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 Romane
Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 645

22.10.2018 15:26
Im Banne des Unheimlichen (1927) Zitat · Antworten

Im Banne des Unheimlichen


Originaltitel: The Hand of Power
Erscheinungsjahr: 1927


Hauptpersonen:

William "Bill" Holbrook - Reporter und Mitarbeiter einer Werbeagentur
Betty Carew - junge Frau mit unklaren familiären Verhältnissen
Dr. Josuah Laffin - zweifelhafter Arzt mit starken verbrecherischen Neigungen
Toby Marsh - ein geschickter Gentleman-Einbrecher
Harvey Hale - hünenhafter Kapitän ohne Skrupel
Clive Lowbridge - gutaussehender verarmter Lord
Inspektor Bullott - Kriminalbeamter des Erkennungsdienstes mit noch wenig praktischer Erfahrung
Mr. Pawter - Chef einer Werbeagentur
Benson - geheimnisvoller Diener
Lambert Stone - reicher amerikanischer Händler
Leiff Stone - mysteriöser Gründer eines Geheimbundes
Bruder John - seltsamer Geistlicher
La Florett - Tänzerin mit geschöntem Lebenslauf
Tinker Lane - unglückseliger Kleinganove
Sir William Paxton - redseliger Finanzbeamter
Charles van Campe - Theaterdirektor


Handlung:

Über die nebelverhangene Landschaft von Dartmoor kriecht in einer stürmischen regnerischen Nacht ein altersschwaches Automobil. Seine Insassen sind Dr. Josuah Laffin, ein seltsamer, kaum einnehmender Arzt, und sein vom Leben wenig verwöhntes Mündel Betty Carew. Plötzlich stehen zwei mit Kapuzen vermummte Männer auf der Straße (da würde ich persönlich gehöriges Muffensausen kriegen), und der Doktor bleibt nach einem kurzen Wortwechsel einige Stunden mit ihnen zusammen fort. Hier wird, kaum merklich, der Grundstein für die nun folgende Handlung gelegt. Bettys Beziehung zu ihrem Vormund Dr. Laffin ist alles andere als herzlich, tatsächlich interessiert sich der Doktor kaum für die junge Frau und versucht nur, sie in seine vielen finsteren Machenschaften einzuspannen. Die Karriere von Miss Carew bei einem Theater unter der Leitung eines gewissen van Campe tritt sehr auf der Stelle, zumal ihre möchtegern-französische Kollegin La Florette neidisch auf sie ist und sie schließlich aus dem Hause wegekelt. Sie lernt den jungen Reporter Bill Holbrook kennen, mag ihn aber wegen seiner Unordentlichkeit nicht besonders. Außerdem ist sie ja mit dem hübschen, aber verarmten Lord Clive Lowbridge verbandelt, ebenfalls ein "Schützling" von Dr. Laffin. Er muss sich ganz unstandesgemäß als Kunstmaler durchschlagen, mag aber den Doktor mehr als Betty, obwohl es immer mehr Hinweise auf Unterschlagungen und mysteriöse Todesfälle in seiner Familie inm Zusammenhang mit Laffins Wirken gibt. Außerdem hat er einen schweigsamen und unnahbaren Diener namens Benson.
Bill Holbrook, der schlaksige Reporter, arbeitet nebenher noch beim Werbebüro Pips" seines Onkels Mr. Pawter mit, wo er aber häufig durch Abwesenheit glänzt. Allmählich findet er Gefallen an der abweisenden Betty Carew, doch hat die andere Probleme. Auf Geheiss des verschwörerischen Laffin soll sie tagelang in einem besonders dekorierten Schaufenster sitzen. Was hat es damit auf sich ? Das kann sich auch nicht der mit Holbrook befreundete Inspektor Bullott erklären, der außer seiner Haupttätigkeit im Erkennungsdienst noch wenig kriminalistische Übung besitzt. Man weiß nur, dass Laffin jetzt ein führendes Mitglied der Stolzen Söhne von Ragusa sein soll, eines freimaurerähnlichen Geheimbundes, der aber eher mit Seeleuten zu tun hat. Man munkelt, dass es hier nicht mehr mit rechten Dingen zugeht und der Verein sich von seinen karikativen Bestrebungen gelöst hat. Der Gründer der Gesellschaft, Leiff Stone, bleibt eine nebulöse Figur und wurde schon lange nicht mehr gesehen. Dafür wurden viele ehrwürdige Mitglieder durch "den Abschaum der Hafenstädte" ersetzt, Laffin führt geheime Besprechungen mit einem gewissen Harvey Hale, einem brutalen Trunk- und Raufbold mit Kapitänspatent, der wohl für Geld seine eigene Großmutter umbringen würde. Es gibt da einen Einbrecher mit gepflegten Manieren und Namen Toby Marsh. Er hat ein persönliches Hühnchen mit Laffin zu rupfen und weiß von allem mehr, als er zugibt. Manchmal lässt er Inspektor Bullott an seinem Wissen teilhaben. Die stolzen Söhne von Ragusa bleiben der Dreh- und Angelpunkt des Ganzen.
Mittlerweile hat Betty Carew in ihrem Schaufenster Besuch von einem seltsamen Gentleman bekommen, dem sie ein Schriftstück auszuhändigen hatte, und etwas später von einm gewissen Bruder John, einem geistlichen Mitglied der Stolzen Söhne, der nach einem kurzen Wortwechsel mit ihr auf offener Straße aus einem fahrenden Auto erschossen wird. Bis dahin ist schon einige Lesezeit vergangen, und man fragt sich, wie es denn nun mal weitergeht.
Es gibt einiges Hin und Her, Betty wird entführt und zu einer obskuren Versammlung von verhüllten Gestalten gebracht, später aber wieder freigelassen, auf Bill Holbrook werden einige Mordanschläge verübt (er lässt sich auch sehr offensichtlich in die Falle locken), und ein gewisser Tinker Lane, der sich als Zeuge für schreckliche Vorgänge bei den Stolzen Söhnen anbieten will, findet ein unerquickliches Ende.
Betty Carew hat in der Zwischenzeit doch Gefallen an Bill Holbrook gefunden. Clive Lowbridge, der leutselige Lord, trägt es offenbar mit Fassung. Er hat auch andere Sorgen. Sein Vormund Laffin hat seiner Familie in der Vergangenheit wohl großen Schaden zugefügt.
Weiterhin wird Mr. Pawter, der Werbefachmann und ebenfalls Geheimbund-Mitglied ist, von einem vermummten Bösewicht mit schlimmer Folter bedroht, wenn er nicht an ungesetzlichen Machenschaften teilnehmen will. Es gibt einiges an Turbulenz, doch kann der Unhold entkommen. Die Schurken des Stückes gehen nun an die Realisierung ihres größten Coups. Die betrügerische Tänzerin La Florette becirct den Finanzbeamten William Paxton, ihr einige Geheimnisse über einen Transport von Kriegsschuldzinsen an Bord des Luxusdampfers Escorial in Richtung USA zu verraten. Auf diesem Schiff finden sich nun alle Protagonisten des Stückes ein - Bill Holbrook, Toby Marsh, Inspektor Bullott, Clive Lowbridge mit Diener Benson, Betty Carew nebst ihrem reichen Onkel Lambert Stone, den sie eben mal als Verwandten kennengelernt hat, und viele andere, auch die Bösewichter Dr. Laffin und Harvey Hale. So kommt es hier an Bord des "schwimmenden Palastes" zu einem nervenzehrenden, spannenden Showdown, denn die Überfahrt nach New York verläuft ganz anders, als es sich die meisten vorgestellt hatten...


Bewertung:

Vor langer Zeit mal durchgeschmökert, hatte ich das vorliegende Werk in recht guter Erinnerung. Jetzt, über zwanzig Jahre später, teile ich meine jugendliche Begeisterung nicht mehr so ganz. Die Geschichte braucht ziemlich lange, um in Fahrt zu kommen, es gibt einige nur recht und schlecht verknüpfte Erzählstränge, wahrscheinlich ist die Anzahl der Hauptpersonen für Edgar Wallace einfach zu hoch. Tatsächlich bleiben diese irgendwie alle recht blass und holzschnittartig. Der findige unbekümmerte Reporter, die weibliche Schönheit mit Anwartschaft auf ein großes Vermögen (das stellt sich quasi mal en passant heraus), der liebenswerte Gauner mit dem Herz auf denrechten Fleck ... usw. Das ist alles nicht so unbedingt neu, auch nicht der seltsame verschrobene Doktor mit krimineller Passion, eher schon der riesige Gangster-Kapitän, den man sich gut bildlich vorstellen kann. Auch ein Inspektor, der zu seinem "Glück" als Kriminalist förmlich gezwungen werden muss, ist mal was Anderes.
Zentrale Figur ist der wunderliche Dr. Laffin, der überall seine Hände mit im Spiel hat. Es geht um dunkle Machenschaften in der Familie Lowbridge, um die kriminelle Unterwanderung einer an sich harmlosen Organisation, um Betrug in großem Stil und letztendlich um eine generalstabsmäßig geplante Schiffsentführung. Irgendwie zerfällt die Handlung durch die Vielzahl der angeführten Plots in mehrere Stücke. Obwohl es auch zwischendurch immer mal vordergründig spannend wird, gibt es doch auch einige Hänger. Offenbar ist der böse Doktor der Hauptschurke, oder gibt es da noch jemanden, etwa den mörderischen Seemann Hale oder den scheinbar doch recht anständigen Einbrecher Toby Marsh ?
Der Geheimorden Die stolzen Söhne von Ragusa, dessen Mitglieder (fast) alle vermummt sind, gibt natürlich Stoff für allerlei Verwirrspiele. Undenkbar, wenn sich ein ungesetzlich handelnder Geist an seine Spitze setzen würde...
So fließt denn die Handlung mehr oder weniger gut konstruiert dahin, doch der recht ausgiebige Schlussteil an Bord des Luxusdampfers hat es in sich. Die mitgeführten Gelder an Bord sind das Ziel von Laffin, Hale und ihrer Spießgesellen, und sie scheuen sich nicht, das Schiff in arktische Gewässer zu entführen, wo die Schätze dann umgeladen und die Passagiere der Escorial einem schrecklichen Tod in Eiseskälte überlassen werden sollen. Bill Holbrook gelingt es glücklicherweise, ein paar Kriegsschiffe auf ihre Spur zu bringen, und die Dramatik steigert sich. Schießereien und Morde an Bord häufen sich, während die Verfolger den Kreis immer enger ziehen. Doch gibt der großmäulige, aber auch erfahrene Piratenkapitän Hale noch lange nicht auf, es geht durch Nebelbänke, haarscharf an Eisbergen vorbei, die Helden sind ständig mit dem Tod bedroht, und dann fangen die Schlachtschiffe noch mit Schießen an. Das breit ausgemalte Ende liest sich wirklich spannend und entschädigt über die schleppende Handlung am Anfang. Nun werden noch einige Identitäten überraschend gelüftet, und Bill Holbrook kann die nun vermögende Betty Carew in New York zuguterletzt in die Arme schließen. Das Gute hat mal wieder gesiegt, die Bösewichter haben samt und sonders ein unrühmliches Ende genommen. Hier hat der Autor eindeutig auf action gesetzt, andere Aspekte sind etwas verkümmert, nur einmal, bei der Beschreibung der beliebten Lotterie des Ordens der stolzen Söhne, hat er deren Umfeld recht plastisch und realitätsnah beschrieben.
Für den Freund des englischen Thriller-Königs ist der vorliegende Roman sicher ein Muss. Ein, je nach Geschmack, etwas über oder unter dem Durchschnitt liegender Wallace-Roman mit den üblichen Schwächen, aber einem sehr abenteuerlichen Abschluss.


Buch:

Bisher hatte ich die 1990'er-Jubiläums-Ausgabe von Goldmann gelesen, die unter der Bearbeitung des "berüchtigten" Gregor Müller stand. Also hab ich mir mal als Alternative eine Ausgabe von 1953 besorgt, die aus der Vorkriegsübersetzung einer gewissen Else Baronin Werkmann besteht. Ob diese Ausgabe schon gekürzt oder sonstwie bearbeitet wurde, ist nicht ganz klar, aber es sieht eigentlich nicht danach aus. Beim Vergleich mit dem Machwerk von Herrn Müller fällt Folgendes auf: Im Prinzip hat der das Werk nicht neu übersetzt, sondern nur an vielen Stellen gekürzt und seltsamerweise auch ganze Satzpassagen in ihrer Reihenfolge geändert. Auch sprachliche "Modernisierungen" gibt es da oft mal, über deren Gelungenheit kann man geteilter Ansicht sein. Krass wird es dann zum Ende hin, wo er die Handlung zeitenweise völlig umdichtet. So entgeht der schuftige Harvey Hale seiner Strafe in beiden Versionen nicht, doch der Weg dorthin ist vollkommen unterschiedlich. Warum wurde sowas gemacht ? Zugegebenermaßen ist das Original-Ende noch umständlicher und unglaubwürdiger als das vom Neuübersetzer erfundene, aber trotzdem ist die Sorglosigkeit, mit der die Handlung in diesem und vielen anderen Büchern, auch von anderen Autoren, in der Hoch-Zeit der Taschenkrimis immer wieder verfälscht wurde, schon frappierend.
Immerhin ist das alles viel weniger tiefgreifend als etwa beim Grünen Bogenschützen.
Das Buch hat in der Nachkriegsausgabe aus den Fünfzigern einschließlich seiner schönen Auflistung der Hauptpersonen etwa 250 Seiten, die Taschenkrimi-Version etwa zehn Seiten weniger. Beides also für Wallace'sche Verhältnisse recht dickleibige Romanausgaben.


Verfilmung:

Tatsächlich gibt es ja im Zuge der Farb-Wallace-Filme einen Streifen aus dem Jahre 1968 mit dem gleichlautenden Titel. Der hat aber außer diesem absolut gar nichts mit dem Buch gemeinsam (Sollte ursprünglich wohl auch erst Der Unheimliche heißen, mit welchem Roman er aber ebenfalls in nichts identisch ist). Es ist eine knallbunte, überdrehte und leichenreiche Geschichte mit allerhand Schauerzutaten, wie lachenden Särgen, Zombies, vergifteten Skorpionringen, Geheimgängen und ähnlichem Schnickschnack - für mich persönlich durchaus ein Highlight der Farbfilm-Ära, aber vom eigentlichen Geist des Krimi-Altmeisters Lichtjahre entfernt.
Warum ist nur niemand darauf gekommen, diese Geschichte authentischer zu verfilmen ? Anstatt mit dem Schwarzen Abt und den beiden Mönch-Filmen immer absurdere und unsinnigere Handlungen um einen Kapuzenträger zu entwickeln, hätte man durch die Verfilmung von Im Banne des Unheimlichen gleich scharenweise Männer im schauerlichen Ku-Klux-Klan-Look auftreten lassen können und hätte trotzdem recht werknah bleiben können. Natürlich wäre die Handlung sehr gestrafft und umgeschrieben wurden, zu einer großangelegten Schiffsentführung hätte das Budget wohl nicht gereicht, wohl aber für einen rücksichtslosen Raubüberfall auf einen Geldtransporter (mit dem Giftgas-Plot aus John Flack zum Beispiel), was dann alles in einer massenhaften Schießerei im Hauptquartier der vermummten Bösewichter geendet hätte. Da könnte man der Phantasie freien Lauf lassen....

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