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Dieses Thema hat 4 Antworten
und wurde 332 mal aufgerufen
 Film- und Fernsehklassiker national
Jan Offline




Beiträge: 1.753

14.11.2020 23:11
Nasser Asphalt Zitat · Antworten

Nasser Asphalt
Krimidrama BRD 1958 • mit Horst Buchholz, Martin Held, Maria Perschy, Gert Fröbe, Inge Meysel, Heinz Reincke, Richard Münch, Aranka Jaenke, Peter Capell, Ludwig Linkmann, uvm • Musik: Hans-Martin Majewski • Drehbuch: Will Tremper und Frank Wisbar nach einer Idee von Will Tremper • Kamera: Helmuth Ashley und Franz X. Lederle • Schnitt: Klaus Dudenhöfer • Produktion: Wenzel Lüdecke • Ein Inter-West-Film im Europa-Filmverleih
Regie: Frank Wisbar


Der vorbestrafte Journalist Greg Bachmann erhält von Starreporter Cesar Boyd eine zweite berufliche Chance. Boyd nutzt Bachmanns eigene Geschichte aus dem Zuchthaus, um daraus kapitalträchtige Zeitungsgeschichten zu machen, beschäftigt Bachmann als talentierten Ghostwiter für spektakuläre Geschichten, unter die er letztlich seinen eigenen Namen setzt. Als Boyd eines Tages den Termin zu einer Auftragsarbeit verschwitzt, verwendet er aus der Not heraus eine frei erfundene Geschichte um Wehrmachtssoldaten, die angeblich sechs Jahre lang in einem Bunker in der Nähe von Danzig in absoluter Isolation verbracht haben sollen. Greg Bachmann schreibt die Geschichte begeistert und fasziniert. Ein Überlebender, so Boyds Geschichte, habe nun mehr erblindet den Weg in die Freiheit gefunden. Die Geschichte entwickelt sich sowohl in der Bevölkerung aber auch unter Boyds Reporter-Kollegen schneeballartig zu einem Medienereignis, das Boyd immer mehr aus den Händen gleitet. Greg Bachmann, bis dahin treu an der Seite seines Chefs, erkennt eines Tages, dass Boyd die ganze Geschichte frei erfunden hat. Bachmann stellt Boyd zur Rede, doch der verteidigt seine Geschichte skrupellos als wahre Begebenheit. Bachmann ist daraufhin nicht länger Willens, an der Seite Boyds zu stehen und will den Schwindel aufdecken.

Sowohl inhaltlich wie filmästehtisch darf Frank Wisbars "Nasser Asphalt" als herausragende Produktion der 1950er Jahre gelten. Die von Will Tremper ersonnene Geschichte fußt lose auf einer wahren Begebenheit um sog. Bunkermenschen aus Gdingen aus dem Jahr 1951, und dem erst 1958 fertiggestellten Film ist insofern in einigen Passagen auch deutlich zu entnehmen, dass zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Spielhandlung weniger als 13 Jahre vergangen sind. Dennoch wirkt die Geschichte zu jederzeit aktuell, besitzt aus dem heutigem Blickwinkel heraus aufgrund des Grundthemas der beeinflussbaren Massen gar eine zeitlose Qualität. Raffiniert haben die beiden Drehbuchautoren Tremper und Wisbar eine geradewegs atemlos daherkommende Geschichte gesponnen, deren Erzähltempo mit der Wucht der dargestellten Entwicklungen quasi minütlich zunimmt. Über weite Strecken zwar ein Atelierfilm (gedreht wurde im Realfilmstudio in Hamburg), baute Frank Wisbar gekonnt einige winterliche Außendrehs rings um den Bunker und bei Demonstrationen auf der Straße ein, die, überaus realistisch und actionbetont angelegt, einen deutöochen Kontrast zu Boyds Wirtschaftswunder-Büro bieten. Mehrfach im Film benannter Handlungsort der Geschichte ist Berlin, gedreht wurde indes, abgesehen von sehr wenigen Einstellungen rings um die Siegessäule, ganz gewiss in und um Hamburg. Vor allem der bei einer nur sehr kurzen Außen-Einstellung vor der Villa Boyd zu sehende Hamburger Schauspieler Benno Gellenbeck, der hier eine kleine Rolle als Lastwagenfahrer spielt, lässt darauf schließen. Auch die Aufnahmen rings um den Bunker, sehr weitläufig und ländlich, deuten nicht gerade auf West-Berlin als Drehort der Außenaufnahmen.

Die inhaltlich konsequent auf Anspruch angelegte Geschichte setzte der spätere Regisseur Helmuth Ashley (neben ihm an der Kamera der junge Franz X. Lederle) in sehr stimmige, z.T. toll beleuchtete Schwarzweißbilder um. Zusammen mit dem für seine Arbeit bei "Nasser Asphalt" mit dem Filmband in Silber ausgezeichneten Komponisten Hans-Martin Majewski darf sich der Film insofern rühmen, in Bild und Ton wunschlos glücklich zu machen.

Letztlich jedoch bleibt "Nasser Asphalt" ein echter Ensemble-Film. Mit Martin Held, Horst Buchholz, Maria Perschy, Gert Fröbe, Inge Meysel und Richard Münch sind die Charaktere bis in die letzte Nebenrolle hochkarätig besetzt. Es liegt vermutlich in der schauspielerischen Statur Martin Helds, dass er dabei die übrigen Akteure an die Wand zu spielen droht. So wacker die Figur des Greg Bachmann angelegt ist, so zäh erwidert Horst Buchholz die alles einnehmen wollende Spielfreude des großen Martin Held. Es ist durchaus als großes Kompliment zu verstehen, wenn festgehalten werden darf, dass Buchholz & Co. neben Held nicht vollends untergehen. Die beiden Charaktere Bachmann und Boyd entwickeln sich im Lauf der Geschichte zu Widerparts, und Horst Buchholz spielt behände gegen den großen Mimen an. Weniger schwer haben es da sicher Fröbe und Meysel, die als Arbeiter-Ehepaar ihre eigenen, für sie so typischen Rollen finden.

Fazit: Dem wunderbaren Regisseur Frank Wisbar gelang mit "Nasser Asphalt" ein wichtiger Beitrag zur Verführung der Massen, zu Macht und Moral. Er schuf einen durch und druch spannenden Film von zeitloser Bedeutung, mit brillanter Besetzung und künstlerischer Akkuratesse. 5 von 5 Punkten.

Gruß
Jan

Ray Offline



Beiträge: 1.931

16.11.2020 13:49
#2 RE: Nasser Asphalt Zitat · Antworten

Danke fürs Vorstellen des Films. Habe ihn schon lange auf dem Schirm. Er müsste ja grundsätzlich auch zum Rechtestock von Filmjuwelen gehören. Anders als viele andere Kinowelt/Studiocanal-VÖen ist er aber noch nicht wieder via Filmjuwelen erschienen bzw. angekündigt. Allerdings gibt es die alte DVD noch zu akzeptablen Preisen. Vielleicht schlage ich da mal zu. Die Besprechung steigert das Interesse an dem Film auf jeden Fall nochmal zusätzlich.

Jan Offline




Beiträge: 1.753

17.11.2020 19:56
#3 RE: Nasser Asphalt Zitat · Antworten

Zitat von Ray im Beitrag #2
Allerdings gibt es die alte DVD noch zu akzeptablen Preisen.

Die habe ich auch erst jüngst erworben zu einem sehr günstigen Kurs. Ich war ganz überrascht, dass es da keine aktuelle DVD gibt. Ich kannte den Film schon aus VHS-Zeiten. Er lief ja früher mal im Privatfernsehen am Vormittag (!) und da habe ich ihn aufgezeichnet (ich meine von Sat.1). Tatsächlich ist der Film meinem heutigen Empfinden zufolge noch stärker, als ich ihn ohnehin schon in Erinnerung hatte. Vor allem das hohe Erzähltempo hatte ich gar nicht mehr so in Erinnerung. Ich kann Dir den tatsächlich nur empfehlen!

Gruß
Jan

Ray Offline



Beiträge: 1.931

17.11.2020 23:09
#4 RE: Nasser Asphalt Zitat · Antworten

Vormittags im Privatfernsehen - Wahnsinn, wie sich die Zeiten ändern. Schöne Anekdote. Habe mir die DVD jetzt auch mal zugelegt und freue mich auf diesen Film.

Ray Offline



Beiträge: 1.931

25.11.2020 21:55
#5 RE: Nasser Asphalt Zitat · Antworten

Hab den Film inzwischen gesehen und kann mich dem Lob anschlie0en.

Martin Held dominiert das Geschehen erwartungsgemäß, aber wie schon geschrieben kann sich Horst Buchholz gut behaupten, was zum nötigen Gleichgewicht führt, um die Spannungb über die gesamte Laufzeit aufrechtzuerhalten. Maria Perschy hingegen holt aus der ohnehin dem Zeitgeist entsprechend nicht sonderlich dankbaren Rolle sehr wenig raus - leider ein (Total-)ausfall. Die Musik unterstützt die Dramturgie sehr gekonnt, das Publikum spürt sofort, wenn eine Wendung kommt bzw. etwas passiert.

Insgesamt reijt der Film sich in die Reihe hochwertig besetzter udn sozial engagierter Thriller der Dekade wie etwas "Rosen für den Staatsanwalt", "Alibi" oder "Gestehen Sie, Dr. Corda" ein. Äußerst sehenswert. 4,5 von 5 Punkten.

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