgefühls bei". ("Chronik des 19. Jahrhunderts", Chronik-Verlag, Seite 424)
"Griseldis" ist auch als Hörbuch erschienen, gelesen von Christiane Hörbiger.

Düstere Elemente des klassischen Schauerromans vermengen sich gekonnt mit der gefühlvollen Schilderung einer sich anbahnenden Freundschaft zwischen der Lichtgestalt Griseldis von Ronach und dem enttäuschten Harro von Treuenfels. Der Film beginnt mit der Heimkehr Harros aus der Untersuchungshaft. Er wurde angeklagt, seine Frau Alice vergiftet zu haben und nur aus Mangel an Beweisen freigelassen. Ein Urteil wie ein Todesstoß. Von den zahlreichen Bediensteten kündigen etliche ihre Stellung auf, so auch die französische Gouvernante von Harros Tochter Gilda. Er beschließt, eine deutsche Erzieherin nach Treuenfels zu holen und wendet sich an das Damenstift St. Marien. Griseldis von Ronach lebt seit dem Tod ihres Vaters dort und hat durch ihr sonniges Wesen bereits viel Freude ins Haus gebracht. Der Kriminalfall "Mordsache Alice von Treuenfels" ist ihr aus den zahlreichen Presseberichten bekannt und sie hat Partei für den Grafen ergriffen. Als sie nach Treuenfels kommt, gewinnt sie die Sympathie des Grafen und seiner Tochter, was der im Schloss lebenden Beate, einer unverheirateten Base des Grafen, missfällt. Sie verhält sich verdächtig und Griseldis zweifelt allmählich an der im Schloss vorherrschenden Meinung, die Gräfin Alice habe Selbstmord begangen. Griseldis studiert die Familienchronik, besteigt einen seit vielen Jahren abgeschlossenen Turm, untersucht das Sterbezimmer der Gräfin und läßt sich das Giftfläschchen zeigen. Ihre Nachforschungen laufen parallel zur sich steigernden Zuneigung des Grafen, dem sie jedoch vorerst nichts von ihrem Verdacht erzählt. Dadurch gerät sie in Lebensgefahr.
Sabine Sinjen ist die Identifikationsfigur für den Zuschauer. Durch ihre erfrischende Natürlichkeit, ihre ungekünstelte Heiterkeit, aber auch ihre Würde und ihr Verständnis traut man ihr nicht nur zu, wieder Freude nach Treuenfels zu bringen, sondern auch das Rätsel um den Tod der Gräfin zu lösen. Klaus Barner überzeugt als Witwer, der von seiner ersten Frau gefoppt wurde und der den Wunsch hat, wieder ein normales gesellschaftliches Leben zu führen. Seine unaufdringliche Art verströmt den gleichen natürlichen Charme wie seine Partnerin. Den dunklen Gegenpol dazu bildet Tatjana Iwanow als verbitterte Komtesse Beate. Sie erinnert an die bösen Frauen aus der Märchenwelt und hätte eine vorzügliche dreizehnte weise Frau ergeben, die zu den Festivitäten nicht eingeladen wird, weil nur zwölf goldene Teller vorhanden sind ("Dornröschen"). Ihre Beweggründe sind von ihrer Warte aus durchaus verständlich und halten dem Publikum, das sich mit der jungen schönen Frau identifiziert, den Spiegel vor. Ihre Ablehnung der Neuen, ihre Angst vor dem Verlust ihrer Position, der Neid, die Eifersucht - all dies steigert sich in Hass und Mordgedanken. Ihre Verzweiflung lässt sie ihre Haltung und ihren Stolz verlieren und sie greift zu drastischen Maßnahmen, um zu retten, was zu retten ist. Das Publikum wendet sich mit Schaudern ab und vergisst dabei, dass gar einige ein ähnlich freudloses Dasein fristen wie Komtesse Beate.
Die Schauplätze verheißen unendliche Weite; das alte Schloss inmitten grüner Wälder verspricht ein angenehmes Leben abseits hektischen Geschäftstreibens. Die vielen Außenaufnahmen verleihen dem Film Leichtigkeit, die in den spannenden Erkundungen des alten Gemäuers ihren Gegensatz finden.
Die Rückblenden in Sepia (die manchmal unfreiwillig komisch wirken); die Filmtricks, die den Mordhergang zeigen und die gehobene, aber nie geschraubt klingende Sprache lassen die Entstehungszeit des Romans aufleben. Der Aufwand, den man Kostümen, Frisuren und Dekorationen angedeihen ließ, ist bemerkenswert.
Schade, dass es dieser Film noch nicht auf DVD geschafft hat. Er würde sich vorzüglich in die Reihe "Plüschkrimis" einfügen, besitzt er doch alle Eigenschaften dafür.

Frage am Rande: Wurde diese Verfilmung gekürzt? Offiziell wird eine Länge von 110 Minuten angegeben. Auf der Homepage von deutsches-filmhaus.de findet man ein Bild, das Griseldis und Harro vor dem Traualtar zeigt. Die beiden reichen sich die Hände. Im Film kommt diese Szene nicht vor, sondern man sieht im Abspann, wie sich die beiden frischvermählten Paare Griseldis/Harro und Tilly/Fritz für den Fotografen aufstellen. Es kann sich bei dem Foto von SWR Media Services natürlich auch um ein Pressefoto handeln. Und dennoch ... Sollte der Film ursprünglich mit einer kirchlichen Trauung enden?

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

02.08.2011 22:15
#21 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



Der WDR zeigt eine Verfilmung des Kriminalromans von Emile Gaboriau. Regie: Wilhelm Semmelroth. Drehbuch: Herbert Asmodi. In den Hauptrollen: Erika Pluhar, Dieter Borsche, Ralf Schermuly, Antje Weisgerber, Karl-Maria Schley, Heinz Moog, Silvia Reize, Siegfried Lowitz, Gerd Baltus, Konrad Georg u.a.

Der Strick um den Hals (1975) – Erster Teil

Unter allen Non-Collins-Plüschkrimis ist „Der Strick um den Hals“ der mit Abstand längste Mehrteiler. In drei neunzigminütigen Teilen werden in aller Ausführlichkeit und mit Anspruch an historische Richtigkeit die Ereignisse geschildert, die dem Brand des Schlosses von Graf Claudieuse folgen. In einer Nacht geht es in Flammen auf und auf den Grafen werden zwei Schüsse abgegeben. Ein Augenzeuge beschuldigt den Besitzer des Nachbarguts, Jacques von Beaucoran, doch wer glaubt schon dem schwachsinnigen Cocoleu? Der Untersuchungsrichter stellt sich einem großen Wagnis, als er Beaucoran des Hinweises wegen befragt – findet aber tatsächlich mehrere belastende Indizien ...

Der Brand zu Beginn liefert einen fesselnden Einstieg und verdeutlicht gemeinsam mit guter Ausstaffierung und einer schier unendlichen Zahl an Darstellern und Statisten den Aufwand, den sich der WDR mit der Gaboriau-Verfilmung gemacht hat. Besonders heraus stechen unter dem genannten Aspekt die Szene am Bahnhof, als Beaucorans Mutter sich der Dorfgemeinschaft gegenüber sieht, sowie auch die Landschafts- und Naturaufnahmen wie beim Auffinden Cocoleus in dessen Verschlag im Wald. Der junge Hans-Georg Panczak ist als Cocoleu nur eines vieler Beispiele dafür, dass die aufwändigen Kostümierungen und Masken bekannte Schauspieler teils bis zur Unkenntlichkeit verändern und somit „neue alte“ Seheindrücke, aber auch ständige Fragen à la „Wer zum Teufel ist das?“ aufwerfen. Es gilt ebenso für Dieter Borsche, den ich erst erkannte, als seine erste Szene schon halbwegs gelaufen war. Seine Besetzung erscheint nach Teil 1 eher wie eine Verschwendung und lässt gleichsam hoffen und vermuten, dass er im weiteren Handlungsverlauf mehr zu tun bekommen wird.

Die geruhsame Gangart, die für heutige Zuschauer auf den ersten Blick befremdlich und mit Krimispannung auf Kriegsfuß erscheint, stört derweil den Eindruck einer sich langsam, aber stetig entwickelnden Handlung nicht. Für Verdächtige ist gesorgt und einen womöglich unschuldig Verdächtigten gibt es auch. Ralf Schermuly, im „Gorilla von Soho“ noch als Ersatz-Kinski gebucht, tritt hier nicht im Schatten eines größeren Mimen auf, sondern kann seine eigene Rolle vernünftig ausspielen. Man würde ihm sowohl Schuld als auch Unschuld abnehmen, was bestätigt, wie ausgebufft Asmodi und Semmelroth zu Werke gingen.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

03.08.2011 01:23
#22 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Zitat
Der Brand zu Beginn liefert einen fesselnden Einstieg und verdeutlicht gemeinsam mit guter Ausstaffierung und einer schier unendlichen Zahl an Darstellern und Statisten den Aufwand, den sich der WDR mit der Gaboriau-Verfilmung gemacht hat


Und dabei musste man bei dieser Verfilmung (obwohl sie rund 1,2 Mio Mark gekostet hat) sparen. Das brennende Schloss ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine 12m hohe Pappwand, die auf dem WDR-Gelände aufgebaut und abgefackelt wurde.

Gubanov ( gelöscht )
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05.08.2011 21:44
#23 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Immerhin: Das Wichtigste, der Eindruck für den Zuschauer, stimmt.



Der Strick um den Hals (1975) – Zweiter Teil

Nach einem im besten Sinne des Wortes sehr gediegenen ersten Teil setzt sich der kontinuierliche Spannungsaufbau von „Der Strick um den Hals“ ohne Pause fort. Nach einem Musterbeispiel weiblicher Überredungskraft und einem nächtlichen, nur durch Bestechung ermöglichten Besuch im Gefängnis konzentriert sich die Handlung in Teil 2 zunehmend auf Rückblenden, in denen Beaucoran von den Geschehnissen erzählt, die der verhängnisvollen Nacht vorausgingen. Seine Version des Durchlebten wirft auf mehrere Charaktere ein gänzlich anderes Licht, als man es, ausgehend von den ersten anderthalb Stunden des Mehrteilers, erwartet hätte.

Zu großer Aufmerksamkeit kommt hier Erika Pluhar. Die Wienerin, die gern zweischneidige Rollen annahm („Der Kommissar“, „Perrak“), deckt auch im „Strick“ nach und nach auf, dass hinter der Fassade einer aufopferungsvollen Frau und Mutter gut und gern mehr stecken kann, als bourgeoise Herren glauben. Eigensinnig und bestimmt übernimmt Pluhar das Ruder und stellt neben schönen, aber manchmal mit herrischer Note eingefangenen Zügen ebenso wie Schermuly eine latente Unglaubwürdigkeit zur Schau.

Kaum Platz bleibt daneben für Gerd Baltus, was schade ist, wenn man bedenkt, mit welcher Präzision er den glatten und strebsamen, andererseits aber auch stets Recht und Gesetz achtenden Untersuchungsrichter Galpin verkörpert. An seine Stelle als die Ermittlungen vorantreibende, aber in anderem Interesse agierende Figuren treten die junge Denise von Chandoré und Siegfried Lowitz als Maître Magloire. Letzterer wird in Altersweisheit nur von dem immer fantastischen Heinz Moog übertroffen. Der prädestinierte Großvatertyp mit schlohweißem Haar und buschigem Bart war für Produktionen wie diese bestens geeignet und es grenzt fast schon an ein Sakrileg, dass der WDR ihn nicht noch einmal in einem Plüschkrimi besetzte.

burkhard Offline



Beiträge: 11

05.08.2011 22:52
#24 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Zitat von Georg
Und dabei musste man bei dieser Verfilmung (obwohl sie rund 1,2 Mio Mark gekostet hat) sparen. Das brennende Schloss ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine 12m hohe Pappwand, die auf dem WDR-Gelände aufgebaut und abgefackelt wurde.


Andererseits kann man ja nicht einfach mal so ein Schloß abbrennen. Gedreht wurde im Schloß Bergzabern, ein schönes altes Schloß. Und die Originalschauplätze in Sauveterre (Normandie) und Paris hatten sich in über 100 Jahren zu sehr verändert, als daß sich ein teurer Ausflug dorthin wirklich gelohnt hätte.
Den 2. Teil haben übrigens seinerzeit viele Krimifans nicht (vollständig) sehen können - in direkter Konkurrenz lief nämlich im ZDF nichts anderes als eine neue Folge der Serie "Der Kommissar" ...

Gubanov ( gelöscht )
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06.08.2011 20:28
#25 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Interessant, interessant: Das müsste dann „Mord nach der Uhr“ (Folge 94) gewesen sein. Da ist es ja direkt erleichernd, dass man dank technischer Raffinessen heute nicht mehr vor derlei monumentale Entscheidungen gestellt wird.



Der Strick um den Hals (1975) – Dritter Teil

Obwohl sich über die gesamte Laufzeit von „Der Strick um den Hals“ – 267 Minuten, also rund viereinhalb Stunden, laut Herstellerangaben – kein Mord und auch kein sonstiger Todesfall ereignet, steigt man von Minute zu Minute mehr in das Spiel um Leben und Tod des Angeklagten ein, der eine Schärfe des Gesetzes zu spüren droht, die nach aktuellem Ermessen augenblicklich von der Unverhältnismäßigkeit des historischen Rechtssystems überzeugt. Die Verfilmung des frühen Kriminalromans von Emile Gaboriau weist viele Charakteristika jener Vertreter des vorholmesianischen französischen Krimis, so das Fehlen neutraler Polizisten, auf und verdeutlicht damit den Kampf zwischen den Fronten und Überzeugungen in einem Ermittlungsverfahren besonders eindrücklich.

Zu Krimis dieser alten Schule gehört auch, dass sie sich nicht auf wissenschaftliche Details, auf Indizien oder messerscharfe Deduktionen stützen, sondern „nur“ durch Beharrlichkeit und gern auch durch Zufall zu einem zufriedenstellenden Ende gebracht werden. Ein Rezensent des Plüschkrimis bei Amazon bezeichnete die Auflösung dementsprechend als „banal“, was aber eben nur zutrifft, wenn man den Stoff nicht recht in seinen traditionellen Hintergrund eingliedern kann. Der Twist, der gezeigt wird, ist sicher nicht überraschend, aber packend und er führt alle wichtigen Stränge zusammen. Aufgrund der Länge des „Stricks“ möchte ich auch nicht herummosern, Szenen mit der Gräfin oder dem Schuldigen wären zusätzlich noch angebracht gewesen.

Andererseits zuzustimmen ist dem Kritiker bei der Nennung derjenigen Schauspieler, die im Verlauf des Dreiteilers am meisten hervorstechen. Auf das Tripel „Pluhar – Moog – Lowitz“ kann man es durchaus reduzieren. Schön auch, dass Dieter Borsche im letzten Teil endlich etwas mehr in den Fokus rückt, jedoch nicht genug, um dem großen Ruf, der seinem Namen vorauseilt, in Gänze gerecht zu werden.

Die DVD-Präsentation ist leider niemals mehr als solide. Das Ausgangsmaterial erfuhr offensichtlich keine Restauration, sodass nicht nur ein Unterschied zwischen den Innen- und Außenaufnahmen, sondern auch die für Siebzigerjahreproduktionen typischen Farbungenauigkeiten an Konturen sowie ein nicht immer zu vernachlässigendes Bildrauschen zu bemerken sind. Ich habe die Produktion mit gedämpften Farben genossen und denke, gut an dieser Nachjustierung getan zu haben. Weder wird Bonusmaterial angeboten noch eine Kapitelanwahl zur Verfügung gestellt. Der Sinn und Zweck des Menüs auf DVD 2 erschließt sich damit überhaupt nicht.

Es ist erstaunlich, in welchem Umfang auch die gemächliche Art der Plüschkrimis die auf der Produktrückseite beworbene „knisternde Hochspannung“ erzeugen kann. Obschon sich der WDR das Sendeformat von den eigenen Durbridge-Reißern abschaute, tritt „Der Strick um den Hals“ den Beweis an, dass Unterhaltung auch ohne Schussgefechte, Leichen und coole Sixties-Optik funktioniert. 5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

13.08.2011 15:27
#26 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



Der WDR zeigt eine Verfilmung des Kriminalromans von Emile Gaboriau. Regie: Wilhelm Semmelroth. Drehbuch: Herbert Asmodi. In den Hauptrollen: René Deltgen, Günter Strack, Peter Pasetti, Volkert Kraeft, Käthe Haack, Herlinde Latzko, Joachim Ansorge, Jutta Kammann, Helmut Brasch, Hans von Borsody u.a.

Die Affäre Lerouge (1976) – Erster Teil

„Die Affäre Lerouge“ führte nach dem Erfolg von „Der Strick um den Hals“ die Plüschkrimi-Reihe mit einem weiteren Stoff von Emile Gaboriau fort. Diese 1976er-Produktion spielt zeitlich allerdings noch vor ihrem Vorgänger, basiert sie doch auf Gaboriaus erstem Kriminalroman gleichen Namens. An der Wand der Polizeistation erkennt man zu Beginn des ersten Teils einen Kalender, der als Jahr 1860 angibt, während man sich im „Strick“ mehrfach auf den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 bezieht. Der Roman „Die Affäre Lerouge“ war gleichzeitig das erste Auftreten der Gaboriau-Figur Lecoq, die für die Verfilmung allerdings eliminiert wurde. Einen größeren Fokus erhält daher der Privatermittler Monsieur Tabaret, dem René Deltgen ein gewitztes, aber bescheidenes Gesicht verleiht. Man änderte auch Tabarets Vergangenheit dahin, dass man ihn als ehemaligen Polizisten präsentierte, anstatt seine im Buch beschriebene Lebensgeschichte zu berücksichtigen:

Zitat von Sherlock Holmes Wiki, Link
Tabaret war Beamter des Pfandleihamtes, als er 25-jährig seinen bankrotten Vater zu sich nimmt und sich um diesen bis zu dessen Lebensende kümmert. Als liebender Sohn nimmt er alle Entbehrungen – keine Freunde, die Beziehung zu einer jungen Frau namens Hortense muss er beenden – auf sich, geht zusätzlich abends arbeiten, um die Einkünfte für zwei zu verdienen. Sein Vater dankt ihm dies mit ständigen Nörgeleien und immer neuen Forderungen. Als der Vater nach zwanzig Jahren verstirbt, stellt sich heraus, dass er ein wohlhabender Mann war, dass ihm sogar das Mietshaus gehörte, in dem die beiden lebten. Im Testament erklärt der Vater, er habe mit seinem Handeln den Sohn an Ordnung und Sparsamkeit gewöhnen und ihn von Dummheiten abhalten wollen.
Anstatt sich dem Müßiggang hinzugeben, beginnt der inzwischen 45-jährige, Schriften und Bücher zu sammeln, die mittelbar und unmittelbar mit der Kriminalistik zu tun haben. Und nach und nach versucht er sich selbst in diesem Metier, ohne dafür entlohnt zu werden. Er gewinnt bald die Anerkennung einiger Ermittler, die ihm den Namen Tirauclair geben, da er immer alles klarstellen will. Einer der Verehrer von Taberets Fähigkeiten ist der Polizeiassistent Monsieur Lecoq, der ihn zu den Ermittlungen im Mordfall Lerouge hinzuzieht.


Deltgen lässt den Zuschauer direkt an Sherlock Holmes denken, als er im Haus der Witwe Lerouge seine Schlüsse zieht und die anderen anwesenden Ermittler mit seinem Scharfsinn verblüfft. Und tatsächlich gab Sir Arthur Conan Doyle Emile Gaboriau als eine Inspirationsquelle an. – In Teil 1 stechen aus dem Cast neben Deltgen vor allem der bedächtig besorgte Joachim Ansorge, der Volkert Kraeft tatsächlich ähnlich sieht, sowie – stets über den Dingen stehend und mit wunderbar snobistischen Rollen versehen – Peter Pasetti und Käthe Haack hervor. Hoffentlich werden die beiden im zweiten Teil in einer (oder gar mehreren) ausführlichen Szenen dazu Gelegenheit geboten bekommen, sich gegenseitig auf die feine adlige Art die Hölle heißzumachen. Einen dazu konträren Eindruck hinterlässt die direkt schamlose Inszenierung: Die Kamera hält lang und breit auf die Leiche Lerouge und die kranke Mutter Gerdy, was sicher nicht dem Stil und der Zurückhaltung damaliger Tage entspricht. Nichtsdestoweniger bleibt auch diese zweite Gaboriau-Verfilmung sehr spannend, zumal man sich durch die wesentlich kürzere Laufzeit nach „Der Strick um den Hals“ fast schon wie in einem D-Zug fühlt.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

13.08.2011 18:25
#27 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

L'affaire Lerouge behandelt einen mysteriösen, tatsächlichen Kriminalfall, über den Émile Gaboriau, damals noch Journalist, für eine Zeitung zu berichten hatte. Der Mord an der Witwe Lerouge war tatsächlich in ihrer Wohnung nahe der Pariser Place d'Italie passiert. Gaboriau (ich lese gerade seinen Roman Le dossier 113) erweist sich auch in Affaire Lerouge als Meister der Erzeugung angstvoller Spannung. Mit Geschick führt er den Leser immer wieder auf falsche Fährten und verwendet im Roman Material, das ihm ein Freund, der Polizeiinspektor war, zugänglich machte. Er treibt seine dokumentarische Gewissenhaftigkeit soweit, dass er Polizeiberichte fast wörtlich übernimmt.

Zitat
Der Roman „Die Affäre Lerouge“ war gleichzeitig das erste Auftreten der Gaboriau-Figur Lecoq, die für die Verfilmung allerdings eliminiert wurde. Einen größeren Fokus erhält daher der Privatermittler Monsieur Tabaret, dem René Deltgen ein gewitztes, aber bescheidenes Gesicht verleiht.


Das fiel nicht besonders schwer, zumal der Detektiv Lecoq im Roman auch nicht der eigentliche Held ist, sondern Père Tabaret, der im Roman den Aliasnamen Tirauclair hat (von frz. "tirer au clair" = ans/ ins Klare ziehen). Père Tabaret tritt erst in den folgenden Romanen in den Hintergrund und Lecoq wird intelligenter.
Ich weiß jetzt nicht mehr, ob das auch im Film vorkommt (ich glaube nicht), aber Tabaret ist ein ehemaliger Angestellter des Pariser Pfandleihhauses Mont-de-Piété und betätigt sich kriminalistisch nur aus Gründen der Wahrheitsliebe und vor allem unentgeltlich.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

13.08.2011 20:27
#28 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Im Film heißt es, Tabaret sei ein ehemaliger Kriminaler, der seine Stellung aufgegeben hat, nachdem ein Unschuldiger beinah aufgrund seiner Ermittlungen zum Tode verurteilt worden wäre. Seitdem beschäftigt er sich nur noch im privaten Rahmen an Kriminalfällen und zögert zunächst kurz, den Fall "Lerouge" genauer zu betrachten. Eigentlich wäre es interessant gewesen, mit Lecoq (oder eben mit Tabaret) eine verbindende Figur zwischen den beiden Gaboriau-Verfilmungen zu schaffen. Gab es eigentlich noch mehr deutsche Adaptionen seiner Bücher?

Georg Offline




Beiträge: 3.263

13.08.2011 21:15
#29 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov
Tabaret sei ein ehemaliger Kriminaler, der seine Stellung aufgegeben hat, nachdem ein Unschuldiger beinah aufgrund seiner Ermittlungen zum Tode verurteilt worden wäre.


Daran erinnere ich mich jetzt wieder, ist schon eine Weile her, dass ich diesen tollen Zweiteiler wieder gesehen habe,. Dann ist das allerdings eine Erfindung von Herbert Asmodi. Habe mal im Roman nachgeblättert, da heißt es über Père Tabaret alias Tirauclair, wie er von Lecoq und Co. genannt wird:

Zitat von Émile Gaboriau: L'affaire Lerouge. Hachette, Paris [1866] 2004, p. 22
- C'est un ancien employé du Mont-de-Piété [...]; un vieux richard dont le vrai nom est Tabaret. Il fait de la police [...] pour son plaisir. - Et augmenter ses revenus [...] C'est si bien pour la gloire qu'il travaille [...]. C'est un amusement

Deutsche Rohübersetzung:
Er ist ein alter Angestellter vom Mont-de-Piété, ein alter Geldsack dessen richtiger Name Tabaret ist. Er spielt Polizei zu seinem Vergnügen. - Und um sein Einkommen zu erhöhen*. Er arbeitet außerdem für den Ruhm. Es ist ein Vergnügen (für ihn).
* Das passt nicht zu späteren Werken, wo er ausschließlich unentgeltlich arbeitet.


Auf Seite 32 des frz. Buches wird er etwa wie folgt beschrieben (dt. Übersetzung klingt etwas holprig, ich weiß):
"Er war um die 60 Jahre alt, aber man sah es ihm nicht an. Klein, mager und ein bißchen gekrümmt. Perfekt rasiert, hatte er ein kurzes Kinn und gutmütige, dicke Lippen und eine Stupsnase".
Das passt nun wiederum nicht alles zu René Deltgen.

Zitat
Gab es eigentlich noch mehr deutsche Adaptionen seiner Bücher?


Die Adaptionen der großartigen Bücher Gaboriaus halten sich leider in Grenzen. In der BRD entstanden nur die beiden Semmelroth-Filme, auch die Franzosen haben den Autor nicht wirklich gebührend mit Verfilmungen gewürdigt. Im Moment kommt Gaboriau aber in Frankreich wieder ein wenig in Mode, seine Bücher werden jedenfalls immer wieder neu aufgelegt. 2009 entstand immerhin eine TV-Adaption seines Romans "Le petit vieux des Batignolles".

P.S.: Die Figur des Lecoq oder des Taboret in beiden Semmelroth-Filmen auftauchen zu lassen, wäre eine nette Idee gewesen!

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

15.08.2011 12:49
#30 RE: Bewertet: Plüschkrimis (WDR 1971-1979) Zitat · Antworten



BEWERTET "Die Affäre Lerouge" (Westdeutscher Rundfunk, 1976)

mit: René Deltgen (Tabaret), Günter Strack (Daburon), Peter Pasetti (Graf von Commarin), Volker Kraeft (Albert von Commarin), Käte Haack (Marquise d'Arlange), Herlinde Latzko (Claire d'Arlange), Joachim Ansorge (Noel Gerdy), Jutta Kammann (Juliette Chaffour), Willy Semmelrogge (Lebrun), Helmut Brasch (Lerouge), Hans von Borsody (Polizeikommissar), Werner Sindermann (Kriminalkommissar Gévrol), Hermann Lenschau (Major Gerdy), Heinz Wildhagen (Jacques), Ingeborg Lapsien (Frau Lerouge), Jenny Thelen (Frau Gerdy) u.v.a. Drehbuch: Herbert Asmodi, Musik: Hans Jönsson, Regie: Wilhelm Semmelroth


Um Sein und Schein, um Standesdünkel und das Bemühen, zu den höchsten Kreisen der Gesellschaft zählen zu dürfen, dreht es sich in den sogenannten Plüschkrimis, die dem modernen Publikum Geduld und Ausdauer abverlangen, es dafür jedoch mit einer komplexen Geschichte belohnen, die von nachhaltiger Wirkung ist.
"Eine Spannung, die nicht aufs Verschlingen oder Überspringen aus ist, sondern einlädt, darin zu versinken, beansprucht - auch innerlich - Raum." (Rudolf Nissen in seinem Almanach zu W.Collins' "Moonstone")
Bougival, eine Gemeinde im Département Yvelines, circa fünfzehn Kilometer westlich von Paris gelegen, wird im Jahr 1860 zum Schauplatz eines Tötungsdelikts, das als gewöhnlicher Raubmord in die Polizeiakten eingehen würde, zeigte nicht der pensionierte Kriminalkommissar Tabaret (René Deltgen) großes Interesse an der Sache. Er hat seinen Ruhestand vor ein paar Jahren mit einem ungeklärten Fall angetreten.
Als sich herausstellt, dass sein Protegé Noel Gerdy (Joachim Ansorge) vom Tod der Witwe Lerouge betroffen ist, schaltet er sich in die Ermittlungen ein. In besonnener Weise zieht Tabaret Schlüsse, die auf Deduktionen beruhen, die Sherlock Holmes zur Ehre gereichen würden. Er ist um die Zukunft Noels besorgt und beauftragt seinen Freund, den Untersuchungsrichter Daburon (Günter Strack) die Interessen des jungen Mannes zu vertreten. Dabei hängen die Beweggründe des gemütlichen korpulenten Mannes mittleren Alters nicht allein an seiner Berufsehre, sondern werden in fataler Weise von persönlichen Animositäten beeinflusst. Käme seine Verbindung zum Umfeld des Beschuldigten (Volker Kraeft) ans Licht, würde Daburon vom Gericht sicher wegen Befangenheit abgelehnt. In brillanter Weise skizziert das Drehbuch in der ersten halben Stunde Porträts, die die Vorurteile des Zusehers ansprechen, seine Voreingenommenheit bestätigen und die handelnden Personen je nach gewünschter Absicht in ein gutes oder schlechtes Licht rücken. Bald schon hat das Publikum das Gefühl, dem Detektiv vorgreifen, und die hochnäsigen Vertreter der Familie Commarin durchschauen zu können. Wer unsympathisch wirkt, muss auch im juristischen Sinn schuldig sein. Dem minderbemittelten Anwalt Noel Gerdy, der zudem das Vertrauen des weisen Kriminalkommissars besitzt, muss Unrecht geschehen sein; ein Betrug, der ihm Ansehen und Stellung im Leben verwehrt hat und dessen Ergebnis "Mord" lautet. Albert von Commarin ist zudem der Rivale Daburons in der Gunst von Claire d'Arlange, was ihn in zweifacher Weise zum Schurken abstempelt. In formidabler Ausführung präsentieren sich in der zweiten Reihe die 1897 geborene Käte Haack als herablassende Marquise d'Arlange und der 1916 geborene Peter Pasetti als kühler Graf von Commarin. Das Rededuell der beiden im zweiten Teil ist ein Höhepunkt versierter Konversationskunst und die Schlagfertigkeit und Treffsicherheit der Argumente erfreuen nicht nur die horchenden Angestellten hinter der Tür. Wer so streitet, ist im Grunde aus dem gleichen Holz geschnitzt und sucht seinesgleichen. Eine Allianz der beiden Familien scheint vorprogrammiert. Wie gerne führe ich hier erneut ein Zitat von Jane Austen an: "Appearances may often deceive!" Die überraschenden Wendungen und die laufenden Neuigkeiten, die dem Zuseher präsentiert werden, steigern die Spannung kontinuierlich. Die bittere Erkenntnis, sich in Menschen getäuscht zu haben; ein falsches Idealbild, das zerschlagen wird und die Rehabilitation von Personen, die aus mannigfaltigen Gründen vernachlässigt oder verstoßen wurden, bilden den psychologischen Schwerpunkt des Fernsehspiels. Schillernde Figuren wie Juliette Chaffour kontrastieren mit bescheidenen Charakteren wie Tabaret; es ist nicht schwierig zu erraten, dass sich auf einen Mann wie Noel Gerdy der opulente Glanz der Spiegel und die Überschwänglichkeit der Dame prägender auswirken als die mahnenden Worte des väterlichen Freundes Tabaret. Joachim Ansorges Darstellung lässt sich mit der Rakete in Oscar Wildes Märchen "Die bemerkenswerte Rakete" vergleichen: "Köstlich", rief sie, "so werde ich für immer weiterfliegen! Welch großer Erfolg bin ich doch!" Doch nach der Explosion der Rakete, die niemand sah und hörte, bleiben nur die traurigen Überreste zurück: "Und alles, was von ihr übrigblieb, war der Stiel, und der fiel einer Gans auf den Rücken, die gerade am Rande des Grabens dahinspazierte. "Du lieber Himmel!" entsetzte sich die Gans. "Es regnet Stöcke!" Und sie rauschte ins Wasser. "Ich wusste ja, dass ich großes Aufsehen erregen würde", hauchte die Rakete noch und erlosch."
So wartet die "Affäre Lerouge" im Gegensatz zu "Der Strick um den Hals" mit drei Todesfällen auf. Diese werden in ähnlich düsterer Weise inszeniert wie in Wilkie Collins' "Die Frau in Weiß" und ebnen den Weg für ein Finale, das vielleicht ein wenig zu harmonisch scheint, seinen Schwerpunkt jedoch nicht auf die Vereinigung zweier Liebender legt, sondern in der Männerfreundschaft zwischen dem Kriminalkommissar und dem Untersuchungsrichter seinen Abschluss findet. Ganz so wie in den berühmten Geschichten von Arthur Conan Doyle.

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