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 Romane
Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 662

28.08.2024 11:33
Feuer im Schloss (1931) Zitat · Antworten

Feuer im Schloss


Originaltitel: The Coat of Arms (The Arranways Mystery)
Erscheinungsjahr: 1931


Hauptpersonen:

Lord Edward Arranways – eifersüchtiger Hausherr auf Arranways Hall
Lady Mary Arranways – seine etwas leichtlebige Ehefrau
Dick Mayford – Marys Bruder und Eddies Schwager
Keith Keller – gewissenloser Frauenheld
John Lorney – Wirt im „Coat of Arms“
Anna Jeans – junge Frau in Lorneys Obhut
Chefinspektor Collett – Spürhund von Scotland Yard
Carl Rennett – amerikanischer Polizist mit dunklem Geheimnis
Inspektor Blagdon – von der Lokalpolizei
Charles – vorbestrafter Kellner
„Der Alte“ – entflohener Irrenhausinsasse


Handlung:

Im ländlichen Sketchley sitzt seit Jahrzehnten ein Mann in der Landesirrenanstalt ein, der eines Tages nach Ermordung eines Wärters flüchtet und als verschollen gilt. Doch dann gibt es eine Serie von Einbrüchen in der Gegend, auch auf Arransways Hall, wo der Lord Eddie mit seiner jungen Ehefrau wohnt. Der Schuss des Hausherrn auf den weißhaarigen langfingrigen Besucher geht fehl, geschuldet der weichmütigen Gattin. War das tatsächlich der „Alte“? Arranways ist ärgerlich auf seine Frau in zweiter Ehe, unschöne Erfahrungen nach seiner ersten Heirat haben ihn chronisch eifersüchtig gemacht. Auf einer Europareise, die beide bald im Anschluss machen, lernen sie den charmanten und gutaussehenden Keith Keller kennen, der bald zu einem ständigen Begleiter wird. Es kommt, wie es scheinbar unvermeidlicherweise kommen muss. Kellers vorgetäuschte Freundschaft dem Lord gegenüber verdeckt nur seine tiefergehenden Ambitionen zu Lady Mary. Die lässt sich nur zu gerne auf den faszinierenden Lebemann ein. Sogar daheim in England geht das Verhältnis weiter, doch eines Tages bricht ein Feuer in Kellers Zimmer auf dem Landsitz der Arranways aus. Der noch recht neue Wirt des Ortes, John Lorney, rettet nicht nur Mr. Keller vor den Flammen, sondern auch die hübsche Lady Mary, die gar nicht dort hätte sein dürfen. Er hält mit seinen Kenntnissen zurück, wie alle anderen auch, doch Lord Arranways beschleichen wieder düstere Ahnungen, die immer mehr zur Gewissheit werden…
Währenddessen beginnt der „Alte“ seltsamerweise wieder, gestohlene Dinge zu den früheren Besitzern zurückzubringen. Dass stößt auf großes Interesse von Chefinspektor Collett von Scotland Yard, der schon die Diebstähle untersuchte. Aber auch Carl Rennett, ein möglicherweise schon im Ruhestand befindlicher berühmter Beamter der New Yorker Polizei, taucht in Sketchley auf und quartiert sich im Coat of Arms ein. Collett vermutet mit der Zeit ein düsteres Motiv bei seinem amerikanischen Berufskollegen, hängt es mit dem „Alten“ zusammen, oder gar mit Keith Keller, der jetzt auch genauso wie der Lord und die Lady im Dorfgasthof wohnt? Keller scheint in der Vergangenheit so einiges auf dem Kerbholz gehabt zu haben, das wird mit der Zeit immer klarer. Das Verhältnis des Ehepaars Arranways ist eisig, der Lord ergeht sich in düsteren Andeutungen. Sein Schwager Dick Mayford, der Bruder von Mary, versucht ihn umzustimmen und auch seine Schwester wieder zur Vernunft zu bringen. Außerdem hat er sich in die junge Anna Jeans verguckt, eine junge kesse Dame aus Übersee, die bei ihrem alten Bekannten John Lorney wie stets die Sommer verbringt. Doch auch Keller stellt der attraktiven Anna nach, was der inzwischen schon desillusionierten Mary nicht verborgen bleibt. Und mit dem Kellner Charles, einem mehrfach vorbestraften Ex-Knacki, kommt der taffe Keith auch in bösen Streit…
Letztlich schlägt das Schicksal scheinbar unabwendbar zu, als die Unperson des Stückes tot auf der Balustrade des Gasthofs liegt, erstochen mit einem seltenen indischen Dolch aus Lord Arranways Sammlung. Jeder der Bewohner des Gasthofes hätte es gewesen sein können, doch zu Chefinspektor Colletts Verdruss wird der Fall von Inspektor Blagdon aus den Reihen der Lokalpolizei bearbeitet, einem eitlen aber wenig fähigen Mann, der nach Colletts Meinung immer in die verkehrte Richtung rennt. So muss er die Sache selbst zu einem guten Ende bringen, Verdächtige gibt es genug, doch die Lösung findet letztlich ein typisches Wallace’sches Ende…


Bewertung:

Ein Roman aus der Spätphase des Vielschreibers. Interessant daran ist die Betrachtung der Moral von Frauen im Besonderen, aber auch ganz allgemein. Kein Vergleich mehr zu den Werken, die E.W. etwa vor dem ersten Weltkrieg geschrieben hat, als man noch in der Edwardianischen Zeit lebte und der Geist der alten Königin Victoria nachwehte. Die Damen sind keine hilflosen bleichhäutigen Wesen mehr, die nur zwischen verschiedenen Ohnmachten zu existieren scheinen. Im Umgang mit Männern zeigen sie sich zu Beginn der dreißiger Jahre schon sehr selbstbewusst, wobei sie auch hier naturgegeben an ihre Grenzen kommen. Sogar Ehebruch stellt für eine weibliche Hauptheldin kein Problem mehr dar, ja, Wallace bringt sogar ein gewisses Verständnis dafür auf, weist dem egozentrischen Gatten sogar eine erhebliche Mitschuld zu. Wobei eine Versöhnung der Eheleute durchaus möglich erscheint.
Dagegen tritt dem Leser wieder eine männliche Negativfigur entgegen, die man nicht zum ersten Mal beschrieben sieht. Keith Keller, der skrupellose, lüsterne Verführer, Mitgiftjäger, Erpresser, Dieb und wohl noch Schlimmeres. Immer mehr blättert im Verlaufe der Geschichte die oberflächlich faszinierende Fassade des Burschen ab, der doch nur ein gewöhnlicher Verbrecher mit einem ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex ist. Wenn es eine irdische Gerechtigkeit gibt, dann muss so einer doch schließlich mal über seine eigene Schlechtigkeit stolpern und ins Gras beißen. Damit lässt sich der Autor jedoch viiiieeel Zeit, erst im letzten Viertel des Stückes rafft es den Schurken dahin, nachdem er es sich mit jedem in seiner Umgebung verscherzt hat. Zugang zum Tatort hätte somit auch jeder haben können. Das Rätsel des weißhaarigen Einbrechers, der nun der „Alte“ ist oder nicht, verkommt zur Nebenhandlung. Natürlich gibt es auch hier einen entfernten Zusammenhang mit der Bluttat. Wiewohl es natürlich bei den meisten Personen ein familiäres Geheimnis gibt, welches mit der Zeit gelüftet wird.
Seltsam ist, dass der Verursacher des verheerenden „Feuer im Schloss“ nicht zur Verantwortung gezogen wird und sich alles nur um die Untreue der jungen Lady dreht. (Das Feuer wird nur eher nebenbei abgehandelt). Dramaturgisch läuft ein Großteil des Geschehens dann im Gasthof Coat of Arms („Wappen“) ab, was der Story etwas ausgeprägt Theaterhaftes gibt, sicher nicht zufällig. Erinnert hierin etwas an Der unheimliche Mönch, der Hauptplot allerdings weist grobe Ähnlichkeit mit Der Teufel von Tidal Basin auf. Auch Versatzstücke aus anderen Romanen kann man erkennen, etwa einen Trick des Mörders, der an eine Szene aus Der Rote Kreis gemahnt. Ansonsten bleibt die Spannung auf Sparflamme. Mit Ausnahme des Fieslings Keller erscheinen die Charaktere etwas oberflächlich.
Die Ortspolizei in Gestalt des Inspektors Blagdon stellt sich ebenso trottelig an wie zur Zeit des seligen Sherlock Holmes. Gut, dass da noch Scotland Yard zumindest beratend zur Seite steht. Sicher hat sich der von Schulden getriebene Schöpfer der Geschichte bemüht, seinen Detektiv Chefinspektor Collett ein paar logische Schlüsse ziehen zu lassen, die nicht alles dem Zufall überlassen. Der spielt trotzdem am Ende ganz ordentlich mit, um die Sache noch befriedigend rund werden zu lassen. Wie so oft, gibt Wallace hier seinem eigenen und sicher auch dem Gerechtigkeitsempfinden der meisten Leser den Vorzug vor dem Recht nach den Buchstaben des Gesetzes, und man kann auch mal wieder feststellen, dass er Resozialisierung von Gewohnheitsverbrechern für verlorene Liebesmüh hielt.
Persönlich halte ich den Roman für einen der schwächeren von Edgar Wallace, er verliert sich zu sehr in sich wiederholenden Beschreibungen und Beziehungsverstrickungen, Thrill kommt gar nicht auf, der Anteil des zentralen Verbrechens samt Aufklärung ist zu kurz. Kann man mal lesen. Hätte sicher als etwas gerafftes Theaterstück besser funktioniert.


Leseexemplar:

Es sind gut 170 Seiten, jedenfalls in der gebundenen Goldmann-Ausgabe von 1960. Ins Deutsche wurde der Text vom altbewährten Ravi Ravendro übertragen.


Verfilmung:

Eine Verfilmung des Stoffes im Rahmen der deutschen Edgar-Wallace-Reihe gibt es nicht, auch nicht in Andeutungen.

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