Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden Impressum 
Forum Edgar Wallace ,...



Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 0 Antworten
und wurde 1.042 mal aufgerufen
 Filmbewertungen
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

18.07.2011 20:15
Bewertet: "Der Doppelgänger" (1934, Außer der Reihe) Zitat · Antworten



Edgar Wallace: Der Doppelgänger
Mit: Camilla Horn, Georg Alexander, Gerda Maurus, Theo Lingen, Fritz Odemar, Jakob Tiedtke, Josef Eichheim, Hans Leisner-Fischer. Regie: E.W. Emo. Drehbuch: Curt J. Braun, Peter Ort. Uraufführung: 14.02.1934.

Edgar Wallace wird heute hauptsächlich für sein umfangreiches Œuvre an Kriminalromanen geschätzt. Als Fußnote findet man darüber hinaus gern die Anmerkung, wie vielseitig sich Wallace zum Beispiel als Autor der Afrika-Kurzgeschichten um Sanders und dessen Gefährten Bones betätigte. Seine Kreativität führte allerdings noch wesentlich weiter, umfasst sein Gesamtwerk schließlich auch Psychothriller, Pferdegeschichten, die das sogenannte Turfgenre bedienen, und nicht zuletzt komödiantische Werke. Gerade diese sind nicht einmal so ungeheuer selten, zählen doch unter anderem die auch in Deutschland vertriebenen Bücher „Mr. Sorgenfrei“ (The Admirable Carfew, 1914), „Lord wider Willen“ (Chick, 1923) oder „Verdammte Konkurrenz“ (Barbara on her Own, 1926) in die Kategorie der humoristischen Wallace-Erzeugnisse. Eines der prominentesten Beispiele auf diesem Gebiet stellt der Roman „Double Dan“ (1924) dar, der 1930 in der Übersetzung von Ravi Ravendro im Goldmann-Verlag erschien. Er sollte nicht mit „The Double“ verwechselt werden – herausgebracht 1931 aufgrund der Übersetzungsentscheidung zu „Double Dan“ nicht mehr als „Der Doppelgänger“, sondern unter dem freien Titel „Das Steckenpferd des alten Derrick“.
Während „Chick“ zwei frühe Verfilmungen nach sich zog, erfuhr „Double Dan“ im England der Zwanziger- und Dreißigerjahre zunächst keine filmische Umsetzung. Dies mag an Rechtsfragen festzumachen sein, denn „Double Dan“ basierte wie viele andere Stoffe auch auf einem Theaterstück, das am 7. Mai 1927 im Londoner Savoy Theatre Premiere feierte. Den ersten Schritt tat die Ondra-Lamac-Film im Jahr 1933.



Die Entscheidung für den komödiantisch angelegten „Doppelgänger“ erscheint im Nachhinein ziemlich überraschend, nachdem die Deutschen den Namen Wallace im Film vorher mit großen Verbrecherfiguren wie dem „Zinker“, dem „Hexer“, dem „roten Kreis“ oder dem nicht minder sinister tönenden „großen Unbekannten“ in Verbindung gebracht hatten. „Der Doppelgänger“ markiert ein eindeutiges Abwenden von jener Schauergeschichtentaktik, die, mit großer Stummfilmgeste versehen, 1934 nicht mehr den Stand von Technik und Zuschauererwartungen erfüllte. Zwischen den Gräueln des mit rascher Bestimmtheit immer weiter ausufernden Extremismus sollte unter dem Namen des berühmten Autors stattdessen ein liebliches Lustspiel geboten werden, in dem Raub und Betrügereien nur eine Neben- und Mord gar keine Rolle spielen.
Zu der Hervorhebung des Lockerleichten passte ein weitgehender Verzicht auf Rituale und Praktiken der vergangenen Prä-Tonfilm-Ära, welche den Spaß auf der Leinwand nur gehämmt hätten. Es fügte sich auch unter diesem Gesichtspunkt ins Bild, den seit 1918 aktiven Carl Lamac auf dem Regiestuhl gegen E.W. Emo auszutauschen. Emo, hauptsächlich bekannt für seine fruchtbare Zusammenarbeit mit den Komikern Hans Moser (22 Filme ab 1935) und Heinz Rühmann (5 Filme ab 1935) – darunter „13 Stühle“ aus dem fraglichen Jahr –, hatte erst 1928 seinen ersten Film gedreht und bediente einen jüngeren, frischeren Stil als sein Wallace-Vorgänger. Ergänzt wurde diese kluge, aber wahrscheinlich eher durch ideologische Aspekte entschiedene Änderung durch die Verpflichtung des Branchenneulings Peter Ort als Scriptverantwortlicher, der allerdings von Vielschreiber und Krimiautor Curt J. Braun unterstützt wurde.



Die zeitgenössische Kritik in der Berliner Morgenpost befand lobend:

Zitat von Joachim Kramp, Jürgen Wehnert: Das Edgar Wallace Lexikon, Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2004, S. 139
Das Publikum ließ sich gern das Zwerchfell erschüttern, wo sonst seine Nerven gekitzelt wurden, und spendete zum Schluss freundlichen Beifall.


Mich erstaunte vor allem, wie gängig der Humor im „Doppelgänger“ auch für den heutigen Zuschauer noch wirkt. Zwar wird in der zitierten, im „Wallace Lexikon“ abgedruckten Kritik bemängelt, die Hauptakteure Alexander, Horn, Maurus u.a. spielten nicht überdreht genug, doch gerade diese „normalbürgerlich“ genannte Art kommt dem aktuellen Sehempfinden ausgesprochen gut entgegen. Theo Lingen, der von der Morgenpost als Musterbeispiel für kauzige Lustigkeit angeführt wird, ist mithin der einzige Darsteller, der ganz und gar „over the top“ geht und damit die Grenze des jetzigen Geschmacks hier und da überschreitet. Vor allem sein erster Auftritt in der Kunstgalerie oder seine Vorliebe für abstruse Masken, die der verhältnismäßig komplexen Geschichte kaum etwas hinzufügt, sorgten für mich doch eher für Momente des Wunderns als des Lachens.
Da ist es der „normalere“ – nicht gerade subtilere, aber doch nicht ganz so alberne – Charme der übrigen Protagonisten, der den „Doppelgänger“ zu einem sehenswerten Film macht. Im Grunde genommen handelt es sich um eine jener Verwechslungsarien, die zwischen den Dreißigern und den frühen Sechzigern in deutschen Kinos in gefühlten tausendfachen Variationen auf und ab liefen. Der Plot vom versehentlich abrasierten Schnurrbart, der zur Verwechslung mit einem Schwerverbrecher führt, glänzt aber durch die Wallace eigene atmosphärische Dichte und eine überraschende Schlussauflösung, die zu erinnern meine Lektüre des Romans glücklicherweise schon etwas zu lang her war.



Getragen wird die Kriminalgroteske von der resoluten Darstellung Camilla Horns als Titelheldin. Sie sperrt ihren Vetter in dessen eigenem Haus ein, nachdem sie ihn für den berüchtigten „Doppelgänger“ hält. Im Zusammenspiel mit dem verdutzten Georg Alexander entwickeln sich Pointen über Pointen, von denen nicht jede, aber doch eine ganze Menge zündet. Der Prolog auf dem Schiff von Sidney nach London dient dabei als eine gemächliche Einstimmung auf den wild entschlossenen Charakter der gerade „großjährig“ gewordenen Jenny Miller: Als erste Amtshandlung an ihrem Geburtstag nabelt sie sich von ihrem besserwisserischen und misstrauischen Onkel ab und bestellt sich kurz nach Mitternacht erst einmal Kaffee, ein Stück Kuchen mit sehr viel Schlagsahne und süßen Likör.
Ihr Vetter ist ihr ganzes Gegenteil – ein Mann, der sich außer einer (noch zu viel Unheil führenden) angeblich rein kulturell motivierten Bekanntschaft kein Abweichen von den Normen und den Vorurteilen der Menschen erlauben möchte. Dafür nimmt er sogar in Kauf, eine Notlüge mit der nächsten aus dem Weg zu schaffen – auch hier bietet sich freilich reichlich Platz für eigentlich harmlose, dann aber doch fast in kriminellen Machenschaften endende Irrungen und Wirrungen. Wer der heiteren Muse nicht abgeneigt ist, sollte gespannt sein.

Die DVD von Spirit Media



Wie bereits bei den vorherigen Veröffentlichungen hat sich Spirit Media um das bestmögliche Material und dessen im Rahmen des Budgets vorbildliche Restaurierung bemüht. Die Kopie, die für die DVD verwendet wurde, stammt dieses Mal wieder aus dem Bundesarchiv und weist damit sowohl einen deutschen Originalvorspann (mit Ausnahme der, aus welchen Gründen auch immer, neugesetzten Titeltafel) als auch Zwischeneinblendungen von Telegrammen und Briefen in deutscher Sprache auf. Die Bildqualität steckt die des „Hexers“ locker in die Tasche, da sich hier die Materialsituation wohl nicht ganz so schwierig gestaltete, reicht aber nicht ganz an die des auch mit Fremdmitteln schon auf Vordermann gebrachten „Zinkers“ heran. Der Mittelweg ist für Klassikerfreunde trotzdem sehr gängig – die kleinen Szenenfotos vermitteln einen recht guten Eindruck des etwas rauschigen, aber prinzipiell gelungenen Bildes. Einziger Störfaktor ist, dass es an einigen Stellen des Films zu kleinen Materialsprüngen kommt, also ein hier und da ein Satz und mit ihm ein paar Sekunden des Streifens verschütt gingen.
Die Bonusmaterialien und Menügestaltung entsprechen in den allermeisten Punkten dem Umfang des „Hexers“, werden aber durch ein kleines, nirgends genanntes Goodie noch zusätzlich aufgewertet: Nachdem der Film beendet ist, läuft ein neu gesetzter Abspann, der mit dem Gesangsstück „In Memoriam Edgar Wallace“ aus der musikalischen Komödie „Die Nervensäge“ unterlegt ist. Diese kleine Ode an den Schriftsteller rundet das fröhliche Filmvergnügen perfekt ab.

Nachdem der „Hexer“ aus dem Hause Ondra-Lamac seine Verkleidung als vielgefragte Rarität abgelegt und sich eher als eine dröge Angelegenheit entpuppt hatte, erstaunen das Gusto und die freche Liebenswürdigkeit, mit der die Macher bei „Der Doppelgänger“ nach zwei Jahren Pause ans Werk gegangen sind. Der Film ist, abgesehen von einigen Altersschwächen, auch heute noch jeden Blick wert und für mich die beste der drei Dreißigerjahre-Exkursionen. 4,5 von 5 Punkten – ich schließe mich hiermit dem freundlichen Beifall des Premierenpublikums aus dem Februar 1934 gern an.

 Sprung  
Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz