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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 102 mal aufgerufen
 Romane
Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 660

03.09.2024 10:22
Der jüngste Tag (1926) Zitat · Antworten

Der jüngste Tag


Originaltitel: The Day of Uniting
Erscheinungsjahr: 1926


Hauptpersonen:

Jimmy Blake – wohlhabender Junggeselle
Gerald van Roon – sein Vetter, aufstrebender Wissenschaftler
Joe Sennett – Technischer Leiter einer Großdruckerei
Delia Sennett – seine hübsche junge Tochter mit Sprachbegabung
Tom Elmers – begabter Schriftsetzer, leider Alkoholiker
Ferdinand Ponter – Freund der Haupthelden
Stamford Chapelle – Premierminister von Großbritannien
Mr. Stope-Kendrick – Innenminister
Lord Harry Weltman – Kriegsminister, Mann von enormem Reichtum
Bischof von Fleet – hoher geistlicher Würdenträger
Professor Maggerson – großartiger Gelehrter
Mr. Palythorpe – Herausgeber eines Skandalblattes und Erpresser


Handlung:

In Ponters Großdruckerei ist noch spät am Abend der begabte Setzer Tom Elmers am Werken. Dessen Abteilungsleiter Joe Sennett steht dem jungen Mann kritisch gegenüber, seine attraktive Tochter Delia hat Tom eine Abfuhr gegeben, seitdem ist der dem Trunk verfallen. Er stößt Drohungen aus und sabotiert die Arbeit.
Bei Ponter werden auch die wissenschaftlichen Arbeiten von Gerald van Roon verlegt, ein sehr geradliniger junger Mann, welcher zusammen mit seinem Cousin Jimmy Blake auf dessem Anwesen in Blackheath lebt. Jimmy ist das ganze Gegenteil von Gerald, eigentlich ein ziemlicher Nichtsnutz, der von einer großzügigen Erbschaft lebt, sich für Sport, schnelle Autos und Müßiggang interessiert, bisher aber eher einen Bogen um das schöne Geschlecht gemacht hat. Nun aber kommt durch eine Verkettung von Umständen der alte Sennett mit seiner Tochter in Blakes Haus, vor allem, um Änderungen an van Roons neuestem Buches zu besprechen. Jimmy findet Gefallen an der lieblichen Delia. Gerald schleppt ihn aber erst mal zu einem Empfang des Ministerpräsidenten Stamford Chapelle. Es wird eine Gesellschaft zu Ehren des berühmten Professors Maggerson gegeben, eines Universalgelehrten, welcher aber sehr verspätet und im Zustand höchster Panik erscheint.
Nun beginnen die mysteriösen dunklen Ereignisse. Van Roon begibt sich noch spät abends zu einer geheimen Konferenz. Später wird er erschossen in der Heide aufgefunden, nicht weit von Blakes Wohnhaus entfernt. Warum musste er sterben? Im benachbarten Wardens’s Lodge finden ganz offensichtlich des Nachts immer Geheimtreffen statt. Jimmy möchte hinter den Sinn dieser Treffen kommen, versucht sich einzuschleichen. Inzwischen geschehen merkwürdige Dinge, ein Gast der Party in der Downing Street, der Innenminister Stope-Kendrick, erschießt sich vor Blakes Augen, ein weiterer, Lord Weltman, der reichste Mann Englands und erbitterter Feind der Arbeiterbewegung, wird plötzlich zum Wohltäter an seinen Angestellten und Mietern, während der ebenfalls anwesende Bischof von Fleet eine ganz außergewöhnliche Sonntagspredigt hält. (Alle Männer hatten übrigens großes Interesse an Astronomie gehabt). Gerüchte über restriktive Maßnahmen der Regierung machen die Runde.
Jimmy gelingt es, unter Mithilfe seines Freundes Ferdinand Ponter, auf das Grundstück Warden’s Lodge zu kommen. Dort versammeln sich neben dem seltsamen Professor Maggerson hochrangige Mitglieder der Regierung, und es scheinen hochgradig ungesetzliche Aktivitäten vonstatten zu gehen… Neben Blake interessieren sich auch noch andere für diese Zusammenkünfte. Der rachsüchtige Trinker Elmers hat sich in die Dienste des schlechtbeleumdeten Zeitungsverlegers Palythorpe begeben. Palythorpe hegt einen tiefen persönlichen Hass auf den Premierminister Chapelle und versucht, hinter seine Geheimnisse zu kommen, um ihn öffentlich bloßzustellen.
Jimmy Blake und Delia Sennett kommen sich (wie nicht anders zu erwarten) menschlich immer näher, aber wie es aussieht, schwebt über allen eine unheimliche Bedrohung, ein Krieg oder noch etwas Zerstörerisches. Die Regierung setzt für den 16. Mai der „Tag der Vereinigung“ fest, eine Art Wohlfühlpaket für alle. Die Bevölkerung freut sich über den Day of Uniting, die plötzliche angekündigte Großzügigkeit der Obrigkeit. Andererseits wird der Staat immer übergriffiger. So gelangt auch Jimmy ins Visier der Obrigkeit und in Lebensgefahr. Wird es für ihn und alle anderen noch ein Entkommen geben? Man kann bei Wallace davon ausgehen, das alles ins rechte Lot kommt, so auch hier wieder.


Bewertung:

Ein Wallace-Krimi, der aus dem gewohnten Rahmen fällt. Einerseits gibt es die altvertrauten Zutaten. Die üblichen Zufälle treten auf, der in Geheimsachen tätige Drucker Joe Sennett arbeitet bei Ponters, dessen zukünftiger Juniorchef mit Jimmy Blake bekannt ist, dessen Vetter auch dort drucken lässt, usw… Besonders als glücklicher Wink erscheint auch die unmittelbare Nachbarschaft von Blakes Refugium in der Heide von Blackheath zu dem in Regierungsbesitz befindlichen Warden’s Lodge, wohin der Held sogar mit dem Fernrohr sehen kann. Und es ist eine Schreibe aus der Mitte der zwanziger Jahre, da gehörte bei King Edgar noch eine zünftige Liebesgeschichte mit hinzu, die auch gerne mal breit ausgewalzt zum Schmalz tendierte. Wobei es das Schicksal dem Bräutigam in spe diesmal besonders einfach macht, die Dame wird ihm quasi auf dem Silbertablett ins eigene Heim geliefert. Der wohlhabende (und zudem noch gutaussehende) Bursche hat da natürlich bei der in eng begrenzten Verhältnissen lebenden Schönen besonders leichtes Spiel, wenngleich sie sich anfangs ein wenig ziert – gehört halt mit dazu. :-)
Die recht brutale Tötung des pedantischen, aber liebenswerten Gerald weist mehr Tragik auf als bei Wallace üblich, auch weitere Todesfälle folgen, und es gibt die üblichen unangenehmen Figuren, Erpresser und Trunkenbolde etwa. Dass der Autor durch die Temperenzler geprägt war, merkt man in diesem Werk deutlich, denn die Neigung zum Alkohol wird wiederholt stark kritisiert.
Abweichend zu den meisten anderen Büchern ist hier auch noch ein Hauch Phantastik zu spüren. Man kann sicher nicht von einem Verschwörungsthriller sprechen, dafür ist alles zu simpel gestrickt, doch die Politik nimmt diesmal einen recht großen Raum ein.
Das Szenario, das Wallace entwickelt, führt den Leser mit der Zeit zur Prognose eines bald erfolgenden „Armageddon“. Während in der Gegenwart die Herrschenden als Modus demnächst allerlei hereinbrechende globale Katastrophen in Dauerschleife postulieren, um ihre Macht auszubauen und unpopuläre Maßnahmen durchzudrücken, ist es vor hundert Jahren bei Edgar Wallace noch anders, jedenfalls behauptet er, dass die Spitzen der Regierung letzten Endes das Beste aus der Situation zum Schutze der Bevölkerung machen wollen. Dabei sind die angewandten Methoden alles andere als gesetzlich, Staatsräson schreckt auch vor Toten nicht zurück. Innerhalb kurzer Zeit werden Bürgerrechte diktatorisch außer Kraft gesetzt, strenge Zensur wird eingeführt, die Gefängnisse geöffnet, allerdings um Platz für allerlei ohne Anklage verhaftete Zeitgenossen zu machen, die das Pech haben, die Möglichkeit zur Erlangung bestimmter Kenntnisse zu haben, die nicht erwünscht sind. Sogar von Konzentrationslagern wird gemunkelt. So muss auch Jimmy Blake nach seiner Hochzeit mit der aparten Delia die Bekanntschaft von Scotland-Yard-Beamten machen, die plötzlich als willkürliche Schergen erscheinen. Seine Hochzeitsnacht verbringt der bedauernswerte Jimmy nicht in den Armen der Gattin, sondern er wird an einen finsteren Ort verschleppt, wobei er große Gefahr läuft, hingerichtet zu werden.
Letzten Endes geht alles gut aus, man kann fast vermuten, dass Wallace bei aller dezidierten Kritik trotz allem mit den drastischen Maßnahmen sympathisierte, die "harte Hand" spürt man ja in einigen seiner Romane. Der Mord an Gerald van Roon (den würde man heute wohl als „Querdenker“ bezeichnen) wird wohl ungesühnt bleiben, der Tod des aufrechten Mannes wurde eher noch unangenehm verbrämt. Die eindeutigen Negativfiguren der Story haben nebenher auch noch ihr verdientes Ende gefunden. Und eine zufriedenstellende Lösung für das Happyend wurde auch konstruiert. Wobei ein gewisser Professor Schaffer aus Leipzig keine geringe Rolle spielt. Wieder mal eine kleine Verbeugung des Herrn Wallace vor seinem dort lebenden Verleger Goldmann und dem dankbaren deutschen Lesepublikum?
Das Ende kommt dann doch ziemlich abrupt, die Welt dreht sich immer noch…

Der besprochene Roman ist für Freunde der Wallace-Literatur mit Sicherheit lohnenswerte Lektüre, wer einen typischen Kriminalroman erwartet, sollte doch lieber andere Titel aus dem Fundus lesen.


Leseexemplar:

Der Roman kommt auf gerade mal 150 Seiten, jedenfalls in der Weltbild-Ausgabe, in der er zusammen mit Ganz Europa zum Trotz aufgelegt wurde. Als Übersetzer ist wie so oft Ravi Ravendro eingetragen.


Verfilmung:

Eine Verfilmung des Buches innerhalb der deutschen Edgar-Wallace-Reihe gibt es nicht, wäre bei dem phantastischen Thema und der für Edgar Wallace eher ungewöhnlichen stark politischen Komponente auch schwer vorstellbar.

Edgar007 Offline




Beiträge: 2.601

03.09.2024 20:04
#2 RE: Der jüngste Tag (1926) Zitat · Antworten

Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #1
Der jüngste Tag

Wobei ein gewisser Professor Schaffer aus Leipzig keine geringe Rolle spielt. Wieder mal eine kleine Verbeugung des Herrn Wallace vor seinem dort lebenden Verleger Goldmann und dem dankbaren deutschen Lesepublikum?

Meines Wissens erschien der erste Goldmann-Roman erst 1928, was dann gegen Deine "Unterstellung" spräche...

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 660

04.09.2024 21:46
#3 RE: Der jüngste Tag (1926) Zitat · Antworten

Der erste Wallace-Roman im Goldmann-Verlag soll noch Ende 1925 erschienen sein, ein Afrika-Buch. Ab 1926 wurden dann die ersten Krimis verlegt. Im Jahre 1928 soll Goldmann sich die Rechte an allen Wallace-Büchern auf den deutschen Markt gesichert haben.

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