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Dieses Thema hat 41 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Georg Offline




Beiträge: 3.263

07.12.2011 17:00
Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

Paul Trimmel war eine Romanfigur von Friedhelm Werremeier. Am 26.10.1969 lief die Romanverfilmung "Ich verkaufe mich exklusiv" unter dem Titel "Exklusiv!" in der ARD. Darin kam Trimmel geschätzte 15 Minuten vor. Da der Film erfolgreich war, plante man einen zweiten, das war "Taxi nach Leipzig". Als die ARD nach dem ZDF-"Kommissar" unter Zugzwang geriet, hob man schnell den "Tatort" aus der Taufe. Um rasch an den Start gehen zu können, brachten die verschiedenen Regionalsender bereits fertige Filme (z. B. HR: "Frankfurter Gold" mit Klaus Höhne) oder fertige Reihen (WDR: Kressin mit Sieghardt Rupp, ORF: Marek mit Fritz Eckardt) ein. Auch der NDR setzte auf Fertiges und so ging der 2. Fall für Trimmel "Taxi nach Leipzig" als erster "Tatort" der Geschichte auf Sendung. Trimmel hat daher doppelte Bedeutung für die langlebige Reihe: einerseits war er der allererste Ermittler, andererseits auch der älteste, denn der 1969 produzierte und erstgesendete Film "Exklusiv!" wurde nochmals in die Reihe als neunte Folge integriert, 1971 gesendet, und seither immer als "Tatort" wiederholt.
Paul Trimmel - von Walter Richter dargestellt - war nun gänzlich anders als bisherige Ermittlerfiguren. Er rauchte Zigarre, trank ganz schön viel, hatte die Füße auf dem Schreibtisch und war nicht gerade von feiner Art, eher ein "Walross", etwas primitiv und proletarisch, stur und eigensinnig, aber konsequent in seinen Ermittlungen. Bis 1982 brachte er es auf 11 Einsätze + 6 Gastauftritte in anderen "Tatort"en, nach seinem Abgang setzte der NDR die Trimmel-Reihe außerhalb der "Tatort"-Serie sogar fort, doch es kam nur zu zwei Folgen ohne Walter Richter, da das Publikum zu sehr die Figur des Hamburger Kommissars mit diesem Schauspieler verband.
Trimmel hätte es sogar auf mehr Einsätze gebracht, wenn nicht die niederländische Regierung zweieinhalb Jahre die Drehgenehmigung zu "Trimmel und der Tulpendieb" hinausgezögert hätte.
Folgende Filme - die alle von Friedhelm Werremeier geschrieben wurden - werde ich in den nächsten Tagen wiedersehen und besprechen:

1 | Tatort Nr. 1 | Taxi nach Leipzig | 29.11.1970 | Regie: Peter Schulze-Rohr
2 | Tatort Nr. 9 | Exklusiv! | 11.07.1971 | Regie: Peter Schulze-Rohr
3 | Tatort Nr. 10 | AE612 ohne Landeerlaubnis | 12.09.1971 | Regie: Peter Schulze-Rohr
4 | Tatort Nr. 11 | Der Richter in Weiss | 10.10.1971 | Regie: Peter Schulze-Rohr
5 | Tatort Nr. 21 | Rechnen Sie mit dem Schlimmsten | 24.09.1972 | Regie: Peter Schulze-Rohr
6 | Tatort Nr. 32 | Platzverweis für Trimmel | 19.08.1973 | Regie: Peter Schulze-Rohr
7 | Tatort Nr. 42 | Gift | 21.07.1974 | Regie: Peter Schulze-Rohr
8 | Tatort Nr. 67 | Trimmel und der Tulpendieb | 10.10.1976 | Regie: Peter Schulze-Rohr
9 | Tatort Nr. 86 | Trimmel hält ein Plädoyer | 27.03.1978 | Regie: Peter Schulze-Rohr
10 | Tatort Nr. 112 | Hände hoch, Herr Trimmel! | 04.05.1980 | Regie: Carlheinz Caspari
11 | Tatort Nr. 141 | Trimmel und Isolde | 19.09.1982 | Regie: Peter Weck

Georg Offline




Beiträge: 3.263

07.12.2011 17:16
#2 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

TATORT HAMBURG - Trimmels Fälle (1):
Taxi nach Leipzig

Erstsendung (ARD): 29.11.1970
Buch: Friedhelm Werremeier, Peter Schulze-Rohr
Regie: Peter Schulze-Rohr
Darsteller: Walter Richter, Renate Schroeter, Hans-Peter Hallwachs, Paul-Albert Krumm, Edgar Hoppe, Erwin Klietsch, Barbara Lienau, Marianne Hachfeld, Jutta Zech, Boris Mahlau, Horst Ulbricht, Harry-E. Simmon, Gerhard Hartig, Liselotte Kunze, Günter Lamprecht, Ernst Wend

In der DDR wird ein totes Kind gefunden. Die Staatsanwalt des Arbeiter- und Bauernstaates bittet die BRD um Mithilfe, da die Schuhe des Kindes aus Hamburg stammen. Doch dann wird der Antrag zurückgezogen. Hauptkommissar Trimmel interessiert sich dennoch für das tote Kind und ermittelt unerlaubterweise in der DDR ...

Der allererste "Tatort" bringt gleich einen deutsch-deutschen Kriminal(?)fall. Hauptkommissar Trimmel, der zuvor schon außerhalb der Reihe in "Exklusiv!" ein Jahr zuvor zu sehen war, wird anfangs dem Publikum nochmals vorgestellt: resolut und resch, Zigarre rauchend, die Füße auf dem Schreibtisch, abends Bier trinkend, beim Schießen am Schießstand, ein wenig als Grobian und der unteren Gesellschaftsschicht entstammend. Trimmel ist gewiss kein Intellektueller, ist eher der Handarbeiter, der sich gegen widerwärtige Verbrechen auflehnt und in diesen ermittelt. Da ist ein Kind in der Zone gefunden worden, tot. Die Schuhe, die es trug, stammen aus dem Westen. Gegen alle Vorschriften verstoßend begibt sich der sture Trimmel nach Frankfurt und ermittelt dort gegen die Regeln ohne Amtshilfe. Doch das ist erst der Anfang, er riskiert ziemlich viel, als er auf eigene Faust in die DDR einreist und dort im Überwachungsstaat gefährliche Untersuchungen durchführt. Da kann ihn auch kein Vopo schrecken, ja, er legt sich sogar mit ihm an. Dennoch erkennt man ihn in Leipzig als Westler: er grüßt eine DDR-Bürgerin mit "Freundschaft!", kann mit der Ostmark nicht richtig umgehen (siehe die Szene in der Leipziger Straßenbahn) und wird an seiner Kleidung erkannt. Dennoch hat er nur ein Ziel: den Tod eines unschuldigen Kindes aufzuklären - und dazu ist er sogar bereit, sich in höchste Schwierigkeiten zu begeben. Es geht ihn eigentlich gar nichts an, aber er sagt von sich selbst: "Ich kann tote Kinder nicht leiden!". Er muss also handeln, auch wenn es gefährlich wird.
Der Fall selbst ist eher eine tragische Familien- oder Liebesgeschichte, die von Friedhelm Werremeier und Peter Schulze-Rohr dennoch spannend und fesselnd inszeniert wurde. Großes Lob gebührt hier den Szenenbildnern und Ausstattern, die für die DDR-Szenen, die ja nicht vor Ort gedreht werden konnten, adäquate Landschaften, Straßenzüge und Häuser fanden. Zwar sieht man an einigen wenigen Stellen, dass man sich in der BRD und nicht in der DDR befindet, aber die gepflasterte Autobahn, die Fahrzeuge, die Kleidung und die Einrichtung gleichen 1:1 ihren originalen Äquivalenten, wie man sie in jener Zeit in den DDR-Krimiklassikern Polizeiruf 110 und Der Staatsanwalt hat das Wort sah. Lediglich die Schriftart der DDR-Kennzeichen passt nicht. Deutlich erkennbar ist hier der Font der westdeutschen Kennzeichen. Die Besetzung ist ebenso vorzüglich: Paul Albert Krumm, der Mann mit der heiseren Stimme, ist schon durch sein äußeres prädestiniert für undurchsichtige Rollen und daher die geeignete Besetzung für den manisch-depressiven Chemiker. Renate Schroeter als junge DDR-Bürgerin, die sich von einem Westdeutschen ein Kind andrehen lässt, ist ebenso passend wie der noch sehr junge - und später in fast jeder dritten Ringelmann-Produktion vertretene - Hans-Peter Hallwachs als Volkspolizist. Die Geschichte, die am Ende immer mehr zum spannenden erpresserischen Duell zwischen Trimmel (Richter) und dem Chemiker (Krumm) avanciert, sitzt und hebt sich deutlich von üblichen "Kommissar"-Geschichten ab. Ein ganz guter Auftakt für die Reihe!

Georg Offline




Beiträge: 3.263

07.12.2011 17:27
#3 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

TATORT HAMBURG - Trimmels Fälle (2):
Exklusiv!

Erstsendung (ARD): 11.07.1971 (eigentlich bereits am 26.10.1969 als eigenständiger TV-Film gesendet)
Buch: Friedhelm Werremeier nach seinem Roman "Ich verkaufe mich exklusiv"
Regie: Peter Schulze-Rohr
Darsteller: Walter Richter, Heinz Bennent, Wolfgang Reichmann, Heinz Schubert, Marika Mindzenty, Jürgen Schmidt, Wolf von Gersum, Sybille Bollhagen, Ilse Rehbein, Konrad Mayerhoff, Thomas Schiestl, Joachim Rolfs, Sandor Kosnar, Véronique Duval, Ingrid Goldmann-Ricard, Ingeborg Kanstein, Dènes Törzs, Claude Joudioux u. v. a.

Zum Inhalt zitiere ich meine eigene Seite, die Kritik von dort ergänze ich hier um einige Details:
Edmund Frank, Bankangestellter in Hamburg, stielt seiner Bank eine Million D-Mark. Sein Plan ist perfekt durchdacht, eine offensichtliche Flucht bringt ihn nach Paris und von Anfang an gehört dazu, dass er sich der Polizei stellt. Hinter Gittern verkauft er seine Story - zu der auch eine Tote gehört - einem "renommierten" Klatschreporter, der daraus einen Exklusivbericht erarbeitet und darin die atemberaubende Geschichte eines genialen Coups nacherzählt. Alles scheint perfekt zu laufen, doch Frank hat mit der Hinterhältigkeit mancher Leute nicht gerechnet ... (Die Krimihomepage)

In diesem erstgedrehten Trimmel-Fall bezeichnet sich der Kommissar, der leider erst nach Minute 69 auftritt und max. 15 Minuten zu sehen ist, als "alten Hasen". Dennoch wird hier schon deutlich, was später das Markenzeichen Walter Richters als Hamburger Ermittler wurde: dunkler Anzug, dunkles Hemd, schwarz-weiß gestreifte Krawatte. Im Mund eine Zigarre, im Schreibtisch eine Flasche Cognac, die er schon mal mit Verdächtigen leert. Etwas grob, wenig feinfühlig, aber ein schlitzohriger Ermittler. Dennoch steht er hier nur am Rande des Filmes, denn die eigentliche Hauptfigur ist Herr Frank, gespielt von Heinz Bennent. Der Film selbst ist als Gangsterfilm und Nachzeichnung eines genial durchdachten Verbrechens sehr interessant inszeniert. Mich hat er unwillkürlich an große französische Genrefilme erinnert. Das liegt natürlich auch an der vorzüglichen schauspielerischen Leistung des großen Heinz Bennent, der den Film fast im Alleingang trägt, die kurzen Gastspiele von Wolfgang Reichmann als profitgierigen Journalisten und Heinz Schubert als Verteidiger bereichern den Film zusätzlich. Positiv zu erwähnen bleiben die flotte, sorgfältige Inszenierung und die Dreharbeiten an Originalschauplätzen in Paris (auch wenn man hier in einer Einstellung zuerst bei Notre Dame ist und dann plötzlich am Pont Neuf, was natürlich nicht geht). Regisseur Peter Schulze-Rohr baut zudem einige amüsante Szenen ein, so etwa jene Szene, in denen der Gefängniswärter durch das Guckloch in Franks Zelle schaut, und dieser verschiedene Turnübungen macht oder tanzt oder jene Einstellung, in der Herr Frank Kommissar Trimmel um ein Glas Wasser auf Polizeikosten bittet, und Trimmel ihm einen weiteren Cognac einschenkt.
Auch wenn Trimmel hier nur Mann im Hintergrund ist, ein gelungener Film über einen genialen Coup und die letztlich über Leichen gehende Presse. Passt!

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

07.12.2011 18:39
#4 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

Ich habe zum Thema einige schöne Zitate von Knut Hickethier gefunden:

"Trimmel ist ein Hamburger Polizist mit eigentümlich berlinerndem Slang: ein Großstadt-Cop mit deutlich proletarisch-kleinbürgerlichem Habitus."

"Die Figur des Paul Trimmel weist Kanten auf. Einerseits ungeschlacht mit seinem massigen Körperbau ist er andererseits auch körperlich behände und unerwartet fit, wenn er den smarten Volkspolizisten Peter Klaus (gespielt von Hans Peter Hallwachs) niederschlägt.
Angesichts seines ungeheuren Bier-, Schnaps- und Zigarrenkonsums ist dies eine phänomenale Leistung."

"Bodenständig, realitätsnah, volksverbunden wirkt er. Der proletarische Habitus wird durch das breite, immer unrasiert dunkel wirkende Gesicht verstärkt. Die buschigen schwarzen Augenbrauen, das dunkle, strähnig nach hinten gestrichene Haar, in dem es trotz des Alters noch keine weißen Haare gibt, unterstützen den Eindruck eines Typus."

"Trimmel ermittelte nicht aufgrund von Spezialkenntnissen, sondern auf der Basis des "gesunden Menschenverstandes", er entwickelte eine Art schlitzohrige Bauernschläue, um mit der gespielten Naivität des "kleinen Mannes" die Täter erst in Sicherheit zu wiegen und sie dann doch noch zu stellen."

Ganz persönlich empfinde ich Trimmels sanfte Äußerung gegenüber Peter Klaus in "Taxi nach Leipzig", als dieser seine Dienstwaffe ziehen will ("Das lass mal! Ballern können sie alle, wenn sie nicht mehr weiter wissen ...") als sehr anrührend.
Eine Vaterfigur ist dieser Mann irgendwie auch ...

Georg Offline




Beiträge: 3.263

07.12.2011 19:17
#5 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

Danke für die Zitate, die ich heute auch alle schon im sehr informativen Sammelband Ermittlungen in Sachen Tatort nachgelesen habe! Die Charakterisierung des Autors trifft die Figur des Paul Trimmel ziemlich gut.

Cora Ann Milton Offline



Beiträge: 5.110

07.12.2011 19:21
#6 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

Obwohl ich bei weitem nicht alle Ansichten in dem erwähnten, wirklich sehr lesenswerten Kompendium teile (gerade die oft negative Kritik an "Der Kommissar" und Erik Ode finde ich völlig überzogen) empfinde ich diese Beschreibungen als sehr stimmig.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

07.12.2011 21:56
#7 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

TATORT HAMBURG - Trimmels Fälle (3):
AE 612 ohne Landeerlaubnis

Erstsendung (ARD): 12.09.1971
Buch: Friedhelm Werremeier, Peter Schulze-Rohr
Regie: Peter Schulze-Rohr
Darsteller: Walter Richter, Günter Mack, Heinz Bennent, Joe Bogoysan, Gunnar Möller, Petra Fahrnländer, Reinhilt Schneider, Ilona Grübel, Joachim Richert, Will Danin, Dieter Prochnow, Balduin Baas, Jürgen Lier, Friedrich Wilhelm, Jean Launay, Willy Krüger, Kurt Jaggberg, Hans Timmermann, Herbert Tennigkeit, Günter Gaus

Vom Mailänder Flughafen aus versucht ein Mann Kommissar Trimmel zu erreichen, der jedoch nicht erreichbar ist. Wenig später erfährt man, dass ein Flugzeug der Air Europa, das eigentlich in den Libanon fliegen sollte, auf den Weg nach Hamburg ist. Der Entführer des Flugzeugs sieht so die einzige Möglichkeit, den Mörder seiner Frau, der sich ebenfalls an Bord befindet, der Gerechtigkeit auszuliefern. Als dieser davon erfährt, nimmt er seinerseits eine Stewardess als Geisel und fordert den Kapitän auf, umzudrehen. Kommissar Trimmel muss vom Boden aus das Schlimmste verhindern ...

Eines der besten und spannendsten Themen für einen Kriminalfilm ist sicherlich jenes der Flugzeugentführung. Mit der Wahl dieses Sujets greift Autor Friedhelm Werremeier nach seinem Trimmel-Ausflug in die DDR erneut einen Stoff auf, der so in einer deutschen Krimiserie noch nicht zu sehen war. Und er hat nicht nur einen Flugzeugentführer an Bord, sondern auch gleich einen weiteren Geiselnehmer, der verlangt, nicht nach Hamburg, sondern doch in den Libanon zu fliegen. Das garantiert Hochspannung, die Regisseur Peter Schulze-Rohr auf beste Art und Weise erzeugt. Getragen wird der Film zudem von einem vorzüglichen Schauspielerensemble, das bis in die kleinsten Rollen – und hier möchte ich meine Besprechung beginnen – überzeugt. Da spielt Willy Krüger, der sympathische Vater aus der 50er-TV-Serie Familie Schölermann und Fliegen tragende Kommissar Freytag-Assistent, deutlich gealtert einen Passagier mit Spitzbart, der den Geiselnehmer zu überwältigen versucht. Balduin Baas als Haschdealer ist mit seiner Visage und seinem Auftreten wie geschaffen für diesen Part, Ilona Grübel als junges Früchtchen ist nett anzusehen und Will Danin als Kopilot eine geeignete Besetzung. Als Gastkommissar ist nun erstmals der offensichtlich unter Rückenproblemen leidende Wiener Polizist Wirz (Kurt Jaggberg) aus dem Büro von Oberinspektor Marek mit dabei. Das Trio Richter-Mack-Bennent in den Hauptrollen überzeugt ebenso. Mack als Ehemann, der den Mörder seiner Frau ausliefern will und sich deshalb gezwungen sieht, ein Flugzeug zu entführen, hat die Rolle sehr gut angelegt. Besonders ruhig und bedacht interpretiert Heinz Bennent den unter Druck stehenden, aber offensichtlich kühlen Kopf bewahrenden Piloten. Und Walter Richter gibt den Trimmel, wie man ihn sich erwartet: etwas grob und unbedacht und als Kommissar, der auch schon mal wie ein Elefant im Porzellanladen auf die Sache losgeht (siehe die Szene im Tower, als er das Mikrophon an sich reisst!). Diskotheken bezeichnet er noch als "Beatschuppen" und ebenso findet er der Situation nicht immer angemessene Ausdrücke für andere Gegenstände und Institutionen. Insgesamt schon auf Grund des Themas ein sehr spannender Film, hinzukommt eine grandiose Besetzung. Der für die Produktion verantwortliche Dieter Meichsner, selbst äußerst talentierter Fernsehautor, wusste, was er da für den NDR umsetzte. Auch Film 3 fesselt!

Georg Offline




Beiträge: 3.263

08.12.2011 11:23
#8 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

TATORT HAMBURG - Trimmels Fälle (4):
Der Richter in Weiß

Erstsendung (ARD): 10.10.1971
Buch: Friedhelm Werremeier, Peter Schulze-Rohr
Regie: Peter Schulze-Rohr
Darsteller: Walter Richter, Erika Pluhar, Helmut Käutner, Helmuth Schneider, Edgar Hoppe, Joachim Richter, Günter Dockerill, Frank Straass, Gaby Blum, Gerda Gmelin, Felicitas Ruhm, Peter Roggisch, Rolf Bossi, Hans Schellbach u. v. a.

Frau Beerenberg ruft die Polizei: in ihrem Haus liegt ihr Ehemann, ein renommierter Arzt, erschossen. Ist sie die Täterin? Sie gibt an, ihr Mann habe mehr als 80 Geliebte gehabt und sie vernachlässigt. Trimmels Ermittlungen ergeben jedoch das Gegenteil und die Frau wird in die Klinik des renommierten Psychiaters Dr. Kemm eingeliefert ...

Der Richter in Weiss ist ein Psychodrama, das als Kriminalfilm eigentlich unverfilmbar ist. Vielmehr gelten hier die Interessen der Psyche und dem sexuellen Vorleben der Protagonistin Brigitta Beerenberg (Erika Pluhar) und "ihrem" Psychiater Dr. Kemm (Helmut Käutner), der speziell an Letzterem interessiert ist und den Reizen seiner hübschen Patientin schließlich erliegt. Andeutungsweise wird dies schon von Anfang an klar gemacht, als Frau Beerenberg unbekleidet auf dem Untersuchungsbett liegt und Kemms Blicke lüstern über ihren Körper gleiten. Kemm, ein renommierter Psychiater, fällt sein Urteil und diktiert dieses Nachts in ein Tonbandgerät: Brigitta ist nicht verrückt. Dann aber, nachdem er mit ihr geschlafen hat, revidiert er diese Erkenntnis zum Widerwillen all seiner Kollegen und es ist schließlich auch der Grund dafür, dass Brigitta in dem Prozess zwar des Mordes schuldig, aber dennoch für unzurechnungsfähig erklärt wird und den Rest ihres Lebens in einer Anstalt verbringen muss. Friedhelm Werremeier macht so aus dem Psychiater den im Titel zitierten Richter in Weiss, der durch sein Gutachten alles in der Hand hat. Schließlich wird auch gezeigt, wie sehr man auf den bekannten Wissenschafter vertraut, selbst nachdem Brigitta vor aller Welt schreit: "Sie haben mit mir geschlafen!". Die letzte halbe Stunde entpuppt sich dann doch noch als spannender Gerichtskrimi, in dem Trimmel mit einem Plädoyer beginnt und vom Verteidiger – gespielt vom echten Staranwalt Rolf Bossi – gleich radikal angegangen wird. Danach beginnt Trimmel jeden Satz mit "Wir können beweisen, dass ...", "Wir haben herausgefunden, dass ...". Überhaupt erweist sich der Hamburger Ermittler hier wieder als Nichtintellektueller, bezeichnet Brigitta von Anfang an kompetent als „nicht ganz nicht“. Er gräbt aber so lange, bis er nachweisen kann, dass der Mord eiskalt geplant war, springt dafür sogar samt Anzug ins Wasser. Und dennoch bleibt am Ende das "Urteil" des Psychiaters, dass all die Arbeit von Trimmel obsolet macht und dafür sorgt, dass die Angeklagte nicht verurteilt werden kann. Als Letztes bleibt ein Ausspruch Dr. Kemms – der abschließende Urteilsspruch also -, dann wird der Abspann eingeblendet. Die Episode lebt natürlich von der herausragenden Darstellung Erika Pluhars und der des großen Helmut Käutner, der hier beweist, dass er nicht nur ein erstklassiger Regisseur, sondern auch ein wunderbarer Darsteller war.
Ansonsten zieht sich die mit 120 Minuten wohl längste Tatort-Episode ziemlich, vor allem die ersten 90 Minuten. Wenn man hier einen Krimi erwartet, wird man ziemlich enttäuscht, akzeptiert man den Film als Psychodrama, ist er hingegen vorzüglich.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

08.12.2011 20:41
#9 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

TATORT HAMBURG - Trimmels Fälle (5):
Rechnen Sie mit dem Schlimmsten

Erstsendung (ARD): 24.09.1972
Buch: Friedhelm Werremeier, Peter Schulze-Rohr
Regie: Peter Schulze-Rohr
Darsteller: Walter Richter, Sabine Sinjen, Wolfgang Wahl, Franz Rudnick, Gustl Bayrhammer, Joachim Richert, Ulrich von Bock, Manfred Schermutzki, Matthias Wegner, Kornelia Boje, Günter Einbrodt, Kyra Mladeck, Bruno Dallansky, Gerhard Friedrich, Karl-Ulrich Meves, Karl-Heinz Gerdesmann u. v. a.

Jakob Tonndorf, Leiter jenes Computerzentrums, in dem die Vergabe von Organen entschieden wird, wird erschossen. Am gleichen Tag hat seine Assistenten einen mysteriösen Gasunfall. Und wenig später erleidet Trimmel einen seltsamen Autounfall. Zufall? Der Hamburger Hauptkommissar geht wieder aufs Ganze und ermittelt in einem Fall von Organspendern ...

Friedhelm Werremeier greift erneut ein nicht alltägliches Krimithema auf: Organspenden. Mit seinem Film blickt er hinter die Kulissen dieser Welt. Man erfährt, dass auf ein Organ 50 Leute warten, und dass der Computer entscheidet, wer welches Organ bekommt. Aber geht da alles mit rechten Dingen zu? Es kommen berechtigte Zweifel auf und der Münchner Professor Becker (vorzüglich gespielt von Wolfgang Wahl) ist das beste Beispiel dafür, dass man sich mit Geld alles kaufen kann. Zudem wird der Millionär Munck (Bruno Dallansky, später österreichischer Tatort-Kommissar) eingebaut, der versucht, sich alles zu erkaufen. Er liegt 1. Klasse, hat sogar einen Fernseher im Zimmer, aber ihm fehlt immer noch eine neue Niere.
Trimmel geht in diesem Fall wieder mal aufs Ganze, geht nach dem Autounfall nicht zum Arzt, sondern zieht wichtige Ermittlungen vor. Mit der Konsequenz, dass er - als er wieder mal in fremden Revieren wildert (diesmal München!) - in der Klinik Beckers zusammenbricht und ihm ein Hämatom aus dem Schädel entfernt werden muss. Gott sei Dank kommt die Hilfe rechtzeitig und so kann er schon wenig später Zigarre rauchend im Krankenbett liegen. Die Auflösung des Falls - immerhin der erste Whodunit - erlebt er vom Krankenhaus aus, ist aber mit der Arbeit seiner Assistenten vollauf zufrieden (soviel Kompetenz hätte er ihnen gar nicht zugetraut!). In einer weiteren Hauptrolle ist die junge Sabine Sinjen zu sehen, die ihre Rolle recht keck anlegt und Trimmels teils frechen Wortmeldungen wunderbar Paroli bietet (Trimmel: "Wie alt sind Sie?" - Sie: "24" - Er: "Ganz schön jung, was?" - Sie: "Es müssen ja nicht überall so alte Knacker hin ..."). Friedhelm Werremeier hat gemeinsam mit Regisseur Peter Schulze-Rohr ein packendes Buch zu einem heißen Thema geschrieben, als Gastkommissar diesmal meinen Lieblingskommissar Veigl (Gustl Bayrhammer) eingebaut, und sorgt konsequent für Spannung. Lappalien wie die Aussage des Portiers, der von einer "erschossenen Leiche" spricht, kann man da ruhig übersehen.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

09.12.2011 12:02
#10 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

TATORT HAMBURG - Trimmels Fälle (6):
Platzverweis für Trimmel

Erstsendung (ARD): 19.08.1973
Buch: Friedhelm Werremeier, Peter Schulze-Rohr
Regie: Peter Schulze-Rohr
Darsteller: Walter Richter, Edgar Hoppe, Ulrich von Bock, Joachim Richert, Klaus Stieringer, Eos Schopohl, Christa Berndl, Erna Nitter, Eva-Maria Bauer, Jürgen Scheller, Henry E. Simmon, Werner Heinrich Lustig, Peter Nowotny, Hans Timmermann, Jo Wegener, Reinhard von Hacht, Peter Lehmbrock und Hans Häckermann u. v. a.

Im Hamburger Fussballstadion wird in einer Nacht- und Nebelaktion eine Leiche in einem der beiden Tore abgelegt. Die am nächsten Tag herbeigerufene Polizei stellt fest, dass der Tote irgend etwas mit dem Bundesligaskandal zu tun hatte ...

Mit Platzverweis für Trimmel greift Autor Friedrich Werremeier erneut ein heißes Eisen an: es geht um einen Bundesligaskandal. Trimmel deckt auf, dass man sich Ergebnisse und Schiedsrichter kaufen kann. Wenn der mysteriöse Hintermann – er wird Prack genannt – auffliegt, dann müssen die Siege der letzten 2, 3 Jahre annulliert werden. Dass der Film damals nicht für mehr Aufsehen sorgte, ist verwunderlich, zumal die gesamte Bundesliga hier in einem zwielichtigen Licht erscheint. Trimmel selbst – Nichtfussballer – agiert dementsprechend wie ein Elefant im Porzellanladen, lässt sich bei seinen – wie immer im Alleingang geführten – Ermittlungen nicht unterkriegen und verlässt selbst dann das Feld nicht, als im der im Titel zitierte Platzverweis ausgesprochen wird. Er bohrt weiter, bis die Wahrheit ans Licht kommt. Positiv ist die unheimliche Musik von Friedrich Scholz hervorzuheben, das Ende befriedigt nicht wirklich und auch sonst sind 100 Minuten Spielzeit in meinen Augen viel zu lang. Der Fall hätte auch in 60 Minuten geklärt werden können. Als Gastkommissar ist Walter Böck aus Bremen – gespielt von Hans Häckermann – mit dabei, der nur einen einzigen Auftritt als Hauptermittler hatte und zwar in Dieter Wedels bizarrem Ein ganz gewöhnlicher Mord. Insgesamt überzeugt mich dieser sechste Fall des Hauptkommissars weniger als die Vorangehenden. Zwischendurch fühlte ich mich übrigens immer wieder an die vorzügliche Vorabendserie Fußballtrainer Wulff erinnert.

Georg Offline




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09.12.2011 19:12
#11 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

TATORT HAMBURG - Trimmels Fälle (7):
Gift

Erstsendung (ARD): 21.07.1974
Buch: Friedhelm Werremeier
Regie: Peter Schulze–Rohr
Darsteller: Walter Richter, Klaus Schwarzkopf, Edgar Hoppe, Ulrich von Bock, Jochen Richert, Renate Grosser, Werner Cartano, Hans Kahlert, Peter Maertens, Peter Schiff, Franz Mosthav, Ursela Monn, Gert Höning, Ursula Sieg, Lieselotte Kunze, Bruno Vahl-Berg, Manfred Schermutzki u. v. a.

Auf einer Mülldeponie nahe Hamburgs wird im Schutt eine Leiche gefunden. Daneben liegen Fässer mit Industrieabfall. Allerdings ist der Inhalt hoch brisant und gefährlich. Kommissar Trimmel ermittelt. Eine aus Kiel verschwundene Frau hat ebenso mit diesem Fall zu tun und so muss sich auch Kommissar Finke einschalten. Gemeinsam kommen die beiden einem unglaublichen Umweltskandal auf die Spur ...

Friedrich Werremeier hat sich für seine Trimmel-(Dreh)bücher wirklich immer ausgefallene Themen oder Tabustoffe ausgesucht. In Gift geht's ebenso um ein heikles, aber sehr relevantes Thema: die Beseitigung von Industrieabfall und den daraus resultierenden Schaden für die Umwelt. Ein sehr aktueller Stoff, auch heute noch. Paul Trimmel ermittelt durch einen Toten auf der Müllhalde in diesem Fall. Überhaupt erinnern die Szenen auf der Deponie nahe Hamburgs sehr an die entsprechenden Szenen in dem nur wenige Jahre zuvor produzierten Kinofilm Perrak.
Dieser 7. Fall für Trimmel ist nach dem eher enttäuschenden Platzverweis für Trimmel wieder ein durchaus sehenswerter Film, spannend und sehr gut gespielt (vor allem Peter Schiff als Dr. Stephan!). Als besondere Überraschung gibt es einen (bzw. mehrere) sehr lange(n) Gastauftritt(e) von Kommissar Finke alias Klaus Schwarzkopf, da die Ermittlungen immer wieder nach Kiel führen. Die Rolle Finkes und sein Part bei der Aufklärung (immerhin hat er am Ende die richtige Nase und nicht Trimmel) ließen diese Folge eigentlich auch als 8. Finke-Fall durchgehen. Gar so glücklich über den Grund des gemeinsamen Falls sind die beiden NDR-Ermittler allerdings nicht, denn als sie sich am Tatort mit einer Leiche treffen sehen sie sich an und es fällt der Satz: "Wenn wir schon 'mal gemeinsam 'nen Tatort haben ...". Um so erfreulicher ist dieser Fall, der auf die Missstände in der Chemieindustrie und den daraus resultierenden Gefahren durch Abfall und seine Beseitigung hinweist, für den Zuschauer. Gift (bei dem Peter Schulze-Rohr übrigens völlig ungewöhnlich auf völlige Titeleinblendung verzichtet und erst im Abspann den Titel der Folge nennt) ist ein gelungener Trimmel-Fall. Was man vom kommenden Trimmel und der Tulpendieb nun wirklich nicht sagen kann.

Georg Offline




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09.12.2011 20:32
#12 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

TATORT HAMBURG - Trimmels Fälle (8):
Trimmel und der Tulpendieb

Erstsendung (ARD): 10.10.1976
Buch: Friedhelm Werremeier, Peter Schulze-Rohr
Regie: Peter Schulze-Rohr
Darsteller: Walter Richteer, Brian O'Shaughnessy, Rudolf Brand, Peter Wagenbreth, Cees Heyne, Gaby Fuchs, Günter König, Pieter Lutz, René Frank, Pieter Groenier, Siem Vroom, Walter Kous, John Leddy, Joachim Richert u. v. a.

Zwei Männer, die einen Geldtransport in Hamburg überfallen haben, sind auf der Flucht. An der deutsch-niederländischen Grenze trennen sie sich. Gemeinsamer Treffpunkt ist eine Art Turm im Meer, der vorher als Piratensender genutzt und nun zur Meßstation umfunktioniert wurde. Von dort aus soll die Flucht weiter nach Großbritannien gehen. Doch dazu kommt es nicht, da plötzlich ein Paar, das einen Bootsausflug macht, auf den Turm klettert. Als die Polizei – ein Komplize in Hamburg hat geredet – eintrifft, wird das Pärchen als Geisel genommen ...

Wenn man liest, welches Theater gemacht wurde, um diese Folge drehen zu können (die holländische Regierung blockierte gute zwei Jahre die Dreharbeiten, bis eine Art Presseskandal und die Opposition die Drehgenehmigung auf der Bohrinsel erwirken konnte), und dann das Ergebnis sieht, fragt man sich, wozu der ganze Aufwand notwendig war. Die Geschichte ist äußerst dünn und hätte auch eine 25-Minuten-Vorabendepisode gefüllt. Walter Richter als Trimmel ist deutlich gealtert und hat abgenommen, zudem ist er vielleicht gute 25% des Films zu sehen. Denn die Hauptrolle spielen die beiden Ganoven. Richter beschwerte sich damals maßlos – und zurecht - denn es war die Gefahr gegeben, dass es überhaupt keine Trimmel-Fälle mehr gäbe. Immerhin gibt es ein wenig Humor, denn als Trimmel ein Foto des allumschwärmten "Tulpendiebs" sieht, meint er: "… das soll ein schöner Mann sein?".
Insgesamt ist in Trimmel und der Tulpendieb die Musik noch das Beste. Ansonsten kann man diese Folge getrost überspringen, ohne wirklich etwas versäumt zu haben. Da nutzen auch die gangsterfilmartige Inszenierung und der "exotischere" Schauplatz nicht wirklich viel. Mit Abstand der schwächste Trimmel-Fall!

Georg Offline




Beiträge: 3.263

10.12.2011 10:58
#13 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

TATORT HAMBURG - Trimmels Fälle (9):
Trimmel hält ein Plädoyer

Erstsendung (ARD): 27.03.1978
Buch: Friedhelm Werremeier
Regie: Peter Schulze-Rohr
Darsteller: Walter Richter, Karl-Heinz Vosgerau, Horst Michael Neutze, Volker Eckstein, Klaus Herm, Wolf-Dietrich Berg, Ulrich von Bock, Joachim Richert u. v. a.

Seit fast einem Jahr beschäftigt die Hamburger Polizei ein Serienmörder, der junge Frauen überfällt, vergewaltigt und tötet. Nach dem vierten Fall kann ein Verdächtiger festgenommen werden, doch hat er nur den letzten oder alle Morde begangen? Trimmel kommen berechtigte Zweifel ...

Friedhelm Werremeier ist eine Art Prediger. Konsequent zeigt er in seinen Trimmel-Büchern Missstände auf und provoziert damit. In Trimmel hält ein Plädoyer lässt sich schon aus dem Titel ableiten, dass es diesmal gegen die Justiz geht. Besser gesagt gegen Anwälte und ihre korrupten Machenschaften. Da ist ein Advokat – vorzüglich schmierig und wie von keinem anderen spielbar gespielt von Karl-Heinz Vosgerau – der hohes Ansehen genießt, weil er so ziemlich jeden Fall gewinnt. Die Frage ist nur, zu welchem Preis. Er besticht Gefängniswärter, die ihm große Fälle der Wiederaufnahme verschaffen und beteiligt sich in unverschämter Weise an der Haftentschädigung seiner Mandanten. Um in einem großen Fall Erfolg zu haben, ist er bereit, in einem kleineren Fall den Mandanten zu opfern. So auch hier: um einen unschuldig hinter Gitter Sitzenden herauspauken zu können, lässt er einen anderen Mann – scheinbar zu seinem Besten – ein Geständnis ablegen. Trimmel kann Rechtsanwälte aus genau diesem Grund nicht leiden und hält sein Plädoyer vor dem Advokaten Zank in geschickter und unglaublich roher Weise. Mit Erfolg. Mit scheinbarem Erfolg, denn zuguterletzt macht ihnen dann doch noch das Leben einen Strich durch die Rechnung. Trimmel wirft Zank hemmungslos vor, wieviele Schuldige freigesprochen wurden, nur weil sie sich einen guten Anwalt leisten konnten und mit jedem Wort wird seine Abneigung gegenüber (korrupten und profitgierigen) Juristen stärker.
Dieser neunte Fall für Trimmel – der letzte, der von Peter Schulze-Rohr inszeniert wurde – ist sicherlich einer der Besten. Spannend einerseits durch das Thema "gesuchter Triebtäter", packend andererseits durch die Duelle zwischen Trimmel und Zank. In Nebenrollen agieren vorzüglich Horst-Michael Neutze als Serienkiller, Volker Eckstein als Prostituiertenmörder und Wolf-Dietrich Berg als Polizeichef, dem Trimmel auch anständig die Meinung sagt.
Nach dem enttäuschenden Trimmel und der Tulpendieb also ein Highlight der Reihe.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

10.12.2011 16:17
#14 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

TATORT HAMBURG - Trimmels Fälle (10):
Hände hoch, Herr Trimmel

Erstsendung (ARD): 04.05.1980
Buch: Friedhelm Werremeier
Regie: Carlheinz Caspari
Darsteller: Walter Richter, Karl Heinz von Hassel, Karin Baal, Adrian Hoven, Hans Helmut Dickow, Siegrid Hackenberg, Niklaus Schilling, Martin Boroger, Günter Lütenmeyer, Felicitas Ruhm, Urlich von Bock, Elisabeth Ackermann, Joachim Rake u. v. a.

Nachts wird Trimmel mit seinen Kollegen zu einer skelettierten Leiche gerufen, der ein Finger fehlt. Verärgert nimmt er sich der Sache an. Eigentlich wäre es aber der Fall von Kriminalhauptmeister Höffgen, der Bereitschaft hat. Stattdessen tanzt er jedoch auf einer Party und lernt dort eine Frau kennen, für die er auch fortan seinen Diensteifer vernachlässigt. Es kommt zu mehreren Auseinandersetzungen mit Trimmel, der von ihm verlangt, den Fall zu klären. Stattdessen kümmert er sich jedoch um einen Heiratsschwindler, der seine Herzdame betrogen hat. Am Ende führen dann doch noch beide Fälle ineinander ...

In Hände hoch, Herr Trimmel erleben wir Paul Trimmel erstmals in der privaten Wohnung mit seiner Frau (?), war er doch in den vorhergehenden Folgen stets Junggeselle oder zumindest alleine. Trimmel ist in dieser Episode ziemlich autoritär, im ständigen Streit mit seinem Untergebenen, der anstatt zu ermitteln andere Dinge vorschiebt. Großes Manko dieser Episode ist, dass eigentlich Höffgen (Karl Heinz von Hassel) und nicht Trimmel im Mittelpunkt steht. So ist Trimmel eigentlich nur mehr Randfigur und darf nicht einmal den Fall aufklären. Am Ende zeigt er sich dann doch noch als Mensch, und will versuchen, seinen untergebenen, der die Dienstvorschriften mehrfach überschritten hat, vor einem Disziplinarverfahren zu retten. Die Handlung an und für sich ist recht komplex und wenn man nicht richtig aufpasst, kann es schon sein, dass man den Faden verliert. Mit Carlheinz Caspari war erstmals ein anderer Regisseur mit dabei, geändert hat sich ein wenig die Art der Inszenierung und die Untermalung mit Musik, diesmal von Graziano Mandozzi (Der kleine Doktor). Adrian Hoven als Heiratsschwindler ist immerhin sehenswert, Karin Baal als ausgenutzte Geliebte spielt glaubhaft und Hans Helmut Dickows Part ist wie immer sehr gelungen. Besonders hervorheben möchte ich außerdem Niklaus Schilling, der hier mal einen größeren Part spielen durfte und damit zeigen konnte, dass in ihm ein guter Schauspieler steckt. Ansonsten überzeugt Hände hoch, Herr Trimmel mit dem damals bereits 75jährigen Walter Richter nur mäßig. Ein Durchschnitts-Krimi, würde ich sagen.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

10.12.2011 21:52
#15 RE: Die 1970er-"Tatort"-Kommissare: Trimmel (Walter Richter) Zitat · Antworten

TATORT HAMBURG - Trimmels Fälle (11):
Trimmel und Isolde

Erstsendung (ARD): 19.09.1982
Buch: Friedhelm Werremeier nach seinem gleichnamigen Roman
Regie: Peter Weck
Darsteller: Walter Richter, Hartmut Becker, Christiane Krüger, Klausjürgen Wussow, Wolfgang Müller, Horst Michael Neutze, Paul Edwin Roth, Hans Kahlert, Wolfgang Unterzaucher, Norbert Goth, Dieter Brammer, Uwe Röhl, Gaby Bluhm, Judith Heinsohn, Ulrich von Bock, Edgar Hoppe, Joachim Richert, Elisabeth Ackermann u. v. a.

In ihrer Wohnung wird Isolde Bothüter, die Tochter des renommierten Richard-Wagner-Interpreten Matuschek, ermordet aufgefunden. Auf dem Plattenspieler liegt eine LP von "Tristan und Isolde". Verdächtig ist ihr Exmann, ein Journalist. Trimmel kann diesen fast zu einem Geständnis bringen. Aber eben nur fast …

Der letzte Fall für Walter Richter als Trimmel, der danach aus Altersgründen nicht weitermachte (er war hier immerhin schon 77), reißt nicht wirklich vom Hocker. Positiv hervorzuheben ist die Besetzung: mit Klausjürgen Wussow, Hartmut Becker, Christiane Krüger, Paul Edwin Roth und Horst Michael Neutze sind gerngesehene Krimi(gast)stars vor der Kamera versammelt. Wolfgang Unterzaucher spielt einen italienischen Künstler, eine Rolle, auf die er seit seinem Part als Zeichenlehrer Pesca in Die Frau in Weiß abonniert zu sein scheint. Dennoch hat er weder den italienischen Akzent noch die entsprechende Gestik drauf. Regisseur Peter Weck setzte ihn in ähnlicher Weise auch in einer seiner Ein Fall für zwei-Folgen ein. Überhaupt ist Weck, der sympathische österreichische Schauspieler, ein viel zu unbeachteter Krimiregisseur gewesen, obwohl er schon zuvor am Tatort Wien zwei Fälle für Oberinspektor Marek inszeniert hatte, mit Erik Ode für Sonne, Wein und harte Nüsse arbeitete und eben auch mehrere Episoden mit Günter Strack für Ein Fall für zwei inszenierte. Weck setzt nicht auf Action, sondern auf Atmosphäre und Dialog. Die Inszenierung eines Krimis, in dem Musik eine entscheidende Rolle spielt, konnte wohl keinem besseren Regisseur anvertraut werden, immerhin brachte er später zahlreiche Musicals nach Wien.
Die Story, die Werremeier erzählt, ist dann allerdings alles andere als spektakulär, war schon irgendwie da und bewegt sich daher im Mittelfeld. Es gibt auch keinen würdigen Abschied für Walter Richter als Trimmel, der hier schon sehr alt, abgemagert und krank aussieht. In einer Einstellung ist zu hören, dass er noch ein paar Jahre bis zur Pension hat. Schön ist allerdings, dass hier nochmals all seine Assistenten – einschließlich Edgar Hoppe, der zuletzt Mitte der 70er mit dabei war – versammelt sind.
Trimmel und Isolde kann weder in Spannung noch in punkto Gesellschaftskritik an die früheren Trimmel-Fälle anschließen.

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