Ob Klaus Kinski tatsächlich solch ein Egomane war, wie hier gemutmaßt, glaube ich gar nicht. Ein Gutteil des Enfant-terrible-Auftritts ist aus meiner Sicht eine kühl kalkulierte Marketing-Masche, an der der Regisseur Werner Herzog nicht ganz unbeteiligt gewesen sein dürfte. Bekanntlich machten Herzog und Kinski einige sehr bemerkenswerte Filme miteinander, und sie waren nicht unkreativ dabei, diese durch gezielte Kinski-Eskapaden zu bewerben. Es gibt Geschichten über einen Werner Herzog, der seinen Darsteller mit angelegtem Gewehr hinter der Kamera zum Spielen davor bewegt haben will. Es gibt eine zufälligerweise mitlaufende Kamera, die den wegen der schlechten Verpflegung am Set mitten im Urwald (!) völlig außer Rand und Band geratenen Klaus Kinski aufnimmt, wie dieser ein Crewmitglied (offenbar nicht eingeweiht) pausenlos anschreit. Ich bin mir doch recht sicher, dass Derartiges zuvor wohl überlegt und schlussendlich penibel umgesetzt wurde. Klaus Kinski, wie man ihn heute kennt, ist eine Kunstfigur, die durch Klaus Kinski in der Öffentlichkeit dargestellt wurde. Er lieferte, was sein Publikum wollte. Bei einer durchaus feministisch auftretenden Talkshow-Moderatorin gab er den Macho und Chauvi, bei seiner Jesus-Christus-Rezitation den wirren Gläubigen, der keinen Andersgläubigen neben sich selbst duldet. Ob man davon auf ihn selbst schließen kann, glaube ich ehrlicherweise nicht. Fraglich, ob er am Ende noch wusste, wer er selbst wirklich war.
Gruß Jan
P.S.: Werner Herzog hat über Kinski eine abendfüllende Dokumentation gedreht, die aus den genannten Gründen zwar überaus unterhaltsam, aber letztlich als echte Charakterisierung total unbrauchbar ist, weil sie nichts anderes tut, als die Kunstfigur Kinski noch einmal auferstehen zu lassen. Ich hatte nie den Eindruck, dass Werner Herzog seinem ehemaligen Darsteller darin besonders nahe gekommen wäre bzw. dies überhaupt vorgehabt hätte. Letztlich handelt es sich um eine posthume Partizipation am "Geschäftsmodell Kinski".
Wenn man diese "Doku" mal objektiv betrachtet fällt einem natürlich die "Tendenz" auf die wohl dahinter steckt.Allein die Auswahl der "Freunde/Kollegen bzw. innen ? finde ich recht fragwürdig.Frau Van Bergen ( die ja auch evtl. genug vor der eigenen Haustüre zu kehren hätte )quasi als "Kronzeugin" zu befragen.....naja...Die andere "Freundin" auch nicht viel besser. Man hat strickt jedes Positive aus seinem Leben gestrichen ( es gab doch zB. auch Kollegen die gut mit ihm auskamen ,hat sich nicht auch mal Fuchsberger so geäussert ? ) Dann noch Experten mit eindeutigem "Auftrag " die sogar Bilder mit Schmetterlingen als eindeutig negativ beurteilen usw usw.
Ich möchte damit nicht seine Verfehlungen irgendwie beschönigen/entschuldigen aber eine ordentliche DoKu geht anders. ( zB. die Legenden Doku über G. Fröbe )
Ein typisches "History" Machwerk muss man leider sagen .
Interessantes Resume, macht den Eindruck wie bestimmte Kerner-Talkshows, wo Prominente ins Kreuzverhör genommen und diffamiert werden. Sag mir wen Du fragst und ich sage Dir was dabei herauskommt...
Ich habe ihn immer nur als limitierten Schauspieler erlebt. Fitzcarraldo hätte er relativ normal darstellen können. Konnte er aber nicht. Ich habe ihn in keiner Rolle "normal" erlebt. Viele waren natürlich auch zu kurz, um sie seriös beurteilen zu können. Der Hype um ihn ist aus meiner Sicht übertrieben.
Damals war es eben ein "Hype" weil er die Skandale geliefert hat die alle sehen wollten.Er ist eben auch so von den Filmemachern gebucht worden .Jeder so wie es am besten kann.Fuchsberger /Dor wurden auch nicht oft als negativ Figuren eingesetzt ,Ady Berber wird immer der blinde Jack sein im kollektiven Wallace Gedächtnis (und war in jeder "normalen"Rolle doch auch verschenkt) Ich sehe da keinen Hype ( zB. in seiner längeren Rolle im "Gesicht" ist das ja alles recht blass /quasi eben Fehlbesetzung ) erst recht nicht nach all den Jahren.
Aber .....wenn man glaubt nochmal eine Doku machen zu müssen dann doch bitte irgendwie objektiver /weniger Skandalgeiler .....für ein einfaches Fazit Kinski = A....... hätte man sich diese ( von wem eigentlich noch erwartet /gewollt ? ) sparen können.ZDF Lückenbüßer mehr nicht.
Ich habe da eine andere Meinung. Zu den schwersten Anschuldigungen: Die Missbrauchsvorwürfe stehen ja nicht alleine, sondern es gibt ja weitere Personen, die immerhin davon sprechen, bedrängt worden zu sein. Ob erwiesen oder Indiz - das reicht allemal um etwas mehr kritische Distanz walten zu lassen. Natürlich kann er sich nicht mehr wehren, aber man muss so eine Person dann auch in den Medien nicht mehr als Kult zwischen "Genie und Wahnsinn" abfeiern, wie im Prinzip bis 2013 durchweg geschehen.
Das Kinski das Scheusal nur zur Selbstvermarktung gespielt hat, halte ich für eine gewagte und letztlich auch widerlegte These. Es stimmt, dass er sich zunehmend auch in der Rolle gefallen haben muss und sich zusätzlich inszeniert hat. Dafür sprechen z.B. Fernsehauftritte, in denen er sich als Enfant Terrible gefällt. Es ist allerdings auch schon eine Krankenakte einer Nervenklinik aus dem Jahr 1960 öffentlich geworden, die dokumentiert, dass er in einer Arztpraxis randalierte, eine Krankenschwester würgte, Selbstmordversuche unternahm. Hinzu kommen die zahlreichen Aussagen von Personen, die sein Verhalten auch ohne laufende Kameras entsprechend benennen.
Während der Edgar-Wallace-Zeit scheint er sich in seinem Arbeitsumfeld weitgehend diszipliniert zu haben, da berichten ja auch die meisten Kollegen, sie seien eigentlich ganz gut mit ihm ausgekommen. Da werden dann eher mehr oder weniger lustige, schrullige Anekdötchen von seinem Verhalten erzählt. In den 70ern und 80ern scheint es aber mehr und mehr nicht mehr so mit der Disziplin geklappt zu haben.
Nichtsdestotrotz bin ich auch bei Werner Herzog ein wenig skeptisch. Er ist halt auch ein Geschichtenerzähler, der wohlmöglich zu einer gewissen Groteske bei der Nacherzählung neigt. Im Spiegel Interview sagte er etwa zur Entstehung des Aguirre-Drehbuchs einmal:
Zitat von Wikipedia„Daß Kinski diese Rolle spielen sollte, stand schon fest, als ich das Drehbuch schrieb – in zweieinhalb Tagen, während ich mit meinem Fußballverein unterwegs war und alle um mich herum schon ab Salzburg betrunken waren und obszöne Lieder sangen. Ich habe das Drehbuch fast vollständig mit der linken Hand getippt, mit der rechten mußte ich einen Betrunkenen abwehren, der sich schließlich auch über einen Teil der geschriebenen Seiten erbrach. Dann schickte ich das Buch Kinski mit der Post, und zwei Tage später kam nachts um drei dieser bizarre Anruf: Zuerst hörte ich nur unartikulierte Schreie, und ich wußte gar nicht, wer es war. Aber es klang so merkwürdig, daß ich nicht auflegte. Dann begriff ich, daß es Kinski war und daß er begeistert war, und während dieser ganzen halben Stunde kam ich nur dazu, vier Worte zu sagen: ‚Wo treffen wir uns?‘“ – Werner Herzog: im SPIEGEL-Gespräch vom 24. Mai 1999
Naja, vielleicht war es ja ein ganz klein bisschen so. Ich glaube aber nicht, dass jemand ein Drehbuch "fast vollständig" mit einer Hand tippt, während einer Fahrt mit betrunkenen und sich erbrechenden Fußballfans. Und vielleicht waren es ja doch ein paar Worte mehr, die besprochen wurden. Also bitte, ganz ehrlich...
Es fällt mir schwer Maßstäbe an einem Menschen anzulegen um sein Verhalten gemessen an "normal" zu beurteilen. Auch ist es durchaus möglich, daß Kinski wie viele andere Menschen ein psychiches Problem hatte. Wenn man seine Wutausbrüche nicht mit ADS mißt, scheint es aus meiner Erinnerung in einem Interview mit Desire Nosbusch so zu sein, daß er ein sehr verletzlicher Mensch war, wo auch immer der Grund in seiner Kindheit herkam. Wenn er also dieses Verhalten nicht gespielt hat und folglich "krank" war, dann sollte man das bitte mit gebührendem Respekt bei seinen hervorrageden Leistungen bei Wallace berücksichtigen und dieses Problem nicht weiter sezieren. Man schraubt ja auch nicht an einem Einarmigen herum um zu verstehen, warum sein Arm ab ist.
Da hast du wohl recht und im Grunde wissen wir alle ja wahrscheinlich wenig bzw . nicht genug um irgendwelche gültigen Beurteilungen abzugeben ( und will ich auch gar nicht ) Ausserhalb der Wallace Filme habe ich mich auch nur recht wenig mit Kinski beschäftigt.
Es ging mir eigentlich auch nur um die Qualität dieser Doku und da bin ich für mich zu dem Fazit gekommen : schlechter Skandal Journalismus .
Sorry, aber die Anmerkungen mit dem Dreharbeitenbericht hab ich immer noch nicht kapiert. Was gibt es in der Doku jetzt von der TÜR MIT DEN SIEBEN SCHLÖSSERN zu sehen, was noch nicht bekannt war? Und falls es nicht zu viele Umstände macht: Wann? Ein Timecode würde helfen, dass ich nicht noch mal die ganze Doku ansehen muss. Scheint mir irgendwie entgangen zu sein... Und wie ist die letzte Anmerkungen gemeint: In der Doku länger oder woanders gibt es ihn länger?