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Dieses Thema hat 17 Antworten
und wurde 1.892 mal aufgerufen
 Giallo Forum
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patrick Offline




Beiträge: 3.245

02.09.2017 18:29
#16 RE: Blutige Seide (1964) Zitat · Antworten

Blutige Seide (1964)



Regie: Mario Bava
Produktion: Italien, 1964
Mit: Cameron Mitchell, Eva Bartok, Thomas Reiner, Ariana Gorini, Dante DiPaolo, Mary Arden, Franco Ressel, Francesca Ungaro, Claude Dantes, Luciano Pigozzi


Handlung:

Ein schwarz gekleideter Täter mit weißer Gesichtsmaske begeht der Reihe nach Morde an hübschen jungen Damen, die alle bei derselben Modeagentur beschäftigt sind. Ein verräterisches Tagebuch scheint dabei eine wichtige Rolle zu spielen. Die Polizei kann rasch einen Kreis von Verdächtigen ausmachen und verhaften, unter denen sich der Unhold mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit befindet. Wider erwarten geschieht aber ein weiteres Gewaltverbrechen...

Anmerkungen:

"Blutige Seide" trägt bereits alle typischen Merkmale des italienischen Giallo. Das Whodunit-Element wird von einem schwarz gekleideten Verbrecher mit Handschuhen und Gesichtsmaske bedient, der seine Morde mit eiskalter Grausamkeit begeht. Dennoch grenzt sich der vorliegende Film angenehm von den eigentlichen Gialli der 70er-Jahre ab, was darin liegt, dass er bereits in dem "frühen" Jahr 1964 entstanden ist und Mario Bava (1914-1980) auf dem Regiestuhl Platz nahm. Bava hatte 1960 mit "Die Stunde wenn Dracula kommt" (eigentlich "Black Sunday"; der Film hat mit Dracula nämlich nichts zu tun.) ein exzellentes Meisterwerk des Grusel-Genres geschaffen, das sich hinter den damals maktführenden Hammer-Thrillern in keinster Weise verstecken muß. Auch mit "Vampire gegen Herkules" und "Die drei Gesichter der Furcht" konnte er sehr gelungene Genre-Filme auf seinem Konto verbuchen. Alle diese Streifen zeichnen sich durch ihren herausragenden visuellen Reiz aus.

Es handelt sich hier um einen Buntfilm im wahrsten Sinne des Wortes, da sich mit sehr kräftigen, kontrastreichen Farben praktisch ein bewegtes Gemälde präsentiert. Besonders ein knalliges rot kommt beim ausgesprochen markanten und eindrucksvollen Dekor auffallend oft wirkungsvoll zum Vorschein. Begleitet von einer düsteren Musik, schönen Gothic-Aufnahmen und einer flotten und spannenden Handlung macht sich eine geradezu hypnotische und fesselnde Atmosphäre breit. Durch seine ausgesprochen potente und wirkungsvolle Bildersprache bewegt sich "Blutige Seide" sehr viel näher bei den deutschen Edgar-Wallace-Verfilmungen als die herkömmlicheren Gialli.

Eigentlich hätte sich das Wallace-Team der immer mehr von albernem Humor durchzogenen Farb-Vohrers an diesem sehr ernsten und eigenwilligen Thriller durchaus eine Scheibe abschneiden können.

Von den Darsteller(innen) fällt in erster Linie Eva Bartok (1927-1998) sehr positiv auf. Ihre Gefühlsregungen und Reaktionen sind ausgesprochen glaubhaft gespielt. Thomas Reiner (geb. 1926) als Ermittler liefert lediglich eine solide Durschnittsleistung ab. Auch Cameron Mitchell (1918-1994) ist durchaus austauschbar. Dafür bekommt man eine Reihe hübscher Damen zu sehen.

Die Stärke des Films liegt, wie schon angedeutet, in Bildersprache und Kameraführung. Bereits nach etwas mehr als einer Stunde wird man mit der Preisgabe des Täters regelrecht überfallen. Trotzdem nimmt der dramaturgische Fortlauf davon keinen wirklichen Schaden. Der Grund für den Auftakt der Mordserie lässt sich eigentlich nicht erahnen.

Leider gingen die angesprochenen sehr hervorstechenden und charakteristischen visuellen Vorzüge bei den Bava-Filmen der 70er-Jahre wieder verloren.

Fazit:

Sehr bildgewaltiges und optisch ansprechendes italienisches Genre-Frühwerk in angenehmen Old-School-Stil, das spätere Filme von Argento, Dallamano und co. locker in die Tasche steckt. 4 von 5

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

14.09.2017 06:23
#17 RE: Blutige Seide (1964) Zitat · Antworten

„Blutige Seide“ belegt im Edgar-Wallace-Epigonen-Grandprix 2017 Platz 17 von 48. Der Film erhielt von den Teilnehmern im Durchschnitt eine Bewertung von 4,02 von 5 Punkten.

zugrundeliegende Wertungen: 12 von 17 (11x „gut bekannt“, 1x „länger her“)
Top-10-Tipps: 0 von 8
Auswahlrunde: Platz 16 von 28 (7,6 Punkte)


mit 4,00 Pkt. Platz 24 in der Kategorie Schauspieler (– 7)
mit 4,46 Pkt. Platz 08 in der Kategorie Inszenierung / Spannung (+ 9)
mit 3,76 Pkt. Platz 18 in der Kategorie Drehbuch / Logik (– 1)
mit 4,30 Pkt. Platz 05 in der Kategorie Ausstattung / Wertigkeit (+ 12)
mit 4,02 Pkt. Platz 11 in der Kategorie Musik (+ 6)
mit 3,48 Pkt. Platz 27 in der Kategorie Epigonenfaktor (– 10)
mit 4,13 Pkt. Platz 14 in der Kategorie freie Wertung (+ 3)

Edgar-Wallace-Epigonen-Grandprix 2017: Ergebnisse (#192) (13)

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

13.02.2018 18:25
#18 RE: Blutige Seide (1964) Zitat · Antworten



Blutige Seide (Sei donne per l’assassino / Six femmes pour l’assassin)

Kriminalfilm, IT / FR / BRD 1963/64. Regie: Mario Bava. Drehbuch: Marcello Fondato, Giuseppe Barilla, Mario Bava. Mit: Cameron Mitchell (Massimo Morlacchi), Eva Bartok (Gräfin Cristiana Cuomo), Thomas Reiner (Inspektor Silvestri), Ariana Gorini (Nicole), Mary Arden (Peggy), Claude Dantes (Tao-Li), Lea Lander (Greta), Dante di Paolo (Franco Scalo), Franco Ressel (Marquis Riccardo Morelli), Massimo Righi (Marco) u.a. Uraufführung (IT): 10. April 1964. Uraufführung (BRD): 27. November 1964.

Zitat von Blutige Seide
Das Mannequin Isabella wird von einem maskierten Unbekannten ermordet. Unter ihren Kolleginnen und deren Arbeitgeberin, der Gräfin Cristiana, die nach dem Tod ihres Mannes nun mit dem Modeschöpfer Massimo zusammenlebt, bricht Panik aus. In Isabellas Wohnung werden Drogen gefunden; außerdem sorgt das Tagebuch der Toten für Aufsehen. Es enthält pikante Geheimnisse, die den Killer erneut auf den Plan treten lassen. Er tötet weitere Modelle auf brutale Weise. Was hat er zu verbergen? Inspektor Silvestri setzt bald eine Reihe von Verdächtigen fest, unter denen er den Täter vermutet. Doch die Morde gehen weiter ...


Als hätte er das Ziel der Entwicklung vom Krimi zum Giallo vorausahnen können, profilierte Bava nach „The Girl Who Knew too Much“ in „Blutige Seide“ weitere spezielle Merkmale für italienische Reißer der kommenden Dekade. Legte „Girl“ noch eine naiv-altmodische Zurückhaltung an den Tag, so markiert „Blutige Seide“ das Ablegen alter Tabus und den Beginn des offenherzigen Inszenesetzens von Gewalt, Erotik und mörderischer Übermacht als Ausdruck einer pervertierten Ästhetik.

Zitat von Antonio Bruschini, Antonio Tentori: Italian Giallo Movies, Profondo Rosso, Rom 2013, S. 29
For the first time in Italian cinema, the figure of the mad maniac is represented in all its frightening power. This classic iconography would pave the way for a long series of psycho killers up to the more recent productions. It’s a nightmarish vision: a black-dressed figure, the face covered with a mask and a hat. However, in Bava’s film there are two murderers, killing in turn, and giving the viewer the impression of an omnipotent and ubiquitous entity which no one can escape from, until the final revelation. [...] The murderers’ habits and methods are also fundamental: the murders are never quick, but they turn out to be cruel exercises in death, executed with a paroxistic fury, causing ample bloodletting and physical devastation. A victim has her face crushed with an iron spiked fist, another is drowned and then slashed with a razor, another has her face scalded on a hot iron stove.


Die zwei Strumpfmaskenmörder in diesem Film schlagen nicht nur auf möglichst morbid-blutige Weise zu, auch die Anzahl und Länge der Mordsequenzen ist so beachtlich, dass der Film im Originaltitel sogar damit wirbt („Sechs Frauen für den Mörder“). Viel Platz bleibt deshalb rundherum nicht für eine komplexe Story oder abgerundete Charaktere. Die Mädchen, die der Hand der Killer zum Opfer fallen, tragen zwar Namen, sind aber trotzdem anonym. Sie unterscheiden sich in erster Linie nicht durch ihre Persönlichkeiten, sondern durch ihre Frisuren voneinander. Inhaltliche Oberflächlichkeit bei gleichzeitiger künstlerischer Umtriebigkeit sollte durchaus auch zum Markenzeichen einiger Vorzeige-Gialli werden, macht sich hier aber einigermaßen problematisch bemerkbar. Es ist, als habe Bava ähnlich wie bei seinem späteren Gewalt-Epos „Im Blutrausch des Satans“ anfangs nur die Morde im Kopf gehabt und darum dann ein loses Drehbuch in Auftrag gegeben.



Und dennoch nimmt es unwillkürlich Wunder, dass die regelrechte Metzelei der Modelle in schonungslose Bilder gegossen wird und damit – in einem Streifen von 1964! – der in späteren Filmen der Giallo-Hochzeit schon so frappierend ähnelt. Die blinde Autorität des maskulinen Killers im Vergleich zur Verletzlichkeit der fashion girls, wahren Gallionsfiguren unemanzipierter Weiblichkeit, birgt ein klares Sadismusmoment, das man so auch aus Filmalpträumen der Regiekünstler Dario Argento oder Lucio Fulci kennt. Hinzu kommt der völlig unnatürliche und deshalb so beeindruckende Einsatz greller Farben, der als klares Markenzeichen die Optik des Films mitbestimmt. Bava scheute sich nicht davor, die komplette Palette auszukosten und gegebenenfalls auch unvorteilhaft zu kombinieren. Hauptsache Alarm – was für die Brutalität gilt, gilt auch für Kamera und Licht.

Seine zukunftsweisende Stellung sei „Blutige Seide“ gern attestiert, aber vollends überzeugt der Früh-Giallo letztlich dennoch nicht. Die Handlungen mancher Figuren sind irrational und unverständlich, die Filmdekors fallen in ihrem bräsig-heruntergekommenen Barock-Chic eher billig aus und die Schauspieler stammen trotz internationaler Koproduktion nur aus der zweiten Reihe. So brachten die deutschen Produktionspartner etwa Eva Bartok und Thomas Reiner unter – eine B-Film-Queen und einen TV-Nebendarsteller. Bartok sorgt dafür, dass das dramatisch angedachte Finale eher Seifenoperncharme versprüht, obwohl man dem später in „Blutspur im Park“ nochmal aufgegriffenen Kniff seine Wirkkraft nicht absprechen kann. Reiner degradiert in Kollaboration mit dem Drehbuch die Polizistenrolle auf Jahrzehnte des Giallo-Kinos hinaus zu einer undankbaren Statisten- bzw. untätigen Beisitzer-Funktion. Auch der amerikanische Hauptdarsteller Cameron Mitchell erscheint austauschbar. So bleiben lediglich einige der Mordopfer in prägnanter Erinnerung: Lea Lander und Claude Dantes verbinden einprägsame Gesichter mit grob, aber markant skizzierten Frauentypen.

Dass die Morde nur aus Selbstschutz geschahen, kann man sich aufgrund der zentralen Rolle des Tagebuchs des ersten Opfers zwar denken; allerdings erklärt dieses Motiv nicht den überbordenden Gewalteinsatz, der deshalb ungerechtfertigt wirkt. Man hat allerdings kaum Zeit, darüber nachzudenken, weil die Auflösung nicht ausgiebig zelebriert wird, sondern im Vorübergehen erfolgt, um im Anschluss eine Coda über die gegenseitige Selbstvernichtung des Mörder-Duos anschließen zu können. Ist diese erst abgeschlossen, endet der Film mit einem Schwenk auf einen herunterbaumelnden Telefonhörer in knalligem Rot. Bavas „Blutiger Seide“ hat der Giallo also nicht nur den maskierten Fetischkiller zu verdanken, sondern – was mindestens ebenso wichtig ist – auch die auffällig-poppigen Fernsprechgeräte ...

Bava gelang eine beeindruckende Weiterentwicklung der mit „The Girl Who Knew too Much“ eingeschlagenen Route; allerdings vergaß der Regisseur über seine kunstvollen Morde, dass ein guter Film mehr als nur Angstspannung und Brutalität beinhalten sollte. Die wackelige Story und die schwachen Darsteller drücken die beeindruckende Mordserie auf 3,5 von 5 Punkten herunter.

[ Weitere Besprechungen des Films finden sich in diesem Thread. ]

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