An dieser Stelle möchte ich in Zukunft die verschiedenen Tatort-Ermittler der 1970er-Jahre und ihre Fälle chronologisch besprechen. Da hier sowohl Regisseure, als auch Autoren, aber vor allem zahlreiche beliebte und bekannte Darsteller "unseres" Genres mit dabei waren, stößt dies vielleicht auf Interesse ...
Ich möchte mit einem Ermittler beginnen, der leider - abgesehen von den Gastkommissarsauftritten - nur zweimal im Einsatz war: Peter Liersdahl alias Dieter Eppler.
02. Saarbrücken, an einem Montag (1970) - Regie: Karl-Heinz Bieber 33. Das fehlende Gewicht (1973) - Regie: Rolf von Sydow
TATORT SAARBRÜCKEN - Liersdahls Fälle (1): Saarbrücken, an einem Montag ... Erstsendung ARD: 13.12.1970 Buch: Johannes Niem Regie: Karl-Heinz Bieber Darsteller: Dieter Eppler, Manfred Heidmann, Eva Maria Meineke, Horst Naumann, Erik Schumann, Ellen Frank, Barbara Schmidt, Eva Christian, Wolfgang Lukschy, Wolfgang Weiser, Richard Lauffen, Elisabeth Neumann-Viertel, Artur Brauss u.v.a.
An einem Montag in Saarbrücken: ein Juwelenraub, eine alte Frau wird überfallen und ihr Geld wird ihr abgenommen und eine Angestellte, die aus der DDR kam, verschwindet spurlos. Kommissar Liersdahl muss all diesen Sachen nachgehen und schlittert in eine rasante und spannende Kriminalgeschichte …
Gleich in der ersten Folge bekommt Liersdahl (Dieter Eppler) einen neuen Kollegen: Kommissar Horst Schäfermann (Manfred Heidmann, den ich in Tim Frazer-Der Fall Salinger ziemlich nervig fand (was ja wohl auch gewollt war), der als Kommissar aber brilliert). Schäfermann ermittelte später noch alleine in 4 Fällen. Während Liersdahl sich als Eidetiker ausgibt und sich deshalb nichts notieren muss, weil bei ihm im Gedächtnis alles wie ein Film abläuft, schreibt der preußische Beamte Schäfermann alles genau mit. Der eine ist schlampiger, lockerer, frühstückt im Büro. Der andere eher stocksteif. Das Duo gefällt dennoch und passt sehr gut zusammen. Interessant auch, wie Liersdahl schlussfolgert. Der Kriminalfall - besser gesagt - die Kriminalfälle sind originell gestrickt, aus drei Handlungen wird irgendwie eine, es gibt ein Whodunit und eine überraschende Auflösung mit einer selten dagewesen "Verabschiedung" des Täters. Die Geschichte mit dem Gangster, der das Geld der alten Damen zurückholen will, weil sie auf der Post irrtümlich Falschgeld erhalten haben ist allerdings nicht neu. Diese Geschichte wurde schon von Bruno Hampel in Kommissar Freytag: 1:0 für Frankfurt verwendet und später nochmal in der 1. Folge von Bitte keine Polizei, die ein gewisser Bert Harras schrieb, hinter dem ich aber ebenfalls Hampel vermute, zumal viele Geschichten dieser Serie häufig Parallelen zu Hampels Geschichten aufweisen. Dass auch Johannes Niem, der im Vorspann von Saarbrücken, an einem Montag ... als Autor aufscheint, ein Pseudonym von Bruno Hampel sein könnte, ist durchaus möglich. Zum einem weist die IMDB nur diesen Tatort als einzige Arbeit dieses Mannes aus. Zum anderen wurde der zweite Fall von Kommissar Liersdahl von Bruno Hampel geschrieben. Könnte also durchaus sein, zumal sich Bruno Hampel gerne öfters seiner eigenen Geschichten nochmals bediente. Der Film wurde gut von Karl-Heinz Bieber inszeniert, vor allem die Verfolgungsjagd und der Mord an der Frau in Frankreich gestalten sich besonders rasant und spannend. Passend dazu gesellt sich ein flotter und überaus passender Soundtrack von Joachim Ludwig. Als einzig unpassend finde ich, dass Artur Brauss, der einen Franzosen spielt, den französischen Akzent überhaupt nicht nachmachen kann. Insgesamt wurde viel Lokalkolorit in diese Episode hineingepackt: u. a. die Industrie und vor allem die Nähe zu Frankreich, wo man auch gedreht hat. Die Folge hat sicherlich zwischendurch mal Längen, aber insgesamt ist sie sicherlich sehr sehenswert, auch aufgrund der Gastdarsteller wie Horst Naumann, Wolfgang Lukschy, Erik Schumann, Eva Christian sowie Artur Brauss u. v. a.
Ich bin schon sehr gespannt auf deine Anmerkungen zu Paul Trimmel mit dem unvergesslichen Walter Richter (obwohl der ja keinen Wallace-Film gedreht hat und hoffentlich dennoch besprochen wird)
hmm Dieter Eppler find ich in den Wallace gut und an Tim Frazer kann ich mich auch gut erinnern. Bisher hab ich die Tatorte und gemieden. Weil mit der Farbe war die Kultur vorbei *gg* Also Kommissar ist noch voll in Ordnung. Wie sind die alten Tatorte einzuschätzen? Haben sie ein ähnliches Flair oder eher nicht?
So pauschal ist das nicht zu sagen, Matze. Übrigens glaube ich nicht, dass Dieter Eppler in "Tim Frazer" gespielt hat. Aber das nur nebenbei.
Ich finde den "Kommissar" auch grandios und sehe ebenfalls lieber schwarz-weiß. Von mir daher nur einige rein subjektive Anmerkungen.
Walter Richter als Trimmel finde ich ein Unikat. Klaus Schwarzkopfs stille Hartnäckigkeit als Kommissar Finke hat mich menschlich immer sehr berührt. Ebenso wie das Lakonische von Hansjörg Felmy als Heinz Haferkamp. Sieghardt Rupp als Kressin ist eine ebensolche "Märchenfigur" wie James Bond, aber durchaus unterhaltsam.
Mein Lieblingskommissar im "TATORT" wurde von Gubanov und Percy Lister dankenswerterweise in einem seperaten Thread besprochen. Er gehört auch nicht hierher, sondern in die Achtziger Jahre. Ich spreche selbstverständlich von Hans-Georg Bülow verkörpert von Heinz Drache.
Der "Tatort" entstand ja als Konkurrenz-Produktion zum "Kommissar", weshalb hier schon Parallelen festzustellen sind. Pauschal lässt sich das aber nicht sagen, da die verschiedenen Ermittler unterschiedlich sind. Wie Cora Ann richtig sagt, ist zB Kressin eine "Märchenfigur", Finke alias Klaus Schwarzkopf ein ruhiger, beruhigender Ermittler, Felmy wiederum hat in ca. 12 von 20 Tatorten sehr gute Folgen abgeliefert. Es kam sehr häufig auch auf die Drehbücher an, die mal besser, mal experimenteller waren (so mag ich die Berlin-Tatorte der 70er beispielsweise überhaupt nicht). Klaus Höhne empfinde ich ebenso als hervorragenden Kommissar. Besonders interessant (und einer meiner Lieblinge) ist aber Oberinspektor Melchior Veigl (Gustl Bayrhammer) von der Münchner Kripo, der in der bayerischen Hauptstadt zu Zeiten von Kommissar Keller im gleichen Präsidium gesessen hat. Diese Fälle sind realistischer als "Kommissar" (den ich natürlich sehr gerne mag), weil sie einfach ein typisch bayerisches, urgemütliches Flair vermitteln. Insgesamt gibt es aber schon manche Tatort-Folgen, die dem "Kommissar" sehr nahe kommen, andere (Kressin z.B., auch Trimmel, der auch irgendwie ein Sonderfall ist), sind bewusst innovativer. Auf jeden Fall sind die meisten eine Entdeckung wert, zur Not könnt ihr ja die Farbe wegdrehen! @ Cora Ann: Um über Paul Trimmel ein Urteil abgeben zu können, muss ich mir die Fälle demnächst wieder mal anschauen. Ist alles schon zu lange her... (Aber ich rechne nicht mit dem Schlimmsten! ;-))
P.S.: Ich meinte Manfred Heidmann - der hat im Tim Frazer-Salinger mitgespielt, wenn ihr genau lest! P.P.S.: Die Berlin-Tatorte mit Heinz Drache fand ich übrigens auch nicht alle hervorragend, Heinz Drache ist natürlich sehenswert, aber zurecht hat er in der Mitte der Reihe die Bücher kritisiert.
Meine Bemerkung bezüglich Dieter Eppler war nicht auf dich gemünzt, Georg, sondern auf Matze K. in seinem Beitrag. Aber wie auch immer... Du bist doch schließlich hier der Experte!
Ganz besonders in mein Herz geschlossen habe ich die Herren Viktor Marek und Otto Wirz aus Wien - Originale, wie sie im Buche stehen... Auch ihre Fälle vor dem Tatort gefallen mir ausgezeichnet!
Ja, mein Bülow hätte mitunter bessere Drehbücher verdient gehabt! Aber das Charisma von Heinz Drache trägt noch das schwächste Drehbuch...
*gg* Dieter Eppler kenne ich aus Wallace-Filmen - und den anderen Herrn werde ich aus Tim Frazer kennen - so meinte ich das
Mit einfach Farbe ausstellen ist es nicht wirklich gemacht, da das Flair anders ist - trotzdessen
Werd mir mal ein paar alte, wenn sie mal im TV kommen anschaun bzw. aufnehmen. Ist entsprechend euren Ausführungen also teilweise eine Serie in der Serie - je nachdem welcher Kommissar ein Fall lösen darf
Das Cora mir den Herrn Drache ans Herz legt war mir klar *gg* Ich glaube aber die 80er sind nicht die besten Filmjahre für mich (bis auf Hercule Poirot), auch wenn Heinz bestimmt gut rüberkommt.
Aber ganz genau, Matze! Der betreffende Gentleman kommt immer gut rüber. Nicht nur im "TATORT".
Heidmann spielt den nervtötenden Verlobten von Ingrid Ernest in "Tim Frazer - Der Fall Salinger". Habe ich bei dir nicht ganz so mitbekommen...
Ich persönlich finde, dass du bei einem "TATORT" mit Klaus Schwarzkopf (wie dem berühmten "Reifezeugnis" zum Beispiel) als Einstieg nichts verkehrt machen kannst. Und die Farbe stört da auch nicht...
TATORT SAARBRÜCKEN - Liersdahls Fälle (2): Das fehlende Gewicht Erstsendung (ARD): 30.09.1973 Buch: Bruno Hampel Regie: Rolf von Sydow Darsteller: Dieter Eppler, Manfred Heidmann, Rita Roswag, Wolfgang Hübsch, Xenia Pörtner, Anita Lochner, Manfred Reddemann, Walter Reichelt, Ann Hölling, Herbert Steinmetz, Hans-Georg Panczak u.v.a.
Liersdahl und Schäfermann sind einer Rauschgiftbande auf der Spur. In einem abgelegenen Gasthaus soll ein Drogenumschlagplatz sein, doch die Täter können nicht überlistet werden. Dies deshalb, weil ein Zollwachebeamter den Dealern die angekündigte Razzia steckt. Wenig später steht dieser Mann aber unter Mordverdacht ...
Fast drei Jahre nach dem ersten Einsatz schickte der Saarländische Rundfunk Kommissar Liersdahl und Kommissar Schäfermann nochmals zum "Tatort". Viel hat sich nicht verändert, das Büro ist dasselbe, nur die Sessel wurden getauscht, Liersdahl sitzt nun rechts, Schäfermann links. Liersdahl erweist sich den ganzen Film über als Kommissar, der sich nicht zu sehr an Regeln hält, Schäfermann ist weiterhin der stocksteife, auch wenn er diesmal das "fehlende Gewicht" findet. Für die Regie dieser Episode zeichnet Rolf von Sydow verantwortlich, der kurze Zeit später beim SDR Chef des Fernsehspiels wurde und auch beim SR zwei Jahre diese Funktion innehatte und als solcher die Tatorte des Senders mitgestaltete. Seine Idee war es übrigens auch, erstmals mit Nicole Heesters eine Frau als Ermittlerin einzusetzen. Doch nun zurück zu "Das fehlende Gewicht": von Sydow zeigt auch hier seine gewohnte handwerkliche Perfektion und seine Liebe dazu, öfter mal was Neues auszuprobieren. So auch hier: er arbeitet mit Zooms und Handkamera, die in einigen Szenen (bewusst?) wackelig ist. Die Geschichte wird großteils flott erzählt, allerdings sind die beiden Schlägerein äußerst schlecht inszeniert, man sieht deutlich, dass das "Opfer" nicht getroffen wurde und hört auch keinen Schlag. Das Buch schrieb Bruno Hampel, den ich für einen der besten deutschen Krimidrehbuchautoren halte. Mit seinen 25-minütigen Serien à la Kommissar Freytag hat er bewiesen, dass man gute Kriminalgeschichten auch im Miniformat präsentieren kann. Sein Buch zu "Das fehlende Gewicht" erscheint mir allerdings etwas zu unausgegoren, auch wenn es sehr gute Ansätze hat. Dass es nach 35 Minuten eine Tote gibt, ist eine geschickte Drehbuchwendung, weniger originell ist jedoch, dass es nur 15 Minuten bis zur Klärung dieses Todesfalls gibt. Gewollt war hier vermutlich Realitätsnahe, eventuell beruht der Fall auch auf einem tatsächlich sich zugetragenen Vorfall, daher ging etwas Krimispannung zugunsten der Realität verloren. Liersdahl und Schäfermann werden ebenso als Realisten hingestellt, denn am Ende, als sie die Rauschgifthändler verhaftet haben, stellen sie fest: "Das waren nur kleine Fische, die großen schwimmen weiter im Teich herum". Lokalbezug ist auf alle Fälle auch in diesem "Tatort" gegeben, immer wieder spielt die Nähe zu Frankreich eine Rolle. Das Team samt Sekretärin funktioniert gut, unverständlich, warum die beiden gemeinsam nur zwei Fälle lösen durften. Ab 1977 durfte dann Kommissar Schäfermann alleine nochmal vier Fälle angehen, einer davon lag übrigens in der Produktionsverantwortlichkeit von Rolf von Sydow. Unterm Strich: kein überragender Fall, auch der Gastkommissar fehlt, aber ansonsten bietet "Das fehlende Gewicht" durchaus gediegene 1970er-Krimispannung.
Ich hoffe, die Liersdahl Fälle erscheinen irgendwann mal auf DVD; ist bisher in der Tatort Reihe meines Wissens ja nach noch nicht passiert, schade eigentlich.
Interessantes Detail: obwohl Liersdahl bereits 1973 seinen letzten Fall löste, spielte er noch zweimal als "Gastkommissar" im Tatort mit. Mit Folge 74 "Finderlohn" vom 24.04.1977 verabschiedete er sich erst vom Publikum.
@Mabuse: eine Boxensammlung nach 70er-Ermittlern wäre wirklich mal notwendig!
Wenigstens gibt es Boxen von Fritz Eckhardt als Marek und von Hansjörg Felmy als Haferkamp. "Taxi nach Leipzig" und "Rechnen Sie mit dem Schlimmsten" mit Walter Richter als Paul Trimmel ist auf DVD erschienen ebenso wie "Reifezugnis" mit Klaus Schwarzkopf als Kommissar Finke.
Ansonsten werden die Klassiker aus den Siebziger Jahren auf DVD sehr stiefmütterlich behandelt. Leider!
Den habe ich dann wohl tatsächlich verpasst ("Grummel"); man kann halt nur auf Wiederholungen hoffen, aber die Tatorte der ersten Stunde werden halt doch recht selten gezeigt