DER MANN, DER SICH ABEL NANNTE
Zitat von Georg im Beitrag #1
[i]Rudolf Iwanowitsch Abel (Carl Raddatz) leitet unerkannt das sowjetische Agentennetz in Nord- und Mittelamerika und haust als armer Maler getarnt in einer heruntergekommenen New Yorker Mansarde. Diese ist das Hauptquartier, in dem Abel geheime Befehle aus der UdSSR empfängt und von dem aus er Mikrofilme in die sozialistische Welt schleust...
Eine wackere kleine Schar von Filmfreunden hat per Mitschnitt bereits manche Filmperle buchstäblich vor dem Zerfall zu Staub bewahren müssen, weil man sich in den Archiven der Öffentlich-Rechtlichen immer weniger um Kunstwerke kümmert, die sich für den großen Kommerz nicht mehr eignen. Wenn in manchen Fällen den Filmen später sogar zu einer Wiederauferstehung als DVD verholfen werden kann, ist das schon ein Stück Dank und Anerkennung wert...

.... Denn auch diese Filmrettung hat sich am Ende als absoluter Volltreffer erwiesen. Und das bestimmt nicht nur, weil sich zahlreiche Filmfreunde aus alten kalten Kriegszeiten (die ja im echten Leben leider langsam wiederkommen, wie es scheint) ihre Vorlieben für alte Spionage-Kisten bewahrt haben.
Gleichermaßen faszinierend wie authentisch ist besonders die Atmosphäre des dunstig-trüben, für einige in böser Absicht eingesickerte Immigranten schlicht untouristische New York getroffen. Gleiches gilt für die schwer geschichtsträchtigen Stellen in Berlin und Potsdam (wieder einmal Glienicke...). Das vergleichsweise aufwendige Setting ist eine Erfrischung gegenüber reinen Studioproduktionen.
Carl Raddatz konnte seine einzigartige schnodderig-lakonische Art hier als dominierender Charakter mit der kühlen Seriosität einer Spionage-Führungskraft ausspielen.
Einer, der häufig leicht unterschätzt wird, ist Rolf Boysen. Gemessen an diversen früheren Rollen glaubte man von ihm ja in Sachen Wandlungsfähigkeit nicht ZU viel erwarten zu dürfen, gleichwohl zeigt er uns hier eine tolle Leistung und ist sehr glaubwürdig in seiner Entwicklung. Beginnend als loyaler, braver Untergebener, der sich, sobald der Aufpasser mal wegguckt, als Schludrian erweist und zum versoffenen, kackfrech-verlogenen Hintergeher wird. Einer, der aber nicht clever genug ist, eine 'verdiente' Falle nicht wittert und erst noch umständlich darauf hingewiesen werden muss, doch bitte zum Verräter zu werden. Um möglicherweise seinen - aus Sicht der Kollegen - armseligen Hintern zu retten. All dies stärkt den hier gebotenen interessanten Handlungsverlauf.
Zusammen mit Ida Krottendorf ist Boysen nicht nur glaubwürdig als Paar, ihre gemeinsamen Auftritte geraten in Richtung Finale auch zunehmend spannungsknisternd.
Überhaupt liegt ein angenehmer Schwerpunkt auf guten Dialogen der menschlichen Entwicklung, ohne dass die politische Brisanz zu kurz kommt. Man wird hier nur nicht von der Weltgeschichte erschlagen, sondern erlebt einen von vielen kleinen historischen Ausschnitten, die den abstrakten Kalten Krieg mit Leben füllten.
Besonders schön ist es immer, auch Pluspunkte vergeben zu können für Darsteller, die sonst nicht so oft richtig positiv auffallen: Harry Riebauer und Herbert Mensching liefern hier ein gutes Beispiel.
Heinz Weiss ist dagegen ja auch einer, der trotz guter Ausstrahlung gern mal ein wenig verhöhnt wird, wenn von 'Bogenschützlein' oder 'Traumschiffern' die Rede ist. Wobei seine Kritiker nicht nachempfinden, wie gut man sein muss, um "Soweit die Füße tragen" buchstäblich als alleiniger Protagonist zu tragen.
Otto Stern, der ewige Blackwood-Castle-Kapitän, ist wie immer in seinen kleinen Rollen überzeugend; nicht zuletzt dank seiner großartigen Stimme, deren Markanz stets sofort ins Ohr springt.
E. F. Fürbringer überzeugt sowieso in Charakterrollen mehr denn ‚nur‘ als Yard-Chef. Das ist spätestens seit TV-Film-Auftritten wie „Der neue Mann“, „Die 12 Geschworenen“ oder „Sergeant Dower“ im Bewusstsein.
Die scharfe sprachliche Präzision von Reinhard Glemnitz in seiner Gastrolle und als Erzähler zeigt sich auch hier wieder. Schöne kleine Auftritte haben auch Herbert Fleischmann, Hans Leibelt und Hans Korte.
Die Vielzahl toller Darsteller ist eine besondere Wonne und stärkt die Qualität des Films enorm, der von Ludwig Cremers souveräner Regie sehr profitiert.
Cold War at its Best. Wer kein Bond-Spektakel erwartet, wird an der psychologisch ausgefeilten, spannenden Old-School-Geschichte um Spionage und Verrat großen Gefallen finden. Ein Klassiker ganz in der Tradition anspruchsvoller deutscher TV-Filme der 60er, mit toller Besetzung und nur sehr geringen Reibungsverlusten beim Schlüpfen durch den Eisernen Vorhang. Ein Film, der locker und mühelos auf mindestens 4,5 von 5 Punkten kommt. P.S.: Regisseur
Ludwig Cremer hat auch mit einer ganzen Menge anderer Arbeiten bewiesen, dass er unterschiedlichste Themen mit Stil und Qualität bewältigen konnte:
- Klassiker wie Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ (1959 mit der Flickenschidt!) - oder Reginald Roses „Die Feuertreppe“ oder Jean Anouilhs "Reisender ohne Gepäck“ (1963 mit Dagover / R. Graf).
- Das unzerstörbare Bühnenwerk mit viel Kriminalgeschmack: „Gaslicht“ (72er Version mit Pluhar / Meinrad / Knuth),
- Packende Kriminalstücke: „Stunden der Angst“ (1964, Caninenberg / H. Lothar, bekannt als "An einem Tag wie jeder andere mit Bogart / March), oder „Besuch gegen 10“ (1970 mit Pasetti / Korte).
- Nicht zuletzt „Klaus Fuchs – Geschichte eines Atomverrats“ - ein großartiger zeitgeschichtlicher Film mit Robert Graf, J. Meinrad, K. Ehrhardt, W. Rilla und Werner Peters.