Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden Impressum 
Forum Edgar Wallace ,...



Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 37 Antworten
und wurde 1.688 mal aufgerufen
 Off-Topic
Seiten 1 | 2 | 3
Fabi88 Offline



Beiträge: 3.905

27.02.2020 09:20
#31 RE: Die Romane von Raymond Chandler und Dashiell Hammett Zitat · Antworten

Vielen Dank für die Autorenvorstellungen!
Jonathan Latimer kannte ich beispielsweise noch gar nicht.

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 644

02.03.2020 18:08
#32 RE: Die Romane von Raymond Chandler und Dashiell Hammett Zitat · Antworten

Vielen Dank ! Da legen wir noch einen hinterher...


Rex Stout (1886 – 1975)


Der Autor und seine Bücher:

Rex Stout wurde im US-Bundesstaat Indiana geboren und war ein sehr intelligenter Schüler. Er arbeitete später in unzähligen Berufen, durch die Mitentwicklung eines Schulsparkassensystems gelang ihm der Sprung in die finanzielle Unabhängigkeit. Seit Anfang der Dreißiger Jahre betrieb er die Schriftstellerei als ernsthaften Broterwerb, er schrieb im Laufe seines Lebens über fünfzig Bücher, davon mehr als dreißig Romane und zahlreiche Geschichten um den schwergewichtigen Privatdetektiv Nero Wolfe. Rex Stout war ein politisch sehr engagierter Mensch, er setzte sich gegen Faschismus und Kommunismus ein, aber auch gegen totalitäre Tendenzen im eigenen Land.

Bekannt wurde er durch seinen mehr als nur dicken Privatdetektiv Nero Wolfe, der fast nie sein Haus verlässt, einen durchgeregelten Tagesablauf hat und Orchideen züchtet sowie exquisites Essen liebt. Er ist quasi die auf die Spitze getriebene Inkarnation des klassischen Armchair-Detektivs. Mitglied im Männerhaushalt des misogynen Exzentrikers ist sein Assistent Archie Goodwin, der Ich-Erzähler der Kriminalfälle, zuständig für die Laufarbeit und die gröberen Dinge, schieß- und kampferprobt, schnodderig, ab und zu mal in Polizeigewahrsam, dem anderen Geschlecht äußerst zugeneigt und im Prinzip die "harte" Seite des Duos. Je nach Roman überwiegt der klassische oder auch härtere Teil, nicht immer ist die Auflösung für den Leser befriedigend, und es finden sich über die Jahre en passant Elemente und Themen zum Zeitgeschehen, wie Rassendiskriminierung, Nazispione, kommunistische Infiltrationsversuche, Korruption bei Gewerkschaften und Behörden, staatliche Übergriffe etc. Neben einigen durchaus enttäuschenden Episoden gibt es auch etliche Glanzlichter zum Schmökern.


Leseempfehlungen:

Der rote Bulle (Original: Some Buried Caesar – Erstveröffentlichung: 1938)

Durch eine Verkettung von Umständen muss Wolfe diesmal außerhalb seines Wohnhauses auf einer Farm ermitteln, ein wertvoller Zuchtbulle soll zu Werbezwecken zu Steak verarbeitet werden, ein junger Mann wird tot auf der Koppel gefunden. Nero Wolfe glaubt an die Unschuld des Stieres, Archie lernt seine Dauerfreundin Lily Rowan kennen, kommt vorübergehend in Haft, es gibt noch einen Todesfall, allerlei Ränkespiele laufen im Hintergrund, und schließlich gibt der dicke Detektiv eine einfache aber verblüffende Aufklärung. Guter Wolfe-Roman.


Sogar in den besten Familien (Original: In The Best Families – Erstveröffentlichung: 1950)

Der Tod ihrer Klientin Mrs. Rackham erscheint Nero Wolfe und Archie Goodwin als typischer klassischer Fall, aber Wolfes Intimfeind, der unangreifbare Syndikatsboss Arnold Zeck, hängt wieder mal mit drin. Nach dem spurlosen Verschwinden seines Chefs macht sich Archie selbständig, doch der Verschollene taucht an unerwarteter Stelle wieder auf, die beiden infiltrieren die Gangster-Organisation und durch Ausnutzen des Falles Rackham gelingt ihnen Zecks Ausschaltung (Dürrenmatts Der Richter und sein Henker lässt grüßen). Reichlich konstruierter, aber spannender Krimi.


Per Adresse Mörder X (Original: The Doorbell Rang – Erstveröffentlichung: 1965)

Die reiche Mrs. Bruner sieht sich nach Veröffentlichung ihres Buches Hinter den Kulissen des FBI Verfolgungen durch diese Behörde ausgesetzt. Nero Wolfe soll ihr helfen, das zu unterbinden, er ermittelt bald in dem Mordfall eines Journalisten, in den unter unter dubiosen Umständen auch das FBI verwickelt ist. Es gelingt ihm und seinen Helfern schließlich, auch hier eine für alle befriedigende Lösung zu finden. Rex Stout plädiert hier humorvoll und entschieden gegen die Gesinnungsschnüffelei übermächtiger staatlicher Organisationen.






Buchbesprechung: Die goldenen Spinnen


Originaltitel: The Golden Spiders
Erstveröffentlichung: 1953



Hauptpersonen:

Nero Wolfe – Privatdetektiv
Archie Goodwin – sein Assistent und „Mädchen für alles“
Pit Drossos – Straßenjunge
Laura Fromm – Vorsitzende der Stiftung Unim
Jean Eastey – ihre Privatsekretärin
Angela Wright – Geschäftsführerin der Unim
Dennis Horan – fragwürdiger Rechtsanwalt
Claire Horan – seine Ehefrau
Paul Kuffner - Werbefachmann
Vincent Lipscomb - Zeitschriftenverleger
Albert Maddox - Rechtsanwalt
Mathew Birch – Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde
Lawrence „Lippen“-Egan – Gangster Nr.1
Mortimer Ervin – Gangster Nr.2
Kommissar Cramer – von der Mordkommission
Purley Stebbins – sein Mitarbeiter
Lon Cohan - Journalist
Saul Panzer –
Fred Durkin – Wolfes “Hilfstruppe”
Orrie Cather -


Handlung:

Skandal im Backsteinhaus in der 35. Straße in New York ! Nero Wolfes Leibkoch hat eines von dessen Lieblingsgerichten nach einem abweichenden Rezept kredenzt - eigentlich keine Weltbewegtheit, aber der Auslöser dafür, dass bald darauf der kleine Straßenjunge Pit Drossos aus der Nachbarschaft an Wolfes Tafel sitzt und ihm seinen Fall schildert. Er hat beim Fensterputzen eines Cadillac im Wageninneren eine Frau mit Kratzer an der Wange und auffälligen goldenen Spinnenohrringen gesehen, die offenbar von ihrem Beifahrer mit einer Waffe bedroht wurde und um Hilfe flehte. Der faule und snobistische Nero Wolfe gibt dem Kind eine Menge gute Ratschläge mit auf den Weg (die kosten ja nichts) und betrachtet die Sache als erledigt. Doch am nächsten Tag wird der Kleine absichtlich von wahrscheinlich dem selben Auto überfahren. Für ein paar Dollar des Jungen setzt der widerwillige Privatdetektiv, angetrieben von seinem lästernden Assistenten Archie Goodwin, eine Suchannonce in die Zeitung, die sich auf den von Pit geschilderten Sachverhalt bezieht. Das Unwahrscheinliche geschieht: tatsächlich wird eine recht gutaussehende Frau vorstellig, die behauptet, die geheimnisvolle bedrohte Dame in dem Cadillac gewesen zu sein. Die beiden Detektive können sie recht bald der Lüge überführen, die Unbekannte entpuppt sich als Laura Fromm, millionenschwere Witwe und Schirmherrin der Unim, der Stiftung Union zur Unterstützung illegaler Immigranten. Sie zahlt Wolfe einen ansehnlichen Vorschuss für noch nicht näher spezifizierte Aufgaben und verabredet für den nächsten Tag einen Termin. Den kann sie allerdings nicht mehr wahrnehmen, denn sie wird in der Nacht ebenfalls äußerst brutal überfahren. Nun sind schon zwei Klienten von Nero Wolfe nach seiner Konsultation eines gewaltsamen Todes gestorben, Zeit für den Dicken, sich seinen beschädigten Ruf wiederherzustellen und Mrs. Fromms Geld auch zu verdienen. Außerdem ist bekannt, dass schon kurz vor dem Mord an Pit Drossos ein gewisser Andrew Birch mit der selben Methode wie die beiden anderen Opfer umgebracht wurde. Der Mann war bei der Einwanderungsbehörde beschäftigt gewesen.
Die Polizei, vertreten durch Kommissar Cramer und Sergeant Stebbins, ist wie immer argwöhnisch gegenüber Wolfe und seinen Mitarbeitern. Der Dauerclinch zwischen den Polizisten und den Privaten ist fester Bestandteil des Nero-Wolfe-Universums. Doch trotz ihrer Personalstärke schaffen es die offiziellen Stellen nicht, einen brauchbaren Anhaltspunkt zu finden. Archie startet derweil ein Täuschungsmanöver und gibt sich bei den in den Fall Verwickelten als schmieriger Erpresser aus, eine aufwändige, aber nicht sehr erträgliche Maßnahme. Da gibt es Lauras nicht allzu betrübte Privatsekretärin Jean Eastey, dann den Rechtsanwalt Horan, der mit der Ermordeten mehr befreundet schien als seiner Frau recht gewesen sein konnte, die nervöse Angela White als Geschäftsführerin der Unim sowie den schwätzerischen Zeitungsverleger Lipscomb und den salbungsvollen Werbemanager Kuffner, die kurz vor Mrs. Fromms Tod noch mit ihr zusammen waren. Eine wichtige Hilfe für die Privatschnüffler ist auch dieses Mal der Reporter Lon Cohan von der Gazette, der immer eine Menge Klatsch und Tratsch beisteuern kann. Wolfe hat einen gewissen Verdacht. Mit Hilfe der drei unabhängigen Privatdetektive Saul Panzer, Fred Durkin und Orrie Cather lässt er seine eigenen Ermittlungstruppen los, die dann auch tatsächlich eine heiße Spur finden. Dabei gerät einer der drei Burschen in eine üble Klemme, aus der ihn aber noch Archie Goodwin und die anderen retten können und zugleich auch alles andere als salonfeine Methoden einsetzen. Nach diesem Abtauchen in die Unterwelt kommt man einem recht einträglichen und verachtenswerten Komplott auf die Spur, letzten Endes kann Nero Wolfe in trauter Runde in klassischer Art und Weise den rücksichtlosen Dreifach-Mörder entlarven und seinen Ruf wieder aufpolieren.


Bewertung:

Das vorliegende Abenteuer des dicken und launischen Meisterdetektivs samt seines coolen Partners läuft nach mittlerweile zwei Jahrzehnten Einsatz schon in sehr routinierten Geleisen. Über die Beziehungen der Hauptprotagonisten zueinander sowie zu bestimmten immer wieder auftauchenden Charakteren von außen könnte man wohl eine Dissertation schreiben, was aber vollkommen den Rahmen sprengen würde. Nero Wolfes Tagesplan mit "Orchideenschichten" und ausgiebigen Mahlzeiten sowie die täglichen kleinen Streitereien der Bewohner des New Yorker Backsteinhauses verbreiten für die Fans dieser Krimi-Reihe stets so etwas wie Familienatmosphäre. Das ist immer ein großer Pluspunkt, genauso wie der unermüdliche Humor dieser Bücher, der nur durch eine besonders lieblose Übersetzung zunichte gemacht werden kann. Der autohassende Superdetektiv Wolfe weiß etwa nicht, was ein Caddy ist, damals eine bekannte Bauform des Straßenkreuzers Cadillac, worauf es dem kleinen Straßenjungen Pit ob so viel Ignoranz die Sprache verschlägt. Aber Gottseidank kann Ich-Erzähler Archie hier den guten Ruf der Detektei retten.
Irgendwie ist es auch die Zeit, wo die Fälle besonders blutdurstig sind, unter drei Leichen geht nichts ab, wie auch dieses Mal. Die goldenen Spinnenohrringe der hilfeheischenden Lady sind diesmal ein wichtiges Indiz für die Ermittlungen der Privatdetektive, die noch durch das übliche externe Trio, den gewitzten Saul Panzer, den dicken Fred Durkin und den hübschen Orrie Cather, ergänzt werden. Archies vorgeschobene Erpresserrolle nimmt breiten Raum ein, was ihm auch allerlei Ärger einbringt, aber kaum etwas Sinnvolles zur Handlung beisteuert. Daneben trudeln im Laufe der Zeit wie üblich die Beteiligten bzw. Verdächtigen des Falles mit allerlei Anliegen bei Wolfe ein oder werden von Archie besucht und es kommt zu den wie meistens ausführlichen Dialogen, die sich häufig als red herrings entpuppen. Da geht eine Menge Zeit drauf, und als sei sich der Autor dieses Mangels bewusst geworden, schlägt die Handlung plötzlich einen Haken und Archie Goodwin sowie die drei auf verschiedenen Fährten befindlichen Hilfsdetektive stehen bereit für eine zünftige hardboiled-Einlage.
Weitgehend unabhängig voneinander treffen sich alle in einer Tiefgarage, wo der undercover tätige Fred Durkin von zwei üblen Typen, Lippen-Egan und seinem Helfer Mort, denen er sich verdächtig gemacht hat, unsanft zum Plaudern gezwungen werden soll. Archie kann hier unter Schusswaffeneinsatz und Hechtsprung Schlimmeres verhüten, als dann die anderen Verbündeten auftauchen, wird der Spieß umgedreht. Statt mit der vorher angewendeten Kneifzange wird Lippen-Egan mit ebenso schmerzhaften Methoden zum Sprechen gebracht, eine alles andere als gesetzestreue Sache, die der Polizei hinterher natürlich verschwiegen wird. Man ist einer größeren Verschwörung in der Unim auf der Spur, obwohl Rex Stout durchaus ein Befürworter der Einwanderung war, war er sich des Missbrauchs in diesem Bereich gerade auch im Umfeld von „wohltätigen“ privaten Stiftungen wohl bewusst.
Aber der Mörder ist noch immer nicht gefunden, doch Goodwin muss erst einmal zu allen möglichen Lokalpolitikern, Staatsanwälten und Polizeiführern zur Aussage. Hier erweist sich der Autor auch als guter und zynischer Beobachter, denn es stehen wieder mal irgendwelche Wahlen vor der Tür und alle möchten sich natürlich vom neuen Ermittlungserfolg eine gehörige Scheibe abschneiden, Archie wird wohl sogar für ein „hohes Tier“ gehalten und plötzlich in der Stadtverwaltung von allerlei kriecherischen Leuten gegrüßt, die ihn sonst nie beachtet hätten. Manche Dinge ändern sich halt nie…
Doch zuletzt schafft es der eigensinnige Nero Wolfe wieder mal, alle Verdächtigen mit Hilfe des wie immer wutschnaubenden Kommissars Cramer in sein Haus zu verfrachten. Dem von Kritikern häufig geäußerten Einwand, dass die Aufklärung der Fälle des fetten Wolfe oft nicht befriedigend und logisch wäre, muss man diesmal leider auch zustimmen, so richtig rund ist die ganze Sache bei genauem Durchdenken wirklich nicht, obwohl man mit ein wenig Augenzudrücken darüber hinwegsehen kann.

Die goldenen Spinnen ist ein typischer Nero-Wolfe-Roman, den ich eher in der höheren Liga einordnen würde. Nicht umwälzend, aber amüsant und teilweise auch recht spannend.


Leseexemplar:

Goldmann-Verlag ; 1999 ; ca. 220 Seiten

Übersetzt wurde der Roman von Peter Fischer in der Erstauflage 1967. Auch bei den Rex-Stout-Büchern sollen regelrechte Umdichtungen erfolgt sein, der Text erscheint im vorliegenden Buch auch ab und an flapsiger als es eventuell im Original gewesen sein könnte, aber das ist nur eine Vermutung. Auf alle Fälle liest sich die humorvolle Erzählung sehr gut.


Verfilmung:

Das Buch wurde innerhalb der Nero-Wolfe-Reihe von 1980-81 mit William Conrad in der Hauptrolle filmisch adaptiert. Die Dreiviertelstunde kann man sich durchaus mal anschauen, hat aber eigentlich wenig von dem Geist der frühen Fünfziger, sondern mehr von dem der Achtziger zu tun, mit den üblichen Glattbügelungen der Handlung für eine Vorabendserie - Pit überlebt den Anschlag, dafür gibt es eine Autobombe für Archie sowie weitere Änderungen. Der Hauptdarsteller hebt die Durchschnittskost etwas heraus, ist aber für Nero Wolfe einfach zu nett.

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 644

11.03.2020 19:15
#33 RE: Die Romane von Raymond Chandler und Dashiell Hammett Zitat · Antworten

Erle Stanley Gardner (1889 – 1970)


Der Autor und seine Bücher:

Erle Stanley Gardner verbrachte seine Kindheit und Jugend in verschiedenen US-Bundesstaaten, bis er sich als Rechtsanwalt in Kalifornien niederließ und zwei Jahrzehnte in diesem Beruf arbeitete. Nebenher begann er schon viele Geschichten für Pulp-Magazine zu verfassen, ab 1933 schrieb er nur noch Bücher. Dabei benutzte er auch das Diktaphon sowie Sekretärinnen zum Abtippen der Erzählungen.
Er war ein Mann ungeheurer Energie und gründete eine Hilfsorganisation, die sich für zu Unrecht Verurteilte einsetzte. Für seine Werke erhielt er viele Auszeichnungen.

Seine bekannteste Figur war der in Los Angeles ansässige Rechtsanwalt Perry Mason, welcher zusammen mit seiner Sekretärin Della Street und dem befreundeten Detektiv Paul Drake samt Mannschaft stets hoffnungslos in der Klemme sitzenden Mandanten in Mordfällen zur Gerechtigkeit verhilft und die wahren Schuldigen entlarvt.
Die Fälle des für seine Klienten alles riskierenden Meister-Anwalts sind in 82 Romanen und drei Geschichten festgehalten. Dabei bricht Mason in einigen Fällen sogar selber das Gesetz, die Auflösung am Ende, oft vor Gericht, ist meist mit einem gehörigen Twist behaftet.
Außerdem veröffentlichte der Autor, häufig unter dem Pseudonym A. A. Fair, knapp 30 Krimis um den verkrachten Anwalt Donald Lam und die habgierige dicke Bertha Cool, die gemeinsam eine Detektivagentur betreiben. Diese sehr gut lesbaren Bücher sind im Gegensatz zu den Perry-Mason-Romanen mitunter sehr humorvoll verfasst. Daneben gibt es noch einige auf dem Lande spielende Romane um den engagierten District Attorney Doug Selby, Sheriff Brandon und dem zwielichtigen Anwalt A.B. Carr, sowie andere Bücher.
Ein sehr tüchtiger Autor !


Leseempfehlungen:

Perry Mason und der vertauschte Casanova (Original: The Case of the Perjured Parrot – Erstveröffentlichung: 1939)

Der ausgewechselte Papagei Casanova ist nur ein merkwürdiger Umstand bei dem Mord an dem Millionär Fremont Sabin. Spuren am Tatort in der einsamen Berghütte widersprechen sich, in der Nähe wird eine Abhöranlage entdeckt, es gibt Gerüchte über politische Machenschaften. Perry Mason findet heraus, dass der Ermordete ein Doppelleben geführt hat, komplizierte rechtliche Fragen werden aufgeworfen, doch für seinen beschuldigten Mandanten geht es um Kopf und Kragen. Das Ende kommt mit einer großen Überraschung. Typischer und sehr unterhaltsamer Mason-Krimi.


Der schweigende Mund (Original: Fools Die on Friday – Erstveröffentlichung: 1947)

Die Privatdetektei Cool & Lam übernimmt den Auftrag, die Vergiftung des reichen Gerald Ballwins zu verhindern. Doch leider geht die Sache schief, die Polizei setzt den pfiffigen Donald Lam unter Druck, ein zweites Verbrechen geschieht, nun wird eine ihm nahestehende Dame verdächtigt, und der kleine Schnüffler kommt ganz schön ins Schwitzen. Wie immer gerät er bei Kommissar Sellers auf die Abschussliste, doch auch diesmal gelingt es ihm im letzten Moment, den Fall aufzulösen und die Schuldigen bloßzustellen. Klassischer und vertrackter Fall der ungewöhnlichen Detektei.


Heiße Tage auf Hawaii (Original: Some Women Won't Wait - Erstveröffentlichung: 1953)

Eigentlich will Privatdetektiv Donald Lam im schönen Hawaii Urlaub machen, doch bald schon sieht er sich und seine dicke Mitinhaberin Bertha Cool in einen Mordfall verwickelt. Wie immer, so wird auch diesmal eine schöne Dame beschuldigt, der Donald aus der Klemme helfen will. Bald schon kommen unschöne Dinge zutage, ein bösartiger Erpresser setzt dem Ermittler zu, Bertha bekommt einen Schwipps, und zum Schluss kann Lam den hawaiianischen Polizisten die Lösung präsentieren, der Urlaub ist gerettet. Humorvoller und spannender Krimi.






Buchbesprechung: Perry Mason und die Motten im Nerz


Original: The Case of the Moth-Eaten Mink
Erstveröffentlichung: 1952


Hauptpersonen:

Perry Mason – Rechtsanwalt und Strafverteidiger
Della Street – seine Sekretärin
Paul Drake – Leiter eines Detektivbüros
Morris Alburg – Restaurantbesitzer
Dixie Dayton – Kellnerin
George Fayette – Gewohnheitskrimineller
Minerva Hamlin – Telefonistin und Schreibkraft
Thomas E. Sedwick - Buchmacher
Frank Hoxie – Nachtportier im Hotel
Arthur L. Fulda – Privatdetektiv
Bob Claremont – ermordeter Polizist
Sergeant Jaffrey – vom Sittendezernat
Leutnant Tragg – von der Mordkommission
Hamilton Burger – Staatsanwalt und Ankläger


Handlung:

Eigentlich wollte Perry Mason nach einem anstrengenden Tag vor Gericht in Los Angeles zusammen mit seiner treuen Sekretärin Della Street in seinem Lieblingsrestaurant nur ein deftiges Steak essen. Doch der Besitzer Morris Alburg berichtet den beiden von seinen Sorgen. Eine Kellnerin mit Namen Dixie Dayton, die er nur wenige Tage zuvor eingestellt hatte, ist gerade panisch aus dem Haus gelaufen. Wie man wenig später erfährt, sollte sie draußen in einen Wagen gezerrt werden, auf ihrer neuerlichen Flucht wurde dann sogar auf sie geschossen. Ein ihr gehörenden Nerzmantel, den sie Alburg zur Aufbewahrung gegeben hatte, ist nun von Motten zerfressen. Auf Bitten des Gaststättenchefs nimmt Della den Mantel heimlich mit ins Büro der Rechtsanwaltspraxis, dort findet Perry Mason einen Pfandschein im Futter versteckt. Der gewiefte Strafverteidiger findet sich unversehens wieder in einen Kriminalfall verstrickt, denn mit dem Pfandschein konnte ein Revolver ausgelöst werden, der vor einem Jahr zu einem brutalen Polizistenmord benutzt worden war. Der geradlinige Beamte der Mordkommission, Leutnant Tragg, ermittelt immer noch in dieser Sache. Mason will der ihm unbekannten Kellnerin helfen, die bei ihrer Flucht angefahren wurde, und besorgt ihr einen Platz in einem Privatkrankenhaus, während ein unheimlicher Gast aus Alburgs Laden in seiner Praxis auftaucht, dann aber wieder verschwindet. Er wird später als der Polizei wohlbekannter Gewohnheitsverbrecher George Fayette identifiziert. Auch die verletzte Kellnerin ist wieder auf und davon, genauso wie Alburg, der Mason noch um seine Hilfe bittet. Der Rechtsanwalt mobilisiert wieder mal seinen Freund Paul Drake, Inhaber eines gegenüberliegenden Detektivbüros. Nach allerlei Geplänkel bittet der offensichtlich viel tiefer als gedacht in der Sache steckende Morris Alburg um ein Treffen in einem Zimmer des übelbeleumdeten Keymont Hotels. Dort erwarten Mason und Drake mit Lippenstift geschriebene Botschaften, eine sich als Dixie Dayton ausgebende hysterische Frau sowie letztendlich die Polizei in Gestalt von Leutnant Tragg und Sergeant Jaffrey vom Sittendezernat, welcher der Vorgesetzte des ermordeten Polizisten Claremont gewesen war. Diese setzen die beiden und besonders Paul Drake unter Druck, wobei sich Jaffrey als ein Mann „alter Schule“ erweist, was hier nicht positiv gemeint ist. Doch in einem Nachbarzimmer wurde der ermordete George Fayette gefunden, und alles deutet auf Morris Alburg und Dixie Dayton als Täter hin…
Nun muss Perry Mason alle Register ziehen, denn als die beiden Verdächtigen mit einer völlig unglaubhaften Geschichte wieder auftauchen und vor Gericht gestellt werden, besteht kaum Aussicht auf Rettung vor der Todeskammer. Doch der gewitzte Strafverteidiger schafft es erneut, vor allem mit der Aussage eines Nachtportiers namens Frank Hoxie dem ganzen Fall eine völlig neue Wendung zu geben und in ein wahres Nest von dunklen Machenschaften zu stechen. Leutnant Tragg kommt nun mit Perrys Hilfe doch noch dazu, auch Claremonts Mörder zu stellen. Die Gerechtigkeit hat wieder mal gerade so gesiegt, obwohl auch die Mason-Welt offenbar alles andere als heil ist.


Bewertung:

Der berühmte literarische Strafverteidiger samt seinen Helfern (die alle vom Phänomen des Nichtalterns beglückt zu sein scheinen) hat hier schon fast zwei Jahrzehnte öffentliche Aufmerksamkeit auf dem Buckel. Wie bei den meisten Gardner-Stories wird sich nicht lange mit Personen- oder Sachbeschreibungen aufgehalten, die Figuren im neuen Kriminalspiel werden kurz und knapp skizziert, genauso wie die Umgebungen der Geschehnisse, ansonsten setzt der Autor wie immer auf Handlung und vor allem auf Dialoge. Wenngleich hier manches mitunter überflüssig und zu oft wiederholt erscheint, kommt beim Lesen kaum Langeweile auf, auch dieses Buch ist sehr unterhaltsam und durchaus lehrreich. Die Ausführungen etwa über auf Tischunterseiten geschriebene Botschaften und ihre Deutung haben sogar Eingang in Sekundärliteratur gefunden.
Obwohl der Schriftsteller auch schon früher ab und an seinen Helden in der Peripherie der organisierten Kriminalität hat agieren lassen, zeichnet sich der vorliegende Fall besonders durch die Aufdeckung mafioser Strukturen aus, trotzdem auch viele persönliche Beziehungen der Beteiligten eine Rolle spielen.
Da gibt es eine tratschende Kollegin von Dixie Dayton, offenbar eifer- und geltungssüchtig, dann einen gewissen Thomas E. Sedwick, einen Buchmacher, der sich stets nur im Hintergrund hält und trotzdem für alles eine zentrale Bedeutung hat. Über ihn sind Alburg und Dayton doch enger verknüpft als zuerst zugegeben. Diese Verstrickungen machen alles für Mason nicht leichter, er muss zudem auch noch einen externen Privatdetektiv namens Fulda zur Aussage bewegen, denn der hatte sich mit allerlei modernen Abhörgerätschaften im Keymont-Hotel eingenistet. Damals wurden Tonaufzeichnungen noch auf Platten festgehalten, auch automatisches Ein- und Ausschalten gab es schon, wobei die Vor- und Nachteile von Paul Drake ausgiebig erörtert werden. Der hat es wahrlich nicht leicht, nicht nur, dass ihm seine eigene Mitarbeiterin Minerva Hamlin bei ihren Aussagen in den Rücken fällt, auch die Polizei setzt ihm mächtig zu. Da er sich nicht wie der Anwalt Mason auf Sonderrechte berufen kann, ist seine Lizensierung als Privatdetektiv bei Aussageverweigerung bedroht. Außer Leutnant Tragg nimmt auch der grobschlächtige Sergeant Jaffrey Mason und Drake in die Mangel, er bedroht Perry auch körperlich. Überhaupt kommen Polizei und Justiz in diesem Buch relativ schlecht weg. Garner kritisiert nachhaltig das Beeinflussen von Zeugen durch leichtfertig vorgelegte Fotos, wobei es immer wieder zu späteren Fehlidentifizierungen kommt. Und Ankläger Hamilton Burger, Perrys Erzgegner vor Gericht, versucht die Zeugin Minerva Hamlin durch Versetzung auf einen lukrativen Posten im Staatsdienst zu bestechen. Die Rivalität der beiden Männer vor den Schranken des Gerichts geht deutlich über das Berufliche hinaus, ihre persönliche und unprofessionelle Abneigung voreinander tritt hier deutlich zutage. Perry Mason befindet sich in der eigentümlichen Situation, Verteidiger der Angeklagten und Zeuge des Anklägers gleichzeitig sein zu müssen, was zu durchaus interessanten Erörterungen über berufliche Ethik und Moral Veranlassung gibt. Wahrscheinlich kein Zufall, dass Gardner im selben Jahr wie den vorliegenden Krimi auch sein Tatsachenbuch The Court of Last Resort (deutscher Titel: Die letzte Zuflucht) veröffentlichte, wo er die Tätigkeit seiner Hilfsorganisation auch anhand einiger skandalöser Fehlurteile beschrieb und Verbesserungen im Justizsystem anregte.
Doch bei aller unterschwelligen Kritik zeichnet der Autor im Ganzen doch ein eher positives Bild. Der ermordete Polizeibeamte Bob Claremont wird von dem ähnlich charakterisierten Leutnant Tragg als Musterexemplar seines Berufsstandes beschrieben, leicht verbittert hält Tragg dem Rechtsanwalt einen sicher nicht unrealistischen Vortrag über das harte Leben eines Polizisten. Wenn die Auflösung der Verbrechen zum Schluss dann um so schockierender ausfällt, so wird die Angelegenheit nur als „Ausrutscher“ hingestellt, der Täter bekommt seine gerechte Strafe – ohne Gerichtsverfahren. Der Fall hat einen üblen Sumpf von Protektion, Entführung, Erpressung, Mord und Korruption aufgezeigt, der sich bis in Polizeikreise erstreckte, wahrlich ein herausragendes Erlebnis in Perry Masons Laufbahn.

Motten im Nerz ist eine weitgehend spannende und interessante Mason-Erzählung, klar im oberen Bereich der Serie angesiedelt.


Leseexemplar:

Scherz-Verlag ; 1996 ; ca. 190 Seiten

Die Übersetzung hat Eva Gärtner besorgt (als Referenz an den Autor ? :-), sie liest sich im Prinzip wie alle halbwegs gut übertragenen Perry-Mason-Romane. Keine stilistische Glanzleistung, aber darauf kam es dem Schreiber wohl auch nicht an.


Verfilmung:

Im Rahmen der Perry-Mason-Serie mit Raymond Burr im Jahre 1957 lief die Sache mit dem mottenzerfressenen Pelzmantel als Episode 13, obwohl sie ursprünglich als erste Pilot-Folge gedreht war. Das Geschehen konzentriert sich auf das Wesentliche, einige Nebenstränge der Romanhandlung wurden komplett weggelassen. Nur das Ende wurde, im Interesse der Spannungssteigerung, dramatisiert und umgedichtet, was aber kein Makel ist. Genau wie das Buch eine sehr gute Folge.

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 644

02.11.2020 19:42
#34 RE: Die Romane von Raymond Chandler und Dashiell Hammett Zitat · Antworten

Leo Malet (1909 – 1996)


Der Autor und seine Bücher:

Der im südfranzösischen Montpellier geborene Leo Malet war bald Waise, lebte als Clochard in Paris, kam in Kontakt zu Künstlerkreisen und arbeitete in verschiedenen Berufen. Bald betätigte er sich auch schriftstellerisch. Noch zur Zeit der deutschen Besetzung begann er seine ersten Krimis zu verfassen. Neben einer sehr düsteren Schwarzen Trilogie wurde er vor allem durch seine Krimis um den unkonventionellen Privatdetektiv Nestor Burma bekannt. Insgesamt schrieb er über fünfzig Bücher.

Die Nestor-Burma-Romane lassen sich in zwei Phasen unterteilen, einmal ein erster Schub in den vierziger Jahren, dann noch einmal eine zweite Reihe vor allem in den fünfziger Jahren, jeder Fall in einem anderen Arrondissement der französischen Hauptstadt spielend. Die Fälle orientieren sich an den amerikanischen Vorbildern des hard-boiled-Detektives, doch bringen sie durchaus auch stark den französischen Lebensstil und den anarchischen Humor ihres Verfassers zum Ausdruck.


Leseempfehlungen:

Blüten, Koks und blaues Blut (Original: L'Homme au Sang bleu - Erstveröffentlichung: 1945)

Nestor Burma verschlägt es an die französische Mittelmeerküste. Dort bekommt er es mit Geldfälschern zu tun, trifft eine hübsche Schriftstellerin und erlebt viele Abenteuer. Es gibt einige Tote, er gerät in gefährliche Situationen, aber alles klärt sich auf. Turbulenter früher Krimi des Autors.


Spur ins Ghetto (Original: Du Rebecca rue des Rosiers - Erstveröffentlichung: 1958)

Burma will einem befreundeten Maler helfen, in dessen Wohnung eine erstochene junge Frau gefunden wurde. Das Opfer war Jüdin, die Tatwaffe ein SS-Dolch. Im Laufe seiner Ermittlungen, in die ihn sogar die Unterwelt einspannt, kommt der Detektiv einem besonders verabscheuungswürdigem Individuum auf die Spur. Relativ vielschichtiger Roman aus Paris.


Wer einmal auf dem Friedhof liegt (Original: L'envahissant cadavre de la plaine Monceau – Erscheinungsjahr: 1959)

Ein neuer Auftrag für Nestor Burma endet gleich vor zwei Toten, doch Monate später geht die Sache weiter. Es gibt leichtbekleidete Damen, gealterte Huren, schlimme Ganoven und findige Konstrukteure und einige Leichen in dieser spritzigen Geschichte, die mit den üblichen Wendungen garniert ist.






Buchbesprechung: Die Brücke im Nebel


Originaltitel: Brouillard au Pont de Tolbiac
Erstveröffentlichung: 1956



Hauptpersonen:

Nestor Burma – Privatdetektiv
Albert Lenantais – eigenbrötlerischer Schrotthändler
Belita Morals – schönes Zigeunermädchen
Florimond Faroux – Kommissar bei der Mordkommission
Inspektor Fabre – sein Mitarbeiter
Norbert Ballin – pensionierter Polizist
Helene – Sekretärin
Salvador – gefährlicher Ganove
Dolores – riesiges Weib
Charles Baurenot – Fabrikbesitzer
Jean Deslandes – Geschäftsmann
Yver Lacorre – vorbestrafter Anarchist
Dr. Couderat - Arzt


Handlung:

estor Burma, der ewig klamme, dafür lebenslustige Pariser Privatdetektiv der kleinen Agentur Fiat Lux, bekommt einen seltsamen Brief zugeschickt, mit einem für ihn unbekannten Absender, der ihn bittet, in das Krankenhaus La Salpetrie zu kommen. Burma wird nicht schlau aus dem Schreiben des Unbekannten, der ihn und andere vor einer Gefahr warnt und ihn mit „Lieber Genosse“ anspricht. Vor dem Krankenhaus trifft Burma auf eine schöne junge Frau, die einer Volksgruppe angehört, die bis vor kurzem noch etwa einer Schnitzelart oder einer Würzsoße mit ihrer Nennung den Odem einer gewissen Pikanterie geben durfte. Diese Belita teilt ihm das Ableben des Mannes mit dem Namen Abel Benoit mit, Burma geht trotzdem ins Hospital und findet sich bald darauf in Gegenwart seines guten Bekannten Kommissar Faroux und dessen Mitarbeiters Inspektor Fabre wieder. Der Tote entpuppt sich bei der Identifizierung als ein gewisser Albert Lenantais, den Burma in seiner anarchistischen Jugend vor etwa dreißig Jahren gut kannte. Seine Gedanken schweifen zurück in diese Zeit in den zwanziger Jahren, als die beiden Männer mit einigen anderen in einem Vegetalierheim lebten. Da waren auch schon lange Haare und vegetarische Kost in Mode (manches wiederholt sich immer wieder), es wurden allerlei mehr oder weniger geistreiche intellektuelle Gespräche geführt und mehr oder weniger verhüllte Freund- und Feindschaften gepflegt.
Seine Erlebnisse teilt Burma den beiden Kriminalbeamten mit, die das Verhör lieber in einem Bistro statt auf der Polizeiwache führen, denn so ist es ja gemütlicher. Viel Erkenntnisgewinn kommt nicht dabei heraus, aber alle zweifeln an, dass der an Messerstichen gestorbene Lenantais das Opfer von Nordafrikanern wurde, wie er selber noch angegeben hatte. Später trifft Burma wieder auf Belita, die bei dem einsiedlerischen und mit allerlei Tand handelndem Lenantais wohnte, allerdings ohne „Gegenleistungen“, die der amouröse Nestor sofort vermutet hatte. Der hat schon großen Gefallen an dem schönen Kind gefunden. Wenn etwa Chandlers Philip Marlowe oder Macdonalds Lew Archer seitenweise Bedenken über den moralisch richtigen Umgang mit verführerischen Klientinnen, Verdächtigen oder Zeuginnen wälzen, landet der diesbezüglich deutlich weniger mit Skrupeln belastete Franzose bald schon mit der Hübschen im Bett und ist offenbar wirklich schwer verliebt. Doch Belitas Sippe will die unwillige junge Frau nun wieder zurückholen, Nestor muss in einer fast schon bizarren Episode den Kampf mit dem peitschenschwingenden Riesen-Mannweib Dolores aufnehmen, nach deren Abwehr gerät er auf die Abschussliste des ungleich gefährlicheren Kriminellen Salvador. Alle diese durchaus unterhaltsamen Erlebnisse haben schon die Hälfte des wie immer nicht allzu umfangreichen Romanes vereinnahmt, und Leo Malet muss sich nun sputen, das Garn der eigentlichen Handlung abzuspulen. Das tut er denn auch, und da kommt schon einiges zusammen. Sein Privatermittler stößt auf einen zwanzig Jahre zurückliegenden Diebstahl, den ein Geldbote einer Kühlfirma, vielleicht auch zusammen mit anderen und eben auch Lenantais, begangen haben soll. Der damals ermittelnde Polizist Norbert Ballin konnte das Verbrechen zu seinem Verdruss nie aufklären, schnüffelt sogar trotz seiner Pensionierung noch in der Gegenwart herum und landet bald als Leiche zu den Füßen von Nestor Burma. Wer ist der Mörder ? Weiss Belita, der Schützling des alten Lenantais und nun Burmas, mehr von der ganzen Sache ?
Über den von Lenantais konsultierten Arzt Couderat stößt Nestor auf Sägewerksbesitzer und Holzhändler Baurenot. Der entpuppt sich ebenfalls als alter Bekannter aus Anarchistentagen, wo er noch unter anderem Namen firmierte. Mittlerweile ist er es, der gerade im Clinch mit seinen streikenden Arbeitern liegt. Vom hehren Gedankengut der Jugend ist nicht mehr viel übriggeblieben, genauso wenig wie bei einem "zufällig" hinzugekommenen Herrn Deslandes, mittlerweile auch Unternehmer, der zusammen mit Baurenot und einem gewissen Lacorre in den früheren Tagen zusammen eine Art Gang bildete. Lacorre hatte den Absprung in die bessere Gesellschaft wohl nicht geschafft und war im Knast gelandet.
Wie fügen sich diese Personen in die ganze Angelegenheit ein ? Der "Privatflic" Burma schnüffelt weiter herum, stellt Theorien auf, findet weitere Leichen und muss sich sorgengeplagt auf die Suche nach seiner verschwundenen Freundin machen. Das Ende kommt wie meist recht schnell daher, Nestor hat wie immer Mühe, mit heiler Haut davonzukommen, er ist in jeder Hinsicht um ein paar Illusionen ärmer, und leider nicht nur das...


Bewertung:

Leo Malets detektivische Schöpfung auf seinen Streifzügen durch das Paris nach dem Krieg zu begleiten ist stets ein Lesegenuss, alleine schon durch die ironisch-saloppe Schreibweise, die der Ich-Erzähler jedes Mal an den Tag legt. Mitunter verliert er sich regelrecht in seinen amüsanten Schnodderigkeiten, die einen oft auch mehr als nur schmunzeln lassen. Da können als Berufskollegen die Herren Amerikaner eigentlich nur hintenanstehen. Obwohl es jedes Mal viele Morde und sonstige Brutalitäten gibt, ist die Welt für Burma mit dem Genuss eines guten Schluckes Alkohol und dem Anblick eines Paares wohlgeformter Frauenbeine (und gerne auch mal mehr) bald wieder in Ordnung gebracht, das Ausleben des ganzen Schmerzes des Universums ist nicht seine Sache. Diesmal hat es den Protagonisten in das 13. Arrondissement in eine besonders üble Gegend um den Pont de Tolbiac verschlagen, geprägt von Armut, Kriminalität, Dreck und dazu passend nasskaltem Herbstwetter, wo die Mission der Heilsarmee wie ein hilfloser Tropfen auf dem heißen Stein wirkt. Das ist sogar dem diesbezüglich wenig empfindsamen Burma zu viel, der seine Klienten öfter mal aus den unteren Schichten der Gesellschaft bezieht. Für das gehobene Bürgertum hat der ehemalige Anarchist immer noch Vorbehalte und Verachtung übrig, er weiß aus eigener Erfahrung, dass dort jeder ein paar Leichen im Keller hat, und das sogar wortwörtlich.
Er treibt sich lieber im offen zwielichtigen Teil der Gesellschaft herum, unter den kleinen Halunken, den freizügigen "Damen" (für die er eine besondere Vorliebe hat) und den ausgestoßenen Randgruppen. Dabei sieht er sie durchaus nicht durch die rosarote Brille, eher im Gegenteil. So ist es auch hier, was der Autor über das Treiben der "Sinti und Roma" zu berichten weiß, dient durchaus nicht dazu, die Vorurteile zu entschärfen, die er an andere Stelle im Buch beklagt. Aber die ausgeprägte Clanmentalität dieser Leute muss für seinen Freigeist ein Gräuel gewesen sein. Einzig Belita hat seine volle Sympathie, die sich aus den Verstrickungen in ihre eigennützige Sippe freimachen will und vom Rest der Gesellschaft wegen ihrer Rasse mit Verachtung bedacht wird. Sie kann sich nur auf ihre Jugend und ihre körperlichen Vorzüge verlassen, was sie dann auch tut; Nestors diesbezüglich bei ihr empfundene Naivität wirkt selber reichlich naiv. Doch das Ende der Schönen, man kann es spoilenderweise mal verraten, ist alles andere als "happy".
Der Handlungsstrang mit den inzwischen zu Kapitalisten mutierten Ex-Revoluzzern erinnert ein bisschen an ausgelutsche Tatortfolgen mit desillusionierten Altachtundsechzigern, doch Malets Buch ist ja schon viel eher geschrieben wurden, und außerdem übertreibt es der Autor auch nicht mit diesem Sujet. Immerhin ist ja auch sein privater Ermittler mit Agentur ein Unternehmer geworden, der auch Angestellte hat, vor allem seine treue Sekretärin Helene, die allerdings in diesem Buch ein absolutes Schattendasein fristet und nur für ein paar Telefonate gut ist. Nebenher wird auch mal das Thema gestreift, wer denn nun ein tatsächlicher freier Anarchist ist und wer einfach nur ein gewöhnlicher Krimineller, denn davon gab es im sogenannten „Vegetalierheim“ scheinbar mehr als genügend, wobei die damals verübten Untaten mit ihren Folgen bis in die Gegenwart reichen. Der dauernd über Leichen stolpernde Burma kann auch die neuerdings in seinem Umfeld passierenden Ereignisse in einen logischen und sogar recht komplexen Zusammenhang stellen. Wie meistens, schüttelt er auch diesmal seine Theorien mal eben so aus dem Handgelenk, er ist kein spurenauswertender Holmes oder verhörerfahrener Poirot, sondern ein Mann immer mitten im Geschehen. Dabei ist sein Verhältnis zur Polizei viel entspannter als das seiner angelsächsischen Zunftgenossen. Mit Kommissar Faroux verbindet ihn fast so etwas wie Freundschaft, natürlich misstraut man sich gegenseitig, und Burma verschweigt schon um des beruflichen Stolzes wegen etwas vor den flics, doch „leben und leben lassen“ ist hier die Devise.
Der Privatschnüffler kann seinen offiziellen Kollegen seine etwas verbogenen Thesen anbieten, wobei sie ihn widerstrebend auch an ihren Ergebnissen teilhaben lassen, denn Nestor ist ein kluger Kopf.
Trotz aller aufgedeckten und erlittenen Schlechtigkeiten bewahrt er sich seinen flapsigen Humor bis zum Schluss, der für den Helden diesmal wirklich ungewohnt bitter ausfällt.

Die Brücke im Nebel ist ein gut und schnell zu lesender Kriminalroman, wenngleich der Schriftsteller schon Besseres geschrieben hat. Vielleicht ist es sein „persönlichstes“ Buch aus den Burma-Fällen.


Leseexemplar:

Rowohlt-Verlag ; 1992 ; ca. 150 Seiten

Die Übersetzung von Hans-Joachim Hartstein kann als sehr gelungen bezeichnet werden, zumindest scheint der Wortwitz des französischen Originals gut eingefangen. Wie alle Burma-Krimis, die zu dieser Zeit im genannten Verlag herausgegeben wurden, hat die Ausgabe auch noch neben einem Lageplan des betreffenden Stadtbezirkes und sorgfältiger Begriffserklärungen einen ausführlichen liebevollen Nachtrag, der auf etwa zwanzig Seiten die beschriebenen Handlungsorte der fünfziger Jahre mit der Zeit dreißig Jahre später, auch anhand einiger Fotos, vergleicht. Aber auch die achtziger Jahre sind ja nun schon Geschichte.


Verfilmung:

Nestor Burmas Abenteuer wurden in Frankreich ab und an sporadisch verfilmt, dann gab es Anfang der neunziger Jahre eine Serie mit Guy Marchand in der Hauptrolle. Von den zahlreichen Folgen wurden in Deutschland nur acht ausgestrahlt, diejenige des besprochenen Buches ist nicht darunter.

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 644

16.08.2021 18:55
#35 RE: Die Romane von Raymond Chandler und Dashiell Hammett Zitat · Antworten

3 Krimis in einem Band
Benimm Dich, Mädchen und zwei weitere Romane - Eduard Kaiser Verlag

Brett Halliday - Nach dem dritten Martini (She Woke to Darkness ; 1954 ; ca. 170 Seiten)

Brett Halliday (1904-1977) verlor frühzeitig ein Auge, ging als Jugendlicher zum US-Militär, später wurde er nach abgeschlossener Ausbildung Ingenieur und führte drei Ehen. Er fing an zu schreiben, wobei sich der Erfolg erst nach einiger Zeit einstellte. Am bekanntesten aus seinem umfangreichen Werk wurde der Privatdetektiv Michael Shayne.

Im vorliegenden Roman lernt der Autor selber auf dem jährlichen Krimi-Schriftsteller-Treffen in New York eine attraktive junge Frau, Elsie Murray, kennen, mit welcher er zu vorgerückter Stunde nach dem Genuss etlicher Alkoholika in deren Wohnung landet. Aus dem erhofften Schäferstündchen wird wegen eines verstörenden Telefonanrufes leider nichts, der der Dame die Laune verdirbt. Kurze Zeit später, Halliday ist wieder auf seinem Hotelzimmer, ist sie tot - ermordet. Der Schriftsteller ist sich sicher, dass die Sache mit der Geschichte zusammenhängt, die in dem angefangenen Manuskript beschrieben wird, welches er ihr zuliebe zu lesen angefangen hatte. Die Tote hatte mit verfremdeten Namen und Orten ein selbst erfahrenes Erlebnis geschildert, wie sie sich nach einer wilden Party irgendwann halbnackt mit einer unbekannten männlichen Leiche in einem Hotelzimmer wiederfand. Zu viel Alkohol hatte bei ihr oft die Wirkung eines "Filmrisses", ebenso aber das Verlangen, mit irgendwelchen Männern ins Bett zu gehen. Die Niederschrift fasst die Vorgeschichte und späteren Ereignisse um dieses Erlebnis mit einigen Partygästen auf, dann bricht sie ab. Mittlerweile fühlt sich Halliday in arger Bedrängnis, selbst unter Mordverdacht zu geraten. Er konsultiert einen alten Kumpel in New York und zusätzlich seinen (angeblich) real existierenden Helden Mike Shayne, der aus Miami so schnell er kann anreist. Gemeinsam fangen sie mit den Ermittlungen im Kreise von Elsies Bekannten an, zu denen auch nicht sonderlich liebenswerte Krimischreiber gehören. Als Halliday plötzlich verschwindet, lässt der ohnehin nicht zartbesaitete Hüne Shayne die letzten Hemmungen fallen, die Verdächtigen auf seine spezielle Art zu verhören. Aber am Ende fügt sich alles glücklich und logisch zusammen, die Rätsel entwirren sich, der Mörder hat keine Chance...

Das Buch bietet gewissermaßen etwas experimentelle Schreiberei, wie es auch schon andere Autoren taten. Von der Ich-Form des Kriminalschriftstellers wird zur niedergeschriebenen Ich-Erzählung des Opfers gewechselt, dann wieder zur dritten Person, als sich Mike Shayne einschaltet. Trotzdem kann man der Handlung jederzeit folgen. Sicher, Halliday macht etwas unverfroren Eigenwerbung, doch da kann man ein Auge zudrücken. Übelkeit erregend sind die Mengen an alkoholischen Getränken, die die Beteiligten in sich hineinschütten, wenn sie mal nicht gerade beim Zigarettenanzünden sind. Und der Verschleiß an Geschlechtspartnern ist ebenso immens. Elsie mit ihrer Mischung von Amnesie und Nymphomanie nach einer gewissen Anzahl von Drinks (hier: Nach dem dritten Martini...) reizt gewisse Klischees ganz schön aus. Aber möglicherweise lebten manche Leute damals, im offiziell prüden Amerika, wirklich so. Mike Shayne, der Seriendetektiv, ist jetzt besonders rüpelig. Mit subtilerer Vernehmung der Verdächtigen im Umkreis der Ermordeteten gibt er sich gar nicht ab, mit Drohungen, Einschüchterungen und tatsächlicher körperlicher Gewalt kommt man halt schneller zum Ziel. Natürlich sind die Typen allesamt widerlich, weiche, perverse Schreiberlinge, denen man mal so richtig zeigen muss, wo der Hammer hängt. Shayne muss halt stets den harten Burschen herauskehren, daneben kann er aber auch durchaus logische Schlüsse ziehen, die Ermittlung des Mörders ist auch in diesem seltsamen Fall durch den Gebrauch des "Köpfchens" gemacht. Welche Figur aus Elsies begonnenem Buch entspricht welcher realen Person ? Wer hat wo gelogen ? Die Begebenheit um ein Telefonat kann den geübten Leser auf die richtige Spur bringen, doch wird man schnell wieder abgelenkt. Die Auflösung ist dann doch gut nachvollziehbar, wenngleich Motiv und manches andere nicht völlig überzeugen.

Nach dem dritten Martini ist nicht unbedingt ein Meisterwerk in Hallidays Schaffen, doch wie stets ein solide konstruierter Krimi mit reichlichen Zutaten der "harten Schule".


Rex Stout - Die Gummibande (The Rubber Band ; 1936 ; ca. 220 Seiten)

Rex Stout (1886-1975) arbeitete in den USA in sehr vielen Berufen und begann erst relativ spät zu schreiben. Nebenher war er politisch sehr aktiv. Er verfasste zahlreiche Bücher. Berühmt wurde er durch seine Kriminalromane um den orchideenzüchtenden dicken Privatdetektiv Nero Wolfe und dessen rechte Hand Archie Goodwin.

Nero Wolfe und Archie Goodwin sollen einen Diebstahl im Gebäude der New Yorker Küstenprodukte AG aufklären. Verdächtig am Klau von 30.000 Dollar ist die Sekretärin Clara Fox, jedenfalls nach Meinung des zweiten Mannes im Unternehmen, Muir, während der Präsident namens Perry an die Unschuld der schönen jungen Frau glaubt. Kurze Zeit später wird ein Besucher der Wolfeschen Detektei nach Verlassen derselben aus einem Auto heraus erschossen. Er gehörte zu einer Gruppe von Personen, welche hinter einer größeren Geldsumme her sind. Vor vierzig Jahren, als der Westen noch recht wild war, retteten einige Leute, die sogenannte Gummi-Bande, einem zur Hinrichtung verurteilten Burschen das Leben, der daraufhin versprach, sein zu erwartendes großes englisches Erbe mit ihnen zu teilen. Tatsächlich scheint der gerade in diplomatischer Mission im Lande weilende Lord Clivers mit dem ehemaligen Todeskanditaten identisch, Wolfe soll im Interesse der Überlebenden der Gummi-Bande und deren Erben einen größtmöglichen Geldbetrag herausschlagen, nur der Anführer "Gummi-Coleman" fehlt. Zum Kreis der Klienten zählt auch wundersamerweise die bezaubernde Miss Fox. Bald ist die Polizei hinter ihr her, sie findet in Wolfes Backsteinhaus mit den vielen Orchideen einen guten Unterschlupf. Währenddessen ermitteln Archie und die üblichen Hilfsdetektive in alle Richtungen. Ist Clivers der Mörder, oder jemand aus der Gummi-Bande, wie der alte Querulant Walsh, und was hat der unsympathische Muir aus der Küstenprodukte AG auf dem Kerbholz ? Es gibt weitere Opfer, die Polizei und Staatsanwaltschaft rotieren auf Hochtouren, aber der dicke Armchair-Detektiv Wolfe behält die Nerven und arbeitet einen Plan zur Überführung der Täters aus. Wie immer in seinem Büro vor versammelter Mannschaft wird dieser in einer explosiven Endabrechnung bloßgestellt, nicht ohne Gefahr...

In seinem dritten Nero-Wolfe-Krimi schreibt Stout wie stets aus der Sicht von Archie Goodwin, des unentbehrlichen Assistenten des Unmengen von Bier trinkenden Exzentrikers Wolfe. Archie ist flapsig wie immer, im Gegensatz zu den späteren Büchern raucht er hier noch zuweilen und nimmt gerne mal einen Schluck Hochprozentiges zu sich. Nebenher wirft er zwei übereifrige Polizisten aus dem Haus, trifft auf seinen Intimfeind Sergeant Rowcliff und bekommt Gelegenheit, mit seiner Pistole herumzuballern. Nero Wolfe ist zwar auch schon ein erklärter Misogyn, doch er bietet der betörenden Miss Fox immerhin freiwillig Quartier unter seinem Dach an - ein außergewöhnlicher Vorgang. Aber die Schöne verwirrt einigen Herren die Sinne und macht am Ende wohl einen recht guten Schnitt, zum Ärger des ziemlich eifersüchtigen Goodwin. Dass er und sein fetter Chef die Verdächtige vor dem Arm des Gesetzes verstecken ist ganz typisch, auch ansonsten macht Wolfe wieder was er will, allen Drohungen und Schmeicheleien der Staatsorgane zum Trotz. Der Fall an sich ist nicht übel, einigermaßen abwechslungsreich, obwohl man aus der Geschichte irgendwie hätte mehr machen können. Aber sie ist phantasievoll und spannend. Betrug, Morde, Rechtsstreitigkeiten, eine Hausdurchsuchung, befürchtete politische Verwicklungen - die Ermittler müssen mit einigen Herausforderungen kämpfen. Natürlich hängt alles mit allem zusammen, auch die im Laufe der Handlung fallengelassene Diebstahlsklage gegen die Sekretärin findet ihren Platz im Gummibanden-Rätsel samt des mysteriösen verschollenen Anführers sowie des gar nicht so edlen englischen Edelmannes mit bewegter Vergangenheit. Es gibt wieder einige falsche Identitäten zuzuordnen, Inspektor Cramer von der Kripo zu besänftigen, und -vor allem- um Geld zu feilschen, für Nero wohl meistens die Hauptsache, für die er sich gerne Zeit nimmt.

Die Gummibande kann zu Stouts sehr gelungenen Krimis um den Orchideenfreund Nero Wolfe zählen, die turbulente Handlung verdeckt einige Schwachstellen mühelos.


Peter Cheyney - Benimm dich, Mädchen (Lady, Behave ; 1950 ; ca. 180 Seiten)

Peter Cheyney (1896-1951) wuchs in London auf, war Soldat, Reporter und Kriminalbeamter, bis sich der Erfolg mit dem Schreiben von Thrillern einstellte. Privat und beruflich wurde er ein ziemlich ausschweifendes Leben. Am bekanntesten wurden seine Bücher um den FBI-Agenten Lemmy Caution, doch er verfasste auch andere Krimis.

Johnny Vallon, Geschäftsführer eines gutlaufenden Detektivunternehmens, wird von einem gewissen Vine Allard gebeten, ihn in einem auswärts von London gelegenen Cafe zu treffen. Der gehört eigentlich zur Konkurrenz, ist schlechtbeleumdet und erscheint nicht zum Termin. Grund ist ein tödlicher Verkehrsunfall, in den er kurz zuvor verwickelt wurde. Vallon ist immer mehr überzeugt, dass es kein Unfall war, sondern Mord. Was wollte das Opfer mitteilen, wovor hatte es Angst ? Er findet heraus, dass der Getötete von der überaus attraktiven verwitweten Paula Clavering beauftragt war, deren mittlerweile schon erwachsene Tochter aus erster Ehe mit einem Südamerikaner zu finden. Letztlich hängt auch eine nicht zu verachtende Geldsumme daran, die der verstorbene Mr. Clavering seiner geliebten Frau zur Verfügung stellte. Jetzt übernimmt Vallon den Auftrag, er bespricht sich mit Allards Partner Inskip, der aber seine eigenen Spiele spielt und bald darauf als Leiche in einem Wassertank endet. Vallon trifft auf den selber in Mrs. Clavering verliebten Anwalt Dyce, den lärmenden Theaterintendanten Friday, den glatten Lebemann Bizard und so manche andere Person. Seine Ermittlungen führen ihn nach Frankreich und wieder zurück nach England, er pendelt doch ständig hin und her und kommt der Wahrheit mit der Präzision eines Uhrwerkes immer näher. Ist die junge Frau, die Allard vor seinem Tod als Paulas Tochter Lolita ausgegeben hat, eine Schwindlerin ? Immerhin kommt sie aus dem Theatermilieu, woher auch die anderen Beteiligten der Affäre stammen. Die betörende Mrs. Clavering glaubt an eine Täuschung, Vallon interessiert sich für das Testament ihres Gatten und handelt mit Yard-Inspektor MacIlroy einen Deal aus. Er kann die Fäden entwirren und auf seine eigene Art dem Recht zum Sieg verhelfen, kleine Eigenmächtigkeiten inbegriffen...

Cheyneys Krimi ist relativ schnörkellose Kriminalunterhaltung. Der Held Vallon agiert schon fast automatenhaft, er bellt seinen Untergebenen Anweisungen zu, tritt bei den Protagonisten zwar höflich, doch sehr bestimmt auf und schreckt auch mal vor Drohungen nicht zurück. Er ist ständig in Bewegung, Reisetätigkeit gehört zu seinem Job genauso dazu wie unermüdliche Ausdauer bei Befragungen und Verhören und der Aufenthalt an der Hotelbar, wo er sich gerne mal einen guten Tropfen gönnt. Der Leser kann minutiös miterleben, wie er Stück für Stück immer mehr Einzelheiten des erstaunlich komplexen Falles ans Tageslicht bringt. Was hat er alles ausgebuddelt! Mord, Betrug, Urkundenfälschung, Diebstahl, Identitätsverschleierung - all diese Delikte kommen zum Vorschein. Dabei lässt sich der Detektiv nicht von seinem Ziel abbringen, nur die reizende Mandantin scheint geeignet, ihn auf Abwege zu ziehen. Oder ist sie eher die femme fatale des Stückes ? Verdächtig ist jedenfalls der homosexuelle Theaterintendant Friday, der offenbar einen Groll gegen die Welt im Allgemeinen und Mrs. Clavering im Besonderen hegt. Der Lastwagen, der den Unfall verursachte, hing mit ihm zusammen, doch Friday hat ein Alibi. Oder doch nicht ? Vallon taucht auch tief in die Vergangenheit ein, in die Geschäfte von Paulas erstem Mann, und er stößt auf einen verheerenden Hotelbrand... Irgendwie haben alle den sprichwörtlichen Dreck am Stecken, die Welt ist nicht perfekt bei Peter Cheyney. Die Vergangenheit wirft lange Schatten, kann man das Schicksal der verschollenen Tochter überhaupt noch aufklären ? Es dauert eine Weile, bis Vallon restlos hinter Allards Geheimnis kommt. Obwohl er der Polizei große Versprechungen macht, sorgt er doch am Ende selber für Gerechtigkeit, er muss seinen Klienten so gut wie möglich vertreten, aber auch einen Mörder festsetzen.

Benimm dich, Mädchen bietet dem Leser einen guten Kriminalroman mit einer verwickelten Geschichte und einem unbeirrbaren Detektiv, der zwischen Gesetz und Klienteninteresse abwägen muss.


Zusammenfassung:

Der Sammelband bietet drei Kriminalromane bekannter Autoren aus dem angelsächsischen Raum. Der Amerikaner Brett Halliday dürfte heutzutage weitgehend in Vergessenheit geraten sein, Rex Stout aus den USA ist wohl immer noch sehr bekannt und Peter Cheyney, schriftstellerisch Halbamerikaner und Halbbrite, hat bei manchen Krimi-Fans auch noch einen Klang. Alle drei Autoren waren recht produktiv. Getrunken wird in diesen Texten in Unmengen, auch körperliche Auseinandersetzungen und Schusswaffengebrauch kommen vor, genauso attraktive Frauen und fiese Verbrecher. Oft geht es um viel Geld. Am "härtesten" ist sicherlich Hallidays Detektiv Shayne, Cheyneys Versicherungsagent Vallon löst den vertracktesten Fall, während Stouts Wolfe-Goodwin-Geschichte der phantasievollste Beitrag ist.
Das Buch ist antiquarisch für wenig Geld erhältlich und für Freunde älterer Krimis mit einem gewissen "Hard-boiled"-Touch, aber auch klassischer Fallermittlung durchaus empfehlenswert.

Savini Offline



Beiträge: 756

02.05.2023 12:55
#36 RE: Die Romane von Raymond Chandler und Dashiell Hammett Zitat · Antworten

Auch wenn es sich lediglich um eine Parodie des zu Beginn des Threads erwähnten Raymond Chandler handelt poste ich hier einfach etwas, weil mir dafür kein geeigneterer Thread einfällt:
In der Podcast-Reihe "Kein Mucks!" präsentiert Bastian Pastewka alte Radiohörspiele aus dem Krimi-Genre. Neulich waren zwei kurze RIAS-Parodien auf Philip Marlowe bzw. Hercule Poirot an der Reihe:https://www.ardaudiothek.de/episode/kein...remen/12446823/
Als "Phil Marlin" hört man Arnold Marquis, der nicht nur Humphrey Bogart in "Tote schlafen fest" synchronisierte, sondern (laut Abmoderation) zu dieser Zeit Marlowe auch in einigen "echten" Chandler-Hörspielen sprach.
Hier wird der Stil Chandlers schön durch den Kakao gezogen, besonders die Art, wie Marlowe in Gedanken seine Beobachtungen und sein Umfeld mit teils ironischen oder sarkastischen, teils aber auch schlicht klugscheißerischen Bemerkungen kommentiert.

Savini Offline



Beiträge: 756

02.05.2023 22:20
#37 RE: Die Romane von Raymond Chandler und Dashiell Hammett Zitat · Antworten

Nachtrag: An einer Stelle hört Marlin einen kurzen Ausschnitt aus einem berühmten Zitat von Raymond Chandler über den Detektiv in einer korrupten Welt.

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 644

04.01.2024 14:49
#38 RE: Die Romane von Raymond Chandler und Dashiell Hammett Zitat · Antworten

Zwei klassische amerikanische Krimis aus den 30’er Jahren

S.S. Van Dine – Der Mordfall Drache (1933)

Der US-amerikanische Lord-Peter-Wimsey-Verschnitt Philo Vance ermittelt diesmal in einem entlegenen Winkel Manhattans, wo die Zeit stehen geblieben scheint. Hier liegt das Grundstück der Familie Stamm, statt Wolkenkratzer und Betonstraßen gibt es noch urtümliche Wildnis und Indianerlegenden. Als ein Partygast bei einer zusammengewürfelten Gesellschaft in den künstlich gestauten „Drachenteich“ springt und nicht mehr auftaucht, ist es ausgerechnet der phantasielose Sergeant Heath, welcher den Staatsanwalt Markham und letztlich den versnobten Vance mit der Nase auf den Fall stößt. Die anderen Gäste sind sich meist in Hass verbunden, neben dem Besitzer Rudolph Stamm dessen verwirrte Mutter, ein windiger Finanzberater, schnöselige junge Unsympathen und seltsame Damen. Die Männer sind hinter Rudolphs Schwester Bernice her, ihres Verlobten Verschwinden im mystischen Gewässer kommt fast allen nicht ungelegen.
Vance und sein Gefolge schnüffeln auf dem Anwesen herum, schließlich wird der Teich abgelassen. Die Spuren, die auf dem Grund gefunden werden, lassen die alten Drachenmythen der Gegend wieder aufleben… Doch Vance glaubt weiter an rationale Erklärungen, man findet indessen bald an einer entlegenen Stelle eine schrecklich zugerichtete Leiche, später wiederholt sich das Ganze noch einmal. Einen überlebenden Nessie-Verwandten schließt der Superdetektiv aber aus, er kümmert sich lieber um Aquarien, Zimmerpflanzen und andere Nebensächlichkeiten.
Im Laufe der Handlung gelingt es ihm, den Mörder zu entlarven und alles an die richtige Stelle zu rücken.

Dieses Mal schien dem Autoren mit bürgerlichem Namen Willard Huntington Wright viel an der Schaffung von Mystery-Atmosphäre gelegen zu sein. Die morbide Gesellschaft der Verdächtigen ist gewollt verschroben und komplett degeneriert. Der Drache, der der Taten immer wieder verdächtigt wird, ist Teil einer weltweiten Legendensammlung, über deren genaue Kenntnis Mr. Vance seinen verzweifelten Freund Markham und somit auch den geduldigen Leser nicht im Unklaren lässt. Seitenweise Abhandlungen über dieses Thema oder auch über tropische Fische und andere spezielle Gebiete des Lebens führen scheinbar ins Nichts, oder kommt man der Lösung dadurch tatsächlich näher? Irgendwie schimmert die vollkommene Künstlichkeit der Geschichte immer mal mehr oder weniger durch, hat mit dem Leben der damaligen Zeit wirklich Null zu tun. Stattdessen werden zur Untermalung noch eizeitliche Gletschertöpfe oder eine urige Krypta sowie altertümliche Wege eingeführt, wenngleich das Vorgehen des Täters doch schon richtig modern wirkt. Allerdings weist das Gewebe, aus dem die Story gestrickt ist, schon die eine oder andere Fehlstelle oder Loch auf. Wie so oft ist das „spurlose“ Verschwinden des Täters vom Tatort eine eher dünne Sache. Ebenso ist das Ende der Angelegenheit mit unfallmäßigem Dahinscheiden der Verantwortlichen, sozusagen ein göttlicher Eingriff, so richtig schön hingebogen. Gerechtigkeit muss sein!
Übrig bleibt ein mitunter durchaus interessanter und unterhaltsamer Roman, der irgendwie aber seinen eigenen Ansprüchen nicht völlig gerecht wird. Der Autor hat mit Sicherheit bessere Bücher geschrieben.


Erle Stanley Gardner – Roter Drache, Weiße Weste (1937)

Terry Clane, Jurist, Chinakenner, Lebemann und Abenteurer, ist seit kurzem wieder von einem längeren Aufenthalt im Reich der Mitte zurückgekehrt nach San Franzisco. Er sieht sich in einen seltsamen Mordfall verwickelt. Ein recht dunkler Zeitgenosse namens Jacob Mandra ist mit einem Kuriosum der Waffentechnik, einer chinesischen Ärmelpistole, daheim an seinem Schreibtisch erschossen worden. Das Stück stammte ganz offensichtlich aus den Beständen des Herrn Clane und wird zu allem Überfluss auch noch einige Zeit später im Verhörsessel des District Attorney gefunden. Als potentielle Täter kommen zwei dem Helden der Geschichte bekannte Schwestern in Frage, daneben deren zwielichtige Verehrer, dann ein alter chinesischer Bekannter nebst reizender Tochter, sogar der treu ergebene Diener Clanes. Dann ist da auch noch die südländische Frau des Ermordeten. Und Clane stößt auf ein ominöses Trio, dass zusammen mit dem Getöteten in betrügerische Machenschaften verwickelt war… Die Verdächtigen gehen nicht aus, auch der sich privat in die Ermittlungen einmischende Mr. Clane gerät in das Visier von Inspektor Malloy und der Staatsanwaltschaft, denen er immer einen Schritt voraus sein muss. Fakten kommen Licht, etwa verschiedenfarbige Handtaschen, Schlüssel, und ein frisch gemaltes Portraitbild des Opfers spielt eine Rolle, oder sind es am Ende zwei Bilder? Im Zimmer des Erschossenen scheint in knapper Zeit „reger Verkehr“ geherrscht zu haben, doch die überraschende Lösung, die Clane am Ende bietet, kann die Vertreter von Recht und Gesetz am Ende überzeugen und die Story zu einem guten Ende führen.

Dieser recht frühe Roman von Gardner hat abseits von Perry Mason oder anderen Serienhelden einen Protagonisten, der auszog, in China weltliche Schätze zu erlangen, und mit geistigen Reichtümern zurückkam. Gerade für damals eher ungewöhnlich, genauso wie er sich nebenher mit verschiedenen Modellen der Lebensweise von Frauen beschäftigt, einmal eine traditionelle Chinesin, dann eine uramerikanische „Karrierefrau“ sowie deren lebenslustige Schwester. Die sind alle sehr an dem nicht nur wort-, sondern auch schlaggewaltigen Juristen und Frauenliebling Terry Clane interessiert, eine insgesamt ungewöhnliche Figur, die es später noch einmal in eine Gardner-Geschichte schaffen sollte. Clanes kaltschnäuziges Verhalten den Ordnungshütern gegenüber lässt deutliche Anleihen an die hard-boiled-Literatur erkennen, ebenso sein furchtloses Agieren unter Gaunern verschiedenen Formates. Dabei stößt er auf eine Bande, die sich mit getürkten Unfällen und der nachfolgenden Erpressung ihrer sich im Unrecht wähnenden Opfer bereichert, ein modus operandi, der im Werk des Autoren eine gewisse Wiederholfrequenz aufweist.
Allerdings haben etwa die ungewöhnliche Tatwaffe sowie ständige Alibivergleiche und allerlei Verschleierungstaktiken in Hinsicht Tatzeit und Motiv immer noch genügend „klassische“ Momente parat, wobei es auch einen großen Kreis Verdächtiger gibt. Hier spielt wieder mal die genaue Zeit, an welcher der oder die wo war und was gemacht hat, eine große Rolle. Das Ende kommt eher abrupt und ist gardnertypisch spartanischer gehalten. Man kann den Krimi gut in einem Rutsch lesen, ist nicht überragend, aber auch nicht schlecht.

Seiten 1 | 2 | 3
 Sprung  
Xobor Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz