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Dieses Thema hat 12 Antworten
und wurde 1.145 mal aufgerufen
 Giallo Forum
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

02.04.2013 23:50
Die Waffe, die Stunde, das Motiv (1972) Zitat · Antworten



Die Waffe, die Stunde, das Motiv (L’arma, l’ora, il movente)

Kriminalthriller, IT 1972. Regie: Francesco Mazzei. Drehbuch: Francesco Mazzei, Mario Bianchi, Bruno di Geronimo, Vinicio Marinucci. Mit: Renzo Montagnani (Kommissar Franco Boito), Bedy Moratti (Orchidea Durantini), Eva Czemerys (Giulia Pisani), Salvatore Puntillo (Moriconi), Claudia Gravy (Schwester Tarquinia), Arturo Trina (Ferruccio), Adolfo Belletti (Anselmo Barsetti, Sakristan), Francesco D’Adda (Pisani, Giulias Ehemann), Gina Mascetti (Mutter Oberin), Maurizio Bonuglia (Don Giorgio) u.a. Uraufführung (Italien): 23. November 1972. Uraufführung (DDR): 28. Juli 1984.

Zitat von Die Waffe, die Stunde, das Motiv
Ein junger Kaplan unterhält sexuelle Beziehungen zu zwei Frauen. An dem Tag, an dem er eine von ihnen abweist, wird er ermordet – in der Klosterkirche erstochen. Kommissar Boito führt die Untersuchungen so intensiv, dass er sich in eine der Verdächtigen verliebt. Kann er die Indizien logisch zusammensetzen – und wird er darauf stoßen, dass das vom Kloster aufgenommene Findelkind den Mörder kennt?


In der Filmografie von Francesco Mazzei nimmt „L’arma, l’ora, il movente“ eine Sonderstellung ein, weil es sich um die einzige Regiearbeit des sonst schon nicht sonderlich umtriebigen Filmschaffenden handelt. Die IMDb weiß von drei weiteren Drehbüchern und sechs Produzententätigkeiten des Herrn zu berichten, der diesen Film zwar einerseits überhaupt erst erschaffen, andererseits aber auch mehr oder weniger auf dem Gewissen hat. Es ist meine feste Überzeugung, dass der Stoff, der eigentlich alle wichtigen Giallokomponenten enthält und nicht von Ungefähr mehrfach mit „Das Haus der lachenden Fenster“ verglichen wird (wenngleich er keine derartige Intensität erreicht), in den Händen eines erfahrenen und im Genre bewanderten Regisseurs ein wirkliches kleines Juwel hätte werden können. Unter der Ägide Mazzeis jedoch werden einige gute Voraussetzungen wie etwa der Schauplatz und das Voyeurismus-Motiv nicht voll ausgereizt und der Film distanziert sich immer wieder zugunsten nebensächlicher Geschichten von seiner eigentlichen Handlung. Weiterhin ist es für klassische Giallo-Freunde ebenso schwierig, dass „L’arma, l’ora, il movente“ sowohl auf die übliche opulente Ausgestaltung des Genres verzichtet – einiges wirkt unfertig, ungeübt, vieles nicht stilsicher kombiniert, Kamerafahrten wie die entlang der ausgestopften Tiere unprofessionell – als auch trotz eindeutiger Whodunit-Ausrichtung vorhersehbar erscheint. Der kleine Junge, der Zeuge des Mordes wurde, verrät durch sein Verhalten in den auf das Verbrechen folgenden Szenen sofort, wer den Kaplan erstach.

Fehlende Stringenz ist nun nicht unbedingt ein Ausschlusskriterium für gute Gialli, wenn sie jedoch soweit getrieben wird, dass das Interesse des Zuschauers flöten geht und mühsam mit sofort als überflüssig enttarnten Skandalszenen angeregt werden muss, dann ist irgendetwas in der Konzeption des Films schiefgelaufen. Das religiöse Auspeitschen mag einigen Zuschauern heimliche Freude bereiten, trägt aber – obwohl der Giallo als solcher die Kunst der Rechtfertigung derartiger Szenen perfektionierte – zum Kern des Films nichts bei. Die Intention, Kritik an der Kirche zu üben, verfehlt das Ganze jedenfalls aus naheliegenden Gründen.



Füge ich nun noch dazu, dass man weitgehend auf Musik und gänzlich auf einprägsame Musik verzichten muss sowie sich einer recht blassen, abweisenden Hauptdarstellerin gegenübersieht, so ist der Strick eigentlich schon gebunden. Ja: „L’arma, l’ora, il movente“ ist für mich der schwächste der drei Filme in der „Koch-Media-Giallo-Collection“. Ich möchte die Besprechung dennoch nicht ausklingen lassen, ohne die eine oder andere Nettigkeit erwähnt zu haben, derer es allem zum Trotz natürlich einige zu beobachten gibt: Da wäre zunächst die schöne Variation der Ermittlerrolle. Wieder einmal steht ein Polizistenduo im Vordergrund, dieses Mal ist es aber deutlich humoristisch gezeichnet, was ihm sehr viel Charme verleiht und alle anderen Figuren überstrahlen lässt. Vor allem Renzo Montagnani haut in einigen Szenen amüsant auf den Putz, z.B. wenn er im Kloster mit Motorrad ankommt oder den Priester als Leichendouble herumkommandiert. Außerdem bietet der Film mit dem hübschen Titel eine jener interessanten Giallo-Kinderrollen, die gern einmal mehr wissen und dem Mörder gefährlich nahe kommen (siehe z.B. auch Lori in „Il gatto a nove code“ oder Roberta in „Chi l’ha vista morire?“): Der kleine Ferruccio (Artuno Trina) geht ein besonders riskantes Spiel ein, indem er sich bis zur Erpressung hinreißen lässt.

Hier erwartet den geneigten Cineasten nur eine mäßig spannende Angelegenheit mit vielen vergebenen Chancen, die in den meisten Punkten dem Regisseur anzulasten sind. Unter der Regie eines Profis und mit einem verführerischen und engagierteren Gesicht in der Rolle der Orchidea wäre „L’arma, l’ora, il movente“ wahrscheinlich deutlich besser ausgefallen. Ach ja: Und mit einem Score von Morricone. So nur knappe 3 von 5 Punkten.



Die DVD von Koch Media präsentiert „Die Waffe, die Stunde, das Motiv“ als zweiten von drei Filmen der ersten Giallo-Collection. Im Gegensatz zu den anderen beiden Streifen, „Tödliches Erbe“ und „The Laughing Woman“, kann man das Label für die Bildqualität des vorliegenden Streifens aber nicht loben. Der Transfer ist für Koch-Verhältnisse erschreckend schlecht und gleicht einem alten, rotstichigen Videoband, sodass ein Teil der Wirkung leider verloren geht. Die deutsche und italienische Tonspur kann man optional durch deutschen Untertitel begleiten lassen. Ferner gibt es eine etwa 10-minütige Interviewfeaturette mit Nebendarsteller Salvatore Puntillo, der den Kriminalassistent spielt. Sie fällt nicht so informativ aus wie das zu „Femina ridens“ aufgespielte Interview, ist aber eine willkommene Beigabe, da auf Trailer und Bildergalerie verzichtet werden muss. Der diesmal recht kurze Text zum Film auf der Rückseite des in Giallogelb reproduzierten Plakatmotivs stammt von Hélène Cattet und Bruno Forzani.

Prisma Offline




Beiträge: 7.591

06.04.2013 23:27
#2 RE: Die Waffe, die Stunde, das Motiv (1972) Zitat · Antworten



DIE WAFFE, DIE STUNDE, DAS MOTIV / L'ARMA, L'ORA, IL MOVENTE (1972)

mit Renzo Montagnani, Bedy Moratti, Eva Czemerys, Salvatore Puntillo, Claudia Gravi, Alcira Harris sowie Arturo Trina und Maurizio Bonuglia
ein Film von Francesco Mazzei



»Ich habe nichts gesehen, ich bin im Dienst!«


In einem Kloster ereignet sich ein entsetzlicher Mord. Der junge Kaplan Don Giorgio (Maurizio Bonuglia) wird dort von den Schwestern erstochen aufgefunden, und das Motiv liegt zunächst im Dunkeln. Bei seinen schwierigen Ermittlungen stellt Kommissar Boito (Renzo Montagnani) fest, dass es sich bei dem Ermordeten um einen Herrn mit allzu weltlichen Gedanken gehandelt hat, denn er hatte einige Affären. So erschließen sich nun einige Tatmotive und die Verdächtigen geben sich die Klinke in die Hand. Geschah das Verbrechen aus Eifersucht oder kommen die gehörnten Ehemänner für die Tat in Frage? Der Mörder gerät jedenfalls schon bald unter Druck, da das bestialische Verbrechen von einem Unbekannten beobachtet wurde...

Den Anfang aus der Giallo-Collection machte bei mir diese Produktion von 1972, da sich der Plot zunächst recht interessant angehört hat. Der Einstieg ist rasant, so dass man sich schnellstens und unmittelbar im Szenario wiederfindet, doch womit nicht zu rechnen war ist, dass der Film plötzlich und auf unangenehmste Weise umkippt. Regisseur Francesco Mazzei inszenierte einerseits recht klassisch, doch andererseits auch ziemlich fragwürdig, was im Endeffekt viel auffälliger in Erscheinung treten wird. Für Giallo-Verhältnisse bekommt man es schlussendlich mit einem eckigen Beitrag zu tun, der vor Langeweile nur so strotzt, und darüber hinaus zu viele Unklarheiten im Aufbau und den Rahmenbedingungen transportiert. Offenbar gesellschaftskritisch angelehnt, versagt dieses Sammelsurium an psychischen Störungen auf ganzer Linie und hinterlässt nicht nur einen unbequemen, sondern vor allem einen überaus geschmacklosen Eindruck. Dass der Film unterm Strich tatsächlich anders ausgefallen ist, und sich durch seine Abgrenzungstaktik hervorzuheben versucht, hinterlässt nicht den gewünschten Aha-Effekt, sondern regt nur noch mehr zum Vergleichen innerhalb des Giallo-Orbit an, und lässt in Windeseile zahlreiche, schwache Beiträge ausfindig machen, die ebenfalls ungeniert anders sein wollten, aber im Vergleich wesentlich eingängiger geworden sind. Das Potential der Schauplätze und des Tatortes Kirche wurde leider komplett vertan, genau wie die Steilvorlagen gewisser Charaktere. Es ist nichts zu machen, "Die Waffe, die Stunde, das Motiv" ist in überaus eindeutiger Manier ermüdend und für meinen Geschmack schließlich verärgernd ausgefallen, da die Regie offensichtlich das Handling von Kompensationsstrategien nicht im Repertoire führte. Da ich mir diesen Film aus lauter Ungeduld zuerst angeschaut habe, finde ich diesen zerstörerischen Schlag gegen die Vorfreude umso erstaunlicher. Die Besetzung birgt Licht- und Schattenseiten.

Renzo Montagnani (mir eher bekannt aus Filmen rund um albernes Sex-Gerangel), prägt das Szenario nicht nur sehr begrüßenswert, er hält es meistens auch zusammen. Sein Kommissar Boito wirkt authentisch und sympathisch, außerdem verfeinert er das Geschehen mit einigen sarkastischen und amüsanten Einlagen. Auch, dass er keineswegs unfehlbar ist, wird im Verlauf mehr als deutlich. Insgesamt bleibt diese Kommissar-Figur nicht gerade uninteressant, verliert mit dem fortlaufenden Film allerdings massiv an Überzeugungskraft, da er die unliebsame Aufgabe zugeschoben bekam, die Schwächen einiger anderer Charaktere zu kompensieren, was ihm natürlich nicht gelingt. Die Spitzenkandidatin für diesem Vorwurf ist selbstverständlich niemand anders als Bedy Moratti in der weiblichen Hauptrolle, die in jeder Beziehung hoffnungslos uninteressant wirkt. Sie ist entweder von allem etwas zu viel, oder zu wenig, jedoch nicht im positiven Sinne. Hätte man für ihre Orchidea eine Person zur Verfügung gehabt, die eine Sympathieträgerin aus dem Bilderbuch gewesen wäre, hätte man auch den Film in vollkommen andere Bahnen gelenkt bekommen. Moratti wirkt daher beliebig austauschbar und stellt eine schwerwiegende Fehlbesetzung dar. Wenn man dann noch mit anderen Giallo-Damen vergleicht, erscheint sie bald unerträglich. Ihre Neurosen ermüden, ihre nymphomanischen Anwandlungen langweilen, ihre ganze Erscheinung, mit ihrer offensiv angelegten, jedoch nur fadenscheinig und unglaubwürdig herausgearbeiteten Charakter-Tiefe, wirkt letztlich befremdlich. Maurizio Bonuglia als Kaplan mit eher weltlichen Gelüsten hat mir relativ gut gefallen, wobei er im Endeffekt auch nur einen sehr verzerrten Anstrich bekommen hat. Ein besonders gravierender Fall von Abneigung rief bei mir das entsetzliche, und offensichtlich zutiefst psychisch gestörte Kind Ferruccio hervor, welches bezüglich der Darstellung die schlimmste Entgleisung darstellt.

Das Problem dieses Films ist, dass er sich in viel zu vielen Sequenzen quasi selbst vergisst, und viele ungewöhnliche Attacken startet, die über das Ziel hinausgehen. Was mit dem Tatort Kirche begonnen hatte, und dem anfänglichen Empfinden nach kritisch angelegt sein sollte, entpuppt sich als versteckter Griff in die Sex-Mottenkiste. Sicher, für einen anständigen Giallo natürlich unabkömmlich oder sogar wünschenswert, aber hier erscheinen beispielsweise die Selbstgeißelungsszenen oder voyeuristische Etappen eher unangenehm bis unappetitlich. Folglich gibt sich der Film mit fortlaufender Zeit auch immer aufdringlicher und verliert beinahe sein ganzes Interesse an einer logischen, nachvollziehbaren Auflösung. Die Kamera gibt sich oftmals sehr viel Mühe und schafft es, die teils wirklich vorhandene, düstere Atmosphäre nach Kräften zu unterstützen, doch verliert sich dann meistens im Veranschaulichen von irgend welchen Belanglosigkeiten. Die Musik gibt sich dezent, wirkt wenn es darauf ankommt sehr angemessen dosiert und untermalt sozusagen die eher stumpfe Thematik sehr sicher oder sogar sachlich. Genretypische Wendungen, Irrungen und falsche Fährten sorgen gegebenenfalls wieder für etwas Aufmerksamkeit, die sich jedoch keineswegs auf einem konstanten Niveau befunden hat, auch die Momente, in denen Spannung aufkommt, sind einfach zu übersichtlich ausgefallen. Alle Hoffnungen liegen nach diesem holprigen Verlauf also auf einem hoffentlich spektakulären Finale, welches die Erwartungen aber nicht erfüllen kann. Geboten bekommt man eine wahrhafte Metamorphose, die mit fesselnden Bildern beginnt, plötzlich in Geschmacklosigkeiten abdriftet, und in Vorhersehbarkeit gipfelt. Den Rest gibt einem dann das schwachsinnig angebahnte Happy-End. Also, die Waffe ist bekannt, die Stunde konnte auch rekonstruiert werden, nur das Motiv hat die Regie keineswegs interessiert, und wurde bis auf einige fadenscheinige Andeutungen schließlich komplett ignoriert. Unterm Strich wirft dieser Giallo bei mir also nur zwei Fragen auf: Warum haben die Schwestern in der Kirche nicht für einen besseren Film gebetet, und wann werden die Überlebenden in einer geschlossenen Anstalt landen? Angesichts des Genre-Durchschnitts bleibt "Die Waffe, die Stunde, das Motiv" leider weit abgeschlagen.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

09.09.2013 22:03
#3 RE: Die Waffe, die Stunde, das Motiv (1972) Zitat · Antworten

„Die Waffe, die Stunde, das Motiv“ belegt mit 41,14 von 70 Punkten Platz 35 von 35 im Giallo-Grandprix 2013. Der Film wurde also mit durchschnittlich 2,94 Punkten pro Person bewertet. Unter zwölf Teilnehmern erhielt er keine Top-Ten-Nominierung.

Anzahl der abgegebenen Bewertungen: 7
mit 44,00 Punkten auf Platz 32 in der Kategorie Stil (Inszenierung und Bild)
mit 43,00 Punkten auf Platz 33 in der Kategorie Schock und Provokation
mit 39,00 Punkten auf Platz 34 in der Kategorie Plot und Spannung
mit 43,00 Punkten auf Platz 35 in der Kategorie Darsteller
mit 43,00 Punkten auf Platz 35 in der Kategorie Musik
mit 39,00 Punkten auf Platz 32 in der Kategorie Giallo-Faktor
mit 37,00 Punkten auf Platz 35 in der Kategorie Freie Wertung
Gehe zum IMDb-Eintrag / OFDb-Eintrag

Georg Offline




Beiträge: 3.263

24.08.2018 10:28
#4 RE: Die Waffe, die Stunde, das Motiv (1972) Zitat · Antworten

Der letzte Platz des Films erklärt sich ganz einfach durch eine Tatsache: er ist kein Giallo per definitionem, zumindest in der Hinsicht, wie der Begriff im Deutschen verwendet wird. Auch die genrespezifischen Elemente fehlen: die explizite, oft brutale und blutige Darstellung der Morde, ein Handschuhe tragender und maskierter Mörder, die Tatbegehung aus Sicht des Täters, ein typischer Filmtitel à la 'TIER mit dem XY', die unabdingbar typische Musik. Nacktszenen sind zwar vorhanden, jedoch werden diese wie auch die Sexualität anders eingesetzt als bei Argento & Co., ist sie doch in den meisten Giallos meist nur optischer Natur. Vielmehr wollten die Macher die Kriminalhandlung (inklusive Rückblende, auch das eher untypisch für einen Giallo, wenn auch manchmal vorhanden) vordergründig nutzen, um exzessive Kirchenkritik zu üben. Dies geschah in den 70ern häufig, zumal die katholische Kirche in dem Land alles kontrollierte und über alles eine Hand hatte: keine Schule, kein Kindergarten, keine Freizeiteinrichtung, die nicht kirchlich organisiert war. Keine Entscheidung, auch politischer Natur, wo die Kirche nicht mitredete. Schließlich ist auch das Tatmotiv eher giallountypisch (ein Psychopath fehlt gänzlich).
Insgesamt bietet der Film eine wenig überraschende, wenn auch stringente und logische Auflösung, was man von vielen Giallos auch nicht unbedingt sagen kann.
Den Film daher auf eine Stufe mit Filmen à la Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe, Das Geheimnis des gelben Grabes, Der schwarze Leib der Tarantel & Co. zu stellen, ist schlichtweg unfair. Ihn in einer "Giallo-Edition" zu veröffentlichen, ist eigentlich Betrug am Publikum.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

24.08.2018 17:27
#5 RE: Die Waffe, die Stunde, das Motiv (1972) Zitat · Antworten

Ich denke, so einfach kann man sich die Erklärung für das schlechte Abschneiden von "Waffe / Stunde / Motiv" auch nicht machen. Verallgemeinert würde das schließlich bedeuten, dass reinrassige Gialli prinzipiell gut und Filme, die von Schema F abweichen, schlecht ankommen. Gut, eine gewisse Enttäuschung oder ein Fremdeln der Genre-Fans mag damals mitgeschwungen haben, aber das erklärt sicher nicht alles. "Giallo-Faktor" war damals schließlich nur eine von sieben verschiedenen Wertungskategorien und sogar eine, bei der der Film eine seiner "besseren" Platzierungen landen konnte. Man sieht insgesamt, dass die Wertungen für alle Kategorien mies ausfallen, dem Film also unabhängig von seiner Zählung zum Genre eine elegante Regieführung, eine spannende Geschichte sowie überzeugende Darsteller und Instrumentierung fehlen. Ich würde daher behaupten: Er hätte auch in einer anderen Veranstaltung, in der er sich nicht mit "Handschuhe" oder "Stecknadel" messen muss, nicht besser abgeschnitten, weil er in so ziemlich jeder Beziehung eine Gurke ist.

Generell finde ich es eher grenzwertig, sich an superengen Genredefinitionen entlangzuhangeln und bei gewissen Verstößen gleich zu postulieren "Du gehörst nicht dazu" - gerade beim Giallo, der so vielfältig sein kann, dass wahnsinniger Handschuhmörder, Messer, Tier, Farbe und Blutbeutel nicht immer zwangsläufig nötig sind. Das sieht auch die Literatur so: "Die Waffe, die Stunde, das Motiv" wird sowohl im Buch von Bruschini & Tentori als auch in dem von Bruschini & Piselli behandelt; im erstgenannten sogar mit dem zugegeben abenteuerlichen Kommentar: "Francesco Mazzei's The Weapon, the Hour & the Motive (1973 [sic!]) also follows a similar path as Argento-style thrillers."

Georg Offline




Beiträge: 3.263

24.08.2018 18:42
#6 RE: Die Waffe, die Stunde, das Motiv (1972) Zitat · Antworten

Gegen ganz enges Schnüren von Genrekriterien habe ich auch etwas! Aber wenn so ziemlich die typischsten Zutaten fehlen, dann wird man das anmerken dürfen. Jemand, der den Film nicht kennt und sich einen Giallo à la Argento erwartet, wird schließlich zwangsläufig enttäuscht, wenn sich so etwas in einer "Giallo-Box" befindet.
Aber diese Diskussion hatten wir ja schon öfters.
Im Bruschini-Piselli-Buch werden generell Krimis behandelt, weil der ital. Begriff 'giallo' ja nicht mit der Bedeutung des Worts im deutschen Sprachraum konform ist. Von Argento-Stil kann aber natürlich keine Rede sein. Darüber hinaus wird etwas nicht richtiger oder falscher, "nur" weil es irgendwo steht (siehe gerade eben den von Dir gebrachten Verweis auf Argento im genannten ital. Werk)*. Ich habe die Weisheit auch nicht gepachtet und stellte lediglich fest, dass der Film den typischen Kriterien nicht entspricht.
... und übrigens: an und für sich fand ich ihn gar nicht mal so schlecht!

*Exkurs: Der Film "Town on Trial/ Eine Stadt steht vor Gericht" wird in zahlreichen Werken, gedruckt oder online, einer Vorlage von Francis Durbridge zugeschrieben ("The Nylon Murders"), weil der Mörder die Tat mit einem Nylonschal begeht. Obwohl der Film nicht im Entferntesten etwas mit dem erst Jahre später (!!) publizierten Roman zu tun hat, geben selbst einschlägige Lexika Durbridge immer wieder als Vorlage an.

Havi17 Offline




Beiträge: 3.764

26.08.2018 13:15
#7 RE: Die Waffe, die Stunde, das Motiv (1972) Zitat · Antworten

Einerseits finde ich es gut, wenn jemand seine Meinung über einen Film und seine
Einordnung abgibt. Auch eine Abschätzung, daß ein Gialo vielfältig sein kann. Das
führt zwangsläufig leider dazu, daß ein Leser dies als Fakt verstehen kann und
sich dies in Folge auch noch weiterverbreitet. Insofern finde ich es wichtig und
auch als Auftrag in diesem Forum bei Genres den Lesern auch deren Grenzen aufzuzeigen.

Gruss
Havi17

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

26.08.2018 14:56
#8 RE: Die Waffe, die Stunde, das Motiv (1972) Zitat · Antworten

Würde ich Havis Kommentare noch ernst nehmen, so müsste ich mich wirklich fragen, wo ich hier gelandet bin. "Die Waffe, die Stunde, das Motiv" als Giallo zu verstehen, ist kein faktischer Fehler, vor dem gewarnt werden muss, sondern gängiger Konsens, der von der Strichliste, was nach Georgs individueller Genredefinition hier angeblich alles fehlt, keineswegs widerlegt wird. Eher sollte man einmal nachhaken, ob es nicht faktisch falsch ist, Argentos und Dallamanos Filmmachart der Jahre 1969-1975 als einzige Schablone dafür, was Giallo sein und haben muss, anzulegen. Nicht überall wird das Genre nämlich wie hier aus naheliegender Gewohnheit so einseitig von den Konventionen der späten Edgar- und Bryan-Edgar-Wallace-Filmen her aufgezäumt.

Wenn man sich Koch Medias erste Giallo-Box anschaut, könnte man bei "Femina Ridens" ja womöglich noch eine Diskussion zum Giallo-Gehalt anstoßen, aber es hier zu tun, ist einfach nur albern.

Josh Offline




Beiträge: 7.928

26.08.2018 15:57
#9 RE: Die Waffe, die Stunde, das Motiv (1972) Zitat · Antworten

Zitat von Havi17 im Beitrag #7
Einerseits finde ich es gut, wenn jemand seine Meinung über einen Film und seine
Einordnung abgibt. Auch eine Abschätzung, daß ein Gialo vielfältig sein kann. Das
führt zwangsläufig leider dazu, daß ein Leser dies als Fakt verstehen kann und
sich dies in Folge auch noch weiterverbreitet. Insofern finde ich es wichtig und
auch als Auftrag in diesem Forum bei Genres den Lesern auch deren Grenzen aufzuzeigen.

Ich verstehe jetzt nicht, was du uns damit sagen willst??? Erläutere mir das bitte, Giallo ist in Italien ein Begriff für Krimi.

Havi17 Offline




Beiträge: 3.764

26.08.2018 18:19
#10 RE: Die Waffe, die Stunde, das Motiv (1972) Zitat · Antworten

Gruss
Havi17

Grabert Offline



Beiträge: 257

27.08.2018 11:38
#11 RE: Die Waffe, die Stunde, das Motiv (1972) Zitat · Antworten

Zitat
Giallo ist in Italien ein Begriff für Krimi.

schreibt Josh. Doch das greift wohl etwas zu kurz.

Zitat
Although definitions vary, the giallo is most often characterised as an Italian crime film with murder-mystery elements. It often draws on a pool of common conventions: stylised murders, amateur sleuths, black gloves, repressed memories, enigmatic titles and creepy Ennio Morricone music scores.

heißt es bei Chris Gallant in "Where to begin with Giallo". Georgs Definition ist also zumindest nicht
nur eine "individuelle Genredefinition" (Gubanov).

Zitat
Würde ich Havis Kommentare noch ernst nehmen, so müsste ich mich wirklich fragen, wo ich hier gelandet bin.

schreibt Gubanov. Sind solche persönlichen Attacken ein passender Stil in einem Forum, das den Austausch pflegen möchte?

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

27.08.2018 13:09
#12 RE: Die Waffe, die Stunde, das Motiv (1972) Zitat · Antworten

Mit dem Lesen scheinen es hier einige nicht so genau zu nehmen. Sonst wäre aufgefallen, dass in allen verlinkten und zitierten Definitionen, die ja völlig richtig und sinnvoll (und, ich nehme an, jedem Leser hinlänglich bekannt) sind, davon gesprochen wird, dass Giallo-Filme diese typischen Merkmale (über die keinerlei Dissens besteht) oft, häufig, in der Regel aufweisen. Im Klartext: Sie können in beliebiger Anzahl vorhanden sein, müssen aber nicht zwingend.

Ich würde mich dann eben nicht hinstellen, wie Cäsar den Daumen heben oder senken und sagen: "Hier ist nur eins von sieben Merkmalen erfüllt; das kann kein Giallo sein." Solche Klassifizierungen anhand einer Strichliste von potentiellen, keinesfalls aber verpflichtenden Indizien sind eben individuelle und für meine persönlichen Begriffe - ich muss es so deutlich sagen - kleinkarierte Auslegungen einer breiter gefassten Definition, die den Sachgehalt der Definition von "sie beinhalten oft ..." in "sie müssen verfügen über ..." ändern. So beraubt man den Zuschauer der Verpflichtung, sich ein wirklich mündiges Urteil zu bilden, das vielmehr durch die Rezeption des Gesamteindrucks unter maßvoller Berücksichtigung von Genremerkmalen und Produktionshintergründen entsteht.

Grabert Offline



Beiträge: 257

27.08.2018 15:17
#13 RE: Die Waffe, die Stunde, das Motiv (1972) Zitat · Antworten

Eine Definition (Begriffsinhalt, Sinn, Konnotation) umfasst u.a. die Menge der Merkmale, die gegeben sein müssen, damit Objekte (z.B. Filme) mit dem Ausdruck bezeichnet werden können. Es ist doch völlig legitim zu diskutieren, ob ein Objekt diese Kriterien erfüllt oder nicht und damit zu prüfen, ob eine Einstufung gerechtfertigt ist. Dies dann als "kleinkariert" zu bezeichnen ist eine Herabwürdigung eines diskussionswürdigen Beitrags. Niemand beraubt übrigens damit den Anderen sich selbst über diese Klassifizierung ein eigenes Urteil zu bilden und sachlich die Definitionsmerkmale zu diskutieren.
Unterstellungen, hier im Forum würden es einige mit dem Lesen von Texten nicht genau nehmen, man selbst aber wohl, sind einer sachlichen Diskussion kaum dienlich.

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