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Dieses Thema hat 10 Antworten
und wurde 3.141 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Georg Offline




Beiträge: 3.263

09.12.2011 22:12
Bewertet: Hansjörg-Martin-Verfilmungen (Straßenfeger-Box 40 et al.) Zitat · Antworten

Da ja nun mit der Straßenfeger-Box Nr. 40 eine Edition erscheint, die vier – sehr sehenswerte – TV-Krimis enthält, die auf Werken von Hansjörg Martin beruhen, hier ein geeigneter Thread zur Diskussion über diese und andere Verfilmungen.

Ein kurzer Überblick über die Filme und Verlinkungen dazu.
Über die Filme in der Box habe ich mich schon ausführlich auf meiner Homepage geäußert, weshalb ich diese Kritiken hier nicht wiederholen will.

Einer fehlt beim Kurkonzert (1968)
Gefährliche Neugier (1970)
Nerze nachts am Straßenrand (1973)
Bei Westwind hört man keinen Schuß (1976)

Sowie weitere TV-Produktionen wie
Tatort: Der Fall Geisterbahn(1973)
Hamburg Transit: Überfall auf den Baron

Ein Kinofilm sei hier aber dennoch von mir besprochen. Er befindet sich als Bonus in der DVD-Edition der Straßenfeger und dürfte den meisten hier trotz seiner teilweise recht prominenten Besetzung bisher völlig unbekannt gewesen sein:

Tamara
Kriminalfilm, BRD 1968

In einem Zugabteil findet der Journalist Hans Obuch ein totes Mädchen. War es Selbstmord? Der herbeigerufene Arzt glaubt dies, Obuch jedoch nicht. Er geht der Sache nach, trifft auf einen Schnapsfabrikanten und dessen Sohn und sucht den Mann auf, der das Mädchen gemalt hat. Wenig später ist auch dieser tot ...

Tamara basiert auf dem Kriminalroman Kein Schnaps für Tamara von Hansjörg Martin, der hier selbst in einer Nebenrolle zu sehen ist. Regisseur Hansjürgen Pohland als Vertreter des Neuen Deutschen Films lässt zwischendurch immer wieder vergessen, dass es sich um einen Kriminalfilm handelt. Er dreht einen Spielfilm mit viel – sehr viel – ostfriesischem Lokalkolorit (zwischendurch wurde ich irgendwie immer wieder an Bilder aus Otto-Der Außerfriesische erinnert: die Deiche, der Leuchtturm ...) und interessiert sich mehr für die Menschen, ungewöhnliche Inszenierung und seltsame Kamerafahrten. Der Film hat aber was, das kann man nicht leugnen. Interessant ist, dass er – wie wir am Ende durch einen Off-Sprecher erfahren – auf einem realen Fall beruht, der unaufgeklärt blieb. Immerhin erfahren die Zuseher im Film, wie‘s (ungefähr) war. Eine ungewöhnliche aber ebenso furchtbare Auflösung gesellt sich hinzu. Sehr schön inszeniert wurden auch die Szenen am Schluss im herbstlichen Moor. Als Schnapsfabrikant ist Wolfgang Preiss zu sehen, als dessen Frau Barbara Rütting und Rolf Zacher gibt deren Sohn. Hans-Peter Hallwachs spielt einen desertierten Fremdenlegionär. Wunderbar ist Willi Rose als Kommissar, der in derartigen Rollen leider viel zu selten zu sehen war. Ein Jahr zuvor durfte er schon den sympathischen Hauptkommissar Ketterle im spannenden Krimizweiteiler Der dritte Handschuh spielen und war dem Publikum bestens aus der liebenswerten Vorabendserie Jedermannstraße 11 oder aus dem Henry-Kolarz/Helmuth-Ashley-Mehrteiler Das Millionending bekannt.
Zur DVD: Der Film ist als Bonus auf der DVD von Bei Westwind hört man keinen Schuß enthalten und liegt leider nur in sehr mäßiger Qualität vor. Es handelt sich dabei wohl nur um die Überspielung einer Videoaufnahme auf DVD. Trotzdem schön, diese Produktion mal zu Gesicht bekommen zu haben!
Fazit: Tamara zählt sicherlich zu den wenig bekannten deutschen Kriminalfilmen jener Zeit und will sich auch gar nicht mit den anderen dieses Genres messen. Ein interessanter Versuch einen „Neuen Deutschen Krimi“ zu inszenieren.

Drehbuch, Produktion, Regie: Hansjürgen Pohland nach dem rororo-Thriller „Kein Schnaps für Tamara“ von Hansjörg Martin, Kamera: Robert van Ackeren, Musik: Attila Zoller
Darsteller: Petrus Schloemp, Hansi Linder, Wolfgang Preiss, Barbara Rütting, Rolf Zacher, Hans-Peter Hallwachs, Willi Rose, Hansjörg Martin u. v. a.

Jack_the_Ripper Offline




Beiträge: 388

11.12.2011 11:35
#2 RE: Bewertet: Hansjörg-Martin-Verfilmungen (Straßenfeger-Box 40 et al.) Zitat · Antworten

Angeregt durch Georgs vorzügliche, fundierte Aufarbeitung des Tatorts der 70er-Jahre bin ich zuletzt ebenfalls in Versuchung geraten, mir einige der alten Geschichten wieder anzusehen:

Das Zittern der Tenöre (Tatort 125, 31. Mai 1981)

Anfang der 80er-Jahre geriet der Tatort in einer Krise, altgediente Ermittler gingen in den „Ruhestand“, Nachfolger und neue Ideen schienen Mangelware. Auch diese Folge, viel mehr behäbiges Kleinstadtdrama um die Angst einiger Honoratioren vor dem Inhalt eines Koffers aus der Nazizeit denn Krimi, trug damals wohl zu dieser Endzeitstimmung bei, vermag jedoch beim heutigen Wiedersehen vor allem durch die großartigen Darsteller und viel lokale Authentizität einer winterlichen norddeutschen Kleinstadt recht gut zu unterhalten. Trotzdem bleibt Hansjörg Martins Drehbuch oberflächlich, neigt zu einer teilweise fast komödiantischen Vereinfachung, funktioniert weder als Auseinandersetzung mit der braunen Vergangenheit noch als Krimi. Der Todesfall ist ein Unfall, der Kommissar tritt nach mehr als einer Dreiviertelstunde und dabei Undercover in Erscheinung, wirkliche Ermittlungen finden kaum statt und die Auflösung bzw. Erlösung der nervösen Herren verläuft mit einer amüsierten Glattheit, die der Ernsthaftigkeit des Themas kaum gerecht wird, die nicht unberechtigten Ängste der Protagonisten fast ad absurdum führt. Wäre man hier etwas mutiger und konsequenter zu Werke geschritten hätte in Kombination mit der gelungenen Kleinstadtcharakterisierung eine sehr gute Folge entstehen können. Die ganze Geschichte durchzieht eine Art musikalischer Grundton: von den unermüdlich übenden Chormitgliedern über die modernen Klänge der Jugendband bis hin zum vorsingenden Kommissar und dem Blasmusikgedudel des örtlichen Musikvereins, der gerade 100-Jahr-Jubiläum feiert - man hat das Gefühl, dauernd wird ein Liedchen angestimmt (nachts und mit entsprechender alkoholischer Schmierung gern auch die "alten Lieder") oder ein Instrument zur Hand genommen.

Bedauerlich, dass Erik Schumanns einziger Auftritt als Tatort-Kommissar so wenig Herausforderung und Raum zur Entfaltung bot, dabei wäre er mit seiner freundlichen, ruhigen, verständnisvollen Art durchaus als Serien-Ermittler geeignet gewesen, „Kommissar Gerber“ Heinz Schimmelpfennig feiert als schürzen- und kofferjagender Wirt sein Tatort-„Comeback“, für weitere kleinbürgerliche Glaubwürdigkeit sorgen Paul Edwin Roth als Lehrer in Nöten und mit Eva Ingeborg Scholz als ausgleichender Ehefrau, Hans Hessling als vornehmer Apotheker, Karin von Wangenheim als dessen ehrgeizige Tochter, Udo Thomer als dicklicher LKW-Fahrer unter der Fuchtel seiner überfürsorglichen Mutter Elisabeth Wiedemann und Georg Lehn als trinkfester Rentner, der mit dem Kofferfund unbeabsichtigt das Geschehen ins Rollen bringt.

Grabert Offline



Beiträge: 257

08.02.2012 11:03
#3 RE: Bewertet: Hansjörg-Martin-Verfilmungen (Straßenfeger-Box 40 et al.) Zitat · Antworten

Von Georg

Zitat
Regisseur Hansjürgen Pohland als Vertreter des Neuen Deutschen Films lässt zwischendurch immer wieder vergessen, dass es sich um einen Kriminalfilm handelt. Er dreht einen Spielfilm mit viel – sehr viel – ostfriesischem Lokalkolorit (zwischendurch wurde ich irgendwie immer wieder an Bilder aus Otto-Der Außerfriesische erinnert: die Deiche, der Leuchtturm ...) und interessiert sich mehr für die Menschen, ungewöhnliche Inszenierung und seltsame Kamerafahrten. (...)Fazit: Tamara zählt sicherlich zu den wenig bekannten deutschen Kriminalfilmen jener Zeit und will sich auch gar nicht mit den anderen dieses Genres messen.


Pohland war seiner Zeit etwas voraus, der Film erinnert von seiner Inszenierung her sehr an die frühen siebziger Jahre. Georg ist völlig zuzustimmen: Es ist eine interessante Kombination aus bebildertem Kriminalfall, der Menschen und Landschaften Ostfrieslands eindringlich zeigt, ein wenig Sozialkritik und dann auch verfremdete Elemente von Liebes- und Heimatfilm aufnimmt, nur eben ungewöhnlich zusammengestellt und inszeniert; der künstlerische Anspruch Pohlands ist nicht zu übersehen. Wolfgang Petersens spätere Tatorte mit Klaus Schwarzkopf fangen ebenso Menschen und Landschaften des Nordens ein, wenn auch bei ihm die Schleswig-Holsteins. Für Freunde des Genre Krimi ist der Film sicher gewöhnungsbedürftig, aber durchaus ein ungewöhnliches Erlebnis. Hansjörg Martin spielt übrigens einen Lokaljournalisten. Wolfgang Preiss und Barbara Rütting sind eher in Nebenrollen in der zweiten Hälfte des Films zu sehen.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

08.02.2012 16:26
#4 RE: Bewertet: Hansjörg-Martin-Verfilmungen (Straßenfeger-Box 40 et al.) Zitat · Antworten

Zitat von Grabert
der künstlerische Anspruch Pohlands ist nicht zu übersehen. Wolfgang Petersens spätere Tatorte mit Klaus Schwarzkopf fangen ebenso Menschen und Landschaften des Nordens ein, wenn auch bei ihm die Schleswig-Holstein


Ja, ein schöner Vergleich, Grabert. Daran hatte ich beim FSehen gar nicht gedacht. Aber natürlich ist er naheliegend. Die Szenen im Moor am Ende des Films halte ich für besonders gelungen, auch und vor allem bildgestalterisch. Ein Film, auf den man sich einlassen kann!

Mark Paxton Offline




Beiträge: 347

06.03.2013 18:24
#5 RE: Bewertet: Hansjörg-Martin-Verfilmungen (Straßenfeger-Box 40 et al.) Zitat · Antworten

Nun habe ich mir aus der Martin-Box auch Tamara angesehen und war von der Machart eigentlich ganz angetan. Im Vergleich zu dem Märchen-, Action- und Fernostkrimis, die damals in Deutschland produziert wurden, einer der wenigen Versuche, einen DEUTSCHEN Kriminalfilm zu drehen, der sich bewusst nicht an dem bewährten Muster orientiert und der das Lokalkolorit (ich finde, Grabert beschreibt das sehr schön) gut nutzt. Toll, dass dieser Film, der wohl nur in bescheidener Qualität überliefert ist, als Bonus mit auf der Box ist. Pohland, damals ein junger Regisseur, orientiert sich in seinem Realismus wohl auch an "Kollegen" des französischen Films und versucht sich in einer originellen Bildsprache. Dass da auch noch Wolfgang Preiss und Barbara Rütting Platz gefunden haben, erfreut einen noch zusätzlich. Für mich ein Geheimtipp.

Joe Walker Offline




Beiträge: 755

19.05.2014 09:50
#6 RE: Bewertet: Hansjörg-Martin-Verfilmungen (Straßenfeger-Box 40 et al.) Zitat · Antworten

Weil der wunderbare Regisseur Hansjürgen Pohland hier im Thread Erwähnung fand, informiere ich in diesem Zusammenhang über traurige News:

http://www.dw.de/hansj%C3%BCrgen-pohland...rben/a-17643793

http://www.ad-hoc-news.de/regisseur-hans...e/News/37031444

http://orf.at/stories/2230398/

http://www.zeit.de/news/2014-05/17/deuts...torben-17234003

Da Pohlands Filmografie bisher nicht besonders gut ins digitale Zeitalter transferiert wurde ("Tamara" ist die Ausnahme, den Rest gibt es afaik nur auf VHS oder gar nicht), sei zumindest noch auf zwei Soundtrack-Veröffentlichungen zu seinen Filmen hingewiesen, die in enger Zusammenarbeit mit ihm entstanden und Jazzmusik von zeitloser Schönheit präsentieren:

Musik aus "Schatten", "Max Knaack" und "Tobby" von Manfred Burzlaff & Tobias 'Toby' Fichelscher: http://www.sonorama.de/index.php?section...ting_The_Bongos

Musik aus "Das Brot der frühen Jahre", "Katz und Maus" und eben dem hier besprochenen "Tamara" von Attila Zoller: http://www.sonorama.de/index.php?section...azz-Soundtracks

Gruß
Joe Walker

Jan Offline




Beiträge: 1.753

06.12.2016 22:32
#7 RE: Bewertet: Hansjörg-Martin-Verfilmungen (Straßenfeger-Box 40 et al.) Zitat · Antworten

Nerze nachts am Straßenrand
TV-Kriminalfilm, BRD 1973 (EA: 24.08.1973, ZDF) · Darsteller: Peter Eschberg, Herbert Steinmetz, Ruth Hausmeister, Jochen Busse, Hermann Lenschau, Witta Pohl, Klaus Herm, Walter Jockisch, uvm. · Buch: Bruno Hampel frei nach dem Roman "Feuer auf mein Haupt" von Hansjörg Martin · Kamera: Gero Erhardt und Uwe Bauer · Musik: Konserve (u.a. aus "Fluchtweg St. Pauli - Großalarm für die Davidswache" sowie "Mama Loo" von den Les Humphries Singers) · Produktion: Televersal Hamburg, Heinz Kuntze-Just
Regie:
Wolfgang Staudte

Inhalt:
Kriminalkommissar Heinz Ebeling (Eschberg) bleibt kurz vor Hannover mit defektem Auto liegen. Hilfesuchend auf dem Weg ins nächste Dorf laufend, stolpert Ebeling über am Straßenrand liegende Nerzfelle und bekommt umgehend eins mit dem Knüppel über den Schädel. Schnell ist der schlecht bleumundete Hotte als Schläger ermittelt. Als am Tage darauf jedoch Hottes Onkel (Steinmetz) durch einen Schuss getötet wird, fahndet die Polizei nicht nur wegen Hehlerei und Körperverletzung nach dem flüchtigen Hotte, sondern auch wegen Mordes. Doch Ebeling ist von Hottes Schuld am Tode seines Onkels nicht überzeugt und ermittelt auf eigene Faust.

Kurzbewertung:
Überraschend wenig Esprit bringt der Film von den beiden Krimi-Urgesteinen Bruno Hampel und Wolfgang Staudte mit sich. Gerade im Vergleich zu den zeitgleich entstandenen und enorm erfolgreichen Wolfgang-Petersen-Tatorten um Kommissar Finke, die in ganz ähnlichen Regionen spielen, fällt Staudtes Film vor allem aufgrund von Mängeln bei der Umsetzung des für eine derartige Story so wichtigen Lokalcholorits ab. Staudte gelingt es leider nicht, Land und Leute als Bestandteil der Handlung zu verwenden. Vielmehr scheint es so, als habe sich der Regisseur im Wesentlichen mit dem Abfilmen der recht konservativen und ein wenig vorhersehbaren Geschichte begnügt und für die ländliche Umgebung nur wenig Begeisterung aufgebracht.

Als angenehme Abwechslung kann es dem versierten Durbridge-Kenner erscheinen, hier den ansonsten eher im gegenteiligen Rollenfach engagierten Peter Eschberg einmal in einer Ermittlerrolle zu sehen. Eschberg und das Ermittler-Fach passen dabei bestens zusammen. Schade nur, dass ihm das Buch nur wenig Gelegenheit gibt, eine harte Nuss zu knacken. Anstatt dessen ermittelt der gebürtige Österreicher eher im seichten Gewässer, bleibt dabei aber stets jovial und gewohnt charmant.

An der Kamera stand Gero Erhardt, der sich streckenweise an der Handkamera ausprobierte und manches recht hübsch verwackelte. Dem gegenüber stehen einige - im Atelier entstandene - Einstellungen typischen Staudte-Zuschnitts. Wie auch im "Kommissar" bzw. im "Tatort" ließ Staudte z.T. bodennah mit leicht nach oben angewinkelter Kamera filmen, Schatten oder Deckenmuster formen sich zu Gitterlinien an der eigens eingezogenen Studiodecke.

Fazit:
In der Tat kaum besonders ambitionierte Krimikost, wie man sie hinsichtlich Story und Inszenierung auch heute noch mehrmals wöchentlich im Fernsehen bei aktuellen TV-Krimis zu sehen bekommt. 3 von 5 Punkten.

Gruß
Jan

Jan Offline




Beiträge: 1.753

13.02.2017 12:02
#8 RE: Bewertet: Hansjörg-Martin-Verfilmungen (Straßenfeger-Box 40 et al.) Zitat · Antworten

Gefährliche Neugier
TV-Kriminalfilm, BRD 1970 (EA: 08.02.1970, ZDF) · Darsteller: Claus Biederstaedt, Günter Strack, Elisabeth Wiedemann, Angela Winkler, Ursula Herking, Erna Sellmer, Hans-Karl Friedrich, Hans Martin sowie als Gäste Friedrich Luft, Hans Dieter Schwarze und Hansjörg Martin, uvm. · Buch: Hansjörg Martin, Hans Dieter Schwarze und Karin von Wagenheim nach einem Roman von Hansjörg Martin · Kamera: Götz Neumann · Musik: Heinrich Huber · Produktion: TV 60 Münschen
Regie:
Hans Dieter Schwarze

Inhalt:
Bühnenbildner Jost Zieball (Biederstaedt) zieht als Teil einer Wanderbühne durch die Lande. Eines Tages wird Zieballs Freund, der Schauspieler Pohl, im Tourbus aufgefunden - erdrosselt von einem Unbekannten. Zieball, der sich zur Aufgabe gemacht hat, den Mörder zur Strecke zu bringen, gerät alsbald selbst ins Visier des Mörders, der nicht davor zurückschreckt, vier weitere Personen ins Jenseits zu befördern, um unerkannt zu bleiben. Nach einem Mordanschlag, den Zieball gerade eben überlebt, kommt er dem Hintermann langsam aber sicher immer näher, ehe er ihn mit Hilfe der Polizei und seiner Freundin Gisela (Winkler) zur Strecke bringen kann.

Kurzbewertung:
Die Kombination aus einer bestechend brillanten Darstellerriege, einer durchaus mit Potential belegten Handlung und einer unfähigen Regie trägt die hier vorliegende Hansjörg-Martin-Verfilmung "Gefährliche Neugier" so deutlich zu Markte wie nur wenig vergleichbar angelegte TV-Krimis zuvor oder danach. Redlich mühen sich vor allem der smarte Claus Biederstaedt, der kumpelige Günter Strack und die aparte Angela Winkler um Profil, wo Regisseur Hans Dieter Schwarze jeglicher Überblick über Charakterzeichnung und profilierte Inszenierung verlorengegangen zu sein scheint. Schwarze gelingt es nicht einmal, der Geschichte einen räumlichen Anker zu verpassen, der Rückschlüsse darauf ziehen ließe, wo sich das Geschehen zu welcher Zeit nun gerade abspielt. Einigermaßen lächerliche Auto-Kennzeichen aus der Abteilung "fantasielos" sollen einen konkreten Handlungsort verschleiern, eine kleine Kneipe liegt offenbar direkt innerhalb eines durchaus großen Theatergebäudes (die gespielte Musik erlaubt einen solchen Rückschluss) und die weiteren Handlungsorte wechseln wild und häufig - gerade so, als habe man eben dort gedreht, wo man gerade war.

Dem Film den Garaus macht Hans Dieter Schwarze höchst persönlich dann in Spielminute 30. Ohne jede Hemmung ruiniert der Regisseur seinen eigenen Whodunit dadurch, dass er den Täter bei Jost Zieball anrufen lässt, die Stimme nicht verfremdet und somit der eigenen Dramaturgie einen Dolchstoß versetzt. Die verbleibende Stunde darf der Zuschauer dann dabei zusehen, wie Claus Biederstaedt einem Phantom nachjagt, das keines mehr ist. Das daraufhin einsetzende Gemetzel an unterschiedlichen Personen verkommt zur bloßen Makulatur.

Was übrig bleibt, retten Darsteller und Kameramann: Der finale Showdown ist hervorragend gespielt, schön fotografiert und beleuchtet. Des weiteren interessant: Theaterkritiker Friedrich Luft und Autor Hansjörg Martin treten in kleinen Gastrollen auf. Schwarze selbst versucht sich als Intendant in einer entbehrlichen Rolle. Der heute durchaus bekannte Schauspieler Dietrich Hollinderbäumer ("Papa Pastewka") ist hier in einer kleinen Nebenrolle als Dietrich Hollinder zu sehen.

Fazit:
Eine Story mit vielen Möglichkeiten, ein toller Cast und ein Regisseur, der zum Teufel geschickt gehört! Mehr als 2 von 5 Punkten sind leider angesichts dieser Inszenierung nicht drin. Schade eigentlich.

Gruß
Jan

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

13.02.2017 14:02
#9 RE: Bewertet: Hansjörg-Martin-Verfilmungen (Straßenfeger-Box 40 et al.) Zitat · Antworten

Ich kann mich auch noch daran erinnern, wie enttäuscht ich nach dem Kauf der Hansjörg-Martin-Box, der wegen "Einer fehlt beim Kurkonzert" mit hohen Erwartungen verbunden war, von "Gefährliche Neugier" war. Obwohl die Besetzung viel versprechen ließ, stellte sich die Angelegenheit doch als überaus zäh heraus - kein Vergleich zur beschwingten, locker-ironischen Roland-Machart. Es ist nun schon eine ganze Weile her, dass ich die Box durchgeschaut hatte, aber "Einer fehlt" war wirklich der große Anfangserfolg, an den keine der Fortsetzungen mehr so recht anknüpfen konnte.

Ray Offline



Beiträge: 1.931

09.01.2018 18:14
#10 RE: Bewertet: Hansjörg-Martin-Verfilmungen (Straßenfeger-Box 40 et al.) Zitat · Antworten

Habe nun auch die Straßenfeger-Box Nummer 40 gesichtet, welche vier TV-Filme und als Bonus einen Kinofilm basierend auf Romanen von Hansjörg Martin enthält. Nachfolgend kurze Rezensionen zu den Filmen.


Einer fehlt beim Kurkonzert (BRD 1968)

Regie: Jürgen Roland

Darsteller: Hans Putz, Lale Andersen, Karin Hardt, Ulrich Beiger, Anita Höfer, Carsta Löck, Jana Novaková, Hela Gruel, Ralf Wolter u.a.



Auf der Insel Langeney wird ein reicher Playboy, der sich zu Lebzeiten nicht wenige Feinde gemacht hat, tot aufgefunden. Der als Urlaubsgast in der gleichen Pension abgestiegene Oberkommissar Klipp übernimmt einstweilen die Ermittlungen, bis die nächste Ploizeiwache vom Festland angereist ist...

Der erste dieser TV-Filme nach Hansjörg Martin ist auch zugleich der beste. Jürgen Roland legt eine ironisch angelegte Einführung vor und liefert in der Folge einen schön atmosphärischen Kriminalfall, der an manche gelungene "Stahlnetz"-Folgen in Urlaubsgegenden ("Saison", "Strandkorb 421") erinnert. Im Booklet erfährt man, dass die sympathische Darstellerin Jana Novaková, die hier als "love interest" für den Oberkommissar fungiert, noch vor Ausstrahlung im Alter von nur 20 Jahren von ihrem eifersüchtigen Ehemann getötet wurde.

Wertung: 4 von 5 Punkten



Gefährliche Neugier (BRD 1970)

Regie: Hans Dieter Schwarze

Darsteller: Claus Biederstaedt, Angela Winkler, Günther Strack, Elisabeth Wiedemann u.a.



Ein Schauspieler einer Wanderbühne wird im Bus schlafend erdrosselt, während seine Kollegen im Theater noch eine Podiumsdiskussion führen. Jost Ziball (Claus Biederstaedt), Freund des Ermordeten, wähnt die Polizei auf der falschen Spur und stellt eigene Ermittlungen an...

Durchaus spannender Krimi mit dem sympathischen Claus Biederstaedt in einer interessanten Rolle. Möglicherweise war ich nicht aufmerksam genug, aber ich habe die Stimme des Täters im Gegensatz zu meinem Vorredner nicht identifiziert, war aber trotzdem auf der richtigen Spur, so groß ist die Auswahl an Verdächtigen ja ohnehin nicht. Zwischendrin gibt es die ein oder andere Länge, dann zieht der Film aber nochmal an und zeigt ein paar heimtückisch ausgeführte Morde.

Wertung: 3,5 von 5 Punkten.



Nerze nachts am Straßenrand (BRD 1973)

Regie: Wolfgang Staudte

Darsteller: Peter Eschberg, Herbert Steinmetz, Ruth Hausmeister, Jochen Busse u.a.



Auf dem Weg von Frankfurt in Richtung Norden zerstört ein Stein die Windschutzscheibe des Wagens des Kriminalbeamten Heinz Ebeling. Er macht sich zu Fuß auf ins nächstgelegene Dorf, um dort eine Werkstatt aufzusuchen. Bei einer Abkürzung durch den Wald findet er ein paar Nerzfälle und wird im nächsten Moment von hinten niedergeschlagen. Nachdem er wieder auf die Beine gekommen ist, nimmt er sich in einem Gasthaus ein Zimmer und lernt Leute aus dem Dorf kennen. Am nächsten Tag wird Ebeling Zeuge eines Mordes, ohne dabei den Täter zu erkennen. Ebeling macht sich an die Ermittlungen in einem Dorf, für das sonst nur ein Dorfpolizist zuständig ist. An krimineller Energie scheint es allerdings trotzdem (oder gerade deshalb?) nicht zu mangeln...

Auf diesen Kriminalfilm habe ich mich aufgrund des Umstandes, dass hier der sonst leider nur selten zu sehene Peter Eschberg ("Wie ein Blitz") eine Hauptrolle inne hat, besonders gefreut. Er ist letztlich auch der einzige Grund, der sich anführen lässt, um den Film als noch sehenswert zu bezeichnen. Denn die Mordgeschichte kommt nur schwerlich in die Gänge. Zu lange widmet sich die Regie dem Dorf und seinen Mitbewohnern. Der Fall selbst gibt nur sehr wenig her, die Auflösung ist vorhersehar.

Wertung: Noch 3 von 5 Punkten



Bei Westwind hört man keinen Schuss (BRD 1976)

Regie: Sepp Strubel

Darsteller: Wolfgang Kieling, Siegfried Wischnewski, Ernst Fritz Fürbringer, Manfred Seipold, Frederike Frei u.a.



Eine Gruppe von Reportern reist auf die Insel Mellogg, die nur von einem Inselvogt und seiner Tochter bewohnt wird, um eine Dokumentation über das Brutverhalten von Möwen zu drehen. Alsbald reißen sich die Mitglieder der Crew um die Tochter des Inselvogts, die die Chance auf männliche Bekanntschaften nur zu gerne beim Schopfe ergreift. Nach zwei unaufgeklärten Vorfällen, bei denen die Betroffenen beinahe oder leicht von einem Schuss getroffen werden, wird wenig später einer der Crewmitglieder, der um die Tochter des Inselvogts warb, getötet...

Trotz der kurzen Lauflänge von nur knapp 60 Minuten und der den Namen nach sehr ordentlichen Besetzung sorgt die ziemlich belanglose Story über weite Strecken für ausgesprochene Langeweile. Auch hier ist die Frage nach dem Täter im Übrigen nicht allzu schwer zu beantworten.

Wertung: 2 von 5 Punkten



Tamara (BRD 1968)

Regie: Hansjürgen Pohland

Darsteller: Petrus Schloemp, Wolfgang Preiss, Barbara Rütting, Hansi Linder, Hans-Peter Hallwachs, Willi Rose, Rolf Zacher u.a.



Auf einer Zugfahrt von Norden nach Hamburg findet der Werbeexperte Hans Obuch eine junge Frau tot im Abteil. Ergriffen von ihrem Schicksal und der ungeklärten Frage, ob es sich um Selbstmord oder eine Tötung durch einen Dritten handelt, stellt Obuch eigene Ermittlungen an. Dabei stößt er schnell auf die einflussreiche Familie Bricks, die insbesondere vertreten durch ihr Oberhaupt (Wolfgang Preiss) Obuchs Nachforschungen immer wieder behindert...

Dieser Kinofilm nach Hansjörg Martin, der als Bonus der DVD-Box beiliegt, wird leider in nur sehr bescheidener Qualität präsentiert. Ansonsten handelt es sich aber um den vielleicht interessantesten Film der Box, jedenfalls steht er qualitativ auf einer Stufe mit "Einer fehlt beim Kurkonzert". Dafür sorgt schon die diesmal wirklich interessante Story, die schnell Vermutungen aufkommen lässt und trotzdem im Finale überraschen kann. Außerdem ist die Inszenierung Hansjürgen Pohlands sehr ambitioniert und weicht deutlich vom Standard der 1960er ab. In gewisser Weise erinnert sie an Arbeiten Will Trempers. Pohland interessieren die Figuren und das, was abseits des Kriminalfalles passiert, mindestens ebenso wie der Fall selbst. So zeigt er Obuch und seine Urlaubs-Liebschaft Kora (Hansi Linder) minutenlang (splitternackt) im Wasser plantschend oder im Wald turtelnd. Interessante Kamerafahrten werden ebenso eingestreut. On top gibt es kleine, aber feine Auftritte von Wolfgang Preiss und Barbara Rütting.


Wertung: 4 von 5 Punkten


Alles in allem ist die Hansjörg Martin-Box bei etwas herabgesenkter Erwartungshaltung und entsprechendem Preis - insbesondere wegen "Einer fehlt beim Kurkonzert" und "Tamara" - durchaus einen Blick/Kauf wert.

Mr Keeney Offline




Beiträge: 1.365

12.05.2023 11:01
#11 RE: Bewertet: Hansjörg-Martin-Verfilmungen (Straßenfeger-Box 40 et al.) Zitat · Antworten

Zitat von Jack_the_Ripper im Beitrag #2
Angeregt durch Georgs vorzügliche, fundierte Aufarbeitung des Tatorts der 70er-Jahre bin ich zuletzt ebenfalls in Versuchung geraten, mir einige der alten Geschichten wieder anzusehen:

Das Zittern der Tenöre (Tatort 125, 31. Mai 1981)

Anfang der 80er-Jahre geriet der Tatort in einer Krise, altgediente Ermittler gingen in den „Ruhestand“, Nachfolger und neue Ideen schienen Mangelware. Auch diese Folge, viel mehr behäbiges Kleinstadtdrama um die Angst einiger Honoratioren vor dem Inhalt eines Koffers aus der Nazizeit denn Krimi, trug damals wohl zu dieser Endzeitstimmung bei, vermag jedoch beim heutigen Wiedersehen vor allem durch die großartigen Darsteller und viel lokale Authentizität einer winterlichen norddeutschen Kleinstadt recht gut zu unterhalten. Trotzdem bleibt Hansjörg Martins Drehbuch oberflächlich, neigt zu einer teilweise fast komödiantischen Vereinfachung, funktioniert weder als Auseinandersetzung mit der braunen Vergangenheit noch als Krimi. Der Todesfall ist ein Unfall, der Kommissar tritt nach mehr als einer Dreiviertelstunde und dabei Undercover in Erscheinung, wirkliche Ermittlungen finden kaum statt und die Auflösung bzw. Erlösung der nervösen Herren verläuft mit einer amüsierten Glattheit, die der Ernsthaftigkeit des Themas kaum gerecht wird, die nicht unberechtigten Ängste der Protagonisten fast ad absurdum führt. Wäre man hier etwas mutiger und konsequenter zu Werke geschritten hätte in Kombination mit der gelungenen Kleinstadtcharakterisierung eine sehr gute Folge entstehen können. Die ganze Geschichte durchzieht eine Art musikalischer Grundton: von den unermüdlich übenden Chormitgliedern über die modernen Klänge der Jugendband bis hin zum vorsingenden Kommissar und dem Blasmusikgedudel des örtlichen Musikvereins, der gerade 100-Jahr-Jubiläum feiert - man hat das Gefühl, dauernd wird ein Liedchen angestimmt (nachts und mit entsprechender alkoholischer Schmierung gern auch die "alten Lieder") oder ein Instrument zur Hand genommen.

Bedauerlich, dass Erik Schumanns einziger Auftritt als Tatort-Kommissar so wenig Herausforderung und Raum zur Entfaltung bot, dabei wäre er mit seiner freundlichen, ruhigen, verständnisvollen Art durchaus als Serien-Ermittler geeignet gewesen, „Kommissar Gerber“ Heinz Schimmelpfennig feiert als schürzen- und kofferjagender Wirt sein Tatort-„Comeback“, für weitere kleinbürgerliche Glaubwürdigkeit sorgen Paul Edwin Roth als Lehrer in Nöten und mit Eva Ingeborg Scholz als ausgleichender Ehefrau, Hans Hessling als vornehmer Apotheker, Karin von Wangenheim als dessen ehrgeizige Tochter, Udo Thomer als dicklicher LKW-Fahrer unter der Fuchtel seiner überfürsorglichen Mutter Elisabeth Wiedemann und Georg Lehn als trinkfester Rentner, der mit dem Kofferfund unbeabsichtigt das Geschehen ins Rollen bringt.



Diese Perle ist zu meiner Überraschung tatsächlich nach der Ausstrahlung am Dienstag derzeit in der ARD Mediathek abrufbar. Zumeist werden ja solche älteren Tatort-Exoten allerhöchstens mal zu später Stunde versendet und sind danach meist nicht dort hinterlegt. Ich kann den Film nur empfehlen: als Krimi mag er eher mau sein, doch letzten Endes ist der geschilderte Verlauf wohl deutlich realitätsnäher als viele der konstruierten Geschichten in anderen Fernsehspielen. Als wirklich treffsichere und glänzend besetzte (vor allem freute ich mich über den viel zu selten zu sehenden "Hesselbach" Joost Siedhoff) Zeit- und Milieuschilderung empfinde ich den Film aber als überaus gelungen.

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